Zusammenfassung Römisches Recht PDF

Summary

Diese Zusammenfassung fasst das römische Recht zusammen, beginnend mit dem Personen- und Sachenrecht und gefolgt vom Schuld- und Erbrecht. Es werden auch die Methodik und die Entwicklung des römischen Rechts, sowie die Verfassungsgeschichte des Römischen Reiches, beschrieben.

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HAUSMANINGER Zusammenfassung 1. Personenrecht (Statuslehre) Das Personenrecht umfasst die Rechtsstellung der Individuen und die Klassifikationen von Personen nach ihrem Status im römischen Recht. Die Statuslehre unterscheidet zwischen den grundlegenden Rechten und Pflichten, die eine Person durch i...

HAUSMANINGER Zusammenfassung 1. Personenrecht (Statuslehre) Das Personenrecht umfasst die Rechtsstellung der Individuen und die Klassifikationen von Personen nach ihrem Status im römischen Recht. Die Statuslehre unterscheidet zwischen den grundlegenden Rechten und Pflichten, die eine Person durch ihre rechtliche Stellung erlangt oder verliert. Die wesentlichen Statusarten umfassen: - Status Libertatis: Differenziert zwischen Freien und Sklaven, wobei Sklaven als Eigentum ihrer Herren galten und keine eigenen Rechte hatten. Die Freien wurden weiter in Bürger (cives), Latiner (latini) und Ausländer (peregrini) unterschieden, wobei jeder Status unterschiedliche Rechte und Pflichten mit sich brachte. - Status Civitatis: Unterscheidet die römischen Bürgerrechte, die im republikanischen und später im kaiserlichen Rom eine zentrale Rolle spielten. Das Bürgerrecht (civitas) war mit Privilegien verbunden, wie dem ius suffragii (Wahlrecht) und dem ius honorum (Zugangsrecht zu Ämtern). - Status Familiae: Bezieht sich auf die rechtliche Stellung innerhalb der Familie. Die patria potestas gab dem Familienvater (pater familias) umfassende Macht über Familienangehörige und deren Vermögen. Frauen waren meist unter der Vormundschaft eines männlichen Familienmitglieds. 2. Sachenrecht (Recht an körperlichen Dingen) Das Sachenrecht behandelt das Eigentum und andere dingliche Rechte an Sachen und bildet einen der zentralen Bereiche des römischen Privatrechts. Es ist besonders durch das Eigentumsrecht und das Recht der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Dienstbarkeiten) geprägt. - Eigentum (Dominium/proprietas): Eigentum war das umfassendste dingliche Recht, das der Besitzer an einer Sache haben konnte. Das römische Recht unterschied zwischen zivilem Eigentum (dominium ex iure Quiritium) und prätorischem Besitz. Das Eigentum konnte durch verschiedene Erwerbsarten wie die occupatio (Aneignung herrenloser Sachen), die usucapio (Ersitzung) und die mancipatio (förmlicher Erwerb) erlangt werden. - Besitz (Possessio): Besitz ist die faktische Herrschaft über eine Sache und nicht notwendigerweise mit Eigentum verbunden. Der Besitzschutz war im römischen Recht stark ausgeprägt, um den sozialen Frieden zu wahren. Die Interdikte (Rechtsmittel des Prätors) boten dem Besitzer Schutz vor Besitzstörungen. - Dienstbarkeiten (Servitutes): Dienstbarkeiten sind beschränkte dingliche Rechte, die dem Berechtigten erlauben, die Sache eines anderen in bestimmter Weise zu nutzen. Diese konnten persönlicher Natur sein (z. B. Wohnrecht) oder an Grundstücken bestehen (z. B. Wegerecht). 3. Schuldrecht (Obligationenrecht) Das Schuldrecht beschäftigt sich mit Verpflichtungen, die zwischen zwei Parteien bestehen können und durch Verträge, Delikte oder sonstige Verpflichtungsgründe entstehen. - Vertragsrecht (Obligationes ex contractu): Das römische Vertragsrecht unterscheidet zwischen unterschiedlichen Vertragstypen, die jeweils spezifischen Formvorschriften und Bedingungen unterliegen. Zu den Hauptverträgen gehören der Kaufvertrag (emptio venditio), der Mietvertrag (locatio conductio) und der Werkvertrag. Besonders der Konsensualvertrag (auf bloßer Einigung beruhend) spielte eine wichtige Rolle und legte die Grundlage für die Prinzipien moderner Vertragsfreiheit. - Deliktsrecht (Obligationes ex delicto): Im römischen Recht gibt es verschiedene deliktische Verpflichtungen. Das bedeutendste Delikt war der Diebstahl (furtum), der sowohl eine strafrechtliche als auch zivilrechtliche Verfolgung nach sich ziehen konnte. Andere Delikte waren der Raub (rapina), die Sachbeschädigung (damnum iniuria datum) und die Beleidigung (iniuria). - Quasikontrakte und Quasidelikte: Das römische Recht erkannte neben Verträgen und Delikten auch andere Verpflichtungsgründe an, wie die Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) und die ungerechtfertigte Bereicherung (condictio sine causa). Diese bildeten die Vorläufer des modernen Bereicherungsrechts. 4. Erbrecht (Successionsrecht) Das römische Erbrecht regelt den Übergang des Vermögens einer Person nach ihrem Tod und umfasst sowohl die gesetzliche als auch die testamentarische Erbfolge. - Testament und Erbeinsetzung: Das römische Testament (testamentum) war ein feierlicher Akt und erforderte eine spezielle Form, um rechtswirksam zu sein. Ein römischer Bürger konnte durch das Testament Erben einsetzen (heres) und über sein Vermögen nach dem Tod verfügen. Fehlte ein Testament, trat die gesetzliche Erbfolge ein. - Gesetzliche Erbfolge: In Abwesenheit eines gültigen Testaments regelte die gesetzliche Erbfolge den Vermögensübergang. Dabei kamen zuerst die agnatischen Verwandten (über die väterliche Linie) zum Zug. Später wurde die kognatische Erbfolge (über die Blutsverwandtschaft) eingeführt, wodurch auch Verwandte mütterlicherseits erbberechtigt wurden. - Fideikommiss und Vermächtnisse (Legate): Der Fideikommiss war ein Vermächtnis, das nicht strengen Rechtsformen unterlag und es dem Erblasser erlaubte, Anweisungen an den Erben zu hinterlassen. Diese Instrumente dienten dazu, bestimmte Vermögenswerte oder Pflichten an Dritte zu übertragen, die nicht als Erben eingesetzt waren. 5. Methodik und Entwicklung des römischen Rechts Die Entwicklung und Systematisierung des römischen Rechts zeigt sich in der kontinuierlichen Arbeit der römischen Juristen und dem Einfluss der römischen Rechtsprechung und Gesetzgebung: - Die Rolle der Juristen und der Prätoren: Die römischen Juristen trugen durch ihre Rechtsgutachten und Schriften maßgeblich zur Weiterentwicklung des Rechts bei. Der Prätor, ein hoher Beamter, spielte eine Schlüsselrolle, indem er auf Einzelfälle reagierte und durch prätorische Edikte flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen einging. - Die Digesten und Institutionen: Kaiser Justinian ließ im 6. Jahrhundert n. Chr. das gesamte römische Recht in einem Werk, dem Corpus Iuris Civilis, kodifizieren. Die Digesten sammelten juristische Meinungen und bildeten eine systematische Grundlage für das spätere europäische Recht. Die Institutionen hingegen waren eine juristische Einführung und ein grundlegendes Lehrbuch für Rechtsstudien. Die römische Verfassungsgeschichte Die römische Verfassungsgeschichte ist geprägt von einer stetigen Wandlung der Machtstrukturen und Institutionen, die sich in vier zentrale Phasen gliedert: die Königszeit, die Republik, das Prinzipat und das Dominat. Jede Epoche brachte spezifische politische und soziale Entwicklungen, die das römische Regierungssystem nachhaltig formten. 1. Königszeit (ca. 753–509 v. Chr.) Die Königszeit markiert die Frühzeit Roms, in der die Stadt von einer Reihe von Königen regiert wurde. In dieser Periode war Rom ein monarchisch strukturiertes Stadtstaatengebilde, und die Macht war stark zentralisiert. Die Verfassung war unausgereift und bestand aus einfachen, vor allem mündlich überlieferten Regeln. Die Herrschaft der Könige (rex) stützte sich auf das Konzept der imperium – eine Form der absoluten militärischen und zivilen Macht. Der König war jedoch nicht alleinige Entscheidungsinstanz, sondern wurde von einem Senat, einem Rat der Ältesten, unterstützt, der vor allem die führenden Familien Roms vertrat. Der römische König verband in seiner Person die Funktion des obersten Priesteramtes mit dem militärischen Oberbefehl und der politischen Staatsführung. Das Königsamt war nicht erblich. Das Amt wurde vorwiegend von etruskischen Adelsgeschlechtern dominiert. Die Häupter dieser aristokratischen gentes bildeten den Ältestenrat (senatus) als Beratungsorgan des Königs. Ein wichtiges Element war die comitia curiata, die Volksversammlung der römischen Kurien (Verwaltungseinheiten), die für religiöse und rechtliche Entscheidungen zuständig war. Die römische Gesellschaft teilte sich in die adligen Patrizier und die Plebejer. Diese Unterscheidung prägte später maßgeblich die politischen Konflikte der Republik. Die Königszeit endete mit der Vertreibung des letzten Königs, Tarquinius Superbus, und der Gründung der Republik. 2. Republik (ca. 509–27 v. Chr.) Die römische Republik war gekennzeichnet durch eine komplexe Mischverfassung mit Elementen aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie. Die Macht wurde nun zwischen verschiedenen Ämtern und Institutionen aufgeteilt, um die Entstehung einer neuen Monarchie zu verhindern. Wichtige politische Strukturen und Machtorgane der Republik waren: - Magistrate: Die höchsten Amtsträger waren die Konsuln, die jährlich gewählt wurden und das imperium gemeinsam ausübten. Zwei Konsuln standen an der Spitze des Staates. Ihre Machtbefugnisse knüpfen an der Königsgewalt an. Weitere wichtige Ämter waren die Prätoren (Rechtsaufsicht), Ädilen (Polizei- und Marktaufsicht bzw. Soielveranstalter), Quästoren (Staatskasse/Finanzverwaltung) und Zensoren (Sittengerichtsbarkeit, Vermögensschätzung, Steuereintreibung). Die Prätur wurde 367 v. Chr. als neue Magistratur eingerichtet, um die Konsuln zu entlasten. Der Prätor wurde für die ordentliche Zivilrechtspflege zuständig. Die Ämter waren auf ein Jahr (Prinzip der Annuität) begrenzt und unterlagen dem Prinzip der Kollegialität (als Bedürfnis der Machtbeschränkung), das die gemeinsame Entscheidungsfindung sicherstellen sollte. - Senat: Der Senat war das mächtigste Organ der Republik. Er setzte sich aus ehemaligen Magistraten zusammen und hatte beratende Funktion in allen wichtigen Fragen, von der Außenpolitik bis zur Finanzverwaltung. Seine Beschlüsse hatten zwar formal keine Gesetzeskraft, galten aber als bindend. De iure konnte der Senat nur empfehlen, seine Ratschläge stellten jedoch de facto die wichtigsten politischen Entscheidungen dar. - Volksversammlungen: Die republikanische Verfassung kannte drei Formen von Volksversammlungen. Die comitia centuriata (Zenturiatsversammlung) und die comitia tributa (Stammesversammlung) sowie das concilium plebis (Versammlung der Plebejer) ermöglichten es den römischen Bürgern, über Gesetze abzustimmen und Magistrate zu wählen. Die comitia curiata war die älteste Volksversammlung im antiken Rom und bestand aus Vertretern der ursprünglich 30 Kurien (Verwaltungseinheiten der römischen Bevölkerung). Sie hatte vor allem religiöse und zeremonielle Aufgaben und war zuständig für die Bestätigung von Machtbefugnissen (imperium) der höchsten Amtsträger, die Verabschiedung von Gesetzen und die Entscheidung über familienrechtliche Angelegenheiten. In der späteren Republik verlor sie jedoch an Bedeutung gegenüber den jüngeren Volksversammlungen (comitia centuriata und comitia tributa). o Die comitia centuriata war militärisch organisiert und durch ein Zensuswahlrecht geprägt, wodurch vermögendere Bürger mehr Einfluss hatten. Sie reicht in die Kaiserzeit zurück und entspricht der ältesten Gliederung des römischen Heeres in 30 Kurien. Aufgaben waren nur mehr auf zwei Privatrechtsakte beschränkt: Annahme an Sohnes statt, Erbeinsetzung o Die comitia centuriata: das in Zenturien auf dem Marchfeld angetretene Volk bildete den politischen Abstimmungskörper für die wichtigsten politischen Entscheidungen (Krieg, Verurteilung von Schwerverbrechern, Gesetzesbeschlüsse). Die Reichsten (Reiter und 1.Klasse Fußvolk) hatten jedoch schon über die Hälfte der Stimmen. o Die comitia tributa: Wahl niedriger Magistrate (Ädilen, Quästoren). Das Komitialverfahren wurde in allen Stadien durch den Magistrat (meist Konsul) beherrscht. Er berief die Volksversammlung in der jeweils gebotenen Gliederung ein, stellte dort Anträge, leitete die Abstimmung und verkündete das Ergebnis. Die Republik wurde von einer Serie innerer Konflikte geprägt, insbesondere durch die Auseinandersetzungen zwischen Patriziern (Grundadel) und Plebejern (städtische Unterschicht), die in den Ständekämpfen kulminierten. Die Plebejer kämpften für politische Teilhabe und soziale Gleichstellung, was schließlich zur Schaffung des Amtes der Volkstribunen führte. Diese Vertreter hatten das Recht, Gesetzesvorhaben zu blockieren (Interzessionsrecht) und waren unantastbar. In der späten Republik führten das Wachstum des Imperiums, Korruption und der Machtzuwachs einzelner Generäle zu Bürgerkriegen, die schließlich mit dem Aufstieg Caesars und dem Übergang zum Prinzipat endeten. Der Erwerb Siziliens und Afrikas ruinierte durch billige Getreideimporte den römischen Bauernstand. Der Ruf nach einem „starken Mann“ führte zu Diktatur Gaius Julius Cäsars. Der Volkstribunat ist als internes Führungsorgan der plebs entstanden. Versammlungen der plebs (concilia plebs) wählten jährlich zwei, später zehn tribuni plebis als ständige politische Interessensvertreter gegenüber der patrizischen Staatsführung. Diese Volkstribunen beanspruchten ein ius auxilii, das Recht, Plebejer gegen Übergriffe von Staatsorganen in Schutz zu nehmen, insbesondere durch Ausübung eines ius intercedendi (Interzession, Dazwischentreten zwecks Verhinderung einer Amtshandlung). Das Volkstribunat war ein Amt im antiken Rom, das den Plebejern politische Vertretung und Schutz vor den Entscheidungen der patrizischen Magistrate bot. Die Volkstribune, die jährlich gewählt wurden und unantastbar waren, hatten das Interzessionsrecht, womit sie Beschlüsse der Magistrate und des Senats durch Veto blockieren konnten. Sie waren ursprünglich dazu bestimmt, die Interessen der Plebejer zu wahren und trugen entscheidend zur Machtbalance im römischen Staat bei. 3. Prinzipat (27 v. Chr.–284 n. Chr.) Das Prinzipat begründete eine neue Herrschaftsform, die als verdeckte Monarchie oder als "verfassungsmäßige Monarchie" beschrieben werden kann. Augustus, der erste römische Kaiser, führte ein System ein, das formal die republikanischen Strukturen bewahrte, während er die zentrale Macht faktisch auf seine Person konzentrierte. Cäsars Großneffe und Adoptivsohn Octavianus ließ sich vom Senat 27 v. CHR den Titel Augustus (der Erhabene) verleihen und begründete die neue Regierungsform den sog Prinzipat. Schließlich erhielt Augustus durch Gesetz ein lebenslängliches Imperium, das ihm in der Reichsverwaltung eine Oberaufsicht über die vom Senat verwalteten und befriedeten Provinzen auch in der Zivilverwaltung ermöglichte. Oktavian suchte den Charakter seiner Herrschaft zu verhüllen, er gab sich als Privatmann außerhalb des Staatsmechanismus, als selbstloser Treuhänder und Schützer der republikanischen Ordnung. Tatsächlich herrschte Augustus als absoluter Monarch. Republikanische Fassade und Titel des princeps: Augustus nannte sich princeps (Erster Bürger) und erhielt formal republikanische Ämter, wodurch der Anschein einer Fortführung der republikanischen Ordnung bewahrt werden sollte. So entstand der Begriff Principatus. Kaiserliche Machtfülle: Der Kaiser besaß das imperium proconsulare (die höchste militärische und administrative Macht, besonders über die Provinzen) sowie die tribunizische Gewalt (tribunicia potestas). Letztere gab ihm umfassende rechtliche Befugnisse und ein Vetorecht gegenüber Senatsbeschlüssen und Volksentscheidungen, was seine Stellung als oberster Gesetzgeber und Schützer der Bürgerrechte stärkte. Einschränkung des Senats: Der Senat blieb zwar als beratendes Gremium bestehen und durfte einige innenpolitische Entscheidungen treffen, doch die tatsächliche Macht lag beim Kaiser. Der Kaiser beeinflusste Senatsentscheidungen maßgeblich und wies den Senatoren spezifische Aufgaben zu, wodurch ihre Abhängigkeit von der kaiserlichen Gunst stieg. Kontrolle über das Militär: Der Kaiser kontrollierte direkt das Heer, das die Basis seiner Macht bildete. Durch eine neue Organisation und direkte Finanzierung der Truppen sicherte er sich die Loyalität der Legionen. Neue Gesetzgebungswege: Der Kaiser begann, direkt constitutiones (kaiserliche Verordnungen) zu erlassen, wodurch das bisherige Gesetzgebungsverfahren der Volksversammlungen und Senatsbeschlüsse an Bedeutung verlor. Mit der Zeit wurden diese constitutiones zur Hauptquelle des römischen Rechts. Verlust der Volksversammlungen: Die Volksversammlungen (comitia) verloren ihre Bedeutung und wurden für die Gesetzgebung irrelevant. Wahlen verlagerten sich in den Senat, was die politische Teilhabe der römischen Bürger einschränkte. Dynastische Nachfolge: Augustus etablierte die Möglichkeit einer dynastischen Nachfolge, indem das Kaiseramt innerhalb der eigenen Familie oder an ausgewählte Vertraute weitergegeben werden konnte. Dadurch bildeten sich Kaiserdynastien, die das Amt erblich machten und den republikanischen Wahlmechanismus weiter verdrängten. Die Reichsverwaltung übten besoldete Berufsbeamte aus dem Senatoren- oder Ritterstand aus. Es herrschte eine friedliche innere Entwicklung. Das römische Bürgerrecht wurde an alle freien Einwohner des Reiches verliehen. Das Nachfolgeproblem wurde durch Mitregentschaft zu Lebzeiten gelöst. Das Heer machte in steigendem Maß seinen Einfluß geltend. Ab Septimus Severus wurde das Reich zur Militärdiktatur 4. Dominat (284–476 n. Chr.) Das Dominat markiert die Spätphase des Römischen Reiches und wird oft als die eigentliche Kaiserzeit verstanden, da hier die offene Alleinherrschaft des Kaisers etabliert wurde. Der Kaiser Diokletian führte tiefgreifende Reformen durch, die darauf abzielten, die Krise des 3. Jahrhunderts zu überwinden. Unter Diokletian entstand die Tetrarchie, eine Herrschaftsform, die das Reich in vier Teile teilte, jeweils unter einem Kaiser (Augustus) und einem Stellvertreter (Caesar). Dieses System sollte das Reich stabilisieren, führte jedoch bald zu neuen Machtkämpfen. Die Verfassung des Dominats war durch eine straffe Zentralisierung und Bürokratisierung gekennzeichnet. Der Kaiser herrschte nun als dominus et deus (Herr und Gott; ließ sich nunmehr so bezeichnen) und stützte sich auf eine mächtige Beamtenhierarchie. Der Senat existierte nur noch als Symbol der alten Ordnung, während der Kaiser die Gesetze selbst erließ (constitutiones) und die alleinige Entscheidungsgewalt innehatte. Auch die Armee war direkt dem Kaiser unterstellt und bildete die Basis seiner Macht. Jeder Berufs- und Standeswechsel war mit hohen Strafen bedroht. Die Kleinpächter waren an die Scholle Gebundene. Nachfolgekämpfe übergangener Kaisersöhne bereiteten die Teilung des Reiches in zwei Hälften vor, was nach dem Tode Konstantin 337 von dessen Söhnen faktisch vollzogen wurde. Die Söhne Theodosius I, der das Gesamtreich noch einmal vereinigte und die gemeinsame Gesetzgebung erhielt, verfügten eine völlige Verselbständigung der beiden Reichshälften. Das weströmische Reich brach in der Folge unter der germanischen Völkerwanderung zusammen (476). Ostrom erlebte hingegen einen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung unter der Regierung Justinians (527-565) der vorübergehend zum Wiedergewinn der weströmischen Hälfte führte. Das byzantinische Reich bestand bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 fort. Das römische Recht wurde unter Konstantin und später unter Theodosius im Codex Theodosianus kodifiziert, und das Christentum wurde zur Staatsreligion erhoben. Die administrativen und wirtschaftlichen Belastungen des Dominats führten jedoch zu einer zunehmenden Schwächung des Westreichs, das schließlich 476 n. Chr. unterging. Rechtsformen und Rechtsedikte 1. Vor den Zwölftafelgesetzen (bis ca. 450 v. Chr.) Vor der Entstehung der Zwölftafelgesetze war das römische Recht weitgehend ungeschrieben und bestand aus Gewohnheitsrecht. Es handelte sich um ein privatrechtliches, informelles System, das durch mündliche Überlieferung und eine starke Bindung an Traditionen und religiöse Normen geprägt war. Die Verwaltung und Rechtsprechung erfolgten durch Magistrate und Priester, die auch religiöse Aufgaben übernahmen. Da das Recht stark auf mündliche Praxis angewiesen war, war es wenig transparent und führte zu Konflikten, insbesondere weil die Plebejer (die nicht zur Oberschicht gehörenden Bürger) nicht gleichberechtigt an der Kenntnis und Anwendung des Rechts teilhatten. Das führte zu einem zunehmenden Ruf nach einer kodifizierten Rechtsordnung, um die Prinzipien des Rechts für alle Bürger zugänglich zu machen und Willkür zu vermeiden. Das älteste Recht wurde von den Göttern vorgegeben und im Einzelfall von den Priestern erkannt und festgestellt. 2. Die Zwölftafelgesetzgebung (ca. 450 v. Chr.) Die Zwölftafelgesetze sind das erste schriftliche Gesetzeswerk Roms und markierten einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung des römischen Rechts. Sie wurden nach jahrzehntelangem Druck der Plebejer, die eine rechtliche Gleichstellung und eine transparente Kodifizierung des Rechts forderten, unter der Leitung einer Kommission von zehn Magistraten (den Decemviri) geschaffen. Sie waren auf 12 Metalltafeln eingraviert und standen öffentlich in der Forum für jedermann zugänglich. Die Zwölftafelgesetze behandelten hauptsächlich Privatrecht (Vertragsrecht, Erbrecht, Haftung, Familienrecht) sowie Strafrecht und teilweise auch Verfahrensrecht. Wichtige Merkmale der Zwölftafelgesetzgebung: - Privatrecht: Sie regelten grundlegende Fragen des Vertragsrechts, des Besitzes und der Haftung sowie das Erbrecht und das Familienrecht. - Strafrecht: Sie enthielten auch Strafnormen, wie z.B. die Ahndung von Diebstahl, Verletzung der Ehre und Prozessvergehen. - Öffentliche Ordnung: Bestimmungen zur Religionsausübung und zu öffentlichen Amtsträgern. Die Zwölftafelgesetze stellten die erste verbindliche Rechtsetzung dar und ermöglichten es, die Rechtslage zu präzisieren und eine gewisse Rechtssicherheit zu schaffen. Einzelne Rechtsbereiche wurden bis ins Detail geregelt, während andere nur kurz berührt oder völlig übergangen wurden. Eine patrizisches Priesterkollegium übernahm die Weiterentwicklung des Zwölf-Tafel-Rechtes. Prozesse über private Ansprüche wurden mit Spruchformeln geführt, die von den Parteien – bei sonstigem Prozessverlust – fehlerfrei aufgesagt werden mussten. Das wichtigste Geschäft der Eigentumsübertragung war die formale mancipatio und die in iure cessio. Ein Beispiel für die Weiterentwicklung des Rechts durch die pontifices : Es war möglich, dass der pater familias den Sohn zur Arbeitsleistung an andere Familien zu verkaufen. Damit dies nicht uneingeschränkt möglich war, wurde der Sohn nach dem 3. Verkauf vom Vater frei (emanzipiert). 3. Gesetzgebung nach den Zwölftafelgesetzen (ab ca. 450 v. Chr.) Nach der Einführung der Zwölftafelgesetze wurde das römische Recht durch den Senat und die Volksversammlungen weiterentwickelt. Das römische Gesetz wird auf Antrag eines Magistrats (meist eines Konsuls) in der Volksversammlung (zunächst in der den comitia centuriata, später in comitia tributa) beschlossen. Es ist eine Entwicklung der Gesetze zu beobachten: Leges imperfectae (Verbote ohne gesetzliche Sanktion) zu leges minus quam perfectae (verbotswidriges Verhalten ist rechtswirksam, aber mit Strafe belegt) und schließlich zu leges perfectae (Uniwirksamkeit des verbotenen Verhaltens). Eine lex Hortensia aus 287 v. CHR verfügt, dass hinfort auch Beschlüsse der Plebejer für das Gesamtvolk verbindlich sind. Die Plebiscita werden seither als leges bezeichnet. Das Gesetz wird nicht als Mittel planmäßiger, vorausschauender Rechtsgestaltung eingesetzt. Es ist häufig ein Produkt impulsiver und politischer Reaktion auf akute solziale Missstände. Die Seltenheit römischer Gesetzgebungsakte zeigt, wie geschickt Prätor und Juristen ihre theoretisch eng begrenzte Befugnis zur Rechtsänderung in der Praxis wahrgenommen haben. Der Prätor verkündet zu Beginn seines Amtsjahres in einem Edikt, nach welchen Grundsätzen er die Gerichtsbarkeit auszuüben und welche konkreten Rechtsbehelfe er zu gewähren gedenkt. Kraft seines Imperium hat der Prätor ein ius edicendi, das Recht, allgemein verbindliche Anordnungen zu erlassen. Der Prätor kann trotz grundsätzlicher Bindung an das eigene Edikt in begründeten Einzelfällen von diesem abweichen und z.B. neue Rechtsbedürfnisse durch Gewährung von Klagen und anderen Rechtsbehelfen befriedigen, die im Edikt (noch) nicht vorgesehen sind. In zunehmenden Maßen entwickelt der Prätor jedoch auch neue Rechtsnormen außerhalb des ius civile, die diesem gegenüber teils als Lückenfüllung, teils als Korrektur verstanden werden. Dieses Recht bezeichnet man als das ius honorarium (Gesetze des prätorischen Edikts). Die Ursprünge der römischen Rechtswissenschaft liegen im Priesterkollegium der pontifices, die Gutachten über das geltende ius civile abgeben. Sie bewahrten lange Zeit die Geschäfts- und Klageformeln als Geheimwissenschaft. Die juristische Tätigkeit wird mit 3 Verba umschrieben: a) agere: Beistand im Prozess, b) cavere: Abfassung von Verträgen und Testamenten, c) respondere : Erteilung von Rechtsgutachten. Eine andere wichtige Rolle spielt der Jurist als Berater des Prätors, des iudex und der Prozessparteien. Formell stellt zwar sein responsum nur eine unverbindliche Rechtsauskunft dar, de facto enthält es jedoch die endgültige Entscheidung des anhängigen Rechtsfalls. Um berühmte Juristen bilden sich Kreise von Schülern, der Rechtsunterricht wird also in der Republik formlos erteilt. Im 1. Jhd. V. CHR tritt die traditionelle Fachjurisprudenz in ein Rivalitätsverhältnis mit einer aufblühenden und vor den römischen Gerichten überaus erfolgreich plädierenden Rhetorik. Einführung bedeutender gesetzliche Regelungen: - Leges: Dies waren Gesetze, die von den Volksversammlungen erlassen wurden. Sie regelten zum Beispiel Steuerrecht, die Einführung von Sklavenrecht und auch sozialpolitische Bestimmungen, die insbesondere die Rechte der Plebejer betrafen. - Senatus consulta: Diese Senatsbeschlüsse hatten keine Gesetzeskraft, wurden aber als wichtige politische Anweisungen und prägende Rechtsnormen angesehen. Sie regeln vor allem Verwaltungs- und Außenpolitik. 4. Rechtserzeugung im Prinzipat und klassische Rechtswissenschaft Im Prinzipat (ca. 27 v. Chr. bis 284 n. Chr.) erlangte der Kaiser eine zentrale Rolle in der Gesetzgebung und Rechtserzeugung. Mit der Errichtung der Monarchie durch Augustus (27 v. Chr) gerät die Einberufung von Volksversammlungen außer Übung. Gegen Ende des 1. Jh wird der Senat als ordentlicher Gesetzgeber betrachtet. Gegen Ende des 2. Jh. Wird der Rechtsquellencharakter dem kaiserlichen Antrag zuerkannt. Die klassischen Juristen entwickeln ihr Recht zwar unter ständiger Beachtung von öffentlicher Moral (boni mores) und materialen Gerechtigkeitsvorstellungen (aequitas, bona fides), behaupten jedoch grundsätzlich einen Autonomieanspruch des ius gegenüber außerrechtlichen Wertordnungen. Besonders bedeutend war die Entwicklung des kaiserlichen Rechts: - Kaiserliche Verordnungen: Der Kaiser konnte Gesetzgebungen erlassen, die constitutiones genannt wurden. Diese gingen oft über die bestehenden Normen hinaus und bestimmten das Recht in vielen Bereichen wie dem Verwaltungsrecht, dem Verfahrensrecht und dem Militärrecht. - Klassische Juristen: Die klassische Rechtswissenschaft florierte im Prinzipat. Es gab eine Reihe von juristischen Schulen, die sich mit der Auslegung des Rechts beschäftigten. Die bedeutendsten Juristen dieser Zeit waren Gaius, Papinian, Modestinus und Ulpian, die die römische Rechtspraxis maßgeblich prägten und deren Werke auch später in die justinianischen Kompilationen eingeflossen sind. Rechtsschichten: a) Ius civile: Als ius civile wird jene älteste Rechtsschicht bezeichnet, die ursprünglich nur für römische Bürger gilt. b) Ius gentium: Rechtsnormen die Rechtsverhältnisse zwischen Römern und Ausländern, sowie für Ausländer untereinander gelten. Wegen seiner Einfachheit und Zweckmäßigkeit findet es auch bald Anwendung auf Rechtsverhältnisse unter römischen Bürgern. c) Ius naturale: laut Gaius beruht das ius gentium auf einem Naturrecht, was allen Rechtsordnungen aller Völker zugrunde liegt d) Ius honorarium: Das ius civile wird insbesondere vom Prätor in seinen Edikten weitergebildet. Diese prätorische Amtsrecht wird als ius honorarium (honos = Amt) bezeichent. e) Ius publicum – Ius privatum: Das Recht wird in zwei große Bereiche eingeteilt. Res publica (Bürgerverband, Staat) und res privata (Hausverband bzw. dessen Oberhaupt). f) Ius cogens – Ius dispositivum: ius cogens ist zwingendes Recht und ius dispositivum ist nachgiebiges bzw. abänderbares Recht Das Recht des römischen Volkes besteht laut Gaiusinstitutionen aus Gesetzen, Plebisziten, Senatsbeschlüssen, Kaiserkonstitutionen, Edikten und Rechtsgutachten der Rechtsgelehrten. 5. Die klassischen Juristen Die klassischen Juristen waren maßgeblich an der Auslegung und Entwicklung des römischen Rechts beteiligt, indem sie als Berater von Magistraten und Richter dienten. Die bedeutendste Funktion des Juristen bleibt auch in der klassischen Epoche die Erteilung von Rechtsgutachten (responsa). Kaiser Augustus hat einigen Juristen das Recht verliehen, in seinem Namen responsa zu erteilen. Im frühen Prinzipat haben sich in Rom zwei rivalisierende Rechtsschulen gebildet, denen bis in die Mitte des 2. Jh. n. Chr alle bedeutenden Juristen angehört haben. Während die Sabinianer eine stärkere Bindung an die Tradition erkennen lassen, zeigen die Prokulianer größere Bereitschaft zur Innovation. Sie vertraten verschiedene Schulen, z.B. die prokulianische und die sabinianische Schule, und beschäftigten sich mit der Interpretation der bestehenden Gesetze und deren Anpassung an die neue soziale und politische Realität. Sie entwickelten die Grundlagen des römischen Privatrechts, wie z.B. das Vertragsrecht, die Schuldrechtsnormen, die Familien- und Erbrecht und die Grundlagen der Prozessordnung. In den meisten Fällen begründen römische Juristen jedoch auch dann ihre Entscheidungen, wenn diese auf unstrittigem Recht oder unbestrittener Autorität des Juristen beruhen. Unter den stärker materiell geprägten Begründungen berufen sich die Juristen auf Wertvorstellungen wie bona fides (Treu und Glauben), aequitas (Fairneß), boni mores (gute Sitten), utilitas (Zweckmäßigkeit, Verkehrssicherheit), bonum commune (Gemeinwohl) usw.. Bei der Auslegung von Gesetzen weichen die Juristen nicht selten vom gewöhnlichen Sprachgebrauch ab und verstehen die Worte des Gesetzes enger oder weiter als dieses. Als Elementarliteratur werden die commentarii des Gaius bezeichnet. Ein Anfängerlehrbuch des Privatrechts in vier libres. Diese später sogenannten Gaius-Institutionen (institutiones = Anfangsgründe) sind zugleich das einzige klassische Juristenwerk, das uns einigermaßen vollständig überliefert ist. Die Dreigliederung des Stoffes in personae- res – actiones wirken im französischen Code civil und im österreichischen ABGB nach. Durch Justinians Institutionen die sich weitgehend an das Gaiuswerk anlehnen, wurde der Einfluss der Gaiusinstitutionen mittelbar auf die Entwicklung der europäischen Rechtswissenschaft wirksam. Juristen des 1. Jh. n. Chr. werden als Frühklassiker bezeichnet. Der bedeutendeste Jurist der Frühklassik ist zweifellos Labeo. Die Hochklassik findet unter den Adoptivkaisern des 2. Jh. n. Chr. statt. Die Juristen sind ständige Berater des Kaisers im consilium (Staatsrat). Zu dieser Zeit sind allerdings die alten Schulkontroversen zumeist bereits überwunden. Die überragende Juristenpersönlichkeit der Hochklassik ist Julian. Die spätklassischen Juristen wirken unter den Severenkaisern (193-235) und entstammen aus dem Ritterstand. Sie bilden unter dem Kaiser die Spitze der Staatsverwaltung und Gerichtsbarkeit. Der Spätklassiker Papinian wird vielfach für den scharfsinnigsten römischen Juristen gehalten. 6. Vulgarismus und Vulgarrecht Im Verlauf der Zeit, besonders nach dem Prinzipat, entwickelte sich das sogenannte Vulgarrecht. Es handelte sich dabei um eine Vereinfachung des klassischen römischen Rechts, das in der breiten Bevölkerung von den Juristen und Behörden praktiziert wurde. Die politische Entwicklung des 3. und 4. Jh n. Chr führte zunächst zur Stagnation und sodann zum Zusammenbruch der klassischen Rechtskultur. Neben dem Verlust an Wissenschaftlichkeit ist allerdings auch ein Gewinn an Volksnähe (und damit Effektivität) sowie Anschaulichkeit der Rechtsordnung zu verbuchen. Vulgarrecht ist primär römisches Gewohnheitsrecht, das aus der lokalen Rechtspraxis der Provinzen wächst und „von unten“ Institutionen und Ausdrucksformen des klassischen Rechts verändert. Einen umfassenden Kanon von Klassikerschriften, die vor Gericht als maßgeblich gelten sollten, etablierten Theodosius II und Valentinian III im sogenannten Zitiergesetz des Jahres 426. In diesem werden fünf vorwiegend spätklassische Juristen (Papinian, Paulus, Gaius, Ulpian, Modestinus) als Autoritäten bestimmt und ihre Werke als rechtsverbindlich bezeichnet. Andere Juristen waren nur mehr zitierfähig, soweit sich die fünf Autoritätenauf sie beriefen. Bei Meinungsverschiedenheiten unter den fünf Juristen sollte die Mehrheit, bei Stimmgleichheit Papinian den Ausschlag geben. - Vulgarismus bezeichnete die Abweichungen von den klassischen Rechtsnormen, die durch die einfache, alltägliche Anwendung des Rechts entstanden. - Vulgarrecht zeigte sich in der breiten Anwendung des Rechts durch die lokale Verwaltung, die weniger an den komplexen Auslegungen der klassischen Juristen orientiert war und oft pragmatischere Lösungen anstrebte. Vulgarismus und Vulgarrecht sollen durch eine Wiederbelebung der klassischen Rechtskultur überwunden werden (Ostrom). Das Vulgarrecht spielte eine entscheidende Rolle im Übergang von der klassischen römischen Rechtsordnung zum Rechtssystem des Byzantinischen Reiches und beeinflusste die mittelalterliche europäische Rechtsentwicklung. 7. Die Kompilationen Justinians Kaiser Justinian (527 – 565) hatte zwei Ziele: Die Reform der Rechtsordnung im Geiste christlicher Humanität und sozialer Gerechtigkeit sowie die Kodifikation des Rechtes im Interesse von Rechtssicherheit und Erneuerung der klassischen römischen Rechtskultur. Unter dem Kaiser Justinian I. (6. Jahrhundert n. Chr.) wurde das römische Recht in einem monumentalen Rechtswerk zusammengefasst, das die Grundlage des mittelalterlichen und modernen Zivilrechts wurde. Die justinianischen Kompilationen bestanden aus mehreren Teilen: Corpus Juris Civilis: Diese Sammlung bestand aus: - Codex: Eine Sammlung von kaiserlichen Verordnungen (constitutiones), die von den vorangegangenen Kaisern erlassen worden waren. - Digesta oder Pandekten: Eine Zusammenstellung der Werke der klassischen Juristen, die die römische Rechtspraxis zusammenfassten. Eine Kommission im Auftrag Justinians bearbeitete ca. 2000 klassische Juristenschriften die auf 1/20 des Umfangs reduziert wurden. In Anlehnung an klassische Werktitel erhielt die Sammlung den Namen Digesten bzw. Pandekten. Die klassische mancipatio wurde durch die traditio ersetzt. Die Digesten wurden 533 verlautbart. Sie sollten an den Rechtsfakultäten unterrichtet und von den Richtern im ganzen Reich als Gesetz angewendet werden. - Institutiones: Ein Einführungstext, der das römische Recht für Studierende und Rechtspraktiker aufbereitete. - Novellae: Neue Gesetzgebungen, die von Justinian während seiner Herrschaft erlassen wurden. Vom römischen Recht zur europäische Wissenschaft Der Übergang vom römischen Recht zur europäischen Wissenschaft markiert eine lange Entwicklung, in der das antike römische Recht neu interpretiert und weiterentwickelt wurde. Diese Entwicklung führte über die Kommentatoren des römischen Rechts, die sogenannten Glossatoren und Konsiliatoren, zur Rezeption des römischen Rechts in Europa, zu den Naturrechtsgesetzbüchern und schließlich zur Pandektistik. 1. Glossatoren (11.–13. Jahrhundert) Die Glossatoren sind die Begründer der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem römischen Recht im Mittelalter. Ab dem 11. Jahrhundert studierten Juristen an der Universität Bologna das Corpus Iuris Civilis – die umfassende Sammlung römischen Rechts, die im 6. Jahrhundert unter Kaiser Justinian verfasst wurde. - Methode und Arbeitsweise: Die Glossatoren erhielten ihren Namen aufgrund der sogenannten Glossen (Randbemerkungen oder Erläuterungen), die sie in den Text des römischen Rechts einfügten, um dessen Bedeutung zu erklären und offene Fragen zu klären. Glossen sind Wort- oder Sacherklärungen, die ein Juris auf seinem Exemplar der Digesten, Institutionen usw. am Rand (Marginalglossen) oder zwischen den Zeilen (Interlinearglossen) anbringt. - Ziel: Die Glossatoren versuchten, den Text des Corpus Iuris Civilis zu interpretieren und verständlich zu machen, ohne ihn wesentlich zu verändern oder an die mittelalterliche Gesellschaft anzupassen. Sie betrachteten das römische Recht als eine universelle Rechtsordnung und legten dessen Begriffe und Systematik für die wissenschaftliche Diskussion fest. - Wichtige Vertreter: Einer der bedeutendsten Glossatoren war Irnerius, der als Begründer der Bologneser Rechtsschule gilt, sowie Accursius, dessen „Glossa ordinaria“ als das umfassendste Werk der Glossatoren gilt und das Corpus Iuris Civilis über Jahrhunderte begleitete. 2. Konsiliatoren (14.–15. Jahrhundert) Die Konsiliatoren, auch Post-Glossatoren oder Kommentatoren genannt, entwickelten im 14. und 15. Jahrhundert das Werk der Glossatoren weiter. Anders als die Glossatoren beschränkten sie sich nicht darauf, den Text des römischen Rechts zu erklären, sondern versuchten, es auf die Bedürfnisse und Verhältnisse der Zeit anzupassen. - Methodik: Sie kommentierten das römische Recht umfassend und entwickelten die Methode des Kommentarwesens. Die Konsiliatoren analysierten nicht nur die Rechtstexte, sondern erarbeiteten ausführliche Kommentare und Rechtsgutachten (Konsilien) für praktische Fälle. - Anpassung an die Praxis: Sie passten das römische Recht an die spezifischen Gegebenheiten des italienischen Stadt- und Wirtschaftslebens an und lösten dadurch viele praktische rechtliche Probleme ihrer Zeit. - Wichtige Vertreter: Bedeutende Konsiliatoren waren Bartolus de Saxoferrato und Baldus de Ubaldis, die das römische Recht mit dem kanonischen Recht und dem damals geltenden lokalen Recht in Italien kombinierten und dadurch eine Art gemeineuropäisches Recht prägten. Dies betrifft in erster Linie das kanonische Recht, das bereits zur Glossatorenzeit parallel zum römischen Recht nach derselben Methode an den Universitäten gelehrt worden ist. Ferner berücksichtigen die Konsiliatoren das langobardische Lehensrecht. Zwar erfolgt die Entscheidungsbegründung nach wie vor aus einzelnen Quellentexten, diese werden jedoch oft aus ihrem Sachzusammenhang gerissen und als Rechtsgedanken zur Lösung neuer Fälle eingesetzt. Damit wird schöpferischer Rechtsfortbildung ebenso die Tür geöffnet wie missbräuchlicher Manipulation. 3. Rezeption (16.–18. Jahrhundert) Die Rezeption bezeichnet die Übernahme des römischen Rechts in die Rechtsordnungen des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europas. Insbesondere im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation spielte die Rezeption eine zentrale Rolle. In Bologna und anderen italienischen und französischen Universitäten werden am dem 12. Jh. Gelehrte Juristen ausgebildet, die in ihrer späteren beruflichen Tätigkeit in allen Teilen Europas die wissenschaftliche Methode und das Lehrgebäude des mos Italicus als juristischen Bezugsrahmen verwenden. Die Einschmelzung von Teilen des einheimischen Rechts tritt in das Gemeine Recht ein, die im 17.Jh und 18.Jh zur Ausbildung einer eigenständischen deutschen Gemeinrechtswissenschaft, dem usus modernus pandectarum (der modernen Anwendung des Pandektenrechts) führt. - Verlauf: Im 16. und 17. Jahrhundert wurde das römische Recht schrittweise in den Rechtsordnungen der meisten europäischen Länder übernommen. Diese Rezeption erfolgte teilweise durch die Ausbildung von Juristen, die in Italien und Frankreich studiert hatten und das römische Recht in ihre Heimatländer brachten, und teilweise durch die direkte Anwendung des Corpus Iuris Civilis. - Gemeines Recht: Das römische Recht wurde zum gemeinen Recht (ius commune), das in vielen Regionen subsidiär galt, wenn keine spezifischen lokalen oder Gewohnheitsrechte existierten. Besonders in Deutschland wurde das römische Recht durch das Reichskammergericht offiziell zur Rechtsgrundlage. - Folgen: Die Rezeption förderte die Ausbildung eines einheitlichen Rechtssystems und bildete die Grundlage für die Entwicklung moderner europäischer Zivilrechte. 4. Naturrechtsgesetzbücher (17.–18. Jahrhundert) Das Naturrecht, eine Philosophie, die auf universellen, „naturgegebenen“ Prinzipien des Rechts basiert, gewann im 17. und 18. Jahrhundert zunehmend an Einfluss. - Naturrechtstheorie: Denker wie Hugo Grotius, Samuel von Pufendorf und Christian Wolff betrachteten das Recht als von der Natur des Menschen und der Vernunft ableitbar und unabhängig von positiven Gesetzgebungen. - Gesetzeswerke: Auf Grundlage des Naturrechts entstanden verschiedene Gesetzbücher, die sich am Ideal einer rationalen und universellen Rechtsordnung orientierten. Diese Werke versuchten, das bisherige römische Recht und lokale Rechtsordnungen in ein systematisches, einheitliches Recht zu überführen. - Wichtige Beispiele: Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) von 1811 waren beeinflusst von Naturrechtsgedanken. Diese Gesetzeswerke etablierten eine universell anwendbare Kodifikation des Privatrechts, die als Vorbild für viele moderne europäische Rechtsordnungen diente. Das ABGB von Franz von Zeiler besticht durch Kürze und klare Sprache. In Einzelheiten ist der Einfluss des römischen Rechts gelegentlich stärker als im ALR. Die Errungenschaften der deutschen Pandektenwissenschaft des 19. Jh. die im BGB ihren Niederschlag gefunden haben, sind durch drei Teilnovellen (1914-1916) auch in das ABGB eingearbeitet worden. Der Code Civil 1804 ist ein Produkt der franz. Revolution. Neben der römischrechtlichen Tradition ist ein starker Einfluss des mittelalterlichen Gewohnheitsrechts bemerkbar. Es besticht durch präzise Sprache und klaren Aufbau. 5. Pandektistik (19. Jahrhundert) Die Pandektistik, auch historisch-dogmatische Schule genannt, entwickelte sich im 19. Jahrhundert in Deutschland. Sie befasste sich intensiv mit der wissenschaftlichen Systematisierung und Dogmatisierung des römischen Rechts und legte den Grundstein für die modernen Rechtswissenschaften in Europa. Sie fand unter der Führung des glänzenden Juristen Friedrich Carl von Savigny statt. Gerade die Naturrechtskodifikationen wiesen grobe Mängel auf, da sie einen Rechtsstoff festschrieben, in dem das römische Recht, dessen hohe Qualitäten dem deutschen Volksgeist am besten entsprächen durch Zutaten des mos Italicus und usus modernus verfälscht worden sei. Savigny fordert die Beseitigung dessen, was der Unverstand der Jahrhunderte dem reinen (justinianischen) römischen Recht hinzugefügt habe. - Systematisierung: Die Pandektisten schufen eine einheitliche, systematische Gliederung des römischen Privatrechts, das auf den fünf Hauptteilen (Pandekten) des Corpus Iuris Civilis basierte: Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Familienrecht und Erbrecht. Dieses System beeinflusste maßgeblich die Kodifikation des Zivilrechts. - Wissenschaftlicher Ansatz: Die Pandektistik entwickelte eine präzise juristische Methodik und befasste sich mit abstrakten Rechtsbegriffen, der rechtlichen Dogmatik und Systematik. Sie analysierte das römische Recht nicht nur historisch, sondern nutzte es als Vorbild für die Entwicklung allgemeiner, übertragbarer Rechtsprinzipien. - Einfluss auf das BGB: Die Pandektistik war die Grundlage für das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Deutschland, das 1900 in Kraft trat. Das BGB folgte der Struktur und Terminologie der Pandekten und wurde ein Modell für viele Zivilrechtsordnungen weltweit. Das BGB will nicht volkstümlich sein, sondern ein Buch für den Fachmann. Das BGB hat das ZGB und die Teilnovellen des ABGB beeinflusst. Das ZGB eine Frucht der Pandektenwissenschaft. Das ZGB wird heute höher bewerte als das BGB. Es ist als Werk eines einzigen Redaktors stilistisch aus einem Guß entstanden, und es zeichnet sich ebenso durch gemeinverständliche Sprache wie durch das Fehlen eines blutleeren Allgemeinen Teil aus. Personen-, Familien- und Erbrecht Das römische Recht entwickelte umfassende Regelungen im Personen-, Familien- und Erbrecht, die die sozialen Strukturen und rechtlichen Beziehungen im antiken Rom stark prägten. Diese Normen betreffen Status und Rechtsfähigkeit, die Institution der Sklaverei, Handlungsfähigkeit, juristische Personen sowie die Struktur und Organisation der Familie, Ehe, Vormundschaft und Pflegschaft. 1. Status und Rechtsfähigkeit Im römischen Recht war die Rechtsfähigkeit einer Person durch ihren Status bestimmt, der aus drei wesentlichen Aspekten bestand: - Status libertatis (Freiheitsstatus): Die Grundunterscheidung war die zwischen Freien (liberi) und Sklaven (servi). Nur Freie waren rechtlich als Personen anerkannt. - Status civitatis (Bürgerstatus): Innerhalb der Freien wurde zwischen römischen Bürgern (cives Romani) und Nichtrömern (peregrini) unterschieden. Die Bürger genossen spezielle Rechte wie das Wahlrecht und den Zugang zum römischen Zivilrecht. Civis Romanus sein bedeutete, dass man dem römischen Recht unterworfen war, nach römischem Recht Eigentum erwerben, Geschäfte abschließen, Testamente abfassen, Ehen begründen, Prozesse führen und politisch handeln konnte. - Status familiae (Familienstatus): Die Zugehörigkeit zur Familie bestimmte die Stellung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft. Familienmitglieder standen meist unter der patria potestas, der väterlichen Gewalt des pater familias, was ihre rechtliche Eigenständigkeit beschränkte. Er er setzte das römische Bürgerrecht voraus, welches wiederum die Freiheit voraussetzte. Mit dem Verlust der Freiheit gingen somit zugleich status civitatis und status familiae verloren. Wenn jemand als freier römischer Bürger geboren wurde, begann gleich auch mit der Geburt seine Rechtsfähigkeit. Das Kind musste zusätzlich lebensfähig sein und eine menschliche Gestalt haben. So wurde ein Kind, das erst nach dem Tod des Vaters geboren wurde, zur Erbschaft berufen, obwohl die Grundregel lautete : „Erben kann nur, wer zur Zeit des Erbfalls lebt.“ Um die Anwartschaft des ungeborenen Kindes zu sichern, konnte ein Pfleger (curator ventris, Kurator der Leibesfrucht) bestellt werden. Die Rechtsfähigkeit des Menschen endet spätestens mit dem Tod. Bei ehelicher Empfängnis erhielt man den Status des Vaters, bei unehelicher Empfängnis erheilt das Kind den Status der Mutter zur Zeit der Geburt. Der favor libertatis (Begünstigung der Freiheit) verschaffte dem Kind jedoch die Freiheit, wenn die Mutter während der Schwangerschaft auch nur einen Augenblick frei gewesen war. Die Ehre ist keine natürliche, sondern eine soziale Eigenschaft des Menschen. Die rechtlich relevante Minderung der Ehre wurde als infamia bezeichnet. Tierkämpfer, Schauspieler, Kuppler, im Strafprozess Verurteilte und aus dem Heer ausgestoßene Soldaten zählen dazu. Als Folgen der infamia kamen Ausschluß von öffentlichen Ämtern, der Auschluß von Anklage- und Prozessvertretung und die Unfähigkeit eine gültige Ehe zu schließen in Frage. 2. Sklaverei Sklaven waren rechtlich als Sachen (res) eingestuft, nicht als Personen, und hatten daher keine Rechtsfähigkeit oder Handlungsfähigkeit. Sie konnten weder Eigentum besitzen noch Verträge abschließen oder Rechtsansprüche geltend machen. Der Status des Sklaven konnte jedoch durch eine Freilassung (manumissio) geändert werden. Freigelassene Sklaven (libertini) erhielten einen begrenzten Bürgerstatus und wurden in die Gesellschaft integriert, jedoch oft mit bestimmten Einschränkungen, die ihre ehemalige Abhängigkeit widerspiegelten. In der älteren bäuerlichen Zeit war der Sklave Knecht im Verband der familia. Seine Lage war kaum schlechter als die von Freien, die durch ihren pater familias unter Begründung eines Gewaltverhältnisses (in mancipio) in fremde Familien verdingt wurden. Die Abhängigkeit vom Herrn entsprach auch eine Versorgung durch den Herrn. Die Eroberungskriege brachten Massen von Sklaven zu billigem Preis. Die persönliche Beziehung zum Herrn wurde in der Regel zur Beziehung zwischen Sache und Eigentümer. Während der Friedenszeit unter Augustus erlangten Sklaven und Freigelassene nicht selten einflussreiche höhere Stellungen im Geschäftsleben und in der kaiserlichen Verwaltung. Sklave wurde man durch a) Geburt b) Kriegsgefangenschaft c) als Folge einer öffentlichen Strafmaßnahme Der Sklave konnte grundsätzlich nicht Träger von Vermögensrechten (Eigentümer einer Sache, Inhaber eines dinglichen Rechts, Inhaber einer schuldrechtlichen Forderung) sein. Er konnte jedoch gültige Erwerbsgeschäfte abschließen, nur erwarb er alles für seinen Herrn, nicht für sich. Das peculium, ein Teilvermögen des Herrn, das dieser dem Sklaven gelegentlich zur Verwaltung überließ, blieb rechtlich Vermögen des Herrn. Die Freilassung durch den Herrn erfolgte: a) Im Legisaktionprozess, in dem ein Vertreter des Sklaven behauptete (ähnlich wie im Eigentumsprozess), dass dieser Mensch frei sei. Der Eigentümer schweigt. b) Durch Eintragung in die Bürgerliste (durch Erlaubnis des Herrn) wurde man frei. c) Durch testamentarische Verfügung des Eigentümers. War nun die tatsächliche Freilassung in einer Weise geschehen, die keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit des Willens des Herrn ließ, so schützte eines Tages der Prätor den tatsächlichen Status und versagte dem Herrn die Vindikation (Eigentumsklage). Zur Belohnung für Dienste am öffentlichen Wohl (z.B.: Aufdeckung einer Verschwörung) konnte auch der Staat die Freiheit verleihen. Die Stellung als Freigelassener (libertus) war jedoch der eines Freigeborenen nicht gleich. Die Freilassung bewirkte einen Zustand der Halbfreiheit, Hörigkeit. Der Patron war der geborene Vormund, wenn der Freigelassene eines tutor bedurfte. Der Patron beerbte den Freigelassenen auch ab intestato (ohne Testament). Üblich war es auch, dass der Freigelassene sich zu Dienstleistungen (operae) an den Patron verpflichtete. Im Statusprozess musste der Beklagte vor Gericht durch einen adsertor liberatatis vertreten sein. 3. Handlungsfähigkeit Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen. - Altersstufen: Kinder unter sieben Jahren galten als infans und waren völlig handlungsunfähig. Minderjährige (pupilli) zwischen sieben und vierzehn Jahren konnten einfache Rechtsgeschäfte tätigen, aber keine Verpflichtungen eingehen. Volljährigkeit wurde mit dem 14. Lebensjahr erreicht. - Geschlecht: Frauen waren grundsätzlich handlungsfähig, jedoch standen sie oft unter der Vormundschaft eines männlichen Verwandten oder ihres Ehemannes. Ihre Handlungsfähigkeit war eingeschränkt, insbesondere bei finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten. - Geisteszustand: Personen, die geistig krank oder als prodigi (Verschwender) eingestuft wurden, waren in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und konnten unter Vormundschaft gestelltt werden. Geisteskranke waren grundsätzlich geschäfts- und deliktsunfähig, für sie wurde ein curator bestellt. Der Verschwender konnte durch prätorische Entmündigung geschäftsunfähig werden. An seiner Deliktsfähigkeit änderte sich durch die Entmündigung nichts. Mädchen wurden mit der Vollendung des zwölften Lebensjahres mündig (Knaben mit 14). Kinder unter 7 Jahren waren vollkommen geschäftsunfähig. Unmündige Minderjährige (ab 7) konnten immerhin solche Geschäfte gültig vornehmen, die ihnen einen reinen Vermögensvorteil brachten (Annahme von Schenkungen). Der unmündige Minderjährige war zwar berechtigt den Kaufpreis zu fordern, aber nicht verpflichtet, die Ware zu liefern. Männer zwischen 14 und 25 Jahren (mündige Minderjährige) konnten einen Curator (Berater) zugeteilt bekommen. Ab 25 war man Großjährig und voll handlungsfähig. Frauen hatten kein Wahlrecht und konnten nicht Richter werden. Sie waren auch nicht voll geschäftsfähig. Es bedurfte der Zustimmung eines Geschlechtsvormunds, allerdings wurde diese Geschlechtsvormundschaft schon in der Zeit der Republik immer stärker eingeschränkt. 4. Juristische Personen Das römische Recht entwickelte das Konzept der juristischen Person in Ansätzen, insbesondere für Körperschaften (corpora) und Stiftungen (universitates). Diese konnten in Form von Vereinen (collegia) oder Städten (municipia) auftreten. Ihnen wurde eine gewisse Rechtsfähigkeit zugestanden, sodass sie Vermögen besitzen, Klagen erheben und als Subjekte am Rechtsleben teilnehmen konnten. Eine detaillierte Ausgestaltung der juristischen Personen im heutigen Sinne existierte jedoch noch nicht. Als Körperschaft wird zunächst der römische Staat verstanden, der durch die Gesamtgemeinde der römischen Bürger gebildet wird. Als Körperschaften gelten auch Stadtviertel und Flurbezirke, Berufsverbände, kultische Vereinigungen, Begräbnisvereine. Für sie alle galten die oben genannten Regeln, dass nämlich nur die Einheit schuldete, dass nur der Einheit geschuldet wurde, und dass die Einheit durch Organe handelte. Den Vereinen war es von alters her gestattet, sich ihre Satzungen selbst zu geben. Zunächst gab es nur unselbständige Stiftungen (keine eigene Rechtspersönlichkeit), das heisst Vermögensmassen, die einem Träger als Treuhänder zur Verwaltung und Verwendung übertrage werden. Von solchen unselbständigen Stiftungen unterscheidet man heute selbständige, bei denen das Vermögen, das zur Stiftung gegeben wird, selbst als juristische Person in Erscheinung tritt. In nachklassischer Zeit wurden auch Vermögensmassen als Träger von Rechten und Pflichten betrachtet. 5. Die Familie Die römische Familie (familia) war die zentrale soziale Einheit und wurde vom pater familias geleitet, der als Familienoberhaupt umfassende Rechte und Pflichten hatte: - Die familia umfasste neben den Ehegatten und Kindern auch weitere Verwandte und Sklaven, die unter der patria potestas standen. - Der pater familias hatte das Recht, über das Familienvermögen und die Handlungen der Familienmitglieder zu entscheiden und besaß die sogenannte vita necisque potestas (Recht über Leben und Tod). - Die patria potestas endete nur durch den Tod des Vaters oder durch die Emanzipation der Kinder. Kinder blieben oft bis zum Tod des Vaters in der familia, auch wenn sie selbst eine eigene Familie gründeten. Die römische Familie beruhte auf dem Prinzip der Agnation. Agnaten sind jene Personen, die unter derselben Hausgewalt stehen (oder stünden, wenn ihr gemeinsamer pater familias noch lebte). In der Regel baut sie auf der Blutverwandtschaft auf. Die Emanzipation aus der Familiengewalt löste die agnatische Verwandtschaftsbeziehung auf, die Aufnahme in die Familiengewalt begründete die agnatische Verwandtschaft. Gegen Ende der Republik trat die Blutverwandtschaft stärker hervor und drängte schließlich die agnatische Beziehung unter nahen Angehörigen als leitendes Rechtsprinzip im Familien- und Erbrecht zurück. Nach außen, Dritten gegenüber, bedeutete die patria potestas (Hausgewalt des pater familias), dass der pater familias den Gewaltunterworfenen von jedem Dritten ursprünglich vindizieren, später mit einem prätorischen interdictum de liberis exhibendis, item ducendis herausverlangen konnte. Nach innen hatte der pater familias die umfassendste Bestimmungsgewalt, die bis zur Entscheidung über Leben und Tod führen konnte. Eine Regel der Zwölf Tafeln verfügte jedoch, um die Hauskinder gegen häufigere Verdingung zu schützen, dass nach dreimaliger Verdingung des Hauskinds die patria potestas endültig erloschen war. Die Vermögensrechte waren in der Hand des Gewalthabers konzentriert. Volle rechtliche Anerkennung als eigenes Vermögen des Gewaltunterworfenen erlangte jener Erwerb, den dieser als Soldat an Sold und Kriegsbeute erlangte. Vater ist, wen die Ehe mit der Mutter als solchen ausweist. Starb der Gewalthaber, so wurden die Kinder gewaltfrei (sui iuris) und erwarben als Söhne ihrerseits die patria potestas über ihre Kinder und Enkel. Die Gewalt konnte jedoch auch durch emancipatio aufgehoben werden. 6. Die Ehe Die römische Ehe war primär eine soziale und rechtliche Verbindung, die im römischen Zivilrecht an bestimmte Bedingungen geknüpft war: Es gab zwei Hauptformen der Ehe: die matrimonium cum manu (Ehe mit väterlicher Gewalt) und die matrimonium sine manu (Ehe ohne väterliche Gewalt). In der Ehe cum manu ging die Frau unter die patria potestas des Mannes über. In der Ehe sine manu blieb sie rechtlich in der Familie ihres Vaters. Die Ehe war ein freies Rechtsgeschäft, das keine formale Zeremonie benötigte; entscheidend war der Wille der Ehepartner, in einem ehelichen Verhältnis zu leben. Scheidung war im römischen Recht ohne Angabe von Gründen möglich und musste lediglich durch die Willenserklärung eines Partners (repudium) erfolgen. Die Römer sahen die Ehe nicht als „Rechtsverhältnis“ an, dessen Inhalt von der Rechtsordnung genormt war, sondern als „verwirklichte Lebensgemeinschaft“, dh als soziale Tatsache mit (freilich sehr erheblichen) Rechtsfolgen. Nur im matrimonium iustum Geborene waren Kinder im Rechtssinne, die mit dem Vater agnatisch verwandt waren, unter seiner patria potestas standen. Das Verlöbnis war ein nicht klagbares Eheversprechen. Das römische Recht kannte sowohl die Ehe, bei der sich die Frau in der Hausgewalt (manus) ihres Mannes (oder dessen pater familias) befand, wie auch die Ehe, bei der die Frau entweder in ihrem bisherigem Gewaltverband oder gewaltfrei blieb. Ab der späten Republik wurde die manus-freie Ehe zur Regel. Es gab folgende manus-Eheschließungsformen: a) Confarreatio: Begründung der Ehe in feierlicher Wortform unter Mitwirkung von Priestern und zehn Zeugen. Diese Form der Begründung der Ehegewalt ist wahrscheinlich ein Vorrecht der höheren Stände gewesen. b) Coemptio : eine Art Kauf c) Usu: Der Ehemann gewann nach Jahresfrist die manus Gewalt über die Frau aufgrund der tatsächlichen ehelichen Gemeinschaft. Ehevoraussetzungen: a) Mündigkeit (Frauen ab 12, Männer ab 14) b) Gewaltunterworfene brauchten die Zustimmung c) man durfte nicht bereits verheiratet sein d) keine Blutsverwandtschaft e) Eheverbot zwischen Vormund und Mündel Unter Augustus mussten alle Römer im ehefähigen Alter (Männer 25-60, Frauen 20-50) in Ehe leben und sollten möglichst viele Kinder zeugen. Unverheiratete und Verheiratete kinderlose trugen Nachteile beim Erbschaftserwerb aus Testamenten. Die Ehe endete mit dem Tod oder durch Scheidung. Der freie Wille der Ehepartner entschied über den Fortbestand der Ehe. Bei Scheidung musste der Mann die Mitgift (dos) zurückzahlen, und umgekehrt verlor die Frau beider von ihr erklärten oder verursachte Scheidung strafweise einen Teil der dos. Als Erklärung der einseitigen Aufgabe des Ehewillens des Mannes diente etwa die Formel : „Packe deine Sachen und gehe!“ Unter Einfluß des Ostens bürgert sich später ein libellus rependii (Scheidebrief) ein. Die dos (Mitgift) war ein Beitrag zu den Lasten der Ehe die den Mann trafen. Sie diente auch dazu die nacheheliche Versorgung der Frau zu sichern. Sie schied erbrechtlich aus ihrer bisherigen Familie aus, erlangte dafür aber die dos. Die Bestellung der dos erfolgte in der manus-Ehe vom pater familias der Frau. War die Frau sui iuris, so bestellte sie oft selbst die dos. Das klassische Recht kennt zwei Klagen auf Rückerstattung der dos: eine actio ex stipulatu, wenn bei der Bestellung eine Rückgabestipulation abgeschlossen wurde und eine actio rei uxoriae, wenn es daran fehlte. Große Freiheit hatte der Richter bei der actio rei uxoriae. Schenkungen unter Ehegatten waren verboten. 7. Vormundschaft und Pflegschaft Das römische Recht kannte die Vormundschaft (tutela) und die Pflegschaft (cura) als Instrumente des Schutzes für Personen, die aufgrund ihres Alters oder Geisteszustands eingeschränkt waren: - Vormundschaft (tutela) bestand für Minderjährige und unverheiratete Frauen. Der Vormund (tutor) vertrat sie in rechtlichen Angelegenheiten und verwaltete gegebenenfalls ihr Vermögen. - Pflegschaft (cura) wurde für Personen eingerichtet, die altersbedingt noch nicht volljährig waren (cura minorum) oder aufgrund geistiger Einschränkungen (cura furiosi) als handlungsunfähig galten. - Der Vormund oder Pfleger hatte die Pflicht, die Interessen der betreuten Person zu wahren und ihr Vermögen zu verwalten. Unmündige und Frauen (letztere unabhängig von ihrem Alter) wurden auch im Rechtsleben als schutzbedürftig betrachtet. Ein Vormund (tutor) übernahm die Verwaltung ihres Vermögens. Anfänglich hatte der Vormund insoweit die Stellung eines Treuhänders. Nach außen war er Träger des Vermögens, bei körperlichen Sachen also Eigentümer nach quiritischem Recht. Die klassische Zeit sah den tutor nicht mehr als Träger des Mündelsvermögens an, als solcher erschien nur noch das Mündel. Bei Freigeborenen wurde der gradnächste Agnat zum Tutor. Frauen konnten keine Vormundschaft führen, da sie selbst unter Vormundschaft standen. Freigelassene erhielten den Patron oder dessen Abkömmlinge zum Vormund. Der pater familias konnte durch Testament einen tutor bestimmen. Zur Anklage eines verdächtigen tutor, war jeder aus dem Volke klagslegitimiert. Die Folge einer Verurteilung war die Infamie. Schon zu Beginn der klassischen Zeit hat jedoch die Frau ihr Vermögen selbst verwaltet, der tutor musste lediglich zu bestimmten Geschäften seine auctoritas (Zustimmung) erteilen. Geisteskranke und Verschwender standen unter der cura (Pflegschaft) ihrer gradnächsten Agnaten. Bei den gewaltfreien mündigen Minderjährigen (14-25) bestand im Geschäftsleben die Befürchtung, dass sie übervorteilt würden. Dem Minor selbst oblag es, vom Prätor den curator zu erbitten. Sachenrecht Das Sachenrecht regelt Beziehungen eines Rechtssubjekts zu einem Rechtsobjekt. Eigentum ist die Befugnis mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen laut ABGB. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauch der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt. Es gibt körperliche und unkörperliche Sachen (Rechte). Res nullius sind Sachen, die in niemandes Eigentum stehen. An ihnen kann zum Teil Eigentum erworben werden sofern es sich um herrenlose Sachen wie Wild, Vögel oder Fische handelt. Privateigentums- und verkehrsunfähig sind einerseits die res divini iuris (Sachen göttlichen Rechs) und Sachen die allen gehören (Straßen, Meer, Luft). Res mancipi sind italische Grundstücke (mit Gebäuden) und die zu ihren Gunsten bestellten Feldservituten, Sklaven, sowie bestimmte Zug- und Tragtiere (Ochsen, Pferde). Sie könnennur durch mancipatio und in iure cesssio übertragen werden. Alle übrigen Sachen sind ohne Rücksicht auf ihren Wert res nec mancipi und können durch formlose Übergabe (traditio) erworben werden. Nur an beweglichen Sachen kann das Delikt Diebstahl (furtum) begangen werden. Verbrauchbare Sachen sind Wein, Getreide kurz Sachen die zum Verbrauch gedacht sind. Unverbrauchbar sind z.B.: Grundstücke, Möbel, Sklaven etc.. Vertretbar sind Sachen, die nicht nach individuellen Merkmalen als Einzelsachen (species), sondern nach Maß, Zahl oder Gewicht als Gattungssachen (genus) im Verkehr stehen. Unteilbar sind Sachen, die sich nicht oder nicht ohne Wertminderung in gleichartige Teile zerlegen lassen (Sklaven, Möbel). Zusammengesetze Sachen bestehen aus einer Mehrheit von einfachen Sachen, die zusammen eine neue körperliche Einheit bilden (Häuser, Schiffe). Gesamtsachen sind beispielsweise eine Schafherde oder eine Bibliothek. Als Zubehör bezeichnet man körperlich und rechtlich selbständige Nebensachen, die dazu bestimmt sind, dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache dauernd zu dienen. Beim Verkauf eines Landguts betrachtet man Streu und Mist ebenso als mitverkauft wie Wassertröge und Wasserleitungen. Bei Früchten unterscheidet man zwischen natürlichen Früchten (Holz, Obst, Milch, Tierjunge, Arbeitsleistung eines Sklaven) und zivilen Früchten (Erträgnisse aus Rechtsverhältnissen wie Miet- oder Pachtzinsen) 1. Besitz (Possessio) Besitz im römischen Recht bezeichnet die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache, ohne dass diese Person unbedingt der Eigentümer sein muss. Es handelt sich um eine faktische Beziehung zur Sache (somit faktische Sachherrschaft), im Unterschied zum rechtlichen Eigentum à Eigentum = das Recht, über eine Sache zu verfügen, Besitz ist die tatsächliche Gewalt über die Sache. Der Besitz setzt eine Besitzergreifung bzw. ein körperliches Näheverhältnis (corpus/ corpore) und den Willen zur Besitzergreifung (animus possidendi) voraus. Römisches Recht unterschied zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Besitz, wobei nur der rechtmäßige Besitzer rechtlichen Schutz genoss. Besondere Bedeutung hatte der Besitzschutz für den sozialen Frieden, da er schnelle, gewaltfreie Lösungen im Falle von Besitzstörungen ermöglichte. An beweglichen Sachen wird Besitz zumeist durch körperliche Übergabe (traditio) erworben. Wer beim Holzhändler Balken kauft und anzeichnet, hat durch das Anzeichnen seinen Besitzwillen bekundet. Wer eine fremde Sache findet und ohne Besitzwillen an sich nimmt, ist nicht Besitzer, sondern nur Inhaber (Detentor) für den Eigentümer. Eine Detentor (Mieter, Pächter, Entleiher, Verwahrer), der die Sache vom Besitzer (Vermieter, Verpächter usw.) kauft oder geschenkt oder als Darlehen erhält, erwirbt insofern durch bloße Willenseinigung Besitz, als der bisherige Besitzer seinen Eigenbesitzwillen aufgibt. Ein Besitzerwerb durch gewaltfreie Besitzmittler ist im klassischen Recht grundsätzlich nicht anerkannt. (Wenn Titus seinen Freund Seius beauftragt, für ihn eine Kuh zu kaufen, erwirbt er an dieser erst dadurch Besitz, dass ihm Seius die Kuh übergibt. Freiwillige Besitzaufgabe kann durch Übertragung des Besitzes an eine andere Person oder einseitig erfolgen. An beweglichen Sachen geht der Besitz unfreiwillig verloren, wenn die custodia an ihnen verloren geht (Römerin verliert in der Stadt ein Schmuckstück). Einen Sonderfall bildet der flüchtige Sklave, an dem der Besitz erst durch Ergreifung eines Dritten verloren geht. Zudem ist der Besitz am servus Voraussetzung für den Besitzerwerb des dominus durch den Sklaven an Sachen, die dieser auf der Flucht erwirbt. Wenn das leerstehende Haus eines abwesenden Marktbesuchers von heimlichen Eindringlingen besetzt wird, lässt Labeo die Eindringlinge Besitz erwerben. Der Prätor verbiete Gewaltanwendung gegen den letzten fehlerfreien Besitzer. Gegen fehlerhaften Besitz ist Eigenmacht erlaubt. Jener Besitz, der auf einem gültigen Erwerbsgrund (iusta causa) beruht, bildet die Grundlage des Eigentumserwerbs durch usucapio (Ersitzung): Auch wer von einem Nichteigentümer eine Sache durch Kauf, Schenkung, Vermächtnis usw. erwirbt kann durch ungestörte possessio nach Ablauf der Ersitzungsfrist ziviler Eigentümer werden. Dasselbe gilt, wenn der Eigentümer einer res mancipi diese nicht manzipiert, sondern lediglich formlos tradiert. Der Prätor gewährt dem Besitzer vorläufigen Rechtsschutz durch interdicta, gleichgültig ob dieser den Besitz rechtmäßig oder unrechtmäßig erworben hat. Der Prätor prüft nur, ob der Besitzer seinem konkreten Interdiktsgegner vi, clam oder precario besitzt, das heisst ober von diesem die Sache gewaltsam, heimlich oder aufgrund einer bloßen Bittleihe erlangt aht. In diesem Fall wäre die possesio vitiosa (fehlerhaft) oder iniusta (unecht). 2. Interdiktenschutz Der Interdiktenschutz war eine besondere Form des Rechtsschutzes, die der Prätor gewährte, um den Besitz zu sichern. Interdikte waren gerichtliche Anordnungen, die zur Beilegung von Besitzkonflikten eingesetzt wurden und rasch Schutz gegen Störungen oder Entziehungen des Besitzes boten. Die wichtigsten Interdikte waren: - Interdictum uti possidetis: Diente dem Schutz des Besitzstandes bei Grundstücken. - Interdictum utrubi: Diente dem Schutz des Besitzstandes bei beweglichen Sachen. - Interdictum unde vi: Schützte den Besitzer, der gewaltsam von einem Grundstück vertrieben wurde. Interdiktenschutz genießen: 1. alle Eigenbesitzer 2. Erbpächter 3. Prekarist (precarium = Bittleihe) 4. Pfandgläubiger (Zumal ein Schuldner, der die Schuld nicht bezahlen kann oder will, möglicherweise auch das Interesse an der Verfolgung der von ihm verpfändeten Sache verloren hat.) 5. Sequester (Streitverwahrer) Interdikte konnten schnell und ohne umfassende Beweisführung durchgesetzt werden und boten so einen effektiven, vorläufigen Schutz des Besitzes. Keinen Interdiktenschutz genießt der Fremdbesitzer (außer die 4 Ausnahmen). Das Gemeine Recht spricht von Detention. Als bloße Detentoren gelten Mieter, Pächter, Entleiher, Verwahrer, Werkunternehmer etc.. 3. Eigentum (Dominium/Proprietas) Eigentum war im römischen Recht das umfassendste dingliche Recht an einer Sache und gewährte dem Eigentümer die volle rechtliche Herrschaft, einschließlich der Nutzung (usus), der Fruchtziehung (fructus) und der Verfügungsgewalt (abusus) über die Sache. Eigentum war entweder: - Quiritisches Eigentum (dominium ex iure Quiritium): Das strengste Eigentumsrecht, nur römischen Bürgern vorbehalten und nach ius civile geregelt. Es umfasst neben beweglichen Sachen nur italische Grundstücke. - Bonitarisches Eigentum: Ein durch prätorischen Schutz begründetes Eigentum, das meist in Fällen entstand, in denen das quiritische Eigentum noch nicht vollständig erworben worden war. Es verzichtet ab der späteren Republik auf die förmlichen Erwerbsakte mancipatio und in iure cessio und schützt den Erwerber gegen die rei vindicatio des Veräußerers, der quiritischer Eigentümer geblieben ist. Miteigentum gibt es an der ungeteilten Erbschaft, wo jeder Miterbe ein Recht am Ganzen hat und über das gesamte Vermögen mit Wirkung für und gegen die übrigen Miterben verfügen kann, und als Miteigentum nach Bruchteilen (Quoten). Die Teilungsklage steht jedem Miteigentümer jederzeit zur Verfügung. 4. Eigentumsbeschränkungen Beschränkungen im Eigentum gibt es im Interesse der Gemeinschaft und im Interesse einzelner Privatpersonen (besonders Grundstücksnachbarn). Es gibt ein Schikaneverbot welches besagt, dass die Ausübung eines Rechtes unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck haben kann einem anderen Schaden zuzufügen. Ein anderes Beispiel ist der Notstand: Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gewalt von sich oder einem andren abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Als Beschränkungen im allgemeinen Interesse versteht man beispielsweise Verbot von Leichenverbrennung oder Bestattung Innerhalb der Stadt und Mindestabstände der Häuser. Eigentumsbeschränkungen erlässt bis in die späte Republik der Zensor. - Nachbarschaftsrechtliche Einschränkungen: Zum Beispiel durfte der Eigentümer eines Grundstücks keine baulichen Maßnahmen ergreifen, die das Grundstück des Nachbarn beeinträchtigten. Außerdem gehörten dazu der a) Überhang (Zweige und Äste von Bäumen), b) Überfall (Eigentümer darf Früchte jeden zweiten Tag abholen), c) Überbau, d) Notweg (Wegrecht über Nachbargrundstück, wenn man eigenes Grundstück sonst nicht erreichen kann), e) Immissionen (zur Abwehr von Abwässern, Dämpfen, Rauch etc. des Nachbarn) und f) die Verpflichtung zur Sicherheit des Eigentümers durch den Prätor gegenüber dem Nachbarn, wenn einem Nachbargrundstück Schaden durch ein einsturzgefährdetes Gebäude drohte - Servituten: Dritte konnten bestimmte Nutzungsrechte an einem Grundstück haben, die den Eigentümer in seiner vollen Verfügung einschränkten. - Enteignung: Der Staat konnte das Eigentum aus Gründen des Gemeinwohls beschränken oder gegen Entschädigung entziehen. 5. Eigentumserwerb Man kann Eigentum derivativ oder originär erwerben. Derivativ (abgeleitet) ist jener Eigentumserwerb, der vom Recht des Vormannes (Veräußerers) abhängig ist. Hat dieser kein oder nur ein mangelhaftes Recht an der Sache, die er überträgt, so erwirbt auch der Empfänger kein bzw. bloß ein mangelhaftes Recht. Niemand kann mehr Recht an einen anderen übertragen, als er selbst hat. Originär (ursprünglich) nennt man jenen Eigentumserwerb, der unabhängig vom allfälligen Recht eines Vormannes erfolgt. Dazu zählen die einseitige Aneigung (occupatio) von Sachen, die in niemandes Eigentum stehen (wilde Tiere, preisgegebene Sachen) oder durch Ersitzung fremder Sachen, Vermischung fremden Geld mit eigenem und Verarbeitung vom fremden Material. - Originär: Eigentumserwerb aus eigenem Recht, unabhängig von einem vorherigen Eigentümer, z. B. durch Okkupation (Ergreifung herrenloser Sachen) oder Ersitzung (usucapio) nach Ablauf einer bestimmten Frist. Die usucapio ist die Ersitzung, die besagt, dass wer ein Grundstück zwei Jahre eine andere Sache ein Jahr in Besitz (usus) hat, originär Eigentum an der Sache erwirbt. - Derivativ: Erwerb des Eigentums durch Rechtsgeschäfte mit dem vorherigen Eigentümer, wie etwa durch mancipatio (förmlicher Erwerb), in iure cessio (Abtretung vor Gericht) oder traditio (formlose Übergabe). Derivativer Eigentumserwerb: a) mancipatio: Ein Formalakt des römischen Rechts. Vor 5 Zeugen und dem Waagehalter ergreift der Erwerber einen Sklaven und spricht dazu die Formel: Ich behaupte, dass dieser Sklave nach dem Recht römischer Bürger mir gehört, und der soll für mich gekauft sein durch dieses Kupfer und diese kupferne Waage. Der Veräußerer schweigt. b) in iure cessio: Abtretung vor Gericht. Der Veräußerer sucht mit der Sache und dem Erwerber den Prätor auf. Formel: Ich behaupte, dass diese Sache nach dem Recht römischer Bürger mir gehört. Der Veräußerer schweigt und anerkennt damit den Eigentumsanspruch des Erwerbers. Der Prätor spricht diesem sodann durch addictio das Eigentum zu. c) traditio: Das Wort traditio bezeichnet zunächst nur die körperliche Übergabe einer Sache. In einem engeren Sinn wird unter traditio ein formloses Übereignungsgeschäft verstanden. Sie ist ferner das einzige Übereignungsgeschäft, durch das kraft ius gentium Peregrine Eigentum erwerben können. An res mancipi erwerben sie bonitarisches Eigentum. Voraussetzungen: a) res habilis: Nicht jede Sache ist ersitzungsfähig (res habilis). Von der Ersitzung ausgeschlossen sind neben res publicae und res divini vor allem gestohlene und geraubte Sachen, seit der Prinzipatszeit auch Fikalsachen. b) possessio: Nur Eigenbesitz, der fehlerfrei erworben ist kann zur Ersitzung führen. c) tempus: Die Ersitzungsfristen betragen für unbewegliche Sachen 2 Jahre, für bewegliche Sachen 1 Jahr. d) iusta causa: Ebenso wie eine traditio nur dann ziviles Eigentum verschafft, wenn sie auf einer iusta causa beruht, setzt auch der Eigentumserwerb durch usucapio einen von der Rechtsordnung anerkannten Erwerbsgrund voraus (z.B.: Schenkung, Kauf, dos- Bestellung) e) bona fides: Die Gutgläubigkeit des Erwerbers ist erforderlich. f) Einen Sonderfall der usucapio bildet der Erwerb einer res mancipi durch bloße traditio. Die usucapio dient hier der Heilung eines bloßen Formmangels. Originärer Eigentumserwerb (nach ius gentium): a) occupatio: Eigentumserwerb durch Aneignung (wilde Tiere, Schatz) b) Fruchterwerb: Früchte sind solange sie nicht abgesondert sind, Bestandteile der Muttersache und stehen im Eigentum des Eigentümers der Muttersache. Im Normalfall gehören die abgesonderten Früchte dem Eigentümer der Muttersache. Es gibt jedoch zwei Anspruchsberechtigte, die den Eigentümer verdrängen (Erbpächter, bona fidei possessor). Während der Erbpächter und der bona fidei possessor im Augeblick der Trennung Eigentum erwerben, erwerben Nießbraucher (ususfructuarius) und Pächter (colonus) die Früchte erst im Augenblick der Besitzergreifung. c) Verbindung, Vermischung, Vermengung: Das Eigentum an der beweglichen Sache geht im Grundeigentum auf. Die Verbindung beweglicher Sachen miteinander zu einer einheitlichen Sache wird ebenso beurteilt wie die Verbindung mit einem Grundstück: Der Eigentümer der Nebensache verliert sein Eigentum zugunsten des Eigentümers der Hauptsache. Bei der Verbindung beweglicher Sachen zu einer zusammengesetzten Sache tritt grundsätzlich keine Eigentumsänderung ein. Eine Ausnahme gilt seit den Zwölf Tafeln für Gebäude, in denen fremdes Material (Balken, Ziegel) mitverbaut worden ist. Das Gebäude bildet zwar mit dem Grundstück eine rechtliche Einheit wird jedoch seinerseits als zusammengesetzte Sache betrachtet, so dass grundsätzlich eine Zerlegung in Einzelteile mit nachfolgender Vindikation in Frage käme. Bei Vermischung tritt keine Eigentumsänderung ein. Jeder Eigentümer kann die ihm wertmäßig zustehende Teilmenge vindizieren. Wer fremdes Geld ununterscheidbar mit eigenem vermengt, erwirbt daran originär Eigentum. d) Bei Verarbeitung fremden Materials tritt keine Eigentumsänderung ein, wenn die bearbeitete Sache wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden kann (Metalle). Bei den übrigen Sachen setzt sich die prokulianische Auffassung durch: Durch Verarbeitung entsteht eine neue Sache die der Produzent okkupieren darf. e) Schuldrechtlicher Ausgleich : Die Verbindung oder Verarbeitung ist bösgläubig erfolgt à in diesem Fall liegt Diebstahl vor, der Kläger kann mir der condictio furtiva Schadloshaltung und zusätzlich mit der actio furti Buße begehren. Der Eigentumserwerb durch Verbindung oder Verarbeitung ist gutgläubig erfolgt > Der ehemalige Eigentümer erhält mit der actio utilis oder actio in factum Ersatz des Materialwerts. 6. rei vindicatio Die rei vindicatio ist eine Klage auf Herausgabe einer Sache und steht dem zivilrechtlichen Eigentümer zu, der nicht im Besitz seiner Sache ist. Mit der rei vindicatio konnte der Eigentümer von jedem unrechtmäßigen Besitzer die Herausgabe verlangen, wobei er das Eigentum an der Sache nachweisen musste. Der Beklagte wiederum musste beweisen, dass er ein Recht zum Besitz hatte. Bei Erfolg der Klage war der Eigentümer berechtigt, die Sache zurückzuerlangen und ggf. Schadensersatz für Verschlechterungen zu fordern. Kläger und Beklagter setzen für ihre jeweilige Eigentumsbehauptung eine beträchtliche Geldsumme ein, der Richter entscheidet damit indirekt wer das bessere Recht an der Sache hat. Im klassischen Recht genügt diese bessere Rechtsstellung gegenüber dem Prozessgegner nicht mehr zum Sieg. Der nichtbesitzende Eigentümer klagt den besitzendn Nichteigentümer. Dem Kläger obliegt der Beweis seines quiritischen Eigentums. Vermag er den oft schwierigen Beweis seiner absoluten Rechtsstellung nicht zu erbringen, so wird seine Klage abgewiesen. Beklagter ist zunächst nur der Interdiktenbesitzer (Eigenbesitzer und 4 Fremdbesitzer). Dem Beklagten stehen verschiedene Möglichkeiten offen, auf die rei vindicatio zu reagieren. Er kann den Anspruch des Klägers bestreiten und sich damit vor dem Prätor auf den Prozeß einlassen. Er kann den Anspruch anerkennen und die Sache herausgeben. Er kann im Prozeß schweigen und die Sache ohne Anerkennung und ohne Bestreitung des klägerischen Anspruchs herausgeben und sich damit die Möglichkeit offen halten, die Sache später (bei besserer Beweislage) als Kläger zurückzufordern. Naturalrestitution kann im klassischen Formularprozeß nicht erzwungen werden. Bei einigen Klagen (auch rei vindicatio) legt man jedoch dem Beklagten nahe, sich durch Herausgabe der Sache vor einer (erhöhten) Geldverurteilung zu bewahren. Notwendige Aufwendungen, die der gutgläubige Besitzer vor dem Prozeß auf die Sache gemacht hat, sind ihm vom Eigentümer zu ersetzen. 7. actio publiciana Die actio publiciana ist eine Klage, die dem bonitarischen Eigentümer sowie dem Ersitzungsbesitzer Schutz bot, wenn dieser seine Sache verlor. Die actio publiciana ermöglichte es dem Kläger, seine Sache wie ein zivilrechtlicher Eigentümer zurückzufordern, auch wenn er noch nicht vollständig Eigentum erworben hatte, z. B. bei einer noch laufenden Ersitzungsfrist. Sie wurde vom Prätor geschaffen und stellte sicher, dass ein faktisch Berechtigter die Sache auch gegen einen nicht berechtigten Besitzer herausverlangen konnte. Sie gibt demjenigen einen Herausgabeanspruch, der eine Sache aus gültigen Erwerbsgrund und gutgläubig erworben hat und dem zum Erwerb des quiritischen Eigentums nur der Ablauf der Ersitzungsfrist fehlt a) Wer eine Sache gutgläubig von einem Nichtberechtigten erworben hat, kann sie während der Ersitzungszeit von jedem schlechter berechtigtem Dritten herausfordern. Er wird jedoch abgewiesen wenn er mit der actio Publicana gegen den zivilen Eigentümer vorgeht. b) Wer vom quiritischen Eigentümer eine res mancipi gekauft und statt manzipiert nur tradiert erhalten hat, erwirbt erst durch Ersitzung ziviles Eigentum. Er wird jedoch bereits während der Ersitzungszeit als bonitarischer Eigentümer betrachtet, dessen Rechtsstellung stärker ist als das des quiritischem Eigentümer und Veräußerers. 8. actio negatoria Die actio negatoria (Eigentumsfreiheitsklage) ist eine Klage des Eigentümers gegen Dritte, die sein Eigentum unrechtmäßig beeinträchtigen, ohne es ihm zu entziehen. Mit dieser Klage konnte der Eigentümer vom Störer verlangen, eine Beeinträchtigung zu unterlassen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Typische Fälle betrafen unbefugte Servituten oder andere Beeinträchtigungen des Grundstückseigentums (z.B. Nießbrauch = Nutzungsrecht). Sie bot Schutz gegen jedwede Beeinträchtigung, die nicht den vollständigen Entzug der Sache betraf. 9. Servituten Servituten waren beschränkte dingliche Rechte, die es einem Dritten gestatteten, eine fremde Sache in bestimmter Weise zu nutzen. Es gab zwei Hauptarten von Servituten: - Grunddienstbarkeiten (servitutes praediorum): Nutzungsrechte an einem fremden Grundstück, z. B. Wegerechte oder Wasserrechte. - Personaldienstbarkeiten (servitutes personarum): Rechte an einer Sache zugunsten einer bestimmten Person, wie das usus (Recht zur Nutzung) oder ususfructus (Recht zur Nutzung und Fruchtziehung). Servituten waren unveräußerlich und konnten nicht über das vereinbarte Maß hinaus erweitert werden. Der Eigentümer der belasteten Sache musste die Servitut dulden, konnte jedoch den Gebrauch kontrollieren, wenn der Berechtigte das Recht überschritt. Prädiaservituten: Unter Grunddienstbarkeiten versteht man ein dingliches Nutzungsrecht an einem „dienendem“ Grundstück. Dessen jeweiliger Eigentümer ist verpflichtet, zugunsten des Servitutsberechtigten etwas zu dulden (Wegerecht) oder etwas zu unterlassen (Aussichtsrecht). Beispiele (Viehtrieb, Fahrweg, Wasserleitung, Weiderecht) Die Bestellung erfolgt meist durch in iure cessio, erst bei Justinian genügt auch eine formlose Vereinbarung. Servituten erlöschen durch Verzicht mittels in iure cessio, Vereinigung beider Grundstücke und Wegfall der Nützlichkeit (z.B. : Versiegen der Quelle; beginnt sie wieder zu fließen, lebt das erloschene Servitut wieder auf) Personalservituten: a) usus fructus: Usus fructus ist das dingliche Recht, eine fremde Sache unter Schonung der Substanz zu gebrauchen und von ihr Früchte zu ziehen. Zweck des usus fructus ist ursprünglich vor allem die erbrechtliche Versorgung weiblicher Familienangehöriger (Witwe, unverheiratete Töchter) auf Lebenszeit unter Erhaltung der Vermögenssubstanz für die männlichen Nachkommen. Sie endet mit dem Tod des Ususfruktuars. Gegenstand des usus fructus sind unverbrauchbare res corporales, insbesondere Grundstücke (Gebäude), Tiere, Sklaven. Die Bestellung des usus fructus erfolgt meist durch Vindikationslegat, unter Lebenden kann der usus fructus im klassischen Recht durch in iure cessio, bei Justinian formlos eingeräumt werden. Der Nießbraucher erwirbt erst durch Besitzergreifung Eigentum an den Früchten. Der usus fructus erlöscht bei: Tod des ususfructuars, Verzicht, Vereinigung mit dem Eigentum, Untergang der Sache, Nichtausübung (non usus : bei Grundstücken 2 Jahre, bei anderen Sachen 1 Jahr). Der Ususfruktuar ist nicht Besitzer, sondern nur Detentor. Der Prätor schützt jedoch die Ausübung des usus fructus durch besondere Interdikte. b) usus: Die Sache ist grundsätzlich nur zum Gebrauch und nicht auch zur Fruchtziehung zur Verfügung gestellt. Das Gebrauchsrecht an einem Haus erlaubt die Aufnahme von Ehegatten und anderen Mitbewohnern, nicht jedoch die Vermietung. c) habitio: Das dingliche Wohnrecht sowie das dingliche Recht an der Arbeitskraft fremder Sklaven oder Tiere werden unter Justinian als selbständige Personalservituten aus dem usus ausgegliedert. d) Erbpacht (emphyteusis): In Rom vergibt zunächst der Zensor Staatsländereien gegen Zins auch bestimmte (fünf Jahre) oder unbestimmte Zeit in Erbpacht. Der Erbpächter kann die Sache veräußern und verpfänden, er erhält Besitzinterdikte sowie eine rei vindicatio utilis. 10. Dingliche Sicherungsrechte Im römischen Recht gab es dingliche Sicherungsrechte, um Forderungen abzusichern, wobei der Gläubiger bei Nichterfüllung auf die Sache zugreifen konnte. Hauptformen waren: - Pfandrecht (pignus): Eine bewegliche Sache wurde dem Gläubiger zur Sicherheit übergeben. Er erhielt ein beschränktes dingliches Recht und durfte die Sache nur bei Nichterfüllung der Forderung verwerten. - Hypothek (hypotheca): Ein unbesitzliches Sicherungsrecht, bei dem die Sache beim Schuldner blieb. Bei Nichterfüllung konnte der Gläubiger die Verwertung der Sache verlangen. Beide Formen sicherten die Forderung des Gläubigers und schufen eine Verpflichtung des Schuldners zur Rückgabe der Sache bei Erfüllung der Forderung. a) Sicherungsübereignung (fiducia): Dem Gläubiger wird eine Sache ins Eigentum übertragen, er darf diese bis zur Bezahlung der Schuld behalten bzw. sich bei Nichtzahlung der Schuld aus der Sache befriedigen. In einer Nebenabrede verspricht der Gläubiger die Rückübereignung der Sache, sobald die Schuld getilgt worden ist. b) das Pfandrecht (pignus): Dem Gläubiger wird ein beschränktes dingliches Recht eingeräumt, sich bei Nichterfüllung seiner Forderung aus einer bestimmten Sache zu befriedigen. Die Begründung erfolgt meist durch formlose Abrede. Der Pfandgläubiger erlangt nur dann ein dingliches Recht an der Sache, wenn diese im Zeitpunkt der Verpfändung zumindest bonitarisches Eigentum des Verpfänders ist. Das Pfandrecht ist überdies akzessorisch, das heisst vom Bestand einer gültigen Forderung abhängig. Fehlt es an einer zu sichernden Forderung, so kann kein pignus entstehen; erlischt die Forderung, so erlischt auch das Pfandrecht. Da der Wert des Pfandes allerdings den Betrag der Schuld wesentlich übersteigen kann, wird von den Parteien häufig vereinbart, dass die Pfandverwertung nicht durch Verfall, sondern durch Verkauf erfolgen soll und ein dabei erzielter Überschuß an den Pfandbesteller herausgegeben werden muß. In nachklassischer Zeit wird dreimalige Androhung gefordert, um dem Schuldner ausreichend Gelegenheit zur Einlösung des Pfandes zu geben. Der Pfandgläubiger, ist ein interdiktengeschützer Fremdbesitzer, das heißt er kann die Sache bei Diebstahl etc. eigenmächtig verfolgen. Bei Mehrfachverpfändung wird der als Erster befriedigt dem als erstes ein Pfandrecht eingeräumt wurde. Nimmt der Pfandschuldner ein Darlehen auf um Aufwendungen auf die verpfändete Sache zu machen (etwa um das verpfändete Schiff reparieren zu lassen), so geht das zugunsten dieses Kredits eingeräumte Pfandrecht am Schiff den bereits an der Sache bestehenden Pfandrechten vor. Das Pfandrecht erlischt kraft seiner Akzessorietät durch Erlöschen der Forderung, zu deren Sicherung es bestellt worden ist, also insbesondere durch Erfüllung. Obligationsrecht Das römische Obligationsrecht umfasst die verschiedenen rechtlichen Verpflichtungen und Verträge, die im Römischen Recht anerkannt wurden, und bildet eine grundlegende Säule des Zivilrechts. Die Römer entwickelten dabei unterschiedliche Arten von Verträgen, die sich nach der Art ihrer Entstehung und ihrer Durchsetzbarkeit voneinander unterschieden. Römische Juristen haben unter dem Wort obligatio stets ein Forderungsrecht verstanden. Den Forderungsberechtigten nennt man creditor (Gläubiger), weil er bei der vertraglichen Verpflichtung seinen Glauben, sein Vertrauen, in die Leistungskraft und den Leistungswillen des Partners setzt. Den Leistungsverpflichteten nennt man debitor (Schuldner). Es galt das Prinzip der Geldverurteilung. Manche Klageformeln legten dem Beklagten sogar ausdrücklich nahe, es nicht auf die Geldverurteilung ankommen zu lassen, sondern sich durch Erbringung der geschuldeten Leistung zu befreien. Man unterscheidet zwei große Gruppen von Tatbeständen, aus denen eine Obligation entstehen kann, nämlich Vertrag und Delikt. Mit Naturalobligation kann man Verpflichtungen kennzeichnen, die einerseits gar keine sind, weil zur Verpflichtung die Klagbarkeit gehört, diese Klagbarkeit aber fehlt. Andererseits zeigen diese Obligationen, in den einzelnen Fallgruppen freilich verschiedene, rechtliche Wirkungen. Die Geschäftsschulden von Sklaven, Haustöchter, Personen in mancipio konnten nicht zu einer Klage führen. Wurden sie erfüllt, so kam eine Rückforderung jedoch nicht mehr in Frage. Das nachklassische römische Recht sprach allgemein von Naturalobligationen, wo der prozessuale Zwang zur Leistung fehlte, es aber bei einer eventuellen Erfüllung bleiben sollte. Ein Rechtsgeschäft kann einseitig, durch die Willenserklärung bloß einer Partei, zustande kommen (Kündigung eines Mietvertrags), oder zweiseitig durch übereinstimmende Willenserklärungen zweier Parteien (Vertragsabschluss). Davon ist zu unterscheiden ob ein Rechtsgeschäft, das Verbindlichkeiten schafft, beide Partner oder nur einen verpflichtet. Einseitig verbindlich sind jene Obligationen, bei denen die eine Partei nur Gläubiger, die andere nur Schuldner ist (Stipulation). Zweiseitig verbindlich sind Obligationen, bei denen jede Partei sowohl Schuldner als auch Gläubiger ist (Kaufvertrag). Bedingungen konnten entweder aufschiebend (Schwebezustand) oder auflösend (Ende nach bestimmter Zeit) sein. Die Bedingung kann zum Beispiel ein bestimmtes Kalenderdatum sein. Die Auflage (modus) ist mit der Bedingung verwandt. Dem Empfänger einer unentgeltichen Zuwendung (Schenkung, Erbschaft) wird ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben (Verwendung zu einem bestimmten Zweck). Der Schadensersatz dient der Herstellung eines Zustandes, der im Vermögen des Verletzten ohne die Rechtsverletzung bestünde. Die Buße aber bezweckt die Bestrafung des Täters in Geld und Genugtuung für den Verletzten, dem die Strafsumme zukommt. Auf Grund ihrer Funktion als Strafe waren die Bußansprüche passiv unvererblich, sie trafen nur den Täter, nicht seinen Erben. Wurde ihre Funktion als Genugtuung betont, so waren sie auch aktiv unvererblich. Genugtuung erhielt nur der Verletzte, nicht seine Erben. Ein reines Verpflichtungsgeschäft war bereits die sponsio. Der Verpflichtete wurde bei Nichterfüllung sacer, verfiel also der Gottheit. Aus dieser sponsio entwickelte sich das förmliche Schuldversprechen stipulatio. Der Wille der Parteien soll so wie möglich Beachtung finden. Unklare Formulierungen werden allerdings vielfach zu Lasten dessen ausgelegt, der sie verwendet hat. 1. Verbalkontrakte Verbalkontrakte waren Verpflichtungen, die durch eine bestimmte mündliche Formulierung entstanden. Ein Beispiel hierfür ist die stipulatio, bei der eine Person eine Frage stellte (z.B. „Versprichst du mir, dies und das zu tun?“) und die andere Person daraufhin zustimmte. Dieser Kontrakt zeichnete sich durch seine förmliche Form aus und setzte eine wortgetreue Übereinstimmung der Erklärung voraus. So konnte man in einem bestimmten Rahmen formgebundene Verpflichtungen eingehen, deren Inhalt und Bedingungen oft kurz und präzise gehalten wurden. Verbalkontrakte sind nach ius civile klagbare Schuldverträge, die in einer förmlichen mündlichen Erklärung (stipulatio) ausgedrückt werden. Die stipulatio ist nicht nur der wichtigste Verbalkontrakt, sondern auch der häufigste Schuldvertrag des römischen Rechts. Der Gläubiger, der sich etwas versprechen ließ, formulierte den Inhalt des Versprechens in Frageform. Der zukünftige Schuldner antwortete mit spondeo (ich verspreche es). Die Klage heißt condictio. Der Schuldner konnte sich gegen die Klage aus der abstrakten Stipulation z.B. noch immer mit dem Einwand verteidigen, sie beruhe au einer nicht bestehenden Kaufpreisforderung. Die Form der Verteidigung ist hier die exceptio doli. Bei der kausalen Stipulation musste der Kläger die der Stipulation zugrunde liegende causa (Grund) beweisen. Bei der abstrakten Stipulation musste der aus ihr Beklagte, um den Anspruch des Klägers aus der stipulatio erfolgreich abzuwehren, den Zusammenhang mit einer bestimmten causa und deren Mangel beweisen. 2. Litteralkontrakte Litteralkontrakte kamen durch schriftliche Eintragung in das Schuldbuch (tabulae) des Kreditgebers zustande. Ein typisches Beispiel ist das expensilatio-Verfahren, bei dem eine Schuld durch Eintrag in ein Buch festgehalten und so rechtswirksam gemacht wurde. Diese Vertragsform wurde hauptsächlich für wirtschaftliche und geschäftliche Beziehungen verwendet, insbesondere für Kreditverhältnisse zwischen Kaufleuten und Bürgern höherer Stände. Die Bedeutung der Litteralkontrakte nahm mit der Zeit ab, da ihre Anwendungsmöglichkeit auf römische Bürger beschränkt war und die schriftliche Fixierung allmählich weniger bedeutend wurde. 3. Realkontrakte Nicht bereits die Einigung über die Leistung ist es, welche die Verpflichtung schafft, sondern erst die Sachhingabe. Ein Realkontrakt setzte die tatsächliche Übergabe einer Sache voraus, um eine Verpflichtung zu begründen. Die Pflicht entstand daher nicht durch mündliche oder schriftliche Vereinbarungen, sondern allein durch die Übergabe. Zu den wichtigsten Realkontrakten zählten: - Mutuum (Darlehen): Ein Vertrag über die Hingabe von Geld oder vertretbaren Sachen, die der Empfänger zurückgeben musste. Mutuum ist die unentgeltliche Übertragung eine Summe Geldes oder anderer vertretbarer Sachen (Wein, Öl) ins Eigentum des Empfängers, wobei dieser verpflichtet wird, zu einem vereinbarten Zeitpunkt dieselbe Menge gleichartiger Sachen zurückzuerstatten. Es ist ein unverzinsliches Darlehen, ein Freundschaftsdienst. Die Klage heisst condictio. Der Darlehensnehmer trägt als Eigentümer das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache, das heisst er ist auch dann zur Rückgabe verpflichtet, wenn ihm das Geld gestohlen oder geraubt worden ist. Ein SC Macedonianum aus dem 1.Jh. n. CHR verbietet, ohne Einwilligung des pater familias Gelddarlehen an Haussöhne zu geben. Daher verweigert der Prätor dem Darlehensgeber aufgrund der SC eine Klage oder er gewährte dem Darlehensnehmer eine exceptio senatus consulti zur Verteidigung gegen die condictio. Wollten die Parteien, dass der Darlehensnehmer auch Zinsen zahlte, so konnten sie neben dem mutuum gesondert mittels stipulatio Zinsenzahlung vereinbaren. Im Geschäftsverkehr, insbesondere im Bankverkehr, trat jedoch an die Stelle des mutuum von vornherein die Darlehensstipulation auf Rückzahlung des Kapitals

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