Institut Ernährung, Konsum und Gesundheit - B.A. SOZIOLOGIE

Summary

These lecture notes from the B.A. Social Science program provide an introduction to economic sociology, focusing on labor markets from both economic and sociological perspectives. The notes cover topics including the history of labor markets, the characteristics of labor as a commodity, and the role of information and preferences in shaping labor market outcomes.

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B.A. SOZIOLOGIE: MODUL "GEGENSTANDSBEZOGENE SOZIOLOGIEN“ EINFÜHRUNG IN DIE WIRTSCHAFTSSOZIOLOGIE SITZUNG 7: ARBEITSMÄRKTE aktuell: digitale Veranstaltung PROF. DR. NATASCHA NISIC Wiederholung letzte und vorletzte Sitzung Merkmale von Märkten Markttheorien...

B.A. SOZIOLOGIE: MODUL "GEGENSTANDSBEZOGENE SOZIOLOGIEN“ EINFÜHRUNG IN DIE WIRTSCHAFTSSOZIOLOGIE SITZUNG 7: ARBEITSMÄRKTE aktuell: digitale Veranstaltung PROF. DR. NATASCHA NISIC Wiederholung letzte und vorletzte Sitzung Merkmale von Märkten Markttheorien Soziologische Markttheorien → kontrastierend zu neoklassischer ökonomischer Marktkonzeption Unternehmen als zentrale wirtschaftliche Institutionen Heute: → Arbeitsmarkt als besonderer Markt → Arbeitsbeziehungen → aus soziologischer und ökonomischer Perspektive 2 Inhalt Arbeitsmärkte – ökonomisch und soziologisch betrachtet Arbeitsmärkte in der Geschichte Besonderheiten der „Ware“ Arbeitskraft Rekapitulation: Neoklassische Perspektive Erweiterte ökonomische Ansätze Soziologische Perspektiven 3 Arbeitsmärkte Neoklassische Ökonomik: drei Soziologie: Arbeitsmarkt ist soziale und (abstrakte) Teilmärkte institutionell eingebettet − Geld-, Güter-, Arbeitsmarkt − Ware Arbeit ist „besondere“ Ware − Identische Funktionsweise, einheitliche − Wechselwirkungen mit anderen Modelle − Ziel: Erklärung von Makrostrukturen gesellschaftlichen Bereichen (Normen, → Arbeitsmarkt funktioniert trotz Rechtsystem, Herrschaft, Geschlecht) sozialer und institutioneller → funktioniert nicht wie „normaler Markt“ Determinanten wie jeder andere → Arbeitsmarkt als „soziale Markt Ungleichheitsmaschine“ → Abweichungen führen zu → Analyse des Marktes durch Analyse der theoretischen strukturellen und institutionellen Weiterentwicklungen Mechanismen der gesell. Arbeitsverteilung Arbeitsmärkte in der Geschichte Früheste Arbeitsmärkte ab 13/14 Jh. − Kleine Gruppen von Männern bieten auf öffentlichen Plätzen ihre Dienste an Industrielle Revolution − Verlagerung und Überwachung der Produktion in Fabriken − Armut und Arbeitslosigkeit entsteht − Entstehung firmeninterner Arbeitsmärkte (Beförderung, Personalabteilung ab 20 Jh.) − Kategorisierung nach Beschäftigungsart Arbeitsmärkte heute − Nicht auf Arbeitsmärkten: Unbezahlte ehrenamtliche Arbeit, Haushalts- und Sorgearbeit → Sitzung zu Haushaltsökonomie und Sorgearbeit − berufliche Arbeitsmärkte: Regulierung von Anzahl der Beschäftigten, Qualität und Bezahlung der Dienstleistungen − Vermittlung über Anzeigen, Vermittlungsbüros und Beziehungen 5 Besonderheiten der „Ware“ Arbeitskraft Karl Marx: Arbeitskraft nimmt im Kapitalismus die Form einer Ware an Karl Polanyi: Arbeit ist „fiktive“ Ware: gehört zum Leben und wird nicht zum Verkauf erzeugt Nicht Arbeit als Gut, wird getauscht, sondern Arbeitnehmer verkaufen Verfügungsrechte über Arbeitskraft an Arbeitgeber→ Begründung eines Autoritätsverhältnisses Gesetzliche und vertraglicher Beschränkung der Verfügungsrechte Kompensation: Lohn, nicht-monetäre Leistungen 6 Rekapitulation: Neoklassische Perspektive Annahme bezogen auf Arbeitsmarkt Rationale, vollständig informierte Arbeitnehmer maximieren ihren Nutzen (Einkommen vs. Freizeit), Akteure Unternehmer maximieren Gewinn viele Anbieter und Nachfrager, Viele Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen vollständige Konkurrenz Homogenität, Teilbarkeit von alle Arbeitskräfte sind bezüglich Fähigkeiten und Leistung gleich, Gütern beliebig hohe Anteile einer vollen Arbeitskraft sind einkaufbar Preise sind vollkommen flexibel Löhne sind vollkommen flexibel: Änderung von Angebot und Nachfrage schlägt sich unmittelbar in Preisen/Löhnen nieder. keine Präferenz für Tauschpartner Keine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt Simultaner Tausch, keine keine institutionellen und kulturellen Beschränkungen, keine Transaktionskosten Transaktionskosten: Arbeitnehmer sind vollkommen mobil Unter diesen Annahmen: - Angebotenes Arbeitsvolumen entspricht der nachgefragten Menge - Gehandelte Güter räumen den Gütermarkt - Geldmarkt ausgeglichen → Keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit → Entlohnung nach Produktivität (=Menge produzierte Güter und Dienstleistungen pro Zeiteinheit), alle erhalten gleichen Lohn (Homogenität der Arbeitskräfte) Ökonomische und soziologische Ansätze Ökonomik 1. Rolle von Information und Präferenzen 2. Rolle von Qualifikation und Wissen Soziologie: 1. Rolle von Macht 2. Rolle von Institutionen 3. Soziale Netzwerke Erweiterte Modelle: die Rolle von Informationen Aufweichung der Annahme vollständiger Information: asymmetrische Information 1. Unvollständige Information vor Abschluss des Arbeitsverhältnisses: Unsicherheit über die Fähigkeiten der Arbeitnehmer, Unsicherheit über Eigenschaften der Arbeitgeber − Beeinträchtigt das Matching von Arbeitgeber und Arbeitnehmer − Es entstehen Suchkosten (Zeit, Geld, andere Ressourcen) Ableitungen und Vorhersagen: Je höher Suchkosten, desto kürzer Suchdauer und geringer akzeptiertes Lohnniveau Determinanten von Suchkosten: entgangener Lohn und staatliche Transferzahlungen Freiwillige Arbeitslosigkeit aufgrund von Suche ist effizient Mismatch: Kündigungen und Entlassungen durch unvollständige Informationen, aber zunehmende Bleibewahrscheinlichkeit mit Dauer des Arbeitsverhältnisses Such und Matchingtheorien: Analyse der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt 9 Erweiterte Modelle: die Rolle von Informationen Aufweichung der Annahme vollständiger Information 2. Unvollständige Information nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses; ex post Unsicherheit durch Shirking/Opportunismus: Nutzenmaximierung auf Kosten des Partners nach Vertragsabschluss → Vorteile des Tauschs für beide nicht erreicht − Arbeitnehmer: Zurückhaltung der Leistung, mangelnde Kooperation, Krankmachen → schwierige hh Überwachung durch Arbeitgeber − Arbeitgeber: Nichteinhaltung von Arbeitsschutz, Versprechen auf langfristige Beschäftigung, Weiterbildung etc., Erfolgsbeteiligung → Anreize zu opportunistischem Verhalten durch implizite Vereinbarungen, da kaum einklagbar „Lösungen“ und Ableitungen: → Effiziente Vertragsgestaltung: Principal-Agent Theorie → Effizienzlohnmodelle: Lohn über Marktniveau; Nebeneffekt: Arbeitslosigkeit → Senioritätslöhne: Umverteilung der Löhne über Lebensarbeitszeit/Karriere → Soziologie: langfristige Austauschbeziehungen 10 Erweiterte Modelle: die Rolle von Präferenzen Annahme neoklassisches Basismodell: Arbeitnehmer sind nur Arbeit und Freizeit interessiert - Geringerer Lohn→ mehr Arbeitszeit; höherer Lohn→ geringere Arbeitszeit Soziale Situation beeinflusst Arbeitsleistung, Arbeitsangebot und Präferenzen Fair wage Modelle: Vorstellung über gerechten Lohn beeinflussen Arbeitsleistung und Arbeitsangebot→ ineffiziente Arbeitslosigkeit Reziprozitätsnormen: Arbeitsverhältnisse als Austausch von Geschenken: Tausch von „gerechtem Lohn“ gegen „höhere Arbeitsleistung“ Rolle von sozialem Vergleich: Schulbildung, Beruf, Geschlecht, Familienstatus Statusprozesse Insgesamt jedoch bislang zu geringe Beachtung von Normen, Status und Gerechtigkeit 11 Erweiterte Modelle: die Rolle von Qualifikation und Wissen Aufweichung der Annahme der Homogenität von Arbeitskräften, d.h. keine Unterschiede nach Produktivität auf einem Arbeitsplatz Gary Becker: Humankapitaltheorie − Annahme: Produktivität ist abhängig von Wissen und Fähigkeiten; diese müssen von Arbeitnehmer*innen unter Kosten erworben werden. Kosten: Zeit und Geld (Ausbildungskosten + entgangener Lohn) − Abwägung von Kosten gegenüber „Verwertungschancen“ (Rendite) − Determinanten der Rendite: Erwerbsunterbrechungen und Diskriminierung Sozialer Ungleichheit, Beschäftigungsstabilität und -mobilität auf dem Arbeitsmarkt Geschlechtsspezifischen Ungleichheiten: Frauen antizipieren Erziehungszeit und investieren weniger in Bildung oder wählen Berufe, in denen Ausfallzeiten geringere Rolle spielen. Diskriminierung: Erklärung von unterschiedlichen Bildungsinvestitionen bei Migrant*innen Rolle von betriebsspezifischem und allgemeinem Humankapital für Beschäftigungsstabilität, Weiterbildung und die berufliche Mobilität 12 Erweiterte Modelle: die Rolle von Qualifikation und Wissen Aufweichung der Annahme der Homogenität von Arbeitskräften, d.h. keine Unterschiede nach Produktivität auf einem Arbeitsplatz Kritik: Annahme vollständiger Information, perfekter Märkte → Signaling-Theorie: Bildung als Signal und nicht direkte Abbildung der Produktivität: Bedeutung von „Bildungszertifikaten“ Kritik: Markt ohne Machtdifferenzen 13 Soziologische Ansätze: Macht Macht: eine Seite kann die Handlungsmöglichkeiten der anderen Seite bestimmen Quellen von Macht: Klassenunterschiede (Marx) − Alternativlosigkeit der Existenzsicherung durch Arbeit ermöglicht Ausbeutung − Differenzierung der Interessenlagen innerhalb der Arbeiter*innen nach Fähigkeiten („skills“) und Leitungsfunktion („authority“) (Erik Olin Wright 1997) Monopolstellungen auf dem Arbeitsmarkt − Erwirtschaftung von Monopolrenten − Aufbau von Gegenmacht durch kollektive Interessenvertretung (z.B. Gewerkschaften) − Arbeitsmarktsegmentation innerhalb von Betrieben: Stamm- und Randbelegschaft − Duale Ökonomie: Segmentation in Kernsektor und Peripherie→primäres und sekundäres Arbeitsmarktsegment Prozesse sozialer Zuschreibung und Stereotype Z.B. aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Alter etc. 14 Soziologische Ansätze: Institutionen Institutionen als Ergebnis von politischen Auseinandersetzungen zur formalen Regelung des Austauschs auf dem Arbeitsmarkt Zentrale Institutionen des deutschen Arbeitsmarkts: - Tarifautonomie und Flächentarifverträge - Mindestlöhne, Lohnersatzleistungen, Ausbildungsgänge, Ruhestandsregelungen, Elternzeitzahlungen → Beschränkung des Marktmechanismus → Einfluss gesellschaftlicher Wertvorstellungen Schulbildungs- und Ausbildungssystem − Bedeutung von Standardisierung und Stratifizierung Informelle Institutionen - Allgemeine Verhaltensregeln am Arbeitsplatz - Betriebliche Entlohungsschemata und Aufstiegsregeln → Enge Verknüpfung und Verzahnung der Institutionen→ Wohlfahrtsstaatsypen 15 Soziologische Ansätze: Soziale Netzwerke Aufweichung der Annahme anonymer Marktteilnehmer: Das Geflecht von sozialen Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern beeinflussen die Tauschbeziehungen auf dem Arbeitsmarkt Sozialkapital - individuelle und kollektive Ressourcen, die aus sozialen Beziehungen und ihrer Struktur resultieren gegenseitige Umwandlung verschiedener Kapitalarten Überwindung von Informations- und Opportunismusproblemen Unterstützungsleistungen durch Reziprozitätsbeziehungen Determinanten: Qualität der Beziehungen (informelle/formale Kontakte) – Mark Granovetter Struktur des Netzwerkes: Existenz strukturelle Löcher – Ronald Burt Netzwerkposition: Abhängigkeit/Autonomie, sozialer Einfluss Negative oder positive Beziehungen (Kooperation/Konkurrenz) → Je nach Struktur und Situation können Netzwerke mehr oder weniger vorteilhaft sein 16 Das sollten Sie können… Gegenüberstellung der ökonomischen und soziologischen Perspektive Merkmale der „besonderen Ware“ Arbeitskraft Ökonomische Erweiterungen: Kritik an den Annahmen der neoklassischen Theorie benennen und erläutern − im Hinblick auf Rolle von Informationen und Präferenzen − Im Hinblick auf die Rolle von Qualifikationen und Wissen Soziologische Ansätze: Wesentliche Aspekte erläutern im Zusammenhang mit der Rolle von - Macht - Institutionen - Sozialen Netzwerken → für die Erklärung von Arbeitsmarktphänomenen und Arbeitsbeziehungen 17 Literatur Akerlof, G. A., & Yellen, J. L. (1990). The fair wage-effort hypothesis and unemployment. The Quarterly Journal of Economics, 105(2), 255-283. Averitt, R. T. (1968). The dual economy: The dynamics of American industry structure. WW Norton. Becker, G. S. (1962). Investment in human capital: A theoretical analysis. Journal of political economy, 70(5, Part 2), 9-49. Burt, R. S. (1992): Structural holes: The social structure of competition. Harvard university press. Frank, R. H. (1985): Choosing the right pond: Human behavior and the quest for status. Oxford University Press. Granovetter, M. (1973): The strength of weak ties. American journal of sociology, 78(6), 1360-1380. Granovetter, M. (1973): Getting a Job. A Study of Contacts and Careers. Chicago. *Hinz, T., & Abraham, M. (2008): Theorien des Arbeitsmarktes: Ein Überblick. In: Arbeitsmarktsoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 9-76. Sengenberger, W. (1978). Der gespaltene Arbeitsmarkt. Probleme der Arbeitsmarktsegmentation, Frankfurt/New York. *Swedberg, R. (2003): Grundlagen der Wirtschaftssoziologie. Hrsg. und eingeleitet v. Andrea Maurer. Amerik. Orig. S.178-180 Wright, E. O. (1997). Class counts: Comparative studies in class analysis. Cambridge University Press. * zur Nachbearbeitung empfohlen 18

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