Summary

These are lecture notes for a course on Individuals and developmental psychology. The course focuses on the fundamentals of education and learning, with a specific emphasis on decision-making and related psychological concepts. It examines topics like motivation, emotion, development, personality, cognition, and assessment methods in a subject like Educational Psychology.

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VO Individuums- und entwicklungspsychologische Grundlagen von Bildung und Lernen Entscheidungen Martin Daumiller Hannelore Koch & Marko Lüftenegger VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen |...

VO Individuums- und entwicklungspsychologische Grundlagen von Bildung und Lernen Entscheidungen Martin Daumiller Hannelore Koch & Marko Lüftenegger VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 2 PD Dr. Martin Daumiller Fragen, die man sich als Lehrperson stellt … Motivation: Was treibt Schüler*innen an? Wie kann ich Schüler:innen motivieren? Emotion: Wie fühlen sich Schüler*innen (beim Lernen, im Unterricht, in Prüfungssituationen)? Entwicklung: Welche Aufgaben sind für welche Schüler*innen geeignet? Altersunterschiede? Persönlichkeit: Wie unterscheiden sich Schüler*innen in ihren Eigenschaften? Kognition: Was passiert beim Lernen im Gehirn? Wird Intelligenz vererbt? Wie entscheiden Lernende? Diagnostik: Welche Lernstörungen gibt es? Wie funktioniert Diagnostik? VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 3 PD Dr. Martin Daumiller Option B Option A Option C Teil 1 ENTSCHEIDUNGEN Was versteht man unter Heuristiken? Was ist kognitive Dissonanz? Was kann nach einer Entscheidung passieren? VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 4 PD Dr. Martin Daumiller Der Mensch und seine Entscheidungen 20. Jahrhundert: der Mensch ist ein Option B rational entscheidendes Wesen Option A Vor- & Nachteile werden Option C gewissenhaft abgewogen (Fiske & Taylor, 2016) Basis für Entscheidungen des Homo Oeconomicus (Kirchler & Hoelzl, 2018) – Rationalität – Nutzenmaximierung Ist es möglich, dass Menschen alle Faktoren, die für Entscheidungen relevant sind, im Entscheidungsprozess miteinbeziehen? VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 5 PD Dr. Martin Daumiller Amos Tversky Daniel Kahneman * 1937 † 1996 * 1934 VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 6 PD Dr. Martin Daumiller (Tversky & Kahneman, 1974, S. 1) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 7 PD Dr. Martin Daumiller Heuristiken Heuristiken sind … Faustregeln, die eine schnelle, sparsame und meist hinreichend genaue Urteilsbildung ermöglichen (Tversky & Kahneman, 1974) Mentale Vereinfachungen, Abkürzungen, Entscheidungshilfen Haben den Zweck, Situationen zu vereinfachen, da sie weniger Informationen benötigen, schnell zu einer Entscheidung führen und kognitive Anstrengung reduzieren Können aber systematische Fehler (= biases) bedingen ➔Ablösung des Bildes des Menschen als rational entscheidendes Wesen VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 8 PD Dr. Martin Daumiller Beispiel Stefan ist sehr schüchtern, zeigt wenig Interesse an anderen Menschen und seiner Umwelt, ist stets hilfsbereit. Man kann ihn als eine bescheidene und ordentliche Seele beschreiben, die sich in einem strukturierten und ordentlichen Umfeld am wohlsten fühlt. Er hat auch ein Auge für Details. (angelehnt an Tversky & Kahneman, 1974) Welche der folgenden Tätigkeiten führt Stefan am ehesten aus? a) Landwirt b) Verkäufer c) Bibliothekar ➔Beispiel für Repräsentativitätsheuristik VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 9 PD Dr. Martin Daumiller Repräsentativitätsheuristik Bei Fragen nach Ähnlichkeiten zwischen zwei Gegenständen, Ereignissen oder Kategorien eingesetzt: “Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Objekt A zur Kategorie B gehört? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorkommnis A seinen Ursprung in Prozess B hat?” (Tversky & Kahneman, 1974, S. 1124) Zugehörigkeit von A zu B wird als hoch eingeschätzt, wenn die beiden als ähnlich wahrgenommen werden (z. B. Eigenschaften und Stereotyp von Beruf Bibliothekar*in) Fehler: – Basisrate/Grundratenfrequenz wird ignoriert – Stichprobengröße wird nicht beachtet – Keine richtige Vorstellung von Zufall – „Regression to the mean“ (= Regression zur Mitte) (Tversky & Kahneman, 1974) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 10 PD Dr. Martin Daumiller Exkurs: COVID-19 Von 100 Personen sind 80% geimpft, 20% nicht. 4 Personen werden infiziert: 2 Geimpfte, 2 Ungeimpfte (50% geimpfte Fälle, 50% ungeimpft). Heißt das, dass die Impfung nicht wirkt? Nein, da die Basisrate miteinbezogen werden muss: 2 aus 80 2,5% vs. 2 aus 20 10% ➔Basisratenproblem VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 11 PD Dr. Martin Daumiller Grafik aus Talkshow von Markus Lanz, ZDF, 10.11.2021 Talkshow zum Thema Corona zeigte diese Grafik Gäste (Virologin und Journalist) interpretierten diese folgendermaßen: Die Impfung bringt bei 60+ Jährigen nichts mehr als die Hälfte (60%) der Neuinfizierten sind geimpft Wieso ist diese Interpretation aber falsch? VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 12 PD Dr. Martin Daumiller Grafik aus Bauer et al. (2022) Die Basisrate wurde bei der Interpretation nicht berücksichtigt Die Grafik zeigte bedingte Wahrscheinlichkeiten Es ist allerdings für uns leichter verständlich, wenn Zahlen in natürlichen Häufigkeiten dargestellt werden (wie im Häufigkeitsbaum hier) Dieser zeigt, dass 6,6% der Geimpften vs. 44,4% der Ungeimpften sich infizieren. Gehört zum Bayesschen Denken Unstatistik des Monats: https://www.hardingcenter.de/de/transfer-und- nutzen/unstatistik-des-monats VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 13 PD Dr. Martin Daumiller Do children have bayesian intuitions? Können Kinder Bayesianische Probleme lösen, ohne Wissen aus der Wahrscheinlichkeitstheorie zu haben? Bayesian intuition bezeichnet die Fähigkeit, die genaue Bayessche posterior Wahrscheinlichkeit bestimmen zu können, ohne explizit die bayesschen Regeln gelernt zu haben Gigerenzer, G., Multmeier, J., Föhring, A., & Wegwarth, O. (2021). Do children have Bayesian intuitions? Journal of Experimental Psychology: General, 150(6), 1041–1070. https://doi.org/10.1037/xge0000979 VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 14 PD Dr. Martin Daumiller Do children have bayesian intuitions? 3 Gruppen von Kindern wurden getestet (2. & 4. Klässler:innen und Kinder mit Dyskalkulie) Aufgabe: Von je 20 Schüler*innen in Hogwarts Zauberschule haben 5 einen Zauberstab. Von diesen 5 Schüler*innen haben vier auch einen Zauberhut. Von den anderen 15 Schüler*innen ohne Zauberstab haben 12 einen Zauberhut. Stell dir eine Gruppe von Schüler*innen vor, die einen Zauberhut haben. Wie viele von ihnen haben einen Zauberstab? Kinder wurden randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt – Eine Gruppe erhielt Aufgabe in geschriebener Form (natürliche Häufigkeiten) – Eine Gruppe erhielt zu den natürlichen Häufigkeiten noch Icon arrays dazu Grafik aus Gigerenzer et al. (2021) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 15 PD Dr. Martin Daumiller Do children have bayesian intuitions? Kinder waren in der Lage, die korrekte Wahrscheinlichkeit anzugeben – 22-61% der Schüler:innen in icons array Bedingung konnten Aufgabe lösen – 50% der Schüler:innen mit Dyskalkulie konnten Aufgabe lösen In der icon arrays Bedingung wurde die richtige Wahrscheinlichkeit in allen Gruppen öfters angegeben, als in der natürliche Häufigkeiten Bedingung Ergebnisse zeigen, dass numerisches Schlussfolgern bereits bei Kindern besser ausgeprägt ist, als lange gedacht. Aufgaben müssen allerdings auf eine Art und Weise präsentiert werden (z.B. icon arrays), die diese intuitiver und leichter Grafik aus Gigerenzer et al. verständlich machen (Gigerenzer et al., 2021) (2021) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 16 PD Dr. Martin Daumiller Exkurs: „Regression to the mean“ Galton, F. (1886). Regression Towards Mediocrity in Hereditary Stature. The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, 15, 246-263. https://doi.org/10.2307/2841583 VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 17 PD Dr. Martin Daumiller Exkurs: „Regression to the mean“ = Extreme Werte tendieren zurück zum Durchschnitt (wenn der Zufall einen Einfluss hat) Ergebnis in einem Test (Erfolg = Talent/Können + Zufall) Extrem gute und extrem schlechte Leistungen wiederholen sich nicht in zweitem Test Belohnung für Leistungssteigerung ist effektiver als Bestrafung für Fehler zeigt sich nicht in Praxis? Sports Illustrated Cover Jinx (z.B. Mikaela Shiffrin vor den Olympischen Spielen 2022) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 18 PD Dr. Martin Daumiller Beispiel In einer Studie wurde die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Buchstaben in der englischen Sprache untersucht. Es wurde ein typischer Text ausgewählt, und die relative Häufigkeit, mit der verschiedene Buchstaben des Alphabets an erster und dritter Stelle in den Wörtern auftraten, wurde erfasst. Denken Sie an den Buchstaben „R“: ist es wahrscheinlicher, dass „R“ an a) erster Stelle oder an b) dritter Stelle steht? (Tversky & Kahneman, 1973) ➔Beispiel für Verfügbarkeitsheuristik VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 19 PD Dr. Martin Daumiller Verfügbarkeitsheuristik „Die Wahrscheinlichkeit (Häufigkeit) eines Ereignisses wird nach der Lebendigkeit, Bildhaftigkeit und Vordergründigkeit von Beispielen für diese Ereignisklasse beurteilt, d.h. also nach der Leichtigkeit, mit der es erinnert wird“ (Definition Dorsch – Lexikon der Psychologie) Heuristik: je leichter erinnert desto wahrscheinlicher Auffällige Ereignisse, die die Aufmerksamkeit erregen, lassen sich leicht aus dem Gedächtnis abrufen → Einfluss von Medienberichten + negative Emotion (Affektheuristik; Kahneman, 2011) Illusorische Korrelation (Tversky & Kahneman, 1974) „Unexplained unavailability“ heuristic (Kahneman, 2011) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 20 PD Dr. Martin Daumiller Beispiel Denken Sie an eine Zahl zwischen 1 und 100, notieren Sie diese. Ist der prozentuale Anteil der afrikanischen Staaten an den UNO-Mitgliedern größer oder kleiner als die Zahl, die Sie gerade geschrieben haben? Wie hoch schätzen Sie den prozentualen Anteil der afrikanischen Staaten in der UNO? (angelehnt an Kahneman, 2011) Originalversion: Manipuliertes Glücksrad blieb entweder bei 10 oder 65 stehen → Schätzungen der Personen orientierten sich daran: 25% vs. 45% ➔Beispiel für Ankerheuristik VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 21 PD Dr. Martin Daumiller Ankerheuristik Ankereffekt = häufig zu beobachtende Tendenz eines Urteils in Richtung eines vorab präsentierten Standards (= dem Anker) (Definition Dorsch – Lexikon der Psychologie) Im Alltag sehr relevant – z. B. Hauskauf Nicht nur bei Zahlen, sondern auch bei Verhaltensweisen (primär eigenes Verhalten wird als Anker gesetzt; Fiske & Taylor, 2016) Kann durch Anpassung (Siedetemperatur am Mt. Everest) oder Priming (Ghandi) erklärt werden (Kahneman, 2011) Auch Expert*innen nutzen Ankerheuristiken (Kahneman, 2011) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 22 PD Dr. Martin Daumiller Heuristiken In „Judgment under Uncertainty“ listeten Tversky und Kahneman (1974) folgende Heuristiken: 1. Repräsentativitätsheuristik 2. Verfügbarkeitsheuristik 3. Ankerheuristik. Später wurde noch die Simulationsheuristik ergänzt Seither noch viele andere Heuristiken entdeckt (z.B. The Warm Glow Heuristic; Monin, 2003) Persönliche Heuristiken über das Leben hinweg entwickelt! VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 23 PD Dr. Martin Daumiller Fazit 1. Die Informationsverarbeitungskapazität der Menschen ist begrenzt 2. Menschen entscheiden nicht rational → Verwenden Heuristiken, unterliegen Verzerrungen 3. Das Denkvermögen der Menschen ist in Bezug auf die Gesetze der Logik und der Wahrscheinlichkeit mangelhaft Anhand kognitiver Illusionen gezeigt (Tversky & Kahneman, 1974) Rahmentheorie: Prospect Theory Löste vorherrschendes Modell ab Kahneman hat hierfür 2002 den ersten Nobelpreis als Psychologe gewonnen VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 24 PD Dr. Martin Daumiller Mammographie-Problem Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, beträgt für eine Frau einer bestimmten Altersgruppe, die an einem Routine-Screening teilnimmt, 1 %. Wenn eine Frau, die an einem Routine-Screening teilnimmt, an Brustkrebs erkrankt ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit 80 %, dass sie ein positives Mammogramm erhält. Wenn eine Frau, die an einem Routine-Screening teilnimmt, keinen Brustkrebs hat, beträgt die Wahrscheinlichkeit 10 %, dass sie ein falsch-positives Mammogramm erhält. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau dieser Altersgruppe, die an einem Routine-Screening teilnimmt und ein positives Mammogramm hat, tatsächlich Brustkrebs hat? (Gigerenzer, 2014) ➔Kognitive Illusion (Basisratenproblem) Lösungsweg: Bedingte Wahrscheinlichkeit (Bayes) (Bruckmaier, 2021) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 25 PD Dr. Martin Daumiller Mammographie-Problem – natural frequency format 100 von 10.000 Frauen einer bestimmten Altersgruppe, die an einem Routine- Screening teilnehmen, haben Brustkrebs. 80 von 100 Frauen, die an einem Routine-Screening teilnehmen und Brustkrebs haben, haben ein positives Mammogramm. 950 von 9.900 Frauen, die an einem Routine-Screening teilnehmen und keinen Brustkrebs haben, haben ein falsch-positives Mammogramm. Wie viele der Frauen, die an einem Routine-Screening teilnehmen und positive Mammogramme erhalten, haben Brustkrebs? (Gigerenzer, 2014) Einfacher zu lösen Lösungsweg: 80 aus 80 + 950 = 80 aus 1030 = 7,8% VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 26 PD Dr. Martin Daumiller Neuere Entwicklungen 1990er: Gegenbewegung zu Heuristiken Schlüsselfigur ist Gerd Gigerenzer: Darstellung der Aufgabe ist von Bedeutung! (Gigerenzer, 2014) – z.B.: 80% vs. 8 aus 10 Heute gibt es 2 Camps: 1. Menschen haben generelle Defizite im * 1947 statistischen und logischen Argumentieren 2. Darstellung der Aufgabe ist wichtig Entwicklung von vereinfachten kognitiven Rätseln ABER: Theoretisch gibt es auch Ansätze, die die beiden Camps verbinden z.B. CART (Bruckmaier, 2021) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 27 PD Dr. Martin Daumiller Exkurs: COVID-19 Weitere typische Fehler in Pandemiezeiten: Overconfidence bias Confirmation bias (Kahneman, 2011) Mere-exposure-effect (Zajonc): “A reliable way to make people believe in falsehoods is frequent repetition, because familiarity is not easily distinguished from truth. Authoritarian institutions and marketers have always known this fact.” Daniel Kahneman VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 28 PD Dr. Martin Daumiller Wie risikokompetent sind sie? Harding-Zentrum für Risikokompetenz www.hardingcenter.de „Sie möchten von Berlin nach Rom reisen und überlegen das Auto oder das Flugzeug zu nehmen. Wie weit können Sie mit dem Auto fahren, bis die Wahrscheinlichkeit tödlich zu verunglücken genauso groß ist wie beim gesamten Flug von Berlin nach Rom?“ Selbsttest zum Wissen über Risiken und Unsicherheiten des täglichen Lebens https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSciR5E23KaYjDM- Gfn3qo51MrsQsLp6h4OLbnTZjzmVruQ5PA/viewform VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 29 PD Dr. Martin Daumiller Buchtipp VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 30 PD Dr. Martin Daumiller Kognitive Dissonanz (Festinger, 1957) Treffen einer Entscheidung verursacht oft ein unangenehmes Gefühl. Besonders wenn wir unvereinbare Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen oder Wünsche (= Kognitionen) haben. = Kognitive Dissonanz lässt sich als unangenehmes Gefühl beschreiben, das eine Person dazu motiviert, diesen Leon Festinger unangenehmen Zustand abzubauen. (1919-1989) Persönliche Wichtigkeit wichtig wie stark unangenehmes Gefühl ist. Wir haben eine starke Neigung diese Dissonanz möglichst rasch zu reduzieren wir versuchen die gegensätzlichen Tendenzen miteinander vereinbar zu machen, wobei wir unterschiedliche Strategien (z.B. Einstellungsänderung oder Verhaltensänderung) benutzen. VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 31 PD Dr. Martin Daumiller Weniger Dissonanz! Kognition 1 „Ich liege häufig Kognition 2 „UV-Strahlung erhöht das ungeschützt in der prallen Sonne“ Risiko für Hautkrebs“ + − Ignorieren der neuesten Statistiken Ich möchte braun werden. zu den Langzeitschäden von UV- Strahlenexposition. + − Lange Sonneneinstrahlung ist zwar Ich glaube der medizinischen ungesund, aber mir ist am Forschung nicht, dass UV-Strahlung wichtigsten, dass ich mich wohlfühle gesundheitsschädigend ist. und entspannen kann! Ungeschützte Sonne mag zwar schädlich sein, aber dafür lebe ich sonst sehr gesundheitsbewusst, ich rauche zum Beispiel nicht und treibe viel Sport! VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 32 PD Dr. Martin Daumiller Beispiel: Minderung der Dissonanz in Gruppen Leon Festinger gab sich als Sektenmitglied einer „Weltuntergangssekte“ aus. Mitglieder dieser Sekte waren überzeugt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt in naher Zukunft die Welt untergehen würde. Wie reagieren Sektenmitglieder, wenn die Welt nun doch nicht unterginge? Als der vermeintliche Tag des vorhergesagten Weltuntergangs vorüber war – und die Welt, welch Überraschung (!), nicht unterging – wurde beobachtet, dass die Sektenmitglieder die dadurch entstandene Dissonanz reduzierten, indem sie annahmen, dass ihre Gebete die Welt gerettet haben. Ganz von dieser Annahme und deren Richtigkeit überzeugt, begannen sie sogar damit, durch Mission neue Mitglieder für ihre Sekte anzuwerben. (Festinger, Riecken & Schachter, 1956) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 33 PD Dr. Martin Daumiller Teil 2 SELBSTKONTROLLE Was versteht man unter Belohnungsaufschub? VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 34 PD Dr. Martin Daumiller https://www.youtube.com/watch?v=QX_oy9614HQ VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 35 PD Dr. Martin Daumiller Gratifikationsaufschub = Belohnungsaufschub (delay of gratification) Experiment von Mischel und Ebbesen (1970): Auswahl zwischen sofortiger kleineren Belohnung und verzögerter größeren Belohnung: – Kinder können zwischen Kekse und Walter Mischel Brezel auswählen (1930-2018) – der/die Testleiter/in verlässt dann den Raum – das, was sie ausgewählt haben, bekommen sie, wenn sie warten bis der/die Testleiter/in von selbst zurückkommt – ansonsten können sie ein Zeichen geben, sodass der/die Testleiter/in zurückkommt, dann bekommen sie aber nur die nicht ausgewählte Alternative – Untersucht wurde die Wartezeit für die verzögerte Belohnung in vier unterschiedlichen Bedingungen, je nachdem ob keine, beide oder eine von den beiden Belohnungen zu sehen sind VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 36 PD Dr. Martin Daumiller Gratifikationsaufschub Auswahl zwischen sofortiger kleineren Belohnung und verzögerter größeren Belohnung: – in der Bedingung, wo keine der Belohnungen zu sehen war, waren die Wartezeiten signifikant länger als in den anderen Bedingungen Verhalten von Selbstablenkung vorwiegend in der Bedingung, wo keine der Belohnungen zu sehen ist möglicher positiver Einfluss auf Belohnungsaufschub je präsenter und stärker die Antizipation auf die Belohnung, desto stärker die beobachtete Frustration Follow-Up Studien Selbe Forscher*innengruppe Kinder, die die Belohnung im Experiment aufschieben, erzielen bessere akademische Leistungen als Jugendliche und können im Vergleich besser mit Frustration und Stress umgehen (Mischel, Shoda, & Rodriguez, 1989; Shoda, Mischel, & Peake, 1990) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 37 PD Dr. Martin Daumiller Follow-Up Studien Ergebnisse konnten in einer aktuellen Studie (Watts, Duncan, & Quan, 2018) mit größerer Stichprobe im Allgemeinen nicht repliziert werden! Korrelation zwischen Wartezeit als Kind & Verhaltensprobleme nicht statistisch signifikant Korrelation zwischen Wartezeit als Kind & akademische Leistung im Jugendalter waren um die Hälfte kleiner als in den vergangenen Studien Ergebnisse sensitiv gegenüber Kontrollvariablen: Familienhintergrund, frühe kognitive Fähigkeit VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 38 PD Dr. Martin Daumiller Kulturelle Unterschiede? Kinder in Japan zögerten Belohnung für Marshmallows länger hinaus als für Geschenke, während die Kinder in den USA die Belohnung für Geschenke länger hinauszögerten als für Marshmallows In Japan das Warten auf Essen stärker betont als in USA, während in den USA das Warten auf das Öffnen von (Yanaoka, et al., 2022) Geschenken stärker betont wird als in Japan. VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 39 PD Dr. Martin Daumiller Kulturelle Unterschiede? Deutsche Mittelschicht vs. Ländliches Kamerun 70% (Kamerun) vs. 28% (Deutschland) der 4-Jährigen schafften die Aufgabe (= warten auf die 2.Belohnung); 7.73 min (SD = 3.76) vs. 4.56 min (SD = 4.07). Zusammenhänge von kulturspezifischen mütterlichen Sozialisationszielen und Interaktionsverhalten mit dem Aufschieben von Belohnungen. hierarchische relationale Sozialisationsziele und responsive Kontrolle scheinen den Belohnungsaufschub stärker zu unterstützen als Betonung psychologisch-autonomer Sozialisationsziele und einfühlsamer, kindzentrierter Erziehung. (Lamm et al., 2018) VO Psychologische Grundlagen von Bildung & Lernen | Entscheidungen | 40 PD Dr. Martin Daumiller Literatur Bauer, T., Gigerenzer, G., Krämer, W., & Schüller, K. (2022). Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich. Campus. Bruckmaier, G., Krauss, S., Binder, K., Hilbert, S., & Brunner, M. (2021). Tversky and Kahneman’s cognitive illusions: Who can solve them, and why? Frontiers in Psychology, 12, 584689. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.584689 Dorsch: Lexikon der Psychologie (n.d.). Ankereffekt. Abgerufen von https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/ankereffekt Dorsch: Lexikon der Psychologie (n.d.). Verfügbarkeitsheuristik. Abgerufen von https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/verfuegbarkeitsheuristik Festinger, L. (1957). A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford University Press. Festinger, L., Riecken, H. W., & Schachter, S. (1956). When prophecy fails. University of Minnesota Press. Fiske, S. & Taylor, S. (2017). Social Cognition: From brains to culture. Sage Publications. Gigerenzer, G. (2014). Risk savvy: How to make good decisions. Viking. Gigerenzer, G., Multmeier, J., Föhring, A., & Wegwarth, O. (2021). Do children have bayesian intuitions.Journal of Experimental Psychology: General, 150(6). http://dx.doi.org/10.1037/xge0000979 Kahneman, D. (2011). Thinking, fast and slow. Penguin Books. Kahneman, D., & Tversky, A. (2013). Prospect theory: An analysis of decision under risk. In Handbook of the fundamentals of financial decision making: Part I (pp. 99- 127). Lamm, B., Keller, H., Teiser, J., Gudi, H., Yovsi, R. D., Freitag, C., Poloczek, S., Fassbender, I., Suhrke, J., Teubert, M.,Vöhringer, I., Knopf, M., Schwarzer, G., & Lohaus, A. (2018). Waiting for the Second Treat: Developing Culture-Specific Modes of Self-Regulation. Child Development, 89(3), e261–e277. https://doi.org/10.1111/cdev.12847 Mischel, W., & Ebbesen, E. B. (1970). Attention in delay of gratification. Journal of Personality and Social Psychology, 16(2), 329-337. https://doi.org/10.1037/h0029815 Mischel, W., Shoda, Y., & Rodriguez, M. I. (1989). Delay of gratification in children. Science, 244(4907), 933-938. https://doi.org/10.1126/science.2658056 Monin, B. (2003). The warm glow heuristic: when liking leads to familiarity. Journal of personality and social psychology, 85(6), 1035. Pietschnig, J., & Voracek, M. (2015). One Century of Global IQ Gains: A Formal Meta-Analysis of the Flynn Effect (1909–2013). Perspectives on Psychological Science, 10(3), 282–306. https://doi.org/10.1177/1745691615577701 Shoda, Y., Mischel, W., & Peake, P. K. (1990). Predicting adolescent cognitive and self-regulatory competencies from preschool delay of gratification: Identifying diagnostic conditions. Developmental Psychology, 26(6), 978-986. https://doi.org/10.1037/0012-1649.26.6.978 Tversky, A., & Kahneman, D. (1974). Judgment under uncertainty: Heuristics and biases: Biases in judgments reveal some heuristics of thinking under uncertainty. Science, 185(4157), 1124-1131. Watts, T. W., Duncan, G. J., & Quan, H. (2018). Revisiting the Marshmallow Test: A Conceptual Replication Investigating Links Between Early Delay of Gratification and Later Outcomes. Psychological Science, 29(7), 1159-1177. https://doi.org/10.1177/0956797618761661 Wirtz, M. A. (Hrsg.). Dorsch. Lexikon der Psychologie. Hogrefe. Yanaoka, K., Michaelson, L. E., Guild, R. M., Dostart, G., Yonehiro, J., Saito, S., & Munakata, Y. (2022). Cultures Crossing: The Power of Habit in Delaying Gratification. Psychological Science, 33(7), 1172–1181. https://doi.org/10.1177/09567976221074650

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