Einführung in die Kommunikationswissenschaft PDF

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This document is lecture notes from a course on communication studies. It covers the topic of public opinion and the concept of public sphere in the context of modern communication. Concepts such as Habermas' theory of the public sphere, different types of public spheres (e.g., encounter, themes or assembly) are explored.

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Einführung in die Kommunikationswissenschaft Woche 4: Öffentlichkeit & öffentliche Meinung Chemnitz ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski www.tu-chemnitz.de Recap VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. Nov...

Einführung in die Kommunikationswissenschaft Woche 4: Öffentlichkeit & öffentliche Meinung Chemnitz ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski www.tu-chemnitz.de Recap VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 2 www.tu-chemnitz.de VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 3 www.tu-chemnitz.de Öffentlich und Öffentlichkeit: Begriffsbestimmung und Begriffsgeschichte VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 4 www.tu-chemnitz.de Begriffsgeschichte Ursprünglich nur als Adjektiv „öffentlich“ Publizität Unbeschränktheit von Kommunikation in einem Personenkreis Nur über die Verneinung des Gegenteils zu konkretisieren Begriff „Öffentlichkeit“ im deutschen Sprachraum ab dem 18. Jahrhundert Aufklärung/ Moderne Ziel der liberal-bürgerlichen Bewegung Öffentlichkeit als Prinzip gegenüber dem absoluten Staat durchzusetzen VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 5 www.tu-chemnitz.de Wandel zum sozial-räumlichen Begriff Im Zuge des Wandels der Gesellschaft zur modernen Massengesellschaft mit verschiedenen sozialen Gruppen Häufig Metapher eines Forums oder eines Netzwerks „Die Öffentlichkeit lässt sich am ehesten als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen beschreiben; dabei werden die Kommunikationsflüsse so gefiltert und synthetisiert, dass sie sich zu themenspezifisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten“ (Habermas, 1992, S. 436) „(Politische) Öffentlichkeit besteht aus einer Vielzahl von Kommunikationsforen, deren Zugang prinzipiell offen und nicht an Mitgliedschaftsbedingungen gebunden ist und in denen sich individuelle und kollektive Akteure vor einem breiten Publikum zu politischen Themen äußern. Das Produkt der Kommunikationen in der Öffentlichkeit bezeichnet man als öffentliche Meinung, die man von den aggregierten Individualmeinungen der Bürger unterscheiden kann“ (Gerhards, 1998, S. 694) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 6 www.tu-chemnitz.de Öffentlichkeit als normativer Begriff Öffentlichkeit als beschreibbare empirisches Phänomen, aber auch Öffentlichkeit als normatives Postulat auch der empirisch-analytischen Verwendung des Begriffs liegen zumeist normative Vorstellungen von Öffentlichkeit zugrunde! Öffentliches Kommunikationsforum Nicht institutionalisiert, trotzdem dauerhaft VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 7 www.tu-chemnitz.de Öffentlichkeit als Vermittlungsprozess Zwischen Gesellschaft und politischem System Zwischen sozialen Gruppen „Öffentlichkeit als intermediäres System konstituiert sich durch den Austausch von Informationen und Meinungen durch Personen, Gruppen und Organisationen; seine prinzipielle Offenheit (Zugangsoffenheit) gegenüber allen und potenziell allen Themen („Laienöffentlichkeit“) und die Möglichkeit zur Teilnahme im Kreis der Anwesenden als auch die Möglichkeit zur Teilhabe im Kreis der Abwesenden“ (Donges & Jarren, 2017, S. 77) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 8 www.tu-chemnitz.de Ebenen der Öffentlichkeit VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 9 www.tu-chemnitz.de Encounter-Ebene Spontane öffentliche Kommunikation auf der Straße, am Arbeitsplatz,... Jede(r) Teilnehmer*in kann Sprecher*in oder Publikum sein Meist räumlich, zeitlich und sozial beschränkt Fließender Übergang zwischen privater und öffentlicher Kommunikation VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 10 www.tu-chemnitz.de Themen- oder Versammlungsöffentlichkeit Versammlungen, Demonstrationen,.... Thematisch zentrierte Interaktions- und Handlungssysteme Können spontan entstehen oder einen hohen Organisationsgrad aufweisen Sprecher*innen, Vermittler*innen und Publikum wechseln weniger oft die Rollen Größere innere Stabilität als Encounter-Öffentlichkeit → kann beobachtet werden Kann daher auch zum Medienthema werden VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 11 www.tu-chemnitz.de Medienöffentlichkeit Stärkste Differenzierung zwischen Sprecher*innen, Vermittler*innen und Publikum Medien als Organisationen dauerhaft existent Dauerhaftes Publikum Bereitstellung und Herstellung durch spezialisierte Personen aufgrund spezifischer Berufsregeln Leitmedien, an denen sich andere Medien orientieren VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 12 www.tu-chemnitz.de Ebenen der Öffentlichkeit (Gerhards & Neidhardt, 1990) Quelle: Donges & Jarren, 2017, S. 86 VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 13 www.tu-chemnitz.de Akteure und Rollen in der Öffentlichkeit VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 14 www.tu-chemnitz.de Akteure vs. Publikum Akteure können zwischen Rollen wechseln Sprecher Vermittler Publikum Publikum bleibt immer Publikum „Das Publikum hingegen bleibt immer Publikum, da es als Kollektiv nicht strategisch handlungsfähig ist“ (Donges & Jarren, 2017, S. 87) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 15 www.tu-chemnitz.de Sprecher Angehörige kollektiver oder korporativer Akteure, die sich in der Öffentlichkeit zu Wort melden Dabei können sie sein (Donges & Jarren, 2017, S. 87) 1. Repräsentanten (Vertreter gesellschaftlicher Gruppierungen und Organisationen) 2. Advokaten (vertreten ohne politische Vertretungsmacht Interessen oder Gruppierungen) 3. Experten (wissenschaftlich-technische Sonderkompetenzen) 4. Intellektuelle (sozialmoralische Sinnfragen) 5. Kommentatoren (Journalisten, sowohl berichtend als auch mit eigener Meinung) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 16 www.tu-chemnitz.de Vermittler Insbesondere Journalist*innen Arbeiten in der überwiegenden Mehrzahl innerhalb von Organisationen Beobachten Öffentlichkeit auf allen Ebenen Greifen Themen auf und kommentieren diese VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 17 www.tu-chemnitz.de Publikum Adressat von Sprecher*innen und Vermittler*innen Diese konkurrieren um die Aufmerksamkeit des Publikums Erst durch die Anwesenheit von Publikum entsteht Öffentlichkeit „Allgemeine Merkmale des Publikums sind jedoch, 1) dass sich das Publikum vorwiegend aus Laien zusammensetzt, und zwar umso mehr, je größer das Publikum ist, 2) dass es sozial heterogen ist und einen 3) schwachen Organisationsgrad aufweist.“ (Donges & Jarren, 2017, S. 88) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 18 www.tu-chemnitz.de Öffentlichkeitstheorien VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 19 www.tu-chemnitz.de Funktionen von Öffentlichkeit „in dem Themen und Meinungen (A) gesammelt (Input), (B) verarbeitet (Throughput) und (C) weitergegeben (Output) werden“ (Neidhardt, 1994, S. 8) Normative Ansprüche an Öffentlichkeit: Transparenzfunktion: Input Validierungsfunktion: Throuhgput Orientierungsfunktion: Output Öffentlichkeitstheorien lassen sich nach ihren normativen Ansprüchen an Öffentlichkeit unterscheiden VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 20 www.tu-chemnitz.de Typen von Öffentlichkeitstheorien Theorieansätze Vergleichsdimension Liberales Deliberatives Partizipatorisches Paradigma Paradigma Paradigma Funktion von Öffentlichkeit Resonanzboden Selbstbindung Kontrolle Modi der Formen der Verschränkung Formen Instrumentalisierung repräsentativen gesellschaftlicher und direktdemokratischer bzw. Demokratie politischer republikanischer Demokratie Kommunikationsprozesse Öffentliche Meinung Mehrheitsmeinung Diskursiv ermittelter Summe der (Majoritätsprinzip) Konsens Einzelmeinungen Fokus der politischen Output Throughput Input Kommunikation (Zurechenbarkeit) (Prozeduralität) (Expressivität) (nach Martinsen, 2009) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 21 www.tu-chemnitz.de Öffentlichkeit als Spiegel der Selbstbeobachtung „Selbstbeobachtung und die Herstellung einer Selbstbeschreibung von Gesellschaft mittels Veröffentlichung von Themen“ (Donges & Jarren, 2017, S. 79) Systemtheorie Liberales Paradigma → Fokus auf den Output von Öffentlichkeit Normativer Anspruch: Transparenz (Input) und Orientierung (Output) Keine Aussagen über die diskursive Validierung (Throughput) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 22 www.tu-chemnitz.de 3 Minuten Pause VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 23 www.tu-chemnitz.de Diskursmodelle Jürgen Habermas „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1962) Deliberatives Paradigma der Öffentlichkeit Relevanz aller drei normativen Funktionen von Öffentlichkeit: Transparenzfunktion: Möglichkeit der Teilhabe am öffentlichen Diskurs als Grundrecht (Mitgliedschaftsrechte) Validierungsfunktion: Akteure handeln in der Öffentlichkeit kommunikativ Kommunikatives Handeln: zielt auf Verständigung ein Einverständnis Orientierungsfunktion: Enge Bindung an die öffentliche Meinung VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 24 www.tu-chemnitz.de Diskursmodelle – Strukturwandel der Öffentlichkeit (I) Sozialer Strukturwandel der Öffentlichkeit Idealtypische bürgerliche Öffentlichkeit von Salons und Debattierzirkeln Entgrenzung der Öffentlichkeit vom Bildungsbürgertum → Verlust des bildungsbürgerlichen Diskurshabitus kulturräsonierendes → kulturkonsumierendes Publikum Politischer Funktionswandel der Öffentlichkeit Versammlungsöffentlichkeit → massenmedial ‚hergestellte‘ Öffentlichkeit Vermachtung durch Staat, Parteien und organisierte Privatinteressen Verlust des herrschaftsfreien Diskurses VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 25 www.tu-chemnitz.de Diskursmodelle – Strukturwandel der Öffentlichkeit (II) Kurzum, meine Diagnose einer geradlinigen Entwicklung vom politisch aktiven zum privatistischen, vom kulturräsonierenden zum kulturkonsumierenden Publikum greift zu kurz. Die Resistenzfähigkeit und vor allem das kritische Potenzial eines in seinen kulturellen Gewohnheiten aus Klassenschranken hervortretenden, pluralistischen, nach innen weit differenzierten Massenpublikums habe ich seinerzeit zu pessimistisch beurteilt. (Habermas, 1990, S. 30) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 26 www.tu-chemnitz.de Liberales vs. diskursives Modell der Öffentlichkeit Liberales Modell Diskursives Modell Akteure & Kollektive Akteure Individuelle Akteure oder bürgernahe kollektive Akteursrepräsentanz Zugangschancen für alle Akteure/ Akteure der Zivilgesellschaft Abbildung der Akteurspräferenzen Dominanz der Akteure der Zivilgesellschaft Kommunikation in Alle Kommunikationen und Handlungen sind Kommunikation mit Bezug auf die anderen der Öffentlichkeit zugelassen bei gleichzeitigem Respekt vor Akteure Akteuren mit anderen Meinungen Kommunikation mit Begründungen Kommunikation auf einem hohen Rationalitätsniveau Resultate Öffentliche Meinung als kommunizierte Konsens oder argumentativ gestützte Mehrheitsmeinung bestimmt durch die Mehrheitsmeinung Aggregation der Individualkommunikationen Legitimität der Entscheidung Ausklammerung nicht-konsensfähiger Fragen Gemeinschaftsbildung durch Diskurs aus der Kommunikation (nach Gerhards, 1997, S. 12) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 27 www.tu-chemnitz.de Partizipative Modelle Fokus auf die Inputseite Können sich auch marginalisierte Gruppen einbringen und artikulieren? Fokus damit auch auf Gegenöffentlichkeiten „gegen eine hegemoniale Öffentlichkeit gerichtete Teilöffentlichkeit, die um einen spezifischen gesellschaftlichen Diskurs oder Standpunkt herum strukturiert ist“ (Krotz, 1998, S. 653) Kritik am Konzept der Gegenöffentlichkeit: setzt Existenz einer hegemonialen Öffentlichkeit voraus Möglicherweise eher verschiedene Teilöffentlichkeiten die dynamisch aufeinander reagieren (Scholl, 2009) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 28 www.tu-chemnitz.de Öffentliche Meinung VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 29 www.tu-chemnitz.de Kategorien öffentlicher Meinung (I) (Herbst, 1993) Aggregationsprinzip Öffentlichkeit als Masse von Individuen Öffentliche Meinung als Summe der Einzelmeinungen Umfragen, Wahlen Majoritätsprinzip Aufsummierung der Einzelmeinungen Mehrheitsmeinung VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 30 www.tu-chemnitz.de Kategorien öffentlicher Meinung (II) (Herbst, 1993) Diskurs- oder Konsensprinzip Ergebnis rationaler und kritischer Diskussion Projektonsprinzip Konstrukt, welches erst durch den Versuch es zu messen hergestellt wird Öffentliche Meinung als rhetorisches Instrument von Politikern VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 31 www.tu-chemnitz.de Träger öffentlicher Meinung: drei Konzepte (Donges & Jarren, 2017, S. 84) Medienkonzept Medien als Träger öffentlicher Meinung Veröffentlichte Meinung als öffentliche Meinung Elitenkonzept Das, was die politische Elite als relevant erachtet Demoskopiekonzept Das, was die Mehrzahl der (befragten) Bürgerinnen und Bürger als relevant erachtet VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 32 www.tu-chemnitz.de Öffentlichkeit und Internet VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 33 www.tu-chemnitz.de Gesellschaftsverändernde Kraft des Internet? The GII will not only be a metaphor for a functioning democracy, it will in fact promote the functioning of democracy by greatly enhancing the participation of citizens in decision- making. And it will greatly promote the ability of nations to cooperate with each other. I see a new Athenian Age of democracy forged in the fora the GII will create.“ (Gore, 1994, zit. nach Emmer & Wolling, 2010, S. 37) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 34 www.tu-chemnitz.de Enthusiastische Position (I) Starker positiver Einfluss Mehr Kommunikation der Bürger*innen untereinander Einfachere Kommunikation zwischen Bürger*innen und politischen Entscheidungsträge*innen „direkter Draht“ zwischen Bevölkerung und Politik Diskurstheoretisches Modell von Öffentlichkeit VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 35 www.tu-chemnitz.de Enthusiastische Position (II) Zwei Varianten der enthusiastischen Position Radikal plebiszitäre Variante Veränderung des politischen Systems Stärkung plebiszitärer Elemente ‚elektronischer Marktplatz‘ der Meinungen Gemäßigt deliberative Variante Stärkung der Partizipation in bestehenden Systemen VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 36 www.tu-chemnitz.de Skeptische Position Bestehende Barrieren sind sozialer Natur und können daher nicht durch eine Technologie (Internet) aufgehoben werden Weiterhin wichtige Rolle der Massenmedien „There is an extensive political life on the Net, but it is mostly an extension of political life off the Net“ (Margolis & Resnick, 2000, S. 14) Eher Orientierung am systemtheoretischen Spiegelmodell der Öffentlichkeit VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 37 www.tu-chemnitz.de Theoretische Positionen zur Öffentlichkeit des Internets Enthusiastische Position Skeptische Position Radikal plebiszitär Gemäßigt deliberativ Verhältnis zum politischen Umbau Stärkung Keine bis wenig System Veränderungen Theoretisches Modell von Stark diskurstheoretisch Eher diskurstheoretisch Eher systemtheoretisches Öffentlichkeit Spiegelmodell Fokus auf Inputseite (technischer Inputseite (technischer Outputseite Zugang) Zugang) (Anschlusskommunikation) Verhältnis zur ‚bisherigen‘ ‚zweite‘ Öffentlichkeit Erweiterung Öffentlichkeit Hilfsmittel für bisherige Öffentlichkeit Akteure Empirischer Bezugspunkt Sonderfälle des politischen Sonderfälle des politischen ‚Normalfall‘ des politischen Prozesses Prozesses Prozesses (nach Donges, 2000, S.258) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 38 www.tu-chemnitz.de Erosions-, Ausgleichs- und Normalisierungsthese (I) (Gibson et al. 2004; Ward & Gibson 2009) Erosionsthese Medienwandel führt zu einer Erosion der bestehenden Strukturen Formen der repräsentativen Demokratie werden durch direkte Demokratie ersetzt Ausgleichsthese Schnelle, kostengünstige und gezielte Kommunikationsmöglichkeiten Schwächere Akteure in der Öffentlichkeit können leichter die Aufmerksamkeit des Publikums erlangen Ausgleich VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 39 www.tu-chemnitz.de Erosions-, Ausgleichs- und Normalisierungsthese (I) (Gibson et al. 2004; Ward und Gibson 2009) Normalisierungsthese Stärkung schwächerer Akteure nur kurzfristig Stärkere ziehen wieder nach „politics as usual“ (Margolis & Resnick, 2000) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 40 www.tu-chemnitz.de Empirische Evidenz Neue Formen der Vernetzung politischer Akteure (→ Ausgleichsthese) Akteure sozialer Bewegungen können profitieren (Van Laer & Van Aelst, 2009) Zumindest in Teilbereichen Chance, weniger politisch interessierte zu erreichen und zu mobilisieren Belege für Normalisierungsthese Weiterhin bekommen die etablierten Organisationen die meiste Aufmerksamkeit (Merry, 2011; Nitschke et al., 2016; Thrall et al., 2014) Netzöffentlichkeit ist nicht demokratischer oder vielfältiger als die Medienöffentlichkeit (Gerhards & Schäfer, 2007; Rucht et al., 2008) VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 41 www.tu-chemnitz.de Vielen Dank für die Aufmerksamkeit & bis nächste Woche! VL Einführung in die Kommunikationswissenschaft ∙ 14. November 2024 ∙ Prof. Dr. Veronika Karnowski 42 www.tu-chemnitz.de Literatur (I) Donges, P. & Jarren, O. (2017). Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Springer. Donges, P. (2000). Technische Möglichkeiten und soziale Schranken elektronischer Öffentlichkeit: Positionen zur elektronischen Öffentlichkeit und ihr Bezug zu Öffentlichkeitsmodellen. In O. Jarren, K. Imhof & R. Blum (Hrsg.), Zerfall der Öffentlichkeit? (S. 255–265). Westdeutscher Verlag. Emmer, M. & Wolling, J. (2010). Online-Kommunikation und politische Öffentlichkeit. In W. Schweiger & K. Beck (Hrsg.), Handbuch Online-Kommunikation (S. 36-58). VS Verlag für Sozialwissenschaften. Gerhards, J. & Neidhardt, F. (1990). Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit. Fragestellung und Ansätze. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Gerhards, J., & Schäfer, M. S. (2007). Demokratische Internet-Öffentlichkeit? Ein Vergleich der öffentlichen Kommunikation i m Internet und in den Printmedien am Beispiel der Humangenomforschung. Publizistik, 52(2), 210–228. Gerhards, J. (1997). 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Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Suhrkamp. Herbst, S. (1993). The meanings of public opinion citizens’ constructions of political reality. Media, Culture & Society, 15(4), 437–454. Krotz, F. (1998). Gegenöffentlichkeit. In O. Jarren, U. Sarcinelli & U. Saxer (Hrsg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil (S. 653–654). Westdeutscher Verlag. Margolis, M. & Resnick, D. (2000). Politics as Usual The Cyberspace ‘Revolution’. Sage. Martinsen, R. (2009). Öffentlichkeit in der ‚Mediendemokratie‘. In F. Marcinkowski & B. Pfetsch (Hrsg.), Politik in der Mediendemokratie. (S. 37–69). VS Verlag für Sozialwissenschaften. Merry, M. K. (2011). Interest Group Activism on the Web: The Case of Environmental Organizations. Journal of Information Technology & Politics, 8(1), 110–128. Neidhardt, F. (1994). Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. In F. 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