Critical Thinking - Merged PDF Summary
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This document provides a summary of critical thinking, outlining its concepts, facets, and models. It explores the relationship between critical thinking and digital/media competence, detailing the cognitive skills and intellectual traits involved and referencing various models and definitions by different authors. The text emphasizes the importance of applying intellectual standards and virtues for sound reasoning.
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Critical Thinking-9-30.pdf Das Kapitel über kritische Denkfähigkeiten Das Kapitel über kritische Denkfähigkeiten grenzt den Begriff der Dig- italkompetenz ab und zeigt den engen Zusammenhang zur Medienkom- petenz auf, wobei auch Anforderungs- und Kompetenzprofile sowie die Rolle und...
Critical Thinking-9-30.pdf Das Kapitel über kritische Denkfähigkeiten Das Kapitel über kritische Denkfähigkeiten grenzt den Begriff der Dig- italkompetenz ab und zeigt den engen Zusammenhang zur Medienkom- petenz auf, wobei auch Anforderungs- und Kompetenzprofile sowie die Rolle und Gefahren von digitalen Medien als Informationsquelle erläutert werden. Kritisches Denken findet im Kopf von Menschen statt, aber der men- schliche Denkapparat ist anfällig für Denkfehler, die in einem separaten Kapitel (Kapitel 6) behandelt werden. Das Kapitel 9 des Skriptums “Critical Thinking” hat mehrere Lernziele, darunter die Formulierung von Kriterien für kritisches Denken, die Er- läuterung der vier Facetten des kritischen Denkens nach Kruse (Selbst- gesteuertes Lernen Denken, rationales Denken, skeptisches Denken und kritisches Denken als Persönlichkeitseigenschaft) und die Auflistung von kognitiven Fertigkeiten für kritisches Denken. Weitere Lernziele umfassen die Erläuterung des Modells der Stiftung für kritisches Denken, die Beschreibung von intellektuellen Normen, Ele- menten des Denkens und intellektuellen Tugenden sowie die Skizzierung des Prozessmodells für kritisches Denken nach Garrison und Anderson. Es werden auch die Feinde des kritischen Denkens (Dogmatismus, Pop- ulismus, versteckte Interessen und Bequemlichkeit) beschrieben und die Notwendigkeit von Präzision in der Formulierung von Gedanken für kri- tisches Denken erläutert. Darüber hinaus werden sprachliche Unklarheiten (Mehrsinnigkeit und Quantifikationen) als Probleme für kritische Diskurse erläutert und Schritte in der Präzisierung von Gedanken vorgestellt. Das Konzept des kritischen Denkens wird anhand von verschiedenen Annäherungsversuchen erläutert, darunter die Forderung von Immanuel Kant, den Mut zu haben, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Die Stiftung für kritisches Denken (The Foundation for Critical Think- ing) liefert eine kompakte Definition von kritischem Denken, die besagt, dass es darum geht, die Qualität des eigenen Denkens zu steigern, indem man die inhärenten Strukturen des Denkens sachkundig befolgt und sie an intellektuellen Normen misst. Das Ergebnis von kritischem Denken sollte sein, dass eine Person vitale Fragen stellt und klar formuliert, relevante Informationen sammelt und interpretiert, zu durchdachten Schlussfolgerungen kommt und diese an objektiven Kriterien misst, abweichenden Denkweisen mit offenem Geist gegenübertritt und gut kommuniziert. Kritisches Denken kann auch als Selbstgesteuertes Lernen, selbstdiszi- pliniertes, selbstüberwachtes und selbstkorrigierendes Denken beschrieben werden. Namwambah (2020) definiert kritisches Denken als die Fähigkeit, kogni- 1 tive Fähigkeiten und Strategien effektiv einzusetzen, um die Wahrschein- lichkeit eines wünschenswerten Ergebnisses zu erhöhen, und grenzt es von kreativem Denken ab, das sich mit der Bildung möglicher Lösungen oder Erklärungen befasst. Kruse (2017) hebt vier Facetten des kritischen Denkens hervor: kritis- ches Denken als selbstgesteuertes Denken, kritisches Denken als rationales Denken, kritisches Denken als Denken, das sich mit der Erprobung und Bewertung von Lösungen befasst, und kritisches Denken als Denken, das sich mit der Bewertung des eigenen Denkprozesses befasst. Kritisches Denken als selbstgesteuertes Denken bedeutet, dass man selbst- ständig denkt und nicht einfach nur nachvollzieht, was andere für richtig halten. Kritisches Denken als rationales Denken befasst sich mit der Frage, wie man mit fehlendem Wissen im Rahmen des eigenen Denkens umgeht. Die Definition von kritischem Denken von Paul und Elder (2003) wird auch erwähnt, die besagt, dass kritisches Denken die Fähigkeit ist, kogni- tive Fähigkeiten und Strategien effektiv einzusetzen, um die Wahrschein- lichkeit eines wünschenswerten Ergebnisses zu erhöhen. Kritisches Denken weist viele Parallelen zu Forschungshandlungen auf und umfasst Facetten wie Selbstgesteuertes Lernen, rationales, skeptisches Denken und Persönlichkeitseigenschaft. Kritisches Denken ist erforderlich, wenn es um schlecht definierte Prob- leme geht und bestehende Denkroutinen oder Standardmethoden nicht ausreichen. Kritisches Denken als skeptisches Denken bedeutet, dem vorhandenen Wissen grundsätzlich skeptisch gegenüberzustehen und es kontinuierlich auf Schwachstellen zu überprüfen, ohne die Möglichkeit von Wissen oder Erkenntnis grundsätzlich zu leugnen. Kritisches Denken als Persönlichkeitsmerkmal ist eine gewohnheitsmäßige Haltung im Umgang mit Fakten, Daten und Theorien, die von Genauigkeit, Sorgfalt und Umsicht geprägt ist. Eine wesentliche Dimension des kritischen Denkens besteht in der Beschrei- bung der dazu notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1 listet kognitive Fertigkeiten für kritisches Denken auf, wie Inter- pretieren, Analysieren, Evaluieren, Schlussfolgern, Begründen und Selb- stregulieren, die nach Facione (1990) und zitiert nach Jahn/Cursio (2021) notwendig sind. Kritisches Denken bezieht sich auf eine Vielzahl von kognitiven Fer- tigkeiten und umfasst die Diskussion über Fakten und Wissen sowie entsprechende Argumente und Argumentieren. Für die Abgrenzung und Definition des Begriffes “kritisches Denken” ist es wichtig, dass es nicht auf Basis eines unreflektierten Relativismus gelingen kann, der Begriffe wie “Tatsache” oder “Wahrheit” ablehnt oder generell die Möglichkeit objektiver Geltungsansprüche leugnet. Kritisches Denken erfordert ein grundsätzliches Einvernehmen darüber, 2 dass eine bestimmte Realität tatsächlich zutrifft, um diese kritisch betra- chten zu können. Tatsachen sind nicht sprachfrei zugänglich, sondern müssen durch Aus- sagesätze vermittelt werden, weshalb kritisches Denken auch ein sprachkri- tisches Denken ist. Definitionen und Facetten des kritischen Denkens Die Stiftung für kritisches Denken liefert ein Modell zum kritischen Denken, das aus drei Bestandteilen besteht: Normen, Elemente und Tugenden. Kritisch denkende Personen wenden die intellektuellen Normen rou- tinemäßig auf die Elemente des Denkens an und vervollkommnen so ihre intellektuellen Tugenden. Die universellen intellektuellen Normen sind Kriterien, die es immer dann anzuwenden gilt, wenn man die Qualität eines Gedankengangs überprüfen will. Beispiele für universelle intellektuelle Normen sind Klarheit, Richtigkeit, Logik, Relevanz und Fairness. Klarheit ist ein wichtiger Aspekt des kritischen Denkens, da sie es er- möglicht, zu bestimmen, ob eine Aussage richtig oder wichtig ist. Die Fragestellung sollte klar und präzise sein, um eine angemessene Antwort zu ermöglichen. Richtigkeit ist ein weiterer wichtiger Aspekt des kritischen Denkens, da sie es ermöglicht, die Wahrheit einer Aussage zu überprüfen. Die Autoren Paul und Elder (2003) sowie Jahn und Cursio (2021) werden im Text als Referenzen genannt. Eine Aussage kann klar sein, aber nicht zutreffend, wie im Beispiel “Die meisten Hunde wiegen mehr als 300 Pfund” gezeigt wird. Exaktheit ist wichtig, da eine Aussage zwar klar und richtig sein kann, aber nicht exakt, wie im Beispiel “Hans hat Übergewicht!” zu sehen ist. Relevanz ist ebenfalls wichtig, da eine Aussage klar, richtig und exakt sein kann, aber irrelevant für die Fragestellung, wie im Beispiel der persön- lichen Anstrengungen für einen Lehrgang gezeigt wird. Tiefgang ist erforderlich, da eine Aussage klar, richtig, exakt und relevant sein kann, aber oberflächlich, wie im Beispiel “Sag einfach Nein!” zur Drogenprävention gezeigt wird. Vernetzung ist wichtig, da verschiedene Sichtweisen berücksichtigt werden sollten, um ein umfassendes Verständnis zu erlangen. Logik ist erforderlich, da die Gedanken in einer bestimmten Reihenfolge gebracht werden müssen, um sinnvoll zu sein. Universelle Normen bilden die Grundlage des kritischen Denkens und soll- ten konsequent auf die einzelnen Elemente des Denkens angewendet wer- den. 3 Die Elemente des Denkens nach Paul und Elder Die Elemente des Denkens, die von Paul und Elder (2003) beschrieben werden, umfassen: Absicht: Welche Absicht verfolgen die Autorinnen? Ist die Absicht offen deklariert bzw. klar erkennbar? Ist sie vertretbar? Fragestellung: Ist das Problem/Thema gut formuliert? Eindeutig und ohne Parteinahme? Wird die Beschreibung der Komplexität des behan- delten Sachverhalts gerecht? Information: Führen die Autorinnen relevante Tatsachen, Erfahrungen und Informationen an? Sind die Aussagen überprüfbar und exakt? Interpretation: Entwickeln die Autorinnen eine nachvollziehbare Argu- mentationslinie, die gut erkennen lässt, auf welchem Weg sie zu ihren zentralen Schlussfolgerungen gelangen? Konzepte: Klären und erläutern die Autorinnen Konzepte, Schlüsselbe- griffe und zentrale Ideen ausführlich? Sind diese vertretbar? Annahmen: Sind sich die Autorinnen bewusst, wo sie sich auf Annahmen stützen? Die kritische Bewertung von Texten oder Aussagen beinhaltet die Über- prüfung, ob die Autorinnen Dinge als selbstverständlich hinnehmen, die hinterfragt werden könnten, und ob ihre Ausführungen auf fragwürdigen Annahmen basieren, ohne deren Problematik anzusprechen. Es ist wichtig, dass die Autorinnen die Auswirkungen und Konsequenzen ihrer Haltung berücksichtigen und auch abweichende Standpunkte und Argumentationslinien einbeziehen und entkräften. Intellektuelle Tugenden Die intellektuellen Tugenden entwickeln sich auf der letzten Stufe des kri- tischen Denkens und sind eng mit der Persönlichkeit verbunden. Zu den intellektuellen Tugenden gehören: Intellektuelle Bescheidenheit: Sich der Grenzen des eigenen Wissens be- wusst sein und ein Gespür für Parteilichkeit, Vorurteile und limitierte Standpunkte haben. Intellektueller Mut: Den Mut haben, Ideen, die emotional abgelehnt wer- den, fair und kritisch zu betrachten und zu bewerten. Intellektuelle Anteilnahme: Sich in die Lage anderer versetzen können, um sie zu verstehen, und die Bereitschaft haben, die eigene Haltung zu überwinden. Intellektuelle Unabhängigkeit: Die eigenen Haltungen und Werte mit dem Verstand im Griff haben und kritisch denken lernen. Diese intellektuellen Tugenden sind nach Paul und Elder (2003) wesentliche Bestandteile des kritischen Denkens. Intellektuelle Aufrichtigkeit ist entscheidend, um kritisch zu denken, in- dem man der eigenen Denkhaltung treu bleibt, intellektuelle Normen kon- sequent befolgt und Widersprüche im eigenen Denken und Handeln offen 4 eingesteht. Intellektuelle Beharrlichkeit ist notwendig, um trotz Problemen und Hin- dernissen nach objektiven Einsichten und Wahrheiten zu suchen und sich an rationalen Prinzipien zu orientieren. Vertrauen in die Vernunft ist wichtig, um den Spielraum der Vernunft voll auszuschöpfen und alle Menschen zu ermutigen, durch die Entwicklung ihres rationalen Denkvermögens zu eigenen Schlussfolgerungen zu gelan- gen. Gerechtigkeitssinn ist erforderlich, um alle Standpunkte gleich zu behan- deln, ungeachtet der eigenen Gefühle und Interessen, und die intellek- tuellen Normen konsequent durchzusetzen. Das Prozessmodell des kritischen Denkens nach Garrison und Anderson Das Modell von Garrison und Anderson (2003) beschreibt den Prozess des kritischen Denkens in vier Phasen: Erkundungsphase, Diskurs und Austausch, Integrationsphase und Auflösung des Problems. In der Erkundungsphase wird der fragliche Sachverhalt genauer unter- sucht, um ihn besser zu verstehen und zu beurteilen. Der Auslöser für den kritischen Denkprozess ist ein Widerspruch oder eine unverständliche Situation, die die vorhandenen Denk- und Hand- lungsweisen an ihre Grenzen bringt. Das kritische Denken wird aktiviert, wenn die Person versucht, den Sachverhalt besser zu verstehen und den erkannten Widerspruch aufzulösen. Kritische Überlegungen können sich in verschiedenen Handlungen man- ifestieren, wie z.B. Brainstorming, Recherche, Notizen oder Gesprächen mit anderen Personen. Durch diese Überlegungen kann es gelingen, Informationen in das eigene Denken und Handeln einzubeziehen und gut begründete Urteile über eine Situation oder ein Problem zu fällen. Die Ergebnisse dieser Phase sind elaborierte Ideen und Konzepte, die in den vorherigen Phasen entstanden sind und durch geprüfte Belege ab- gesichert sind. In der vierten Phase geht es um die eigentliche Auflösung des Problems, indem konkrete Varianten durch das Handeln in der Praxis erprobt wer- den. Die aufgestellten Ideen und Konzepte werden getestet und neue Denk- und Handlungsstile angewendet, wobei die gewonnenen Annahmen und Erkenntnisse einem “Reality-Check” unterzogen werden. Der Prozess des kritischen Denkens kann jedoch zu neuen Widersprüchen und Fragen führen, die einen weiteren Zyklus des kritischen Denkens aus- lösen. Der Ort für diesen Prozess des kritischen Denkens wird in zwei Bereiche geteilt: den persönlichen Bereich der eigenen Reflexion und den zwischen- 5 menschlichen Bereich des Austausches mit der Welt. Feinde des kritischen Denkens Kruse (2017) beschreibt “Feinde des kritischen Denkens”, zu denen auch der Dogmatismus gehört, der das unveränderte und unkritische Festhalten an Überzeugungen, Wertvorstellungen oder Weltanschauungen beinhaltet. Dogmatismus ist das Gegenteil des kritischen Denkens und kann zu Fa- natismus führen, einem übersteigerten, blinden Engagement für eine bes- timmte Idee. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen dem praktischen Wert von Dog- matismus und der Notwendigkeit, kritisch zu denken, da feste Meinungen nicht immer von dogmatischen Meinungen unterschieden werden können. Der Kampf zwischen Dogmatismus und kritischem Denken ist nicht nur eine innerwissenschaftliche Sache, sondern auch eine individuelle Heraus- forderung, die man ständig mit sich selbst austragen muss. Populismus und Fundamentalismus stellen einen Gegenpol zum kritischen Denken dar, da sie oft den Anspruch auf Rationalität aufgeben oder bekämpfen und sich nicht einer Konsensfindung verpflichtet fühlen. Versteckte Interessen können den kritischen Diskurs und die wis- senschaftliche Arbeit beeinflussen, wenn unreflektierte Interessen die Zielsetzungen lenken und die Bewertung der Gegenstände beeinträchti- gen. Geförderte Forschung kann vor der Herausforderung stehen, die Grund- sätze des kritischen Denkens und freien Forschens von den Förderinter- essen zu trennen, insbesondere bei Widersprüchen zwischen dem Ergebnis des kritischen Denkens und den Interessen der Fördergeber. Die persönliche Bequemlichkeit kann ein Feind des kritischen Denkens sein, da es oft einfacher ist, eine bereits vorhandene Position unkritisch zu übernehmen, als eine eigene, durchdachte Position zu entwickeln. Die Übernahme von Meinungen der Mehrheit oder von bestimmten Me- dien ohne Reflexion kann zu einer unkritischen Haltung führen. In einer komplexen Welt ist es schwierig, zu allen Themen eine fundierte und kritische Meinung zu entwickeln, und es ist wichtig, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein und nicht zu jedem Thema eine Meinung haben zu müssen. Es gibt drei Fehler, die bei der Meinungsbildung gemacht werden können: Meinungen zu Themen zu versprühen, die einen nicht interessieren, Mein- ungen zu unbeantwortbaren Fragen zu haben und nicht genügend Zeit für eine vernünftige Klärung aufzuwenden. Der Text beschreibt drei Fehler, die beim kritischen Denken gemacht werden können: Niemand kann die Zukunft vorhersagen, Fachleute eingeschlossen, und man sollte sich vor vorschnellen Meinungen hüten. Der dritte Fehler ist, dass Menschen dazu tendieren, voreilige Antworten auf komplexe Fragen zu geben, wie es der amerikanische Psychologe Jonathan Haidt untersucht hat. 6 Es ist wichtig, keine Meinung zu allem und jedem haben zu müssen, und Meinungslosigkeit ist kein Zeichen von geistiger Beschränktheit, sondern ein Zeichen von Intelligenz. Wenn man sich eine Meinung bilden will, sollte man sich Zeit nehmen, in Ruhe darüber schreiben und Ansichten von außen einholen, möglichst von Menschen, die anders denken. Es ist wichtig, die eigenen Argumente zu hinterfragen und zu versuchen, sie zu durchlöchern, um herauszufinden, ob sie stichhaltig sind. Präzises Denken und sprachliche Unklarheiten Ein essenzieller Teilaspekt des kritischen Denkens ist die Notwendigkeit einer gewissen Präzision und Genauigkeit im Denken und Formulieren von Gedanken. Sprachliche Unklarheiten können in einem kritischen Diskurs zu einem bedeutenden Hindernis werden und sollten daher vermieden werden. Ein Beispiel für sprachliche Unklarheit ist die Mehrdeutigkeit, wie im Satz “Wir fordern mehr Sicherheit!” gezeigt wird, der ohne Kenntnis des genauen Kontextes nicht eindeutig interpretiert werden kann. Um die Bedeutung eines solchen Satzes zu klären, muss zunächst die Be- deutung des Wortes “Sicherheit” geklärt werden, dann der Kontext, in dem es verwendet wird, und schließlich die spezifischen Anforderungen, die damit verbunden sind. Die Mehrdeutigkeit in der Sprache kann durch verschiedene Faktoren entstehen, wie zum Beispiel durch die Verwendung von Sicherheits- gurten für Autofahrerinnen und Helme für Fahrradfahrer, oder durch die Forderung der Stadtbevölkerung an die Stadtverwaltung, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Anzahl der Unfälle zu reduzieren. Quantifikationen wie “alle”, “einige” und “keine” können ebenfalls zu Un- klarheiten in der Sprache führen, da sie oft unbemerkt bleiben, aber den- noch praktische Auswirkungen haben können. Allaussagen (oder universelle Urteile) wie “Du kommst immer zu spät” können durch Gegenbeispiele widerlegt werden und sind oft übertrieben, um Nachdruck zu verleihen. Angaben wie “sehr viele”, “fast alle” oder “die meisten” helfen, genaue Aussagen zu machen, bleiben aber selbst vage und geben keine klare An- zahl an. Der Gedanke “Europa ist am Ende” ist nicht hinreichend präzisiert und es ist nicht klar, ob ihm ein Wahrheitswert zugeschrieben werden kann, da “am Ende” nicht definiert ist. Um genau zu denken, müssen wir eine sachliche Priorisierung vornehmen und unsere Gedanken sprachlich präzisieren, indem wir entscheiden, worüber wir genau nachdenken und welche Worte bzw. Begriffe die besten sind. Die Präzisierung der Aussage “Die EU muss sich erneuern” zeigt, dass der Satz eher eine Aufforderung ist als eine Aussage und dass “erneuern” nicht 7 definiert ist. Eine Präzisierung des Gedankens würde erfordern, den Gegenstand klar zu benennen, das handelnde Subjekt klar zu definieren und die Bedeutung von “erneuern” zu klären. Der Autor Kruse (2017) wird zitiert, um die Bedeutung von Präzisierung in der Sprache zu unterstreichen. Die Bürgerinnen, Parteien, Politikerinnen, Landesregierungen, das Eu- ropäische Parlament, der Europäische Rat und andere müssen die Eu- ropäische Union (EU) verändern, aber es ist wichtig, den Vorgang zu präzisieren und zu kontextualisieren, um zu verstehen, was genau gemeint ist. Die Präzisierung einer Aussage bedeutet, einen Gedanken genauer zu fokussieren und ihn damit auch einzugrenzen, um einen engeren und klar benannten Wirklichkeitsausschnitt zu betrachten. Beispiele für präzisierte Aussagen sind: “Die EU-skeptischen Parteien im Europäischen Parlament verlangen eine Umwandlung der politischen Ver- fassung der EU in einen Staatenbund” und “71 Prozent der Befragten sprechen sich für den Erhalt der EU-Mitgliedschaft ihres Landes aus, ob- wohl 72 Prozent der Meinung sind, die EU-Politik bewege sich in die falsche Richtung”. Kritisches Denken bedeutet Selbstgesteuertes Lernen, selbstdisziplin- iertes, selbstüberwachtes und selbstkorrigierendes Denken, das durch vier wichtige Facetten gekennzeichnet ist: selbstgesteuertes Denken, rationales Denken, skeptisches Denken und kritisches Denken als Persönlichkeitseigenschaft. Notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten für kritisches Denken sind Inter- pretieren, Analysieren, Evaluieren, Schlussfolgern, Begründen und Selb- stregulieren. Kritisches Denken kann nicht gelingen, wenn Begriffe bzw. Konzepte wie “Tatsache” oder “Wahrheit” grundsätzlich abgelehnt werden, und es ist stets auch ein sprachkritisches Denken. Kritisch Denkende wenden die intellektuellen Normen routinemäßig auf die Elemente des Denkens an und vervollkommnen so ihre intellektuellen Tugenden, wie Klarheit, Richtigkeit, Exaktheit, Relevanz, Tiefgang, Ver- netzung und Logik. Die intellektuellen Tugenden umfassen Bescheidenheit, Mut, Anteilnahme, Unabhängigkeit, Aufrichtigkeit, Beharrlichkeit, Vertrauen in die Vernunft und Gerechtigkeitssinn. Das Prozessmodell des kritischen Denkens nach Garrison und Anderson beschreibt den Prozess, der durch einen Auslöser zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und Wahrnehmung führt. In der Erkundungsphase eines Problems finden Überlegungen und das Denken in Bezug auf das erkannte Problem statt, was ein wichtiger Teil des kritischen Denkens ist. In der Integrationsphase werden die recherchierten Informationen in Ideen und Konzepten zusammengefasst, um eine Erprobung durch Handeln in 8 der Praxis zu ermöglichen, sowohl im persönlichen als auch im geteilten Bereich. Wichtige Feinde des kritischen Denkens sind Dogmatismus, Populismus, versteckte Interessen und Bequemlichkeit, die das kritische Denken behin- dern können. Präzises Denken ist notwendig für kritische Diskurse und damit auch für kritisches Denken, insbesondere in Bezug auf sprachliche Unklarheiten wie Mehrdeutigkeit und Quantifikationen. Die Präzisierung von Gedanken erfordert das klare Benennen des Gegen- standes, die klare Definition des handelnden Subjektes, eine Präzisierung des Vorganges sowie eine Kontextualisierung von Behauptungen. 9 Critical Thinking-30-48.pdf Fakten, Wissen, Aussagen Das Kapitel “Fakten, Wissen, Aussagen” behandelt die Definition von Fakten, Wissen und Aussagen und ihre Bedeutung für einen kritischen Diskurs. Fakten werden definiert als geprüfte oder erwiesene Sachverhalt, Gegeben- heiten oder Ereignisse, die durch Dokumentation, Prüfung, Vermessung, Sammlung oder experimentelle Untersuchung bestätigt werden können. Die Begriffe “alternative Fakten” und “Fake News” werden im Kontext des kritischen Denkens diskutiert, um die Bedeutung von Fakten und Wissen für einen kritischen Diskurs zu unterstreichen. Die Lernziele des Kapitels umfassen die Definition von Fakten, die Er- läuterung von “Fake News” und “alternativen Fakten”, die Diskussion von Forschung und Wissen sowie die Abgrenzung von Quellen zur system- atischen Gewinnung von Wissen. Fakten sind nicht einfach gegebene Informationen, sondern erfordern Erkenntnistätigkeit und Kommunikation, um wahrgenommen und interpretiert zu werden. Fakten können umstritten sein oder unterschiedlich interpretiert werden, insbesondere wenn sie in der Vergangenheit liegen, nicht unmittelbar er- fahrbar sind oder komplex sind. In den meisten Wissenschaften werden Fakten durch empirische Proze- duren wie systematische Beobachtungen, Befragungen, Messverfahren, Ex- perimente oder andere Arten der kontrollierten Datengewinnung erhärtet. Auch schriftliche Dokumente, historische Zeugnisse, Grabungen oder Fo- tografien können verwendet werden, um die Faktizität eines Ereignisses zu erhärten. Ansätze wie der Konstruktivismus kritisieren allgemeingültige Fakten, aber Vertrauen auf Fakten bildet einen wesentlichen Grundpfeiler unseres Wissens und unserer Erkenntnis. Kritisches Denken soll die Belegbarkeit von Fakten hinterfragen und über- prüfen, um ihre Gültigkeit zu bestätigen. Um etwas zur Tatsache zu erklären, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Objektivierung, Kommunikation und Erklärung. Objektivierung bedeutet, dass Fakten unabhängig von einzelnen Personen wahrgenommen und gemessen werden müssen. Kommunikation bedeutet, dass Fakten mit anderen Menschen diskutiert und geteilt werden müssen. Erklärung bedeutet, dass Fakten theoretisch dargestellt und interpretiert werden müssen. Der Begriff “Fakt” stammt vom lateinischen Wort “facere”, was “machen” bedeutet, und bezieht sich ursprünglich auf die “Tatprodukte” eines Schöpfergottes. Fakten werden als das Rohmaterial von Erkenntnis betrachtet, das noch 1 keiner intellektuellen und interpretativen Transformation unterzogen wurde. Der Begriff “Daten” stammt vom lateinischen Wort “datum”, was “gegeben” bedeutet, und bezieht sich auf gegebene Größen, Angaben oder Belege. In der Wissenschaftssprache hat sich die Bedeutung von “Daten” im 20. Jahrhundert zu einem wissenschaftsphilosophischen Problem entwickelt. Daten sind nicht schlichtes Rohmaterial, sondern stets unter Bedingungen erhobene Daten, weshalb eine intensive Beschäftigung mit dem Begriff “Fakten” wichtig ist. In letzter Zeit wurde die Basis des kritischen Diskurses durch Begriffe wie “Fake News” und “Alternative Fakten” infrage gestellt. “Fake News” bezeichnet falsche Nachrichten oder irreführende Informatio- nen, die absichtsvoll verbreitet werden, um die Meinung von Menschen zu beeinflussen und bestimmte Ziele zu erreichen. Fake News kann nicht mit “Falschmeldung” oder “Falschnachrichten” übersetzt werden, da diese Begriffe nicht zwischen Irrtümern und bewusst verbreiteten Falschinformationen unterscheiden. Der Begriff “Fake News” lässt sich besser mit “gefälschte Nachricht” über- setzen, da dies die bewusste und absichtsvolle Verbreitung von falschen Informationen hervorhebt. Der zentrale Unterschied zwischen “Falschmeldungen” und “Fake News” liegt darin, ob es “nur” an Wahrheit mangelt oder ob neben dem Mangel an Wahrheit auch noch ein Mangel an Wahrhaftigkeit hinzukommt. Fake News sind in der Mediengeschichte nichts Neues, aber in den letzten Jahrzehnten haben sich drei Neuheiten ergeben: Die Top 10 Twitter-Accounts mit den meisten Followern im August 2022 sind: Barack Obama, Justin Bieber, Katy Perry, Rihanna, Elon Musk, Cristiano Ronaldo, Taylor Swift, Donald Trump, Ariana Grande und Lady Gaga. Nachrichtenseiten können manipuliert werden, um als “seriöse Quelle” ver- wendet zu werden. Die technischen Möglichkeiten für Fälschungen haben sich erweitert, ins- besondere bei Bildmaterial, das mit Software verändert und gefälscht wer- den kann. Es ist möglich, nahezu jedes Ereignis durch einen echt aussehenden Film darzustellen, wie das Beispiel des Fake-Telefonats mit Vitali Klitschko zeigt. Im August 2022 gab es ein Fake-Telefonat zwischen einem Betrüger, der sich als Vitali Klitschko ausgab, und Berlin Bürgermeisterin Franziska Gif- fey, das von der Kriminalpolizei als politisch motiviert eingestuft wurde. Die Ermittler gehen von einer digitalen Manipulation aus, möglicherweise durch Deepfake-Technologie. Ähnliche Fälle gab es auch in Madrid und Wien, wo Bürgermeister mit dem vermeintlichen Klitschko videotelefoniert haben. Die Manipulation könnte durch Face Reenactment erfolgt sein, bei dem das 2 Videomaterial eines Interviews mit Klitschko verwendet und in Echtzeit mit dem Gesprochenen und den Lippenbewegungen des Betrügers zusam- mengeführt wurde. Der Begriff “alternative Fakten” wurde von Kellyanne Conway, Bera- terin und Wahlkampfmanagerin von Donald Trump, geprägt und birgt die Gefahr, dass Fakten relativiert und als Meinungen dargestellt werden. Der Begriff “alternative Fakten” wurde von Kellyanne Conway, Beraterin des US-Präsidenten, in einem Interview verwendet, um die Äußerungen von Trumps Sprecher Sean Spicer über die Zahl der Zuschauer bei Trumps Vereidigung zu rechtfertigen. Spicer hatte behauptet, dass die Medien “absichtlich falsch” über die Zahl der Zuschauer berichtet hätten und dass es die größte Zuschauerzahl bei einer Amtseinführung gewesen sei. Trump selbst hatte den US-Medien vorgeworfen, über die Zahl der Zuschauer bei seiner Vereidigung gelogen zu haben und behauptete, dass er am Kapitol “eine Million, eineinhalb Millionen Menschen” gesehen habe. Die Behörden in Washington, D.C. hatten jedoch keine offiziellen Teil- nehmerzahlen herausgegeben, und Fernsehbilder zeigten, dass die Fläche zwischen dem Kapitol und dem Washington Monument nicht vollständig gefüllt war. Vergleichsbilder zeigten zudem, dass deutlich weniger Menschen anwesend waren als bei Barack Obamas Amtseinführung 2009. Die Ausführungen in diesem Kapitel machen deutlich, dass es wichtig ist, die Herkunft und Quellen von “Fakten” genau zu hinterfragen und zu analysieren, und dass der Weg zu diesen Fakten von zentraler Bedeutung ist. Forschung bezeichnet die systematische Suche nach Neuem mit wis- senschaftlichen Methoden und kann auf verschiedene Arten stattfinden, wie zum Beispiel experimentell oder naturalistisch. Die wichtigsten Unterscheidungen in der Forschung sind die Unterschei- dung zwischen experimentell und naturalistisch, bei der es darum geht, ob in den beobachteten Forschungsgegenstand eingegriffen wird oder nicht. Forschung kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden, wie zum Beispiel naturalistische Forschung, bei der die Verbreitung von Neuigkeiten und Informationen in verschiedenen Medien verfolgt wird, oder experimentelle Forschung, bei der bewusste Meldungen generiert und deren Verbreitung verfolgt wird. Quantitative Forschung zeichnet sich durch genaues Messen, Registrieren oder Auszählen aus und beruht auf Zahlen und Daten, die mathematisch und statistisch ausgewertet werden können, während qualitative Forschung sich auf die Interpretation von Daten sprachlicher oder symbolischer Natur konzentriert. Theoretische Forschung erreicht ihre Ergebnisse durch gedankliche Mittel wie Reflektieren, Abwägen, Analysieren und Argumentieren, während em- pirische Forschung durch Wahrnehmung, wie Befragung, Auswertung von 3 Schriftstücken oder Beobachtung, erfolgt. Entwicklung und Design sind von Forschung zu unterscheiden, insbeson- dere in den Ingenieurwissenschaften, wo es um die Entwicklung von neuen Lösungen, Technologien und Produkten geht. Die Informationsbeschaffung kann auf verschiedene Weise erfolgen, wie zum Beispiel durch Literaturstudium, Sekundärforschung, Primär- forschung, Meta-Analyse, Feldforschung oder Schreibtischforschung. Sekundärforschung greift auf bereits vorhandene Daten zurück, während Primärforschung selbst Daten erzeugt, die optimal für den Forschungsge- genstand erhoben werden können. Literaturstudium ordnet das Thema und die zu behandelnde Frage in den derzeitigen Stand der Wissenschaft ein, während Meta-Analyse ver- schiedene, bereits vorhandene Daten und Studien zusammenführt. Die Informationsbeschaffung kann auch durch Tabelle 2 systematisch dargestellt werden, die Quellen wie Literatur, Empirie, Sekundärforschung, Primärforschung, Meta-Analyse, Feldforschung und Schreibtischforschung auflistet. Die Autoren Kornmeier (2007) und Kruse (2017) werden als Referenzen genannt. Das kritische Denken kann durch verschiedene Forschungsverfahren bee- influsst werden, darunter Primar- und Sekundärforschung, die sich in der Art und Weise der Datenerfassung und -auswertung unterscheiden. Ein hybrides Verfahren zwischen Primar- und Sekundärforschung ist das Data Mining, bei dem große Datenmengen mit Hilfe von explorativen Ver- fahren analysiert werden, um Regelmäßigkeiten und Muster aufzudecken. Data Mining kann als eine Form der induktiven Forschung angesehen wer- den, bei der ohne vorherige theoretische Annahmen oder Überlegungen nach Regelmäßigkeiten oder Gesetzmäßigkeiten in den Daten gesucht wird. Die verwendeten Methoden und statistischen Verfahren bei Data Mining sind aus der statistischen Analyse großer Datenbestände bekannt und wer- den durch neue Verfahren wie neuronale Netzwerke ergänzt. Die Besonderheit der Data Mining-Software besteht darin, dass sie im Sinne einer Black Box angewendet werden kann, was jedoch problema- tisch sein kann, wenn ohne Beachtung der Sensibilität der Programme weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Ein Problem bei Data Mining ist die Vorstellung, dass damit das Stich- probenparadigma der Statistik obsolet würde und aufgrund der großen Datensätze auf die Formulierung von Stichprobenverteilungen verzichtet werden kann. Kornmeier (2007) kritisiert, dass in blindem Vertrauen auf die Auswer- tungssoftware und ohne Beachtung der Sensibilität der Programme auf Ausreißer, Verzerrungen durch selektive Datenbasis usw. weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Wissen ist ein Sammelbegriff für Auffassungen, Meinungen und Gedanken, deren Begründetheit über eine bloße Wahrheitsannahme hinausgeht und durch kontrolliert gewonnene empirische Fakten, konsistent ausformulierte 4 Theorien, Prüfungen in Konsensverfahren und Einsatz in der Praxis be- gründet werden kann. Wissen lässt sich nicht über seinen Wahrheitsgehalt definieren, wohl aber über Kriterien wie Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Verwendbarkeit, Sparsamkeit, konzeptuelle Konsistenz und Kommunizierbarkeit. Wissen schließt die Identifikation und das Verständnis von Nichtwissen ein. Wissen ist in verschiedenen Medien und Zeichensystemen dokumentiert, aber seine Existenz ist immer auf menschliches Denken angewiesen, das diese Zeichen verstehen kann. Der Begriff des Wissens ist nicht unmittelbar mit dem der “Wahrheit” ver- bunden, aber es geht um eine fundierte Begründung, bei der Wissenschaft und wissenschaftliche Methoden helfen. Wissen kann sich in vielfacher Weise manifestieren, wie z.B. in Forschungsergebnissen, Fakten, Statistiken, Ideen, Theorien, Konzepten, Methoden, technologischem Wissen, Sammlungen, Inventaren, System- atiken, Praxiswissen und Erfahrung. Die Qualität von Wissen wird in drei Kategorien eingeteilt: gesichertes Wissen, strittiges Wissen und Unwissen. Gesichertes Wissen ist durch empirische Belege, diskursive Prüfung, the- oretische Konsistenz, praktische Erprobung und klare Generalisierbarkeit gekennzeichnet. Strittiges Wissen ist durch widersprüchliche Belege, unklare Generalisier- barkeit, divergente Interpretationen und fraglichen Nutzen gekennzeich- net. Unwissen umfasst offene Fragen, Forschungslücken, hypothetisches Wis- sen, spekulatives Wissen und praktisch unerprobtes Wissen. Wissen wird in Organisationen und Unternehmen als zentraler Wettbe- werbsfaktor angesehen und ist oft der entscheidende Teil des “Produkts”. Die Wissenstreppe, wie sie von North (2021) definiert wird, umfasst die Stufen Zeichen, Daten, Information und Wissen. Zeichen sind die unterste Ebene der Wissenstreppe und umfassen Buch- staben, Ziffern und Sonderzeichen. Daten sind Symbole, die noch nicht interpretiert, aber aufgrund von bes- timmten Ordnungsregeln zusammengesetzt sind. Informationen sind Daten, die in einem Bedeutungskontext stehen und eine bestimmte Bedeutung haben. Wissen entsteht aus der Verarbeitung von Informationen durch das Be- wusstsein und ist der Prozess der zweckdienlichen Vernetzung von Infor- mationen. Wissen kann definiert werden als die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Personen zur Lösung von Problemen einsetzen, und um- fasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist jedoch immer an Personen gebunden und entsteht als individueller Prozess in einem spezi- 5 fischen Kontext. Arten von Aussagen Bei der Formulierung von Aussagen gibt es vier Arten, die sich auf der Grundunterscheidung “wahrheitsfähig oder nicht-wahrheitsfähig” basieren: logische Aussagen, empirische Aussagen, normative Aussagen und metaphysische Aussagen. Logische Aussagen sind wahrheitsfähig und können mit den Regeln der Logik überprüft werden, wie beispielsweise die Aussage “Studierende sind älter als Kleinkinder”. Empirische Aussagen sind Aussagen über einen realen Sachverhalt und können durch Konfrontation mit der Realität überprüft werden, wie beispielsweise die Aussage “In Hamburg leben mehr Menschen als in Wien”. Normative Aussagen legen fest, wie etwas sein soll, und sind nicht wahrheitsfähig, da sie nur wertsetzend sind, wie beispielsweise die Aus- sage “Die Darstellung von Wissen sollte in einfacher Sprache und einer übersichtlichen Struktur erfolgen”. Metaphysische Aussagen sind nicht wissenschaftlich überprüfbar und damit empirisch gehaltlos, aber können trotzdem einen Wert haben, wie beispielsweise die Aussage “Jeder Mensch hat einen sechsten Sinn”. Inhaltsleere Aussagen sind von keinem Nutzen, sagen nichts aus und kön- nen auch empirisch nicht widerlegt werden, wie beispielsweise die Aussage “Heute Abend wird es regnen oder auch trocken bleiben”. Die Autoren Peters und Waterman haben in ihrem Buch “Auf der Suche nach Spitzenleistungen” Aussagen gemacht, die kritisch hinterfragt werden müssen, um ihre Gültigkeit zu überprüfen. Arten von Aussagen können in nicht-wahrheitsfähige Aussagen (z.B. nor- mative oder metaphysische Aussagen), wahrheitsfähige Aussagen (z.B. lo- gische oder empirische Aussagen) eingeteilt werden. Ein Beispiel für die Kritik an wissenschaftlichen Aussagen ist das Buch von Peters und Waterman (1994), das acht Merkmale erfolgreicher Un- ternehmen aufzeigt, aber aus wissenschaftlicher Sicht stark anzuzweifeln ist. Gründe für die Kritik an Peters und Waterman sind unter anderem: Die Argumentation, dass erfolgreiche Unternehmen die acht Merk- male aufweisen müssen, ist nicht überzeugend, da nicht-erfolgreiche Unternehmen nicht untersucht wurden. Viele Behauptungen sind nicht überprüfbar, da die empirische Unter- suchung nicht ausreichend dokumentiert wird. Logische Widersprüche können aufgezeigt werden. Die Empfehlungen für die praktische Anwendung sind unbrauchbar, da die Aussagen zu vage bleiben. Eine finanzwirtschaftliche Untersuchung hat gezeigt, dass die von Peters und Waterman als exzellent herausgestellten Unternehmen wirtschaftlich 6 weniger erfolgreich waren als eine Vergleichsgruppe. Fazit: Auch Aussagen von oft zitierten Autoren sind auf ihre Gültigkeit zu prüfen. 7 Critical Thinking-49-67.pdf Kapitel 3: Argumente und Argumentieren Das Kapitel 3 des Skriptums “Critical Thinking” behandelt die Themen Argumente und Argument. Die Lernziele des Kapitels umfassen die Erläuterung des Begriffs des Arguments, die Notwendigkeit, Prämissen, Konklusion und Argument voneinander zu trennen, und die Anwendung des Schemas der Argument- form nach Toulmin. Ein Argument besteht aus drei Teilen: einer oder mehreren Prämissen, der Konklusion und der Verbindung von Prämissen zur Konklusion. Prämissen, Konklusion und Argument sind strikt voneinander zu trennen, um eine sinnvolle Beurteilung von Argumenten zu ermöglichen. Ein Argument kann aus einer, zwei oder mehr Prämissen bestehen, aber immer nur genau eine Konklusion haben. Es ist möglich, dass dieselben Prämissen zu zwei oder mehr un- terschiedlichen Konklusionen führen können, was zu verschiedenen Argumenten führt. Die Konklusion kann Teil von verschiedenen Argumenten sein, wenn un- terschiedliche Prämissen zu derselben Schlussfolgerung führen. Das Kapitel behandelt auch die verschiedenen Arten von Argumenten, wie thesenbezogenes Argument, hypothetisches Argumentieren und Be- gründung von neuem Wissen. Die Begriffe Deduktion, Induktion und Abduktion werden erläutert und voneinander abgegrenzt. Die Beurteilung von Argumenten umfasst die Bewertung der Gültigkeit, Stichhaltigkeit und Stärke von Argumenten. Typische Fehler bei der induktiven Argumentation werden genannt und erläutert. Ein Argument kann trotz falscher Prämissen einen guten Übergang haben, und umgekehrt kann ein Argument mit wahren Prämissen einen schlechten Übergang haben. Es ist wichtig, zwischen drei Fragen zu unterscheiden: Sind die Prämissen wahr?, Ist die Konklusion wahr? und Ist der Übergang von den Prämissen zur Konklusion gut? Ein Übergang ist gut, wenn die Prämissen einen guten Grund für die Wahrheit der Konklusion liefern. Argumente und Argumentation sind das Herzstück jeder kritischen Au- seinandersetzung und haben eine Grundstruktur, die aus Prämissen, Kon- klusion und Verbindung besteht. Das Toulmin-Schema Es gibt umfangreichere Modelle, um Argumentformen zu analysieren und darzustellen, wie das Schema von Toulmin, das sechs Bestandteile hat: 1 Konklusion (claim): die zentrale These oder Idee (Empirische) Gründe (grounds, data): Aussagen, die sich auf Fakten oder Ergebnisse von empirischen Untersuchungen beziehen Unter Fundierung (warrants): Aussagen, die als allgemeine Hand- lungsregel, Gesetz oder moralische Regel aufgefasst werden Stützungen (backing): Aussagen, die Auskunft darüber geben, ob es angemessen ist, eine bestimmte Fundierung zu verwenden Operatoren (modal qualifier): dienen dazu, anzuzeigen, wie die Gründe die Konklusion stützen Ausnahmebedingungen: nicht explizit im Text erwähnt, aber Teil des Schemas von Toulmin Das Modell von Toulmin geht über die Zweiteilung von Argumenten in Prämissen und Konklusion hinaus und bietet eine detailliertere Analyse von Argumentformen. In den Sozialwissenschaften werden oft probabilistische Aussagen benötigt, da bestimmte Phänomene nicht auf alle Akteure zutreffen und die Kon- klusion mit einem “Es ist wahrscheinlich, dass…” versehen wird. Eine solche Qualifizierung ist nicht Bestandteil der Konklusion, sondern beschreibt die Beziehung zwischen den Gründen und der Konklusion. Ausnahmebedingungen (A) sind Gründe, die gegen die Konklusion sprechen und auf Bedingungen hinweisen, unter denen die Konklusion nicht gilt. Die drei Bestandteile - Gründe, Fundierung und Stützung - können als Prämissen aufgefasst werden, die die Konklusion stützen, während der Op- erator und die Ausnahmebedingung Auskunft über die Art der Beziehung zwischen den Gründen und der Konklusion geben. Beispiel: Finanzkrise 2007/2008 Ein Beispiel für die Anwendung des Schemas ist die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/2008, bei der die Ursachen für die Krise umstritten sind. Hans-Werner Sinn schreibt in seinem Buch “Kasino-Kapitalismus”, dass das Problem nicht in der fehlenden Moral der Akteure liegt, sondern in den falschen Anreizen, die das Rechtsinstitut der Haftungsbeschränkung in Verbindung mit einer allzu laschen Regulierung liefert. Die Haftungsbeschränkung ist ein “Erfolgsgeheimnis des Kapitalismus”, aber erst ab einem gewissen Niveau kann sie als Problem angesehen wer- den. Sinn präzisiert seine Aussage, indem er angibt, dass Banken mit einer Eigenkapitalquote von unter 5% und einer laschen Regulierung die Krise wahrscheinlich machten. Die Formulierung “mit hoher Wahrscheinlichkeit” zeigt an, dass zwischen den Gründen und der Konklusion keine notwendige Beziehung besteht. Eine Fundierung des Schlusses beruht auf einer Theorie, wie Krisen im Bankensektor entstehen. 2 Die Finanzkrise kann durch verschiedene Faktoren wie Eigenkapita- lausstattung, lasche Regulierung und Entlohnung ausgelöst werden, wobei die Haftungsbeschränkung der Aktionäre eine ursächliche Rolle spielen kann. Arten des Argumentierens Argument kann in verschiedenen Situationen und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen stattfinden, wobei die Grundstruktur der Argumente davon nicht direkt betroffen ist. Es gibt verschiedene Arten des Argumentierens, darunter: Thesenbezogenes Argumentieren, bei dem eine einzelne These im Mit- telpunkt steht und begründet wird. Hypothetisches Argumentieren. Begründung von neuem Wissen. Es gibt verschiedene Konzeptualisierungen von Argumentieren, darunter: Überzeugen, bei dem das Ziel darin besteht, die Adressaten von einer Meinung zu überzeugen. Vernunftgebrauch, bei dem vernünftige Gründe als Basis der Verständi- gung zwischen Menschen angegeben werden. Logik, bei der die Verknüpfung zwischen Behauptung und Argument nach den Gesetzen der Logik erfolgt. Diskurs, bei dem Geltungsansprüche und Interessenpositionen durch Ar- gumente aushandelt werden. Gerichtsmodell, bei dem normative Setzungen zur Entscheidung über Kon- flikte angeführt werden. Thesenbezogenes Argumentieren Eine These ist eine Behauptung, die ohne Beweis zur Grundlage weit- erer Behauptungen oder Argumentationen gemacht wird und durch eine Begründung oder einen Beweis zu einer geltenden oder wahren Aussage wird. Argumente können auf zwei Arten formuliert werden: entweder in der Form These – Argument oder in der Form Argument – These, wobei die These hinter das Argument gestellt wird. Die erste Formulierung macht von Anfang an deutlich, worauf man hin- auswill, während die zweite Formulierung die Aufmerksamkeit zunächst auf die Begründung richtet. Argumente sind in der Wissenschaft dann von großer Schlagkraft, wenn sie nicht nur plausibel sind, sondern sich auch durch Hinweise auf weitere Daten, Fakten oder Quellen stützen lassen. 3 Belege für Argumente (nach Kruse, 2017) Laut Kruse (2017) können Argumente auf verschiedene Arten belegt wer- den, wie zum Beispiel: Beispiele für diese Arten von Belegen sind: Hypothetisches Argumentieren Hypothetisches Argument ist ein wichtiger Teil des kritischen Denkens, insbesondere wenn es um das Nichtwissen geht. Da das Nichtwissen unser Wissen übersteigt, müssen wir uns in einer Sprache darüber austauschen, die als “hypothetisch” bezeichnet werden kann. Hypothetisches Argumentieren kann zum Anführen, Darstellen und Widerlegen von Argumenten führen, jedoch auf einer rein hypothetischen Basis. Ein Beispiel für hypothetisches Argumentieren ist die Vorlesung von Al- bert Einstein zur speziellen Relativitätstheorie, in der er die Frage disku- tiert, ob die Lichtgeschwindigkeit konstant ist oder nicht. Der Text beschreibt den Versuch der Wissenschaft, insbesondere durch Heinrich Hertz, die Lichtgeschwindigkeit im Aether zu erklären, indem man annimmt, dass das Licht sich relativ zum Aether und nicht relativ zum Raum ausbreitet. Hertz’ Hypothese war, dass der Aether an den Bewegungen der Materie teilnimmt, was jedoch zu begrifflichen Schwierigkeiten führt, insbesondere wenn man die Materie als Kontinuum oder als atomistisch konstituiert betrachtet. Ein wesentlicher Teil des hypothetischen Argumentierens ist das Reflek- tieren, bei dem die eigenen Gedanken und Vermutungen zum Thema gemacht werden, um plausible Zusammenhänge innerhalb der Materie zu erkunden. Reflektieren ist ein wichtiger Bestandteil des kritischen Denkens, bei dem die eigenen Gedanken, Erfahrungen und Einstellungen im Vordergrund stehen und zum Gegenstand des Denkens werden. Begründung von neuem Wissen Die Begründung von neuem Wissen ist hauptsächlich für die Darstellung und Rechtfertigung von neuen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen relevant, wie im IMRD-Schema für den Aufbau eines Forschungsartikels dargestellt. Induktion und Deduktion sind zwei mögliche Vorgehensweisen bei der Schlussfolgerung, wobei Deduktion von einer Regel zu einem Fall führt, Induktion von einem Fall zu einer Regel führt und Abduktion von einem Resultat zu einer Regel führt. Die Tabelle 3 und die Abbildung 9 zeigen Beispiele und den typischen Auf- 4 bau eines Forschungsartikels gemäß IMRD-Schema, wie von Kruse (2017) dargestellt. Deduktion, Induktion und Abduktion Die Deduktion ist eine Methode, bei der vom Allgemeinen auf das Beson- dere geschlossen wird, und ist logisch zwingend und wahrheitserhaltend. Die Induktion ist eine Methode, bei der vom Besonderen auf das All- gemeine geschlossen wird, und ist ein Wahrscheinlichkeitsschluss, der informations- und wahrheitserweiternd ist. Die Abduktion ist eine Methode, bei der von einem singulären Einzelfall und einer hypothetischen Regel auf einen Einzelfall geschlossen wird, und ist ein Möglichkeitsschluss, der informations- und wahrheitserweiternd ist. Die Deduktion ist logisch unproblematisch, ein Fehler könnte nur den Sachgehalt betreffen, wenn z.B. eine der beiden Prämissen falsch wäre. Die Induktion ist problematisch, da der Schluss logisch unzulässig ist und nur Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können. Die Abduktion ist problematisch, da die Schlussfolgerung nur zufällig sein kann, wie das Beispiel mit den Graustörchen, Wölfen und Waschbären zeigt. Die Tabelle 3 fasst die Eigenschaften von Deduktion, Induktion und Ab- duktion zusammen, basierend auf Kühne/Berr (2021, S. 38). Beispiele für Deduktion, Induktion und Abduktion werden gegeben, um die verschiedenen Methoden zu illustrieren. Eine wichtige Eigenschaft von deduktiven Schlüssen ist, dass sie wahrheit- serhaltend sind, im Gegensatz zu Induktion und Abduktion, die riskante Schlüsse sind. Beurteilung von Argumenten Beim kritischen Denken geht es darum, vorgebrachte Argumente zu beurteilen, wie in Abschnitt 3.4 diskutiert wird. Die Beurteilung von Argumenten kann laut Pfister (2020) aus mehreren Perspektiven stattfinden, und eine Differenzierung dieser Perspektiven ist bei einem Diskurs hilfreich. Ein Argument kann als deduktiv gültig bezeichnet werden, wenn aus den Prämissen logisch korrekt die Konklusion abgeleitet wurde, unabhängig von der Wahrheit der Prämissen. Ein Argument ist deduktiv stichhaltig, wenn die Konklusion korrekt abgeleitet wurde und die verwendeten Prämissen wahr sind. Es gibt auch Argumente, die nicht den Anspruch erheben, deduktiv gültig zu sein, sondern als stark bezeichnet werden, wenn die angeführten Prämis- sen die Konklusion wahrscheinlich machen. Ein Argument kann als schwach bezeichnet werden, wenn die angeführten Prämissen die Konklusion nicht wahrscheinlich machen. Bei nicht-deduktiv starken Argumenten sollte auch die Wahrheit der 5 Prämissen hinterfragt werden, um zu bestimmen, ob das Argument stichhaltig ist. Ein Argument kann als invalide bezeichnet werden, wenn es nur aus wahren Prämissen und einer falschen Konklusion besteht. Ein Argument gilt als stichhaltig, wenn es valide ist und alle Prämissen des Arguments wahr sind. Das Konsistenzprinzip besagt, dass Prämissen und Konklusionen nur wahr oder falsch sein können, aber nicht beides zugleich. Es gibt drei Arten von Argumenten: valide, invalide und stichhaltige Ar- gumente, die durch Beispiele illustriert werden können. Eine valide und stichhaltige Argumentation kann durch Überprüfung der Prämissen und der Gültigkeit der Verbindung überprüft werden, wie im Beispiel mit Ned, dem Bären, gezeigt wird. Typische Fehler bei der induktiven Argumentation Bei der induktiven Argumentation gibt es jedoch einige typische Fehler, die vermieden werden sollten. Ein Fehler ist das voreilige Generalisieren, bei dem die berücksichtigten Daten nicht genügen, um die argumentativen Folgerungen zu rechtfertigen, wie im Beispiel des mittelmäßigen Essens im Gourmet-Restaurant. Ein weiterer Fehler sind unpassende Erklärungen, bei denen gültige Regeln oder Gesetzmäßigkeiten auf spezielle Fälle angewendet werden, auf die sie nicht passen, wie im Beispiel der Geschichte vom Weihnachtsmann. Irrelevante Schlussfolgerungen sind Folgerungen, die fälschlich oder völlig unpassend aus vorhandenen Daten oder Belegen gezogen werden, wie im Beispiel des 17-jährigen Kurt, der prädestiniert für den Ingenieurberuf sein soll. Fehler durch Vernachlässigung von Informationen entstehen, wenn vorhan- dene Informationen ignoriert, unterdrückt oder vernachlässigt werden, ob- wohl sie für das Argument bedeutsam sind, wie im Beispiel der Stadt Berlin. Analogiefehler treten auf, wenn Analogien oder Metaphern irreführend sind und Eigenschaften eines Sachverhalts als Eigenschaften eines anderen Sachverhalts ausgegeben werden, um eine Schlussfolgerung zu rechtferti- gen, wie im Beispiel des Staates als Schiff. Die Autoren Walter und Wenzl (2016) werden als Quelle für weitere Infor- mationen zu diesen Fehlern genannt. Zusammenfassung Ein Argument ist eine Verknüpfung von Aussagen, bei der eine oder mehrere Prämissen eine Konklusion begründen, wobei dieselben Prämis- sen zu unterschiedlichen Konklusionen führen können und dieselbe Konklusion Teil von verschiedenen Argumenten sein kann. Bei der Überprüfung von Argumenten müssen die drei Teile auseinanderge- 6 halten werden: die Wahrheit der Prämissen, die Korrektheit der Konklu- sion und die Güte des Übergangs von den Prämissen zur Konklusion. Die Argumentform nach Toulmin besteht aus sechs Teilen: Konklusion, Gründe, Fundierung, Stützungen, Operatoren und Ausnahmebedingun- gen. Beim thesenbezogenen Argument steht eine These im Mittelpunkt, die durch Argumente untermauert wird und auf verschiedene Arten belegt werden kann, wie durch den Verweis auf Theorien oder Modelle, den Ver- weis auf Meinungen führender Vertreter oder durch den Hinweis auf ein Beispiel. Hypothetisches Argumentieren ist vor allem im Umgang mit Nichtwissen von großer Bedeutung und spielt auch bei der Reflexion der eigenen Gedanken eine große Rolle. Bei der Begründung von neuem wissenschaftlichem Wissen wird häufig das IMRD-Schema angewendet, das aus Introduction, Method, Results und Discussion besteht. Deduktion ist der Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere und wahrheitserhaltend, während Induktion der Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine ist. Die Analogie zwischen Staaten und Schiffen ist schwach und irreführend, da sich Staaten von Schiffen unterscheiden und die Situation auf Schif- fen nicht mit der Situation eines Landes zu vergleichen ist, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit strikter Entscheidungen auf Schiffen versus der verfassungsmäßig geforderten und wünschenswerten Beachtung demokratischer Prinzipien durch einen Präsidenten. 7 Skriptum Critical Thinking-68-85.pdf Kritisches Denken und Wissenschaft Das Kapitel über kritische Denkfähigkeiten beschäftigt sich mit der Beurteilung von Argumenten und der Unterscheidung zwischen deduktiv- gültigen, stichhaltigen und starken bzw. schwachen Argumenten. Typische Fehler bei der induktiven Argumentation sind voreiliges Gener- alisieren, unpassende Erklärungen, irrelevante Schlussfolgerungen, Fehler durch Vernachlässigung von Information sowie Analogiefehler. Das Kapitel über Wissenschaft als Hilfe des kritischen Denkens hat mehrere Lernziele, darunter die Erläuterung zentraler Charakteristika des Begriffes “Wissenschaft”, die Abgrenzung von Wissenschaft als Tätigkeit, Institution und Ergebnis einer Tätigkeit sowie die Erläuterung wissenschaftlicher Kriterien wie Intersubjektivität, Kontrollierbarkeit und rationale Begründbarkeit. Die fünf Ideale der Wissenschaft nach Tetens werden ebenfalls erläutert, ebenso wie die wissenschaftstheoretischen Positionen Konstruktivismus, Realismus, Rationalismus und Empirismus. Weitere Themen des Kapitels sind die Notwendigkeit, Hypothesen durch Widerlegen zu testen, das Konzept der Korrelation und der Korrelation- skoeffizient nach Bravais-Pearson, Möglichkeiten der Erklärung von Kor- relation sowie Arten von Fehlschlüssen. Die Beurteilung von wissenschaftlichen Quellen anhand von Aktualität, Wissenschaftstheorie und Themenbezug wird ebenfalls behandelt, ebenso wie die Problematik mehrdeutiger Formulierungen und der Unterschied zwischen vagen und präzisen Begriffen. Definition von Wissenschaft Die Definition von Wissenschaft nach dem Lexikon Brockhaus Enzyk- lopädie wird erläutert, die Wissenschaft als ein System menschlichen Wis- sens beschreibt, das nach spezifischen Kriterien erhoben, gesammelt, auf- bewahrt, gelehrt und tradiert wird. Die Art, wie Wissen erworben wurde, ist ein zentraler Teil dieser Defini- tion, und die Kriterien und Regeln, nach denen Wissen erworben wird, haben sich im Laufe der menschlichen Geschichte verändert. Wissenschaft kann in drei verschiedenen Bereichen betrachtet werden: als Tätigkeit, als Institution und als Ergebnis der Tätigkeit. Wissenschaft als Tätigkeit bezieht sich auf den Prozess der systematischen Gewinnung von Erkenntnissen, um das menschliche Wissen zu vergrößern und das Leben besser zu gestalten. Dieser Prozess umfasst das Beschreiben, Erklären, Prognostizieren, Gestal- ten und gegebenenfalls das Abgeben von Werturteilen oder das Üben von Kritik. Wissenschaft als Institution bezieht sich auf das gesamte System, das sich 1 intensiv mit der Wissenschaft befasst, wie zum Beispiel Hochschulen oder Forschungsinstitute. Wissenschaft als Ergebnis der Tätigkeit bezieht sich auf die Gesamtheit an Erkenntnissen, die in einem bestimmten Gegenstandsbereich in einem Begründungszusammenhang stehen. Nach Raffée (1974) und Kornmeier (2007) kann Wissenschaft als ein sys- tematisch geordnetes Gefüge von Sätzen definiert werden. Das Bundesverfassungsgericht definiert wissenschaftliche Tätigkeit als “Alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist”. Das Niedersächsische Finanzgericht betont, dass auch die Anwendung von Wissen und Erkenntnissen auf konkrete Vorgänge als wissenschaftliche Tätigkeit gilt. Die Definitionen von Wissenschaft und wissenschaftlicher Tätigkeit sind wichtig für das Verständnis der Rolle von Wissenschaft in der Gesellschaft und für die Bewertung von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wissenschaftliche Tätigkeit Die angewandte Wissenschaft liegt nur dann vor, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Sinnzusammenhang gebracht werden. Eine Tätigkeit hat keinen wissenschaftlichen Charakter, wenn sie im Wesentlichen in einer laufenden, mehr praxisorientierten Beratung besteht, und sie wird erst dann als wissenschaftlich angesehen, wenn die Aufgaben einen Schwierigkeitsgrad erreichen, wie ihn wissenschaftliche Prüfungsarbeiten oder Veröffentlichungen aufweisen. Zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit gehört ferner, dass sie von der Meth- ode her nachprüfbar und nachvollziehbar ist. Historische und moderne Kriterien der Wissenschaftlichkeit Im Laufe der Geschichte wurden zahlreiche Beschreibungen sowie auch Definitionskriterien zu Wissenschaft von unterschiedlichen Personen fest- gehalten, wie zum Beispiel: Aristoteles definierte als Ziel der Wissenschaft (Ontologie), nach dem We- sen oder der Essenz von Dingen zu suchen und dies zu beschreiben. Unter der apodiktischen Gewissheit (zum Beispiel bei René Descartes oder Kant) ist zu verstehen, dass der Wahrheitswert von Aussagen unstrittig ist. In neueren Ansätzen kommen noch Kriterien wie sprachliche Klarheit oder Intersubjektivität (= Nachvollziehbarkeit durch andere Wissenschaftlerin- nen ist möglich) hinzu. Stegmüller benennt drei formale Bedingungen der Wissenschaftstheorie: Die Bemühung um sprachliche Klarheit, denn das Aufwerfen von Ver- ständnisfragen und die Bereitschaft zu ihrer Beantwortung stellt eines der 2 äußeren Merkmale wissenschaftlicher Diskussion und rationaler Gespräche überhaupt dar. Wissenschaftliche Äußerungen müssen grundsätzlich kontrollierbar bzw. nachprüfbar, um damit intersubjektiv gültig zu sein. Wissenschaftliche Behauptungen müssen rational begründbar sein, und auf Fragen von der Gestalt “woher weißt du das?” muss der Befragte eine Begründung zu geben bereit sein. Die Berufung auf Autoritäten oder göttliche Eingebung sowie die subjek- tive Versicherung der Wahrheit einer Behauptung stellen keine rationalen Begründungen dar. Es gibt mehrere Kriterien, die eine rationale Begründung ausmachen, darunter: Sprachliche Klarheit Kontrollierbarkeit Intersubjektive Nachprüfbarkeit Begründbarkeit Selbstreflexivität Intersubjektivität Begründung Wahrheit Erklärung und Verstehen Allgemeingültigkeit Begründbarkeit Notwendigkeit Lehr- und Darstellbarkeit Systemforderung Analytisch-rekompositive Methode Apodiktische Gewissheit Systemforderung Prinzipiengeleitete Methodik Ideale der Wissenschaft nach Tetens Tetens nennt fünf Ideale der Wissenschaft, die die oben genannten Krite- rien zusammenfassen: Das Ideal der Wahrheit: Wissenschaftler sollten ihre Theorien gegen Ir- rtümer und Täuschungen wappnen und herausfinden, ob etwas tatsächlich der Fall ist oder nicht. Das Ideal der Begründung: Wissenschaftler sollten argumentativ ausweis- bare und überprüfbare Gründe für Aussagen und Theorien beibringen. Das Ideal der Erklärung und des Verstehens: Wissenschaftler sollten nach Mustern, Regeln und Strukturen suchen, wie die Tatsachen in der Welt miteinander zusammenhängen. Das Ideal der Intersubjektivität: Wissenschaftliche Ergebnisse sollten von anderen kompetenten Wissenschaftlern nachvollzogen und überprüft wer- den können. 3 Das Ideal der Selbstreflexivität: Wissenschaftler sollten bereit sein, eigene Irrtümer und Fehler zu erkennen und die in Anspruch genommenen Meth- oden und erzielten Ergebnisse kritisch zu hinterfragen. Kritisches Denken kann als Konsequenz und Ergebnis dieser Ideale ver- standen werden. Wissenschaftstheoretische Ansätze Es gibt verschiedene wissenschaftstheoretische Ansätze, die sich auf den Weg zur Erkenntnis beziehen, darunter: Rationalismus: Unser Wissen wird durch Verstand und Vernunft geschaf- fen. Empirismus: Die sinnliche Wahrnehmung ist die wichtigste Quelle men- schlicher Erkenntnis. Sinnliche Wahrnehmung kann verschiedene Bedeutungen haben, wie Beobachtungen, Befragungen oder Experimente, und ist ein wichtiger Aspekt wissenschaftlichen Vorgehens. Es gibt verschiedene Denkrichtungen, die die Rolle der sinnlichen Wahrnehmung bei der Erkenntnisgewinnung betonen, wie Empirismus, Rationalismus, Konstruktivismus und Realismus. Der Empirismus geht davon aus, dass sinnliche Wahrnehmung die wichtig- ste Quelle menschlicher Erkenntnis ist, während der Rationalismus betont, dass Verstand und Vernunft die Grundlage aller Erkenntnis sind. Der Konstruktivismus behauptet, dass die Wirklichkeit subjektiv und ein Konstrukt des Gehirns ist, während der Realismus davon ausgeht, dass es eine von uns unabhängige Realität gibt, die durch wissenschaftliche Methoden erforscht werden kann. Kritischer Rationalismus und Fallibilismus Der kritische Rationalismus nach Karl Popper ist ein wichtiger wis- senschaftlicher Erkenntnisparadigma, der die prinzipielle Widerlegbarkeit alles erfahrungswissenschaftlichen Wissens betont. Dieser Ansatz hat wichtige Ableitungen für das kritische Denken, wie die Notwendigkeit, wissenschaftliche Behauptungen widerlegbar zu machen, und die Erkenntnis, dass jedes Wissen lediglich ein vorläufiges Wissen ist. Der Fallibilismus ist eine erkenntnistheoretische Position, die besagt, dass menschliches Wissen immer nur vorläufigen Bestand hat und unter dem Vorbehalt steht, falsch zu sein. Dies bedeutet, dass wir als Menschen fehlbar sind und dass unsere Aus- sagen und Methoden nicht absolut sicher sind, sondern ständig überprüft und korrigiert werden müssen. Der Fallibilismus ist eine erkenntnistheoretische Hypothese, die be- sagt, dass alle wissenschaftlichen Aussagen und Theorien sowie wis- senschaftliche Methoden fehlbar sein können. Diese Hypothese bedeutet nicht, dass alles Wissen tatsächlich falsch ist, 4 sondern dass es prinzipiell möglich ist, dass unsere Wissensbehauptungen falsch sind. Der Fallibilismus wurde insbesondere durch Karl Popper bekannt, der ihn zur Grundlage seines kritischen Rationalismus machte, indem er method- ologische Regeln für die Falsifikation von Hypothesen aufstellte. Falsifikation ist eine empirische Widerlegung einer allgemeinen Aussage, die für Popper die notwendige Konsequenz aus der Einsicht ist, dass es keine Rechtfertigung geben kann. Die Metapher des Barons von Münchhausen (Münchhausen-Trilemma) wurde von Hans Albert eingeführt, um Argumente für die kritische Meth- ode zu liefern und zu zeigen, dass eine absolute Begründbarkeit nicht möglich ist. Albert identifiziert drei Strategien zur Lösung des Problems der abso- luten Begründbarkeit: den logischen Zirkel, den infiniten Regress und den Rekurs auf ein Dogma. Hypothesen widerlegen Kritisches Denken zeichnet sich dadurch aus, dass versucht wird, bekannte Hypothesen zu widerlegen, anstatt nach sicherer Erkenntnis zu streben. Ein Beispiel für kritisches Denken und das Testen einer Hypothese durch Widerlegen ist das Karten-Experiment von Pfister, bei dem die Hypothese “Wenn auf der einen Seite der Karte eine gerade Zahl ist, dann ist auf der anderen Seite rot” getestet wird. Bei diesem Experiment müssen die Karten umgedreht werden, die die Hypothese widerlegen würden, und nicht die Karten, die die Hypothese bestätigen würden. Um eine konditionale Aussage zu prüfen, sollte man nicht überlegen, was die Hypothese bestätigen würde, sondern was sie widerlegen würde. In einem sozialen Kontext ist es einfacher, eine Regel zu überprüfen, da der konkrete Inhalt und der soziale Kontext eine Rolle spielen. Ein Beispiel hierfür ist die Überprüfung der Regel “Wenn eine Person Bier trinkt, dann muss sie über 16 Jahre alt sein” in einer Bar, wobei die richtige Antwort darin besteht, die Karten von Personen mit Bier und einem Alter von 14 Jahren umzudrehen. Korrelation und Kausalität Korrelation ist das Ergebnis eines Rechenvorganges, das die Stärke des Zusammenhanges zwischen zwei Variablen misst. Die Korrelation wird meist in einem Korrelationskoeffizienten ausgedrückt, der einen Wert zwischen -1 und +1 annehmen kann. Ein perfekter linearer Zusammenhang liegt vor, wenn der Korrelationsko- effizient nach Bravais-Pearson +1 ist, während eine negative Korrelation einen umgekehrten Zusammenhang beschreibt. Die Grundidee hinter der Korrelation ist, dass mithilfe einer Variablen 5 eine andere Variable erklärt werden soll, was jedoch problematisch sein kann. Es gibt zwei Gründe, warum Korrelation problematisch sein kann: erstens muss der gefundene Zusammenhang sorgfältig überprüft und hinterfragt werden, und zweitens bedeutet Korrelation nicht automatisch Kausalität. Wenn ein Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen festgestellt wird, müssen vier Möglichkeiten in Betracht gezogen werden: Ein Beispiel für falsche Kausalität ist die Annahme, dass Läuse im Haar der Bewohner der Hebriden-Inseln Krankheiten verursachen, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine zufällige Korrelation handelt. Der Post-hoc-Fehlschluss ist ein häufiger Irrtum, bei dem eine falsche Kausalität angenommen wird, indem man annimmt, dass ein Ereignis die Ursache für ein anderes Ereignis ist, nur weil es zeitlich davor liegt. Ein Beispiel für diesen Fehlschluss ist die Geschichte von den Läusen, die absichtlich in das Haar von kranken Menschen gesetzt wurden, um das Fieber zu vertreiben, und die Feuerwehreinsätze, bei denen der Brand- schaden mit der Anzahl der eingesetzten Feuerwehrleute korrelierte. In beiden Fällen wurde die Ursache-Wirkung-Beziehung falsch inter- pretiert: Die Läuse verließen den Kranken, weil er Fieber hatte, und nicht umgekehrt, und die Feuerwehrleute wurden nicht eingesetzt, um den Brandschaden zu verursachen, sondern weil der Brand groß war. Ein weiteres Beispiel ist die Schlagzeile “Gute Mitarbeitmotivation führt zu höherem Unternehmensgewinn”, bei der unklar ist, ob die Motivation die Ursache oder die Folge des Erfolgs ist. Es ist wichtig, zwischen Zusammenhang und Kausalität zu unterscheiden und genau zu prüfen, ob ein Pfeil des Einflusses existiert und in welche Richtung er zeigt. Beurteilung wissenschaftlicher Quellen Bei der Beurteilung von wissenschaftlichen Quellen ist es wichtig, den Entstehungsprozess nachvollziehbar zu machen und kritisch zu beurteilen, da auch seriöse wissenschaftliche Publikationen Fälschungen enthalten können. Ein Beispiel für Fälschungen in der medizinischen Forschung ist der Fall des Krebsforschers Friedhelm Herrmann, der Primärdaten manipuliert hatte. Es ist wichtig, Quellen kritisch zu beurteilen und nicht blind zu vertrauen, sondern vielmehr zu prüfen, welchen Quellen bis zu welchem Grad vertraut werden kann. Ein Beispiel für wissenschaftlichen Betrug ist die gefälschte Abbildung in einer Publikation, bei der die sogenannten Banden eine hohe Ähnlichkeit aufweisen, was darauf hindeutet, dass sie nicht aus unterschiedlichen ex- perimentellen Bedingungen stammen. Ein weiteres Beispiel ist der koreanische Forscher Hwang Woo-suk, der in den Jahren 2004 und 2005 im Wissenschaftsmagazin Science über seinen 6 Durchbruch in der Stammzellforschung berichtet hat, der sich jedoch als erfunden herausstellte. Die Fotos aus dem Labor waren manipuliert und die Stammzellen stammten aus einer Fruchtbarkeitsklinik, anstatt aus geklonten Embry- onen. Das Peer-Review-Verfahren von Science konnte diesen Betrug nicht ver- hindern. Mehrdeutige und vage Formulierungen Tabelle 4 zeigt eine übliche Einteilung und Bewertung von wis- senschaftlichen Quellen, einschließlich Monographien, Herausgeberwerken, Aufsätzen in Fachzeitschriften, Working Papers und anderen. Um den Inhalt einer wissenschaftlichen Quelle kritisch zu hinterfragen, ist es notwendig, den Inhalt vollständig zu verstehen. Mehrdeutige Formulierungen können in verschiedenen Formen auftreten, wie lexikalische Mehrdeutigkeit, Mehrdeutiger Bezug auf die Äußerungssi- tuation und kompositionale Mehrdeutigkeit. Beispiele für mehrdeutige Formulierungen sind: Es gibt auch verschiedene Formen der kompositionalen Mehrdeutigkeit, wie syntaktische Mehrdeutigkeit und mehrdeutiger Textbezug. Vage Begriffe sind solche, bei denen nicht für alle Gegenstände eindeutig entschieden werden kann, ob diese unter den Begriff fallen, obwohl die Bedeutung des Begriffes an sich vollständig bekannt ist. Beispiele für vage Begriffe sind “billig” oder “Freund”, bei denen es schwierig ist, präzise Kriterien zu finden, um sie eindeutig zu bestimmen. Im Rahmen einer kritischen Analyse ist es sinnvoll und oft notwendig, die zugrunde liegenden Begriffe eindeutig zu bestimmen, um eine weitere Diskussion sinnvoll zu ermöglichen. Der Gegensatz zu vagen Begriffen sind präzise oder scharf begrenzte Be- griffe, die durch die Anwendung von präzisen Kriterien erreicht werden können. Zusammenfassung Wissenschaft kann als System von menschlichem Wissen bezeichnet wer- den, das nach spezifischen Kriterien erhoben und nach bestimmten Regeln erworben wurde. Der Begriff der Wissenschaft kann als Tätigkeit, Institution oder Ergebnis der Tätigkeit eingeordnet werden. Wichtige Kriterien der Wissenschaftstheorie sind die Intersubjektivität, die sprachliche Klarheit und die rationale Begründbarkeit. Die Ideale der Wissenschaft können durch Wahrheit, Begründung, Erk- lärung und Verstehen, Intersubjektivität sowie Selbstreflexivität zusam- mengefasst werden. Es gibt verschiedene wissenschaftstheoretische Ansätze, wie Rationalis- 7 mus, Empirismus, Konstruktivismus und Realismus, die sich durch ihre Herkunft der Kenntnisse und Kriterien unterscheiden. Der kritische Rationalismus hat als Methode des Erkenntnisgewinns die kritische Auseinandersetzung mit Hypothesen, die durch die Ideale der Wissenschaft geleitet werden. 8 Skriptum Critical Thinking-85-100.pdf Kritische Analyse und Wissenschaft Kritische Analyse erfordert die Verwendung von präzisen Begriffen, um Missverständnisse zu vermeiden, da vage Begriffe wie “billig” oder “Fre- und” unterschiedlich interpretiert werden können. Der Weg zu präzise beschriebenen Begriffen führt über die Anwendung von präzisen Kriterien, was oft schwierig oder nur in relativ willkürlicher Weise möglich ist. Wissenschaft kann als Hilfe des kritischen Denkens dienen, indem sie ein System von menschlichem Wissen nach spezifischen Kriterien erhoben und nach bestimmten Regeln erworben hat. Der Begriff der Wissenschaft kann als Tätigkeit, Institution oder Ergebnis der Tätigkeit eingeordnet werden. Wichtige Kriterien der Wissenschaftstheorie sind die Intersubjektivität, die sprachliche Klarheit, die rationale Begründbarkeit und die Ideale Wahrheit, Begründung, Erklärung und Verstehen, Intersubjektivität sowie Selbstreflexion. Es gibt verschiedene wissenschaftstheoretische Ansätze, wie Rationalis- mus, Empirismus, Konstruktivismus und Realismus, die sich in ihren Kri- terien und Herkunft der Kenntnisse unterscheiden. Der kritische Rationalismus hat als Methode des Erkenntnisgewinns die kritische Auseinandersetzung mit Hypothesen, die widerlegbar sein müssen und jedes Wissen als vorläufiges Wissen ansehen. Korrelation und Kausalität Korrelation beschreibt den Zusammenhang zwischen zwei Variablen oder Ereignissen und kann durch den Korrelationskoeffizient nach Bravais-Pearson ausgedrückt werden. Bei der Einordnung von Korrelationen zwischen zwei Ereignissen sind mehrere Möglichkeiten gegeben, und es ist wichtig, diese sorgfältig zu be- trachten. Kausalität kann nicht durch Korrelation bewiesen werden, und es gibt zahlreiche Arten von Fehlschlüssen, die beim Verknüpfen von Ursache und Wirkung auftreten können, wie z.B. Post-hoc-Fehlschluss, Fehlschluss der Verwechslung von Ursache und Wirkung und Analogismus. Bewertung von Quellen Bei der Bewertung von Quellen ist es wichtig, den Grad des Vertrauens zu überlegen, der ihnen entgegengebracht werden kann, und zwischen ver- schiedenen Arten von wissenschaftlichen Quellen wie Monografien, Her- ausgeberwerken, Aufsätzen in Fachzeitschriften und Working Papers zu unterscheiden. 1 Um den Inhalt von Quellen vollständig zu verstehen, sollten mehrdeutige Formulierungen erkannt und hinterfragt werden, und vage Begriffe sollten bis zu einer notwendigen Schärfe definiert werden. Digitalkompetenz Digitale Kompetenz ist die Fähigkeit, sich in einem digitalen Umfeld souverän zu bewegen, und umfasst verschiedene Mosaiksteine wie die Fähigkeit, digitale Programme oder Hilfsmittel zu bedienen, und die Fähigkeit, gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen zu unterlassen. Digitalkompetenz ist wichtig, um sich in einer schnelllebigen digitalen Welt zurechtzufinden und den Überblick zu behalten, und umfasst auch die Fähigkeit, die Qualität von digitalen Informationen zu beurteilen. Die Lernziele des Kapitels umfassen die Fähigkeit, den Begriff der Dig- italkompetenz einzugrenzen, den Zusammenhang zwischen Digitalkompe- tenz und kritischen Denken zu erläutern, und die Notwendigkeit von Dig- italkompetenz im Umgang mit sozialen Medien zu erläutern. Es gibt verschiedene Qualitätskriterien für Journalismus, die im Umgang mit digitalen Medien wichtig sind, und es gibt auch Kompetenzprofile für Digitalkompetenz und digitale Medienkompetenz, die beschrieben und erläutert werden können. Beispiele für die Gefahren im Umgang mit digitalen Medien umfassen Social Engineering, Phishing und Cyber-Mobbing, und es gibt auch Möglichkeiten, um die Qualität von digitalen Informationen zu beurteilen und Maßnahmen zur Abwehr von Phishing und anderen Bedrohungen zu ergreifen. In Projekten zur Förderung der digitalen Medienkompetenz geht es darum, Wissen zu vermitteln, für Risiken zu sensibilisieren und den gezielten, be- wussten und souveränen Umgang mit digitalen Medien zu trainieren, ins- besondere für Kinder und Jugendliche. Ein gesunder Umgang mit digitalen Medien ist jedoch kein Selbstläufer und erfordert eine fortwährende Entwicklung der digitalen Medienkompe- tenz, die als Lebenskompetenz in Beruf und Alltag unterstützt. Der Begriff der Digitalisierung und der Digitale Kompetenz sind eng miteinander verbunden und werden oft in unterschiedlichen Zusammen- hängen verwendet. Digitalkompetenz ist erforderlich, um Informationen kritisch einordnen zu können, die in digitaler Form vorhanden sind und durch unterschiedliche (digitale) Medien verbreitet werden. Beim Vergleich von Definitionen des Begriffes Digitalkompetenz fallen einige relevante Kriterien für kritisches Denken auf, wie z.B. die Fähigkeit, digitale Technologien anzuwenden und die digitale Transformation von Geschäftsprozessen voranzutreiben. Die EU-Kommission hat einen Gemeinsamer europäischer Referenzrah- men für Sprachen für digitale Kompetenzen erarbeitet, der digitale Kompetenzen in mehrere Bereiche untergliedert, wie z.B. Problemlösung, 2 Informations- und Datenkompetenz, Kommunikation und Kooperation, Sicherheit und Datenschutz sowie die Erstellung digitaler Inhalte. Die Definitionen von Digitalkompetenz zeigen, dass es sich um eine kom- plexe Fähigkeit handelt, die in verschiedenen Kontexten erforderlich ist, insbesondere im Rahmen von Wissensarbeit und bei der Verarbeitung von Informationen. Die Definitionen von Digitalkompetenz beinhalten oft den Begriff kritis- ches Denken, da analytisches Denken, aktives Lernen, Kreativität, Orig- inalität, Eigeninitiative und kritisches Denken für die Zukunft benötigt werden, um in der digitalen Welt erfolgreich zu sein. Das Weltwirtschaftsforum (2018) betont, dass Überzeugen, Verhandeln, Belastbarkeit, Flexibilität, komplexe Problemlösungskompetenz und emo- tionale Intelligenz ebenfalls wichtige Fähigkeiten sind. Journalismus und Soziale Medien Im Umgang mit digitalen Informationen und Medien sind besondere Kom- petenzen erforderlich, da das Web 2.0 die Aufnahme und Beurteilung von Informationen beeinflusst hat und klassischen Journalismus teilweise in den Hintergrund gedrängt hat. Journalismus ist die zusammenfassende Bezeichnung für Tätigkeiten, die aktuelle Informationen inhaltlich gestalten, und umfasst Recherchieren, Bearbeiten, Präsentieren, Interpretation und Analyse von Meldungen. Die gesetzlich nicht geschützte Berufsbezeichnung Journalist wird für publizistisch tätige Personen verwendet, die Informationen sammeln, auswerten und prüfen, um sie über die Massenmedien an die Öffentlichkeit zu vermitteln. Leitlinien der journalistischen Arbeit sind gründliche Recherche, klare Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen, Achtung von Pri- vatleben und Intimsphäre, Vermeidung unangemessener Darstellung von Gewalt und Brutalität sowie journalistische Sorgfaltspflicht. Im Vergleich zu sozialen Medien zeichnet sich Journalismus durch umfan- greiche Recherche und Prüfung von Informationen auf Wahrheitsgehalt und Quelle aus. Kritisches Denken ist erforderlich, um die Unterschiede zwischen Jour- nalismus und sozialen Medien zu erkennen und Informationen kritisch zu bewerten. Kritisches Denken kann durch die Arbeit von Journalisten unterstützt werden, die eine breite Informationsbeschaffung und -analyse durchführen, wodurch sich die Qualität der Informationen verbessert. Wenn diese vorgeleistete Arbeit nicht vorhanden ist, sollten wir selbst auf diese Schritte des kritischen Denkens zurückgreifen. Digitale Kompetenz und Medienkompetenz Digitale Kompetenz ist ein wichtiger Aspekt in der heutigen Zeit und 3 umfasst verschiedene Kompetenzen, die für eine effektive Nutzung von Informationen notwendig sind. Friedrichsen und Wersig (2020) listen fünf wichtige Kompetenzen auf, die für eine digitale Kompetenz erforderlich sind: Digitale Kompetenz wird oft in Verbindung mit dem Begriff der Medi- enkompetenz betrachtet, der älter ist und sich nicht nur auf digitale Me- dien beschränkt. Das TRIMEKO-Modell ist ein Beispiel für ein strukturiertes Modell der Medienkompetenz, das drei Hauptdimensionen umfasst: Die Medienkompetenz umfasst drei Dimensionen: Medienanwendung, Me- dienkritik und Medienkunde. Die Dimension Medienanwendung setzt sich aus den zwei untergeordneten Faktoren digitale Kollaboration und digitale Mediengestaltung zusammen. Die digitale Kollaboration umfasst den individuellen, kreativen und kom- munikativen Ausdruck durch digitale Medien, einschließlich empathischer Kommunikation und dem Mut, die eigene Meinung zu vertreten. Die digitale Mediengestaltung beschreibt den produktiven Umgang mit digitalen Medien, einschließlich der Anpassung von Medien an individu- elle Bedürfnisse und der Gestaltung von Kommunikation, um Inhalte ver- ständlich zu machen. Die Medienkunde ist die dritte Dimension der Medienkompetenz und ist durch vier untergeordnete Faktoren gekennzeichnet: digitale Rechte, digi- tale Literacy, digitale Identität und digitale Sicherheit. Digitale Rechte umfassen das Wissen über Rechte und Lizenzen im Inter- net, einschließlich des Wissens darüber, dass Inhalte nicht einfach kopiert oder geteilt werden dürfen. Digitale Literacy bezieht sich auf das kritische Prüfen von Informationen aus dem Internet und die kompetente Entscheidung, wann welche Anwen- dungen sinnvoll nutzbar sind. Die digitale Identität kennzeichnet die Nutzung unterschiedlicher Profile im Internet, je nach Verwendungszweck, und die Überprüfung eigener Spuren im Internet. Die digitale Sicherheit umfasst den Schutz persönlicher Daten, die Sicher- heit der eigenen Geräte und die Kenntnisse darüber, wie mit einer Bedro- hung der Geräte-Sicherheit umzugehen ist. Es gibt Schnittstellen zwischen Medienkompetenz und kritischem Denken, insbesondere im Bereich digitaler Literacy, wo kritisches Prüfen von Infor- mationen Teil der Medienkompetenz ist. Ein Beispiel für die Bedeutung von kritischem Denken in der digitalen Welt ist der Facebook-Chatbot “Blender Bot”, der Falschbehauptungen und beleidigende Aussagen tätigt, und zeigt, wie wichtig es ist, Informationen kritisch zu prüfen. Der Chatbot “Blender” von Meta hat in einem Gespräch falsche Informa- tionen verbreitet, wie z.B. dass Donald Trump noch US-Präsident sei, und antisemitische Verschwörungserzählungen als “nicht unplausibel” bezeich- net. 4 Meta erklärt auf seiner Webseite, dass der Chatbot Teil der Forschungsar- beit des KI-Teams ist und dass das Ziel darin besteht, KI-gestützte Di- alogsysteme zu verbessern. Trotz Bemühungen kann der Chatbot noch immer unhöflich sein und unwahre oder widersprüchliche Aussagen treffen, weshalb Nutzer aufge- fordert werden, Beleidigungen zu melden und als unangemessen zu markieren. Ein ähnlicher Fall ereignete sich mit dem südkoreanischen Chatbot “Lee Luda”, der offline genommen werden musste, weil er rassistisch und homo- phob wurde, nachdem er durch die Analyse alter Chatverläufe sprechen lernte. Der Blender-Bot ist derzeit nur in den USA verfügbar, aber Meta arbeitet daran, den Service in weiteren Ländern zur Verfügung zu stellen. Social Engineering und Phishing Die Verbindung von Digitale Kompetenz und kritischem Denken bedeutet auch, dass ein kritischer Umgang mit konkreten digitalen Medien erlernt und angewendet wird, wie z.B. im Umgang mit Chatbots. Social Engineering bezeichnet den Angriff auf IT-Systeme über den Zu- gang durch Menschen, da IT-Systeme oft besser geschützt sind als die Menschen, die sie bedienen. Social Engineering kann sowohl online als auch offline stattfinden, wie z.B. durch das Ausgeben als Mitarbeiter eines Lieferdienstes, um Zutritt zu sensiblen Räumen zu erhalten. Ein Beispiel für Social Engineering im Internet ist Phishing mithilfe von E-Mails, bei dem versucht wird, sensible Informationen zu erhalten. Der wesentliche Punkt bei Social Engineering ist, dass sich solche Angriffe ausschließlich durch ein entsprechendes Bewusstsein bei den Menschen ver- hindern lassen, da technische Sicherheitsstufen zwar teilweise erschweren, aber letztlich nicht verhindern können. Phishing ist ein Versuch, geheime Daten wie Passwörter zu erhalten, indem Betrüger die Opfer täuschen. Der wichtigste Schutz vor Phishing ist die Kenntnis, dass seriöse Un- ternehmen wie Banken, Online-Shops und Kleinanzeigen-Plattformen niemals direkt nach Kundendaten per Mail fragen. Phishing-Attacken verwenden oft echte Firmenlogos und -slogans sowie Links zu täuschend echten Webseiten, um die Opfer zu täuschen. Ein Beispiel für eine Phishing-Mail zeigt, wie der Benutzer aufgefordert wird, auf einen Hyperlink zu klicken, um seine Kontoinformationen zu aktualisieren. Fake News erkennen Um Fake News zu entlarven, ist es wichtig, die Plausibilität der Informa- tion zu überprüfen. 5 Wenn eine Nachricht oder ein Video zu sensationell oder unglaubwürdig erscheint, sollte man misstrauisch sein. Es ist ratsam, den Absender der Nachricht zu überprüfen und zu fragen, woher die Information stammt. Eine kurze Recherche im Internet kann helfen, die Glaubwürdigkeit der Information zu überprüfen. Es ist wichtig, die Originalquelle der Information zu überprüfen und zu sehen, ob sie vertrauenswürdig ist. Man sollte auch das Interesse der Verfasser der Information überprüfen und fragen, ob sie ein bestimmtes Ziel verfolgen. Die Autoren Lüdemann und Hegemann (2022) werden als Quelle für die Informationen über Fake News genannt. Informationen im Netz können wahr sein, aber auch einseitig oder von Eigeninteressen geprägt sein, daher ist es wichtig, die Quelle zu über- prüfen. Man sollte prüfen, wer hinter einem Medium oder einer Website steckt, ob es sich um öffentlich-rechtliche Presse, ein Unternehmen, eine NGO oder eine politische Stiftung handelt. Es ist ein Unterschied, ob jemand eine Kampagne verfolgt, etwas verkaufen oder Spenden sammeln möchte oder komplett unabhängig berichtet. Man sollte auch prüfen, ob es weitere Quellen gibt, die dieselbe Informa- tion bestätigen, insbesondere wenn große Medien wie der Spiegel, die Süd- deutsche, die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder das ZDF nicht darüber berichten. Wenn eine Information nicht verifizierbar ist oder nicht den wis- senschaftlichen Maßstäben entspricht, sollte man sehr skeptisch sein. Der Kontext ist wichtig, ein Zitat kann leicht verändert oder aus dem Kontext gerissen einen völlig neuen Sinn ergeben. Man sollte immer in die Originalquelle schauen, um zu prüfen, ob die Information korrekt ist und nicht aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Die Qualifikation des Verfassers ist wichtig, Journalistinnen und Journal- isten lernen in ihrer Ausbildung, Quellen auf Glaubwürdigkeit hin zu über- prüfen. Akademische Titel, klangvolle Institutsnamen oder hohe Einschaltquoten sind keine Garantie dafür, dass alles stimmt, was Fachleute verbreiten. Die Kompetenz von Menschen zu beurteilen ist nicht einfach, aber man kann sich die Arbeitsweise anschauen und prüfen, ob jemand spezialisiert auf das Thema ist, unterschiedliche Quellen zitiert und Fehler korrigiert. Wenn jemand einen finanziellen oder persönlichen Vorteil davon hat, eine Ansicht zu verbreiten, sollte man skeptisch bleiben. Digitalkompetenz und kritisches Denken Digitale Kompetenz beschreibt die Fähigkeit, digitale Technologien anzuwenden sowie im Rahmen von Aufgaben zu nutzen. Kritisches Denken ist eine wichtige Kompetenz, um in einer digitalen 6 Zukunft die Aufgaben in der Arbeitswelt, aber auch im Privatleben zu erfüllen. Wichtige Prinzipien von Journalismus sind das umfassende Recherchieren, das Auswerten und Prüfen von Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt sowie die Einordnung von Informationen vor dem Hintergrund der jeweili- gen Quelle. 7 Skriptum Critical Thinking-101-120.pdf Digitalkompetenz und Medienkompetenz Das Thema Digitale Kompetenz umfasst verschiedene Detailkompeten- zen wie Interpretationsfähigkeit, soziale Intelligenz, adaptives Denken, in- terkulturelle Kompetenz und digitales Denken. Medienkompetenz ist ein wesentlicher Teil von Digitalkompetenz und kann in Medieneinsatz, Medienanwendung und Medienkunde unterteilt werden. Digitale Kollaboration und digitale Mediengestaltung sind Teil der Me- dienanwendung, während Medienkunde in Bereiche wie digitales Recht, digitale Literacy, digitale Identität und digitale Sicherheit unterteilt wer- den kann. Digitale Literacy umfasst die Fähigkeit zur kritischen Prüfung von Infor- mationen aus dem Internet, was bei der Verwendung von Informationen aus sozialen Netzwerken häufig nicht erfüllt wird. Social Engineering und Phishing Social Engineering und Phishing sind Bedrohungen, die durch den Men- schen auf IT-Systeme zugegriffen werden können, und es ist wichtig, sich vor diesen Angriffen zu schützen. Bei der Analyse der Qualität von Informationen sind Kriterien wie Plausi- bilität, unmittelbare Bezugsquelle, Originalquelle, Interesse der Verfasser, Existenz von weiteren Quellen, Kontext der Informationen und Qualifika- tion der Verfasser wichtig. Critical Thinking 101 Das Kapitel “Critical Thinking 101” beschreibt die zwei Arten des Denkens, “System 1” und “System 2”, und erläutert typische Anwen- dungsbeispiele für langsames und schnelles Denken. Es werden auch Gründe für den fehlenden Einsatz von bewusstem und konzentriertem Denken angeführt und erklärt, sowie Ursachen und Fol- gen von kognitiver Leichtigkeit und deren Zusammenhang zu Denkfehlern erläutert. Der “Mere-Exposure-Effekt”, der “Halo-Effekt” und das “What you see is all there is (WYSIATI)-Prinzip” werden als Denkfehler beschrieben und ihre Folgen erläutert. Weitere Denkfehler wie Ankereffekt, emotionales Framing, Besitztumsef- fekt, Plausibilität vor Logik und Ergebnisverzerrung werden charakter- isiert und typische Anwendungsbeispiele erläutert. Die Unterscheidung zwischen dem erlebenden Selbst und dem erinnernden Selbst wird erläutert und ihre Auswirkungen dargestellt, sowie Fehler in der menschlichen Erinnerung beschrieben und ihre Auswirkungen dargestellt. 1 System 1 und System 2 Das menschliche Gehirn verfügt über zwei Denkmodi: System 1 und Sys- tem 2, die von den Psychologen Keith Stanovich und Richard West einge- führt wurden. System 1 arbeitet automatisch und schnell, ohne willentliche Steuerung, und ermöglicht intuitive Interpretationen, wie beispielsweise die Erken- nung von Emotionen in einem Gesicht. System 2 hingegen lenkt die Aufmerksamkeit auf anstrengende mentale Aktivitäten, wie komplexe Berechnungen, und geht oft mit dem subjek- tiven Erleben von Handlungsmacht, Entscheidungsfreiheit und Konzen- tration einher. Ein Beispiel für die Unterschiede zwischen System 1 und System 2 ist die Müller-Lyer-Illusion, bei der das Gehirn automatisch eine Linie als länger wahrnimmt, obwohl sie tatsächlich gleich lang ist wie die andere Linie. Um die Illusion zu überwinden, muss System 2 aktiviert werden, indem man beispielsweise mit einem Lineal misst und die Ergebnisse bewusst verarbeitet. Intuitives Denken vs. Willentliches Denken Eine entscheidende Frage im Kontext des kritischen Denkens ist, wann man anfängt, seinem intuitiven Denken (System 1) zu misstrauen und stattdessen auf das willentliche, aber anstrengendere System 2 zurückzu- greifen. Die Übung am Ende des Textes zeigt, wie wichtig es ist, zwischen System 1 und System 2 zu unterscheiden, indem man eine Denkaufgabe löst, die zunächst intuitiv beantwortet wird, aber letztendlich eine logische Analyse erfordert. Die richtige Antwort auf die Denkaufgabe “Anne, Philipp und Georg” ist A, die durch das Prüfen aller möglichen Fälle (Anne ist verheiratet oder nicht) ermittelt wird. Die meisten Menschen neigen dazu, die erste Antwort, die ihnen in den Sinn kommt (in diesem Fall C), zu wählen, ohne die verschiedenen Möglichkeiten zu berücksichtigen, da der kognitive Aufwand zu groß ist. Dieses Phänomen wird als “disjunktives Nachdenken” bezeichnet, das be- deutet, dass man alle möglichen relevanten Zustände der Welt berück- sichtigen muss, bevor man eine Option wählt. Keith Stanovich und seine Kollegen verwenden diese Denkaufgabe als Test, um das disjunktive Nachdenken genauer zu untersuchen. Obwohl das disjunktive Nachdenken eine allgemeine Strategie des Denkens ist, vermögen die meisten Menschen in vielen Situationen nicht, sie anzuwenden, es sei denn, sie werden dazu angewiesen. Die Schwierigkeit besteht darin, zu erkennen, wann man seiner Intuition nicht trauen darf und sie überprüfen muss, um nicht in die Irre geführt zu werden. 2 Das faule System 2 Es ist wichtig, nicht in jeder Situation die Intuition zu unterdrücken, da dies zu ineffizientem Reagieren im Alltag führen würde. System 2, das durchaus in der Lage ist, komplexe Denkaufgaben zu lösen, wird nicht immer verwendet, da es anstrengend ist, wie Daniel Kahneman es als “das faule System 2” beschreibt. Ein Beispiel für die Anstrengung, die System 2 erfordert, ist die Denkauf- gabe “Ein Schläger und ein Ball kosten 1,10 Dollar”, bei der die intuitive Antwort (10 Cent) falsch ist und die richtige Antwort (5 Cent) durch Berechnung ermittelt werden muss. Die intuitive Antwort auf eine Frage kann oft falsch sein, wie anhand des Schläger-und-Ball-Problems und eines logischen Arguments gezeigt wird, bei dem die Mehrheit der Studenten an Universitäten wie Harvard University, MIT und Princeton University die falsche Antwort gibt. Die Ergebnisse dieser Experimente sind erschreckend, da über 50 Prozent der Studenten die intuitive, aber falsche Antwort wählen, was darauf hin- deutet, dass sie kognitive Anstrengung meiden und sich der Intuition nicht widersetzen können. Das logische Argument, das vorgestellt wird, lautet: “Alle Rosen sind Blu- men. Einige Blumen verwelken schnell. Deshalb verwelken einige Rosen schnell.” Dieses Argument wird von der