Controlling - Grundlagen PDF
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2024
Robert Rieg
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This document presents an overview of controlling, a foundational concept in business administration. It explores the role of controllers and controlling concepts in both German and Anglo-American contexts.
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1 Controlling – Grundlagen Von Robert Rieg, © 2024 Inhaltsverzeichnis 1. Controller und Controlling...................................................................................................... 2 1.1 Controller und Controlling in der Praxis............................................
1 Controlling – Grundlagen Von Robert Rieg, © 2024 Inhaltsverzeichnis 1. Controller und Controlling...................................................................................................... 2 1.1 Controller und Controlling in der Praxis................................................................... 2 1.2 Ökonomischer Rahmen des Controllings.................................................................. 4 1.3 Controlling-Konzeptionen im deutschsprachigen Raum...................................... 10 1.4 Controlling in der anglo-amerikanischen Betriebswirtschaftslehre: Management Accounting and Control................................................................................. 13 1.5 Controlling als Funktion: Unternehmenssteuerung............................................... 15 1.6 Führungsinstrumente und Unternehmenserfolg.................................................... 17 1.7 Ziele im Unternehmen................................................................................................ 20 1.8 Koordinationsmechanismen...................................................................................... 25 1.9 Interne Unternehmensrechnungen als Werkzeug.................................................. 26 1.10 Harmonisierung des Rechnungswesens.............................................................. 29 Literaturverzeichnis.................................................................................................................... 31 -1- 1. Controller und Controlling 1.1 Controller und Controlling in der Praxis Grundbegriffe: Controller/in: 1 Der Begriff "Controller" bezeichnet eine Person oder eine Gruppe von Personen in einer Organisation, die für die Ausführung von Controlling-Aufgaben verantwortlich sind. Ihre Hauptaufgabe ist es, das Management bei der Unternehmenssteuerung zu unterstützen. Dies umfasst typischerweise die Bereitstellung von finanziellen Informationen, die Durchführung von Analysen, die Unterstützung bei der Planung und Budgetierung sowie die Überwachung und Bewertung der Unternehmensleistung. Controller fungieren als Bindeglied zwischen der Unternehmensführung und den operativen Bereichen und tragen durch ihre Arbeit zur Effizienzsteigerung und Zielerreichung bei. "Controllership" bezieht sich auf die Gesamtheit der Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die mit der Rolle des Controllers verbunden sind. Es umfasst die Entwicklung und Überwachung von internen Kontrollsystemen, das Reporting, die Budgetkontrolle, die Kosten-Nutzen-Analyse und die Unterstützung bei strategischen Entscheidungen. Controllership kann als die praktische Umsetzung der Controlling-Funktion in einer Organisation betrachtet werden und ist eng mit den Zielen der Organisation verknüpft. Controlling: Der Begriff "Controlling" bezeichnet eine Managementfunktion, die darauf abzielt, die Effizienz und Effektivität der Unternehmensführung zu verbessern. Controlling umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle von Prozessen und Ressourcen, um die Unternehmensziele zu erreichen. Es stellt sicher, dass die Unternehmensführung über die notwendigen Informationen verfügt, um fundierte Entscheidungen zu treffen, und trägt zur Koordination verschiedener Unternehmensbereiche bei. Controlling ist damit ein wesentliches Element des strategischen Managements und dient als Grundlage für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. 1Aufgrund der Lesbarkeit und in Übereinstimmung mit der deutschen, amtlichen Rechtschreibung wird im Folgenden das generische Maskulinum verwendet, das alle Personen jedweder Art einschließt. -2- Controlling-Tätigkeiten in der Praxis In der Praxis bearbeiten Controller vor allem Aufgaben der Informationsversorgung des Managements über Berichte, heutzutage vermehrt über digitale Systeme statt über Papier. Daneben sind sie stark in der Unternehmensplanung und -kontrolle, Kostenrechnung und Kostenmanagement als auch der Investitionsplanung und -kontrolle engagiert. Der Kern dieser Aufgaben hat sich im Laufe der Jahre nicht geändert, die dazu herangezogenen Hilfsmittel wie Informationssysteme als auch Methoden und Verfahren schon. Unterschiede zwischen Ländern: Sowohl innerhalb eines Landes als auch zwischen Ländern variieren die konkreten Aufgaben und Rollen von Controllern. Mögliche Gründe für Unterschiede: 1. Rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen: Unterschiede in den nationalen Rechnungslegungsstandards und gesetzlichen Anforderungen können zu unterschiedlichen Schwerpunkten in der Controller-Tätigkeit führen. 2. Unternehmenskultur und Management-Praktiken: Kulturelle Faktoren und historisch gewachsene Management-Praktiken beeinflussen die Rolle des Controllers in verschiedenen Ländern. 3. Wirtschaftliche und marktspezifische Bedingungen: Unterschiede in den wirtschaftlichen Bedingungen und Marktdynamiken können ebenfalls Einfluss auf die Controller-Rolle haben, da sie die Art der benötigten Informationen und Analysen bestimmen. 4. Ausbildung und Professionalisierung: Die Art der beruflichen Ausbildung und die Professionalisierung im Controlling können sich von Land zu Land unterscheiden und somit zu unterschiedlichen Aufgabenprofilen führen. Diskussionsfragen: 1. Weshalb gibt es gegenüber dem externen Rechnungswesen größere Unterschiede von Controllertätigkeiten zwischen Unternehmen? 2. Welche Gründe könnten für eine Angleichung der Controllertätigkeiten zwischen Ländern sprechen? Denken Sie hier bspw. an multinationale Unternehmen. -3- 1.2 Ökonomischer Rahmen des Controllings In einem vollkommenen Markt erfolgen alle wirtschaftlichen Tätigkeiten über Märkte, auf denen einzelne Anbieter und Nachfrager agieren und deren Entscheidungen über den Preismechanismus koordiniert werden. Die Merkmale solch eines theoretischen Marktes sind: kostenfreie Informationen; keine Transaktionskosten und keine Steuern; alle Marktteilnehmer sind Preisnehmer, Preise sind also gegebene Größen. 2 Die Existenz von Unternehmern und von Unternehmen lässt sich damit nicht begründen, vielmehr sind sie auch gar nicht nötig! Bedeutung von Unternehmensrechnungen für Unternehmer und Existenzgründer Unternehmer streben die Einkommenserzielung unter Unsicherheit an: Sie erkennen Gewinnchancen durch neue Dienstleistungen und Produkte und neue Kombinationen von Produktionsfaktoren (Ressourcen). 3 Dies ist theoretisch nur begründbar in einer realitätsnahen Welt positiver Transaktionskosten, Unsicherheit, Steuern und unterschiedlicher Produkte. In einer solchen Welt spielen bestimmte Rechenwerke als Informationssysteme eine wichtige Rolle für Unternehmer bzw. Existenzgründer 4: Das externe und interne Rechnungswesen als retrospektive Erfolgsermittlung dient dazu, dass Unternehmer dafür belohnt werden, dass sie dazu beitragen, dass Ungleichgewichte („disequilibrium“) auf Märkten reduziert werden. Insofern erfüllen Unternehmer eine Arbitragefunktion und erhöhen die Wohlfahrt, in dem sie neue oder neu erkannte Bedarfe von Konsumenten über neue Produkte und Dienstleistungen erfüllen. Die Erfolgsermittlung folgt dabei sinnvollerweise dem „matching principle“ der Rechnungslegung und gibt das Ausmaß dieser Markt- Ungleichgewichte wider. Die Investitionsrechnung als prospektive Wirtschaftlichkeitsrechnung, als Prognose, hilft dem Unternehmer dabei, seine Erwartungen über künftige Gewinnchancen auf eine rationale Grundlage zu stellen. Sie dient damit als ein Baustein der Schumpeterschen „schöpferische Zerstörung“ durch neue Produkte und Produktionsprozesse, die entscheidend für die Dynamik einer Marktwirtschaft ist. Darüber hinaus liefert ein positives Investitionskalkül Erkenntnisse, dass die grundsätzlich knappen Ressourcen einer Gesellschaft (noch) besser eingesetzt werden können. 2 So bspw. Miller/Modigliani (1961) 3 Weiterführend Schneider (1993), 28ff. In dieser Sicht ist jeder Unternehmer, der nach Einkommen strebt. Dies ist die Sichtweise der sog. Österreichischen Schule der VWL („Austrian economics“) vertreten bspw. durch von Mises, Hayek und anderen, siehe https://www.econlib.org/library/Enc/AustrianSchoolofEconomics.html [08.10.24] 4 Hierzu Braun/Follert (2024) -4- Welche Gründe sprechen daher für die Existenz von Unternehmen im Vergleich zu Märkten? 5 Unternehmen werden hier verstanden als „auf Dauer angelegten kooperativen Veranstaltungen von Individuen mit nicht notwendigerweise identischen Interessen zur Sicherung von (…) möglichen Vorteilen gemeinsamen und koordinierten Verhaltens“. 6 Grund 1: Transaktionskostenvorteile: Unternehmen existieren zum einen, weil sie bestimmte Transaktionskosten senken können, die auf Märkten entstehen. Transaktionskosten umfassen die Kosten der Suche, Verhandlung und Überwachung von Verträgen. Diese können in verschiedenen Situationen unterschiedlich hoch sein: Beispiel für hohe Transaktionskosten auf Märkten: Ein Unternehmen plant die Entwicklung eines neuen Produkts und benötigt dafür hochqualifizierte Ingenieure. Es wäre ineffizient, diese Ingenieure täglich neu auf dem Markt zu suchen und nur für einen Tag einzustellen. Die Suche, Verhandlung und Koordination mit einer ständig wechselnden Gruppe von Ingenieuren wären mit hohen Kosten verbunden. In diesem Fall ist es vorteilhafter, diese Experten fest anzustellen und ihre Arbeit innerhalb des Unternehmens zu koordinieren. Beispiel für niedrige Transaktionskosten auf Märkten: Der Kauf von standardisierten Produkten, wie beispielsweise Kartoffeln, stellt einen Fall dar, in dem die Transaktionskosten auf dem Markt gering sind. Es gibt viele Anbieter und Nachfrager, der Preis ist leicht zu ermitteln, und die Qualität der Produkte ist standardisiert. In einem solchen Fall ist es effizienter, die Transaktionen über den Markt abzuwickeln, anstatt die Kartoffeln selbst anzubauen. Die Entscheidung, bestimmte Transaktionen innerhalb eines Unternehmens abzuwickeln oder über den Markt zu tätigen, hängt somit davon ab, wie hoch die Transaktionskosten in beiden Szenarien sind. Grund 2: Zentralisierung von Verfügungsrechten: Ein weiteres zentrales Argument für die Existenz von Unternehmen liegt in der Struktur der Verfügungsrechte (Property Rights). Auf Märkten werden Güter und Dienstleistungen in der Regel durch den Austausch von Verfügungsrechten gehandelt. Dies bedeutet, dass die Rechte an der Nutzung und Kontrolle eines Guts bei jeder Transaktion übertragen werden. In einem Unternehmen hingegen verbleiben die Verfügungsrechte über Ressourcen wie Kapital, Maschinen oder Technologien beim Unternehmen, selbst wenn diese von verschiedenen Mitarbeitern genutzt werden. Beispiel: Stellen wir uns vor, ein Unternehmen besitzt eine hochspezialisierte Maschine, die für die Produktion eines innovativen Produkts notwendig ist. Auf einem Markt würde die Nutzung dieser Maschine jedes Mal, wenn sie gebraucht wird, mit einer Transaktion und der Übertragung von Nutzungsrechten verbunden sein. Diese wiederholten Transaktionen könnten nicht nur ineffizient sein, sondern auch das Risiko bergen, dass 5 Vgl. hierzu und nachfolgend Neus (2018), 126ff.; Samuel (2018) 6 Schauenberg/Schmidt 1983, S. 249, zitiert nach Neus (2018), S. 126 -5- die Maschine durch unsachgemäße Nutzung beschädigt wird. Innerhalb eines Unternehmens hingegen bleibt die Kontrolle über die Maschine beim Unternehmen, während die Mitarbeiter die Maschine nutzen, ohne dass jedes Mal die Nutzungsrechte übertragen werden müssen. Dadurch kann das Unternehmen sicherstellen, dass die Maschine effizient und im Sinne der langfristigen Unternehmensziele genutzt wird. Durch die zentrale Kontrolle der Verfügungsrechte innerhalb eines Unternehmens kann das Management sicherstellen, dass die Ressourcen optimal genutzt werden, ohne das Risiko der Fragmentierung und Ineffizienz, die durch wiederholte Markttransaktionen entstehen könnte. Dies ist besonders wichtig, wenn es um kritische Ressourcen geht, deren Nutzung langfristige Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Zusammenfassung: Unternehmen existieren nicht nur, um Transaktionskosten zu senken, sondern auch, um durch die zentralisierte Kontrolle von Verfügungsrechten eine effiziente und sichere Nutzung von Ressourcen zu gewährleisten. Diese Kombination von Faktoren macht Unternehmen zu einer effektiven Organisationsform, um wirtschaftliche Aktivitäten zu steuern, die auf Märkten möglicherweise ineffizient oder risikobehaftet wären. Im Übrigen finden die meisten wirtschaftlichen Handlungen und Entscheidungen in entwickelten Ökonomien innerhalb von Organisationen und nicht mehr auf Märkten statt. 7 Das unterstreicht die Bedeutung der o.g. Themen und der nachfolgend diskutierten Controlling-Instrumente und des Controllings für die Praxis und die Betriebswirtschaft allgemein. 8 Wie unterscheiden sich also Unternehmen und Märkte? Die wesentlichen Unterschiede zwischen Unternehmen und Märkten lassen sich wie folgt beschreiben: Kein Preismechanismus innerhalb des Unternehmens: Während auf Märkten Marktteilnehmer Preise nutzen, um Angebot und Nachfrage zu koordinieren, geschieht dies in Unternehmen durch hierarchische Anweisungen und Planungsprozesse. Innerhalb eines Unternehmens treffen Manager bewusste Entscheidungen über die Ressourcenallokation, um eine effiziente Nutzung sicherzustellen. Gebrauchsgüter und Grenzkostenbetrachtung: Unternehmen besitzen Gebrauchsgüter wie Maschinen oder Netzwerke, die ein Leistungspotential darstellen und nicht kontinuierlich in kleineren Einheiten genutzt werden können. Dies unterscheidet sich von den auf Märkten gehandelten Verbrauchsgütern. Bei der Planung und Steuerung der Unternehmensleistung ist 7 Vgl. Simon (1991) 8 Siehe Krishnan (2015) -6- es notwendig, diese Ressourcen effizient zu nutzen. Hier reicht eine Grenzkostenbetrachtung nicht aus, da sie lediglich die Kosten für die Produktion einer zusätzlichen Einheit berücksichtigt. Um den Periodenerfolg des Unternehmens zu steuern, müssen die Fixkosten, die durch die Nutzung von Gebrauchsgütern entstehen, ebenfalls berücksichtigt werden. Anreizsysteme aufgrund unterschiedlicher Interessen und Überwachungsprobleme: Innerhalb von Unternehmen ist die Trennung von Eigentum und Kontrolle charakteristisch. Mitarbeiter, die nicht die Eigentümer der Ressourcen sind, die sie verwalten, haben möglicherweise unterschiedliche Interessen als die Eigentümer. Zudem können die Handlungen der Mitarbeiter nicht vollständig überwacht werden. Daher sind Anreizsysteme notwendig, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter im Interesse des Unternehmens handeln. Solche Systeme können beispielsweise leistungsabhängige Vergütungen oder Karriereanreize umfassen, die darauf abzielen, die Interessen der Mitarbeiter mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen. 3. Was folgt aus diesen Unterschieden? Diese Unterschiede führen zu spezifischen Anforderungen und Herausforderungen innerhalb von Unternehmen: Koordination über Planung statt über Preise: Da Unternehmen keine Marktpreise zur Koordination ihrer internen Abläufe nutzen, müssen sie alternative Mechanismen wie Planungsprozesse und Budgetierungen entwickeln. Diese ermöglichen eine effiziente Ressourcenallokation und ersetzen den Preismechanismus. Kostenallokation und Kostenmanagement: Unternehmen müssen komplexe Kostenrechnungssysteme entwickeln, um die Effizienz ihrer Gebrauchsgüter zu maximieren und die Periodenerfolge zu steuern. Dies erfordert eine umfassende Kostenallokation, die sowohl variable als auch fixe Kosten berücksichtigt. Verhaltenssteuerung durch Anreizsysteme: Die Notwendigkeit, Mitarbeiter zu motivieren, im Einklang mit den Unternehmenszielen zu handeln, erfordert die Entwicklung von Anreizsystemen. Diese Systeme müssen so gestaltet sein, dass sie sowohl die individuellen Interessen der Mitarbeiter als auch die Ziele des Unternehmens berücksichtigen. 4. Welche typischen Methoden und Instrumente des Controllings sind damit bedeutsam? Aus den beschriebenen Herausforderungen ergeben sich verschiedene Methoden und Instrumente des Controllings, die für die Steuerung von Unternehmen unerlässlich sind: Planungsinstrumente: Budgetierung und Prognosen ermöglichen eine effiziente Planung und Koordination von Ressourcen innerhalb des Unternehmens. Diese Instrumente helfen, das Angebot und die Nachfrage von Ressourcen quantitativ auszugleichen. -7- Kostenrechnungssysteme: Systeme wie die Vollkostenrechnung oder Prozesskostenrechnung ermöglichen die präzise Allokation und Kontrolle von Kosten, insbesondere in Bezug auf Gebrauchsgüter. Diese Systeme sind entscheidend, um sowohl variable als auch fixe Kosten zu steuern und den Periodenerfolg zu optimieren. Anreiz- und Kontrollsysteme: Performance-Measurement-Systeme, wie Balanced Scorecards oder Kennzahlensysteme, dienen der Überwachung und Steuerung der Mitarbeiterleistung. Sie helfen, sicherzustellen, dass die Mitarbeiter im Einklang mit den Unternehmenszielen handeln. Fallstudie: Die ABC GmbH – Herausforderung bei der langfristigen Beschäftigung von Ingenieuren Ausgangslage: Die ABC GmbH, ein mittelständisches Unternehmen im Maschinenbau, plant die Einführung eines neuen High-Tech-Produkts. Für die Entwicklung dieses Produkts benötigt das Unternehmen spezialisierte Ingenieure. Aufgrund der Komplexität des Projekts und der langfristigen Natur der Produktentwicklung entscheidet sich die ABC GmbH, diese Ingenieure fest anzustellen, anstatt sie kurzfristig auf dem Markt zu rekrutieren. Diese Entscheidung bringt jedoch drei wesentliche Herausforderungen mit sich: die interne Koordination der Ingenieure, das Kostenmanagement der Entwicklungsabteilung und die Gestaltung von Anreizen und Leistungsbewertungen. a) Koordination der Ingenieure Herausforderung: Da die Ingenieure langfristig beschäftigt sind, muss das Unternehmen sicherstellen, dass ihre Fähigkeiten und Ressourcen effizient genutzt werden. Anders als auf Märkten, wo Preise die Ressourcenallokation steuern, muss die ABC GmbH intern entscheiden, welcher Ingenieur an welchem Projekt arbeitet. Diese Koordination erfolgt nicht über Marktmechanismen, sondern durch interne Pläne und Koordinationsinstrumente. Lösungsansatz: Das Management der ABC GmbH könnte Planungsinstrumente wie Gantt- Diagramme, Ressourcenpläne oder ein Projektmanagement-Tool einsetzen, um die Aufgabenverteilung der Ingenieure zu koordinieren. Diese Werkzeuge helfen, Engpässe zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Ingenieure ihre Zeit optimal nutzen. Die Herausforderung besteht darin, diese Pläne flexibel genug zu gestalten, um auf unvorhergesehene Änderungen im Projektverlauf reagieren zu können. b) Kostenmanagement der Entwicklungsabteilung -8- Herausforderung: Die Ingenieure arbeiten in der Entwicklungsabteilung, deren Kosten als Gemeinkosten oder fixe Kosten kategorisiert werden. Diese Abteilung erzeugt keine direkte Marktleistung, sondern ihre Arbeit wird erst später in den Markterfolg eines neuen Produkts einfließen. Das Management steht vor der Herausforderung, den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Abteilung zu bewerten und die Kosten sinnvoll zuzuordnen. Lösungsansatz: Eine Möglichkeit besteht darin, die Kosten der Entwicklungsabteilung als Vorlaufkosten direkt den jeweiligen Projekten zuzurechnen. Alternativ kann eine Kostenumlage durchgeführt werden, bei der die Gemeinkosten proportional auf verschiedene Projekte oder Produktlinien verteilt werden. Dabei ist es wichtig, zwischen Plankosten und Istkosten zu unterscheiden. Plankosten bieten eine Basis für Budgetierungen und Prognosen, während Istkosten die tatsächlich angefallenen Kosten widerspiegeln. Das Management muss überwachen, wie gut die Projekte innerhalb der geplanten Budgets bleiben, und Abweichungen analysieren, um die Kosteneffizienz der Entwicklungsabteilung zu bewerten. c) Anreiz- und Verhaltenssteuerungsprobleme Herausforderung: Da die Ingenieure langfristig angestellt sind und ihre Arbeit nicht direkt an Marktergebnissen gemessen werden kann, ist es schwierig, ihre Leistung zu bewerten und entsprechende Anreize zu setzen. Die Ingenieure könnten unterschiedliche Interessen haben, die nicht immer mit den Unternehmenszielen übereinstimmen. Zudem ist es für das Management schwierig, die tatsächliche Arbeitsleistung der Ingenieure vollständig zu überwachen. Lösungsansatz: Das Management könnte ein Anreizsystem entwickeln, das sowohl qualitative als auch quantitative Leistungsindikatoren berücksichtigt. Leistungsziele könnten auf der Grundlage der Erreichung von Meilensteinen, der Einhaltung von Budgets und der Innovationskraft gesetzt werden. Um die Motivation hoch zu halten, könnten sowohl monetäre Anreize (z. B. leistungsabhängige Boni) als auch nicht-monetäre Anreize (z. B. berufliche Weiterentwicklung, Anerkennung von Innovationen) angeboten werden. Zudem könnten regelmäßige Feedback-Schleifen und Peer- Reviews eingeführt werden, um eine faire und umfassende Leistungsbewertung sicherzustellen. Das Management muss jedoch darauf achten, dass die Anreize nicht -9- nur kurzfristige Erfolge belohnen, sondern auch langfristige Innovations- und Entwicklungserfolge fördern. Zusammenfassung und Diskussionsfragen Die Entscheidung der ABC GmbH, Ingenieure langfristig anzustellen, bringt spezifische Herausforderungen in den Bereichen Koordination, Kostenmanagement und Anreizgestaltung mit sich. Diese Fallstudie verdeutlicht die Notwendigkeit, interne Koordinations- und Controlling-Mechanismen zu entwickeln, die über einfache Marktmechanismen hinausgehen. Diskussionsfragen: 1. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in der internen Koordination der Ingenieure durch Pläne im Vergleich zu einer marktgesteuerten Koordination? 2. Wie könnte das Management der ABC GmbH sicherstellen, dass die Gemeinkosten der Entwicklungsabteilung effizient verteilt und gesteuert werden? 3. Welche Anreizsysteme wären für die Ingenieure der ABC GmbH am effektivsten, um sowohl kurzfristige als auch langfristige Unternehmensziele zu fördern? 1.3 Controlling-Konzeptionen im deutschsprachigen Raum Die wissenschaftliche Auseinandersetzung in der Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich im deutschsprachigen Raum im Wesentlichen mit vier unterschiedlichen Controlling- Konzeptionen auf die wir im Folgenden überblicksartig eingehen. 9 (Abbildung 1-1) 9Vgl. nur den Sammelband Weber/Hirsch (2002) zur akademischen Controllingdiskussion. - 10 - Controlling als Controlling als Controlling als Controlling als Informationsversorgungs- Koordinations- Rationalitätssicherung erfolgszielbezogene funktion funktion der Führung Steuerung Informationsver- Koordination unter- Basis: Führung durch Controlling als Teil sorgung als Kern- schiedlicher Teilsys- eigenständige Ziele der Unternehmens- funktion des teme der Führung als verfolgende Akteure, führung, der für die Controllings zentrale Controlling- die hierfür kognitive konsequente Ziel- Rechnungswesen als aufgabe Fähigkeiten besitzen ausrichtung des Un- Bezugspunkt Nach Horváth: Ko- Durch Wollens- und ternehmens zu Funktionale Auswei- ordination von Könnensdefizite ent- sorgen hat tung oder materielle Planungs-, Kontroll- stehen Rationalitäts- Lokomotionsfunktion Veränderung des und Informations- defizite die das Con- Ziel ‚Gewinn‘ oder Rechnungswesens system trolling zu erkennen, allgemeiner Wert- Metaführung vermindern und be- schöpfung seitigen versucht Wichtige Vertreter: Wichtige Vertreter: Wichtige Vertreter: Wichtige Vertreter: Reichmann Küpper, Horváth Weber/Schäffer Hahn/Hungenberg, Becker/Baltzer/Ulrich Quelle: Weber/Schäffer (2016), S. 22 mit Änderungen und Erweiterungen Abb. 1-1: Controlling-Konzeptionen Controlling als Informationsversorgung der Führung Im Zentrum aller informationsorientierten Controlling-Sichtweisen steht die Versorgung der Führungskräfte mit entscheidungsrelevanten Informationen. Wesentliche Instrumente dabei sind das interne Rechnungswesen und die Aufbereitung der Informationen über Berichte und Kennzahlen. 10 Die Informationsversorgung ist jedoch keineswegs hinreichend, um eine Controlling- Funktion zu definieren. Informationen für die Führung entstehen nicht nur aus dem Rechnungswesen. Hinzu kommen nichtmonetäre Daten wie Qualität, Liefertreue oder auch Qualitatives. Weiterhin werden die allermeisten quantitativen Informationen heute über IT-Systeme bereitgestellt. Konsequenterweise müsste sich Controlling dann mit allen Arten von Informationen sowie mit allen Instrumenten und Werkzeugen bis hin zu Anwendungssoftware beschäftigen. Das erscheint uns zu weit gefasst. Eine überzeugende Eingrenzung der Controllingaufgabe findet sich in den verschiedenen Konzepten selten. Da die Informationsversorgung aus unserer Sicht keine wirkliche Abgrenzung und Begründung der Controlling-Funktion erlaubt, werden wir sie nicht weiter als Kern des Controllings diskutieren. Dass die Versorgung des Managements mit Informationen sehr bedeutsam ist, bleibt unbenommen und wird an vielen Stellen wieder aufgegriffen. Controlling als Koordination in der Führung 10Der bekannteste Vertreter dieser Richtung dürfte Thomas Reichmann sein, der in seinem Controllinglehrbuch konsequent Informationsversorgung für Führungsaufgaben und – entscheidungen über Kennzahlen diskutiert, vgl. Reichmann et al. (2017) - 11 - Geht man – sicher zutreffend – davon aus, dass sich Unternehmen heute gegenüber früher stärkeren Veränderungen gegenübersehen und dass ihre internen Strukturen und Abläufe komplexer sind als früher, wird auch ihre Führungsstruktur und ihre Führungsaufgaben komplexer sein. Die Vertreter der koordinationsorientierten Controlling-Konzeption argumentieren, dass durch Controlling die wichtigsten Führungsteilsysteme, das sind Planung, Kontrolle und Informationsversorgung, so aufeinander abgestimmt werden, dass sich die Fähigkeit zur Reaktion und Anpassung and Umweltveränderungen und damit die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung erhöht. 11 Controlling ist damit eine Führungsunterstützung, die durch Controller erbracht wird. Insofern ist eine große Überschneidung – oder gar Deckungsgleichheit? – mit dem was weiter oben als Controllership bezeichnet wird, gegeben. Controlling als Sicherung der Rationalität der Führung Jürgen Weber, bis in die zweite Hälfte der 1990er-Jahre ein Verfechter einer koordinationsorientierten Controllingsicht, sieht inzwischen den Kern des Controllings in der Sicherung der Rationalität der Führung. Sein Konzept will ein „Dach“ konstruieren, unter dem die anderen Controllingsichten Platz finden und als unterschiedliche Ausprägungen eines einheitlichen Grundgedankens betrachtet werden. 12 Die unterschiedlichen Controllingkonzepte sind seiner Ansicht nach Antworten auf unterschiedliche Führungsprobleme: 13 sei es der notwendige Übergang von einer Führung die primär durch persönliche Weisungen erfolgt, zu einer Führung, die pimrär über Instrumente erfolgt, was zur Entstehung des Controllings als „Zahlenlieferant“ (=Informationsversorgung) führte, sei es die mangelnde Kenntnis und Erfahrung mit Werkzeugen wie der Planung und Kontrolle, die die Koordination durch einen Controller erforderte, oder die stärker werdenden Umweltveränderungen, durch die sich das Management mit strategischer Planung zu beschäftigen hat und die ein strategisches Controlling erforderlich machen. Gemeinsamer Kern der Führungsprobleme ist nach Weber die Gefahr der Zielverfehlung, wenn Führungskräfte nicht oder nicht richtig handeln. Controller sollen den Führungskräften helfen, „richtig“ zu entscheiden und zu handeln. So wie die Qualitätssicherung als Antwort auf Produktionsprobleme und höhere Kundenerwartungen entwickelt wurde, sieht Weber das Controlling als Qualitätssicherung der Führung, um Führungsprobleme speziell Qualitätsdefizite zu vermeiden. Qualitätssicherung in der Führung setzt Weber mit Rationalitätssicherung gleich. Führung handelt dann rational - und damit in höchster Qualität - wenn sie 11 Vgl. hierzu und nachfolgend Horváth et al. (2015), 56ff. Implizit bezieht man sich dabie auf die ökonomischen Grundlagen. 12 Vgl. Weber (2002), S.62ff.. 13 Vgl. ebd. S. 49f. - 12 - diejenigen Mittel auswählt, mit denen die gesetzten Ziele des Unternehmens maximal erreicht werden. 14 Welche Mittel jeweils als zweckrational anzusehen sind, kann nicht allgemein gesagt werden. Nach Weber ist ein Mittel dann zweckrational, wenn es nach herrschender Meinung der Fachwelt am besten geeignet ist, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. 15 Die Rationalitätssicherung ist eine originäre Führungsaufgabe, die teilweise auf Personen, namentlich den Controller, übertragen werden kann. Der Controller unterstützt dann die Manager bei der Sicherung der Führungsqualität. Der Schwerpunkt liegt daher ebenso wie beim koordinationsorientierten Controlling auf der institutionellen Sicht, dem Controllership. Inwiefern die Sicherung der Zweckrationalität eine eigenständige, bisher nicht genügend „ganzheitlich“ betrachtete Aufgabe ist, ist umstritten. 16 Führungskräfte sollten schon immer rational handeln. Instrumente dazu finden sich bei der Unternehmensverfassung (bspw. die gesetzliche Anforderung zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems für große Kapitalgesellschaften) oder der Organisation (bspw. über Kompetenzregeln). Inwieweit Manager Controllerstellen schaffen, um ihre eigene Zweckrationalität zu erhöhen, kann man auch kritisch sehen. Weder muss die Einsicht von Managern gegeben sein, ihre eigene Begrenztheit zu erkennen und Absicherungen in Form von Controllern dagegen zu installieren, noch geht es bei der Unterstützung von Entscheidungen durch Controller immer um Rationalität, sondern wohl auch um Rechtfertigung und Legitimierung. 17 Eine direkte theoretische Herleitung für das Controlling liefern Weber und Schäffer nicht, da sie ihr Konzept induktiv aus der Praxis heraus ableiten. 18 Empirisch zeigt sich in der Praxis die Funktion des Controllers als Sicherung der Rationalität, aber eben nicht nur, wie eben angemerkt. Controlling als erfolgszielorientierte Steuerung Diese Sichtweise geht davon aus, dass die Steuerung des Unternehmens eine wichtige Aufgabe für Führungskräfte ist und sie dabei ggf. von Controllern unterstützt werden. Dieser Sichtweise wird auch hier gefolgt. 1.4 Controlling in der anglo-amerikanischen Betriebswirtschaftslehre: Management Accounting and Control Leider bestehen nicht nur in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre vielfältige Begriffsunterschiede, auch im anglo-amerikanischen Sprachraum werden mehrere 14Gemeint ist hier von Weber die Zweckrationalität, also die Frage welche Mittel eingesetzt werden sollten um ein gegebenes Ziel zu erreichen, und nicht die Wertrationalität. Letztere beschreibt die Frage, welche Ziele verfolgt werden. Das verbleibt die Domäne der Unternehmensleitung. 15Vgl. hierzu und nachfolgend ebd. S. 53ff. 16 Vgl. hierzu und nachfolgend Becker et al. (2014), 66f. 17 Vgl. Becker et al. (2014), S. 67. 18 Vgl. Weber/Schäffer (2014), S. 37. - 13 - Begriffe verwendet, die zwar einen Controlling-Bezug besitzen, jedoch den unbefangenen Leser eher verwirren als aufklären. 19 In der anglo-amerikanischen Betriebswirtschaftslehre sind sowohl die Bezeichnungen Controller wie auch Management Accountant gebräuchlich. Dem „amerikanischen“ Controller ist meist ein umfangreicheres Aufgabengebiet zugeordnet als seinem deutschen Pendant. So ist er häufig auch für das externe Rechnungswesen, Steuerangelegenheiten oder die interne Revision verantwortlich. 20 Auch eine strikte Trennung in interner Führungsunterstützung und externer Berichterstattung existiert dort nur selten – im Gegensatz zu deutschen Unternehmen. Der Management Accountant ist nicht unbedingt mit dem Controller gleichzusetzen. Häufig ist er nur für die interne Unternehmensrechnung verantwortlich, teilweise auch für die Berichterstattung nicht- monetärer Informationen. 21 Die begriffliche Abgrenzung ist jedoch weder in der US- amerikanischen Praxis noch in der dortigen Wissenschaft einheitlich. Der Management Accountant bzw. Controller unterstützt im Allgemeinen das Management bei zwei Aufgaben: 22 Decision making = Entscheidungsfindung Management Control = Verhaltenssteuerung Für die Entscheidungsfindung hat der Controller entscheidungsrelevante Informationen sowie adäquate Methoden bereitzustellen. Zielkonflikte zwischen Entscheidungsträgern werden nicht beachtet. Entweder gibt es nur einen Entscheider oder alle Entscheider arbeiten auf dieselben Ziele hin. 23 Bei der Verhaltensteuerung wird die Prämisse fehlender Zielkonflikte fallen gelassen. In einem hierarchisch bzw. dezentral gegliederten Unternehmen gibt es verschiedene Entscheidungsträger mit unterschiedlichen Kompetenzen und unterschiedlichen Interessen. Aufgabe der Verhaltenssteuerung ist es, auf die Entscheidungen und Handlungen der entsprechenden Personen so Einfluss zu nehmen, dass sie auch im Interesse des Gesamtunternehmens bzw. der übergeordneten Ziele agieren. Dies ist nicht selbstverständlich, da als eine wesentliche Verhaltensannahme von unterschiedlichen Zielen der Personen sowie von unterschiedlich verteilten als auch begrenzten Informationen ausgegangen wird. Der Schwerpunkt der Instrumente zur Entscheidungsfindung und Verhaltenssteuerung liegt auf der so genannten internen Unternehmensrechnung24. Letztere umfasst alle führungsorientierten Rechnungssysteme wie die Kosten- und Leistungsrechnung, 19Eine Übersicht geben Roso et al. (2003). 20Vgl. Merchant (1998), S.639f. und Anthony/Govindarajan (2001), S. 71f. 21Vgl. Horváth (2001), S.31ff. sowie Atkinson (2001), S. 5. 22Vgl. Atkinson (2001), S. 5ff., Zimmerman (2009), 14ff.. 23Vgl. hierzu und nachfolgend Ewert et al. (2023), 6ff. 24Vgl. Hahn/Hungenberg (2001a), S. 278. - 14 - Investitionsrechnung und Finanzrechnung und ist auf unternehmensinterne Empfänger gerichtet. 1.5 Controlling als Funktion: Unternehmenssteuerung Unternehmenssteuerung wird hier verstanden als verbundene, zielorientierte Planung und Kontrolle. 25 Dem Management obliegt es, zur Erreichung der Ziele entsprechende Entscheidungen und Handlungen anzustoßen und durchzusetzen. Diese Lokomotions- Funktion ist eine Manageraufgabe und keine Controlleraufgabe. 26 Aus dieser Sicht leiten sich zwei weitere Aufgaben ab: die Informationsbeschaffung sowie die Abstimmung (Koordination) von Entscheidungen und Handlungen, oder Verhaltenssteuerung. Controlling wird hier also als ein anderer Begriff für Unternehmenssteuerung verstanden, der sich in der deutschsprachigen Praxis und Wissenschaft etabliert hat. Diese Sichtweise ist kompatibel zum anglo-amerikanischen Verständnis des Management Accounting and Control Systems (MACS). Auch dort geht es um Informationsversorgung, Unternehmens- und Verhaltenssteuerung. 27 Davon zu unterschieden ist die Instutionalisierung von Controller-Stellen, die zur Abgrenzung als Controllership bezeichnet wird. Controller übernehmen meist Aufgaben der Informationsversorgung des Managements und wirken an der Gestaltung und Nutzung von Planung- und Kontrollinstrumenten mit. Controlling als Unternehmenssteuerung erfolgt als Prozess der Zielvorgabe, -umsetzung, -kontrolle und des Lernens aus Abweichungen. Dieser generische Regelkreis (Abbildung 1-2) beinhaltet zwei Lernprozesse: das Lernen erster Ordnung passt Maßnahmen an die Größe der Ziel-Ist-Abweichung an, das Lernen zweiter Ordnung hinterfragt die Ziele und passt sie an, falls eine dauernde Ziel-Ist-Abweichung erkannt und zu erwarten ist. 25Vgl. Haaker (2008), 25 m.w.N.. 26 Vgl. hierzu und nachfolgend Becker et al. (2014), 60f. 27 Vgl. bspw. Macintosh/Quattrone (2010), S. 5, in diesem Sinne auch Becker et al. (2014), S. 14 - 15 - Abb. 1-2: Generischer Führungsregelkreis 28 Der Begriff ‚Maßnahmen‘ steht hier als Platzhalter für sehr vieles: es können konkrete Maßnahmen sein, aber auch strategische Pläne, operative Pläne, Budgets, Anreizsysteme oder abgeleitete Ziele. Ebenso kann Steuerung durch nicht formale Instrumente erfolgen, wie Kultur und Gruppendruck, oder durch strukturelle wie die Aufbauorganisation. Die verwendeten Instrumente treten oft nebeneinander auf. Nicht umsonst spricht man heutzutage von „management control system as a package“. 29 Cultural Controls Clans Values Symbols Planning Cybernetic Controls Reward and Compensation Action Budgets Financial Non Financial Hybrid planning Measurement Measurement Measurement Systems Systems Systems Administrative Controls Governance Structure Organization Structure Policies and Procedures Abb. 1-3: Management control systems package 30 Die Auswahl welche Steuerungsinstrumente das Management eines Unternehmens einsetzt, ist dabei nicht zufällig. Vielmehr lassen sich aus der Empirie mehrere Kontextfaktoren erkennen: a) Strukturmerkmale wie Unternehmensgröße, Unternehmensalter und Börsennotierung, b) die verfolgte Strategie, c) die 28 Vgl. auch Anthony/Govindarajan (2007), S. 105, Strohhecker (2009), S. 22 und Hahn/Hungenberg (2001b), 50ff. 29 Vgl. Malmi/Brown (2008). 30 Quelle: Malmi/Brown (2008), S. 291 - 16 - Vorhersagbarkeit von Umweltveränderungen und d) Technologie. 31 Bedford und Malmi haben daraus induktiv mehrere typische Konfigurationen ermittelt. 1.6 Führungsinstrumente und Unternehmenserfolg Es stellt sich natürlich die Frage, ob diese ganzen Methoden und Instrumente überhaupt vorteilhaft sind. In der Diskussion über „New Work“ und das VUCA-Zeitalter (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) wird oft die These vertreten, dass traditionelle Führungs- und Controllinginstrumente, insbesondere formale Planungsprozesse, überholt seien. Befürworter dieser Sichtweise argumentieren, dass die zunehmend dynamische und komplexe Geschäftswelt eine Abkehr von starren Plänen erfordert und stattdessen auf intuitives Verhalten und Vertrauen in die Selbststeuerung der Mitarbeiter setzt. In einer solchen Arbeitswelt, so die These, sollen Mitarbeitende die Freiheit haben, flexibel und agil auf Veränderungen zu reagieren, anstatt sich an vorgegebene Pläne zu halten, die in einem volatilen Umfeld schnell obsolet werden könnten. Diese Sichtweise, die oft in den Kontext von agilen Arbeitsmethoden und flachen Hierarchien gestellt wird, stellt die Wirksamkeit traditioneller Managementpraktiken infrage. Es wird argumentiert, dass in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld die Fähigkeit der Mitarbeitenden, eigenverantwortlich zu handeln und sich an unvorhersehbare Veränderungen anzupassen, der Schlüssel zum Erfolg sei. Dabei wird die Bedeutung von Vertrauen, Kreativität und kollektiver Intelligenz hervorgehoben, während die Relevanz von formellen Planungs- und Kontrollmechanismen eher abgelehnt wird.32 Jedoch bleibt diese Perspektive nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, dass eine vollständige Abkehr von strukturierten Plänen und formalen Steuerungsmechanismen zu Chaos und Ineffizienz führen kann, insbesondere in größeren Organisationen mit komplexen Strukturen und vielfältigen Stakeholdern. Zur Beantwortung kann auf eine umfassende empirische Untersuchung zurückgegriffen werden. 33 Die Autoren untersuchten als zentrale Frage, warum es signifikante Unterschiede in den Managementpraktiken von Unternehmen gibt und wie diese Unterschiede den Unternehmenserfolg beeinflussen. Insbesondere gehen die Studien der Frage nach, wie spezifische Managementpraktiken mit der Produktivität, dem Wachstum und der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in verschiedenen Ländern und Branchen korrelieren. 31 Vgl. Bedford/Malmi (2015), zu Kontextfaktoren auch Chenhall (2003) 32 Vgl. bspw. Kastner et al. (2023) Man muss sich nur mal auf Linkedin etwas umsehen. 33 www.worldofmanagementsurvey.org siehe Bloom/van Reenen (2010); Bloom et al. (2012); Bloom et al. (2019) - 17 - Die Untersuchungen basieren auf umfangreichen empirischen Erhebungen und statistischen Analysen. Bloom und Kollegen nutzten eine internationale Umfrage, um Managementpraktiken in über 6.000 Unternehmen aus verschiedenen Ländern zu bewerten. Diese Umfrage bewertete Managementpraktiken anhand von Kategorien wie Überwachung, Zielsetzung und Anreize. In einer weiteren Studie von Bloom et al. (2019) wurden zusätzlich ökonometrische Modelle verwendet, um die Wirkung dieser Praktiken auf verschiedene Leistungsindikatoren wie Produktivität, Rentabilität und Unternehmensgröße zu messen. Die wesentlichen Erkenntnisse der Studien sind wie folgt: Signifikante Unterschiede in Managementpraktiken: Es gibt erhebliche Unterschiede in den Managementpraktiken zwischen Ländern und Unternehmen, die nicht nur durch technologische Unterschiede, sondern auch durch verschiedene institutionelle und kulturelle Faktoren erklärt werden können. Beispielsweise schneiden Unternehmen in den USA und Deutschland besser ab als solche in Brasilien oder Indien, insbesondere in Bezug auf Anreizsysteme und Zielsetzung. Zusammenhang zwischen Managementpraktiken und Unternehmenserfolg: Unternehmen mit besseren Managementpraktiken haben tendenziell eine höhere Produktivität, sind größer, wachsen schneller und überleben länger im Markt. Eine Studie zeigte, dass eine Verbesserung der Managementpraktiken um eine Standardabweichung mit einem Anstieg der Arbeitsproduktivität um etwa 38% einhergeht. Unterschiede zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen: Erfolgreichere Unternehmen zeichnen sich durch systematischere Managementpraktiken aus, insbesondere in Bereichen wie Leistungsmessung, Zielausrichtung und Mitarbeiteranreize. Diese Praktiken helfen, sowohl die Effizienz als auch die Innovationsfähigkeit zu steigern. In weniger erfolgreichen Unternehmen hingegen führen schwache Anreizsysteme und ineffiziente Überwachungsmechanismen häufig zu suboptimalen Ergebnissen und geringerer Wettbewerbsfähigkeit. Insgesamt zeigen die Studien, dass gute Managementpraktiken nicht nur einen direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben, sondern dass Unternehmen, die in wettbewerbsintensiven Märkten agieren, stärker dazu gezwungen sind, ihre Managementpraktiken zu verbessern, um zu überleben und zu wachsen. Die Studien von Bloom und Kollegen liefern detaillierte Erkenntnisse darüber, wie die Eigentümerstruktur von Unternehmen deren Managementpraktiken und damit den Unternehmenserfolg beeinflusst. Hier sind die wesentlichen Punkte zusammengefasst: Eine interessante Erkenntnis ist auch der Einfluss der Eigentümerstruktur auf Managementpraktiken und damit auf den Unternehmenserfolg - 18 - 1. Familienunternehmen: Schlechteres Management bei familiengeführten Unternehmen: Familienunternehmen, bei denen ein Familienmitglied (insbesondere der älteste Sohn) als CEO fungiert, schneiden in Bezug auf Managementpraktiken tendenziell schlechter ab. Diese Unternehmen zeigen häufig eine größere "Tail" von schlecht geführten Unternehmen, was sich negativ auf ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Dies wird oft mit der Praxis der Primogenitur (Erbfolge des ältesten Sohnes) erklärt, bei der die Position des CEO basierend auf familiären Bindungen und nicht auf Basis von Kompetenz vergeben wird. Externe Führung in Familienunternehmen: Interessanterweise schneiden Familienunternehmen, die einen externen CEO einsetzen, in der Regel deutlich besser ab. Diese Unternehmen ähneln in ihren Managementpraktiken eher den von dispergierten Aktionären geführten Unternehmen, was auf eine höhere Professionalität und Effizienz hinweist. 2. Öffentliche Unternehmen: Schlechtes Management in staatseigenen Unternehmen: Staatseigene Unternehmen werden in der Regel sehr schlecht geführt. Dies wird häufig auf mangelnde Marktanreize und die Abhängigkeit von politischen statt wirtschaftlichen Zielen zurückgeführt. Solche Unternehmen zeigen in der Regel geringe Effizienz und haben oft Schwierigkeiten, sich an Marktveränderungen anzupassen 31†source. Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit: Die Studien zeigen, dass staatseigene Unternehmen im Vergleich zu privat geführten Unternehmen signifikant weniger effizient sind, was sich in geringerer Produktivität und niedrigeren Wachstumsraten niederschlägt. 3. Private-Equity-Unternehmen: Unternehmen, die von Private-Equity-Firmen geführt werden, schneiden in den meisten Fällen in Bezug auf Managementpraktiken sehr gut ab. Diese Unternehmen neigen dazu, stark auf Effizienz und hohe Renditen fokussiert zu sein, was durch strenge Managementkontrollen und leistungsorientierte Anreizsysteme erreicht wird. Die Übernahme von schlecht geführten Familien- oder staatseigenen Unternehmen durch Private-Equity-Gesellschaften hat sich oft als effektiv erwiesen, um die Managementqualität und damit die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu verbessert. Die Eigentümerstruktur spielt also eine entscheidende Rolle bei der Implementierung und Nutzung von Managementpraktiken eines Unternehmens. Familienunternehmen mit - 19 - internen CEO-Nachfolgen und staatseigene Unternehmen neigen dazu, schlechtere Managementpraktiken anzuwenden, was ihre Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität beeinträchtigten. Im Gegensatz dazu zeigen extern geführte Familienunternehmen und Private-Equity-gestützte Unternehmen tendenziell bessere Managementpraktiken und sind erfolgreicher im Markt. 1.7 Ziele im Unternehmen Ziele allgemein Ziele beschreiben gewünschte Zustände, die erreicht werden sollen. Sie schreiben damit vor (= normativ), woraufhin Pläne zu richten sind. Abgesehen von zeitlich begrenzten Projektgesellschaften sind die obersten Ziele eines Unternehmens sein Fortbestand und seine Weiterentwicklung. An diesen Zielen orientieren sich – abgesehen von Ausnahmen im Einzelfall – alle am Unternehmen interessierten Gruppen, seien es Eigentümer, Mitarbeiter, Kunden oder die öffentliche Hand. Nur durch diese obersten Ziele können auf längere Sicht Dividenden, Zinsen und Tilgung, Löhne und Gehälter sowie verschiedenste Steuern gezahlt werden. 34 Die Eigenkapitalgeber unterscheiden sich in einem wesentlichen Aspekt von den anderen Interessengruppen: Sie verfügen nicht über einen gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Anspruch auf bestimmte Zahlungen, sondern sie erhalten einen Anteil am Gewinn. Der Gewinn ergibt sich erst nach Abzug der eben genannten Zahlungsansprüche (Steuern, Gehälter, Fremdkapitalzinsen etc.) vom Umsatz. Er ist somit eine Rest- oder Residualgröße; die Eigentümer besitzen einen monetären Residualanspruch. Die Chance – und zugleich der Grund für ihr Engagement – bietet sich den Eigentümern, wenn das Unternehmen hohe Gewinne erwirtschaftet und sie einen hohen Gewinnanteil erhalten. Dem steht das Risiko von Verlusten gegenüber, bis hin zum Totalverlust ihrer Kapitaleinlage. Die anderen Interessengruppen sind gegen solche Risiken eher abgesichert und „bezahlen“ dafür mit nach oben begrenzten Zahlungsansprüchen. Als Zielgröße für die Eigenkapitalgeber nimmt man in der Betriebswirtschaftslehre den sogenannten Zukunftserfolgswert des Kapitaleinsatzes an. Er errechnet sich durch den Netto-Kapitalwert künftiger Zahlungsüberschüsse an die Eigner abzüglich des ursprünglich investierten Kapitals. Natürlich können Eigentümer in der Realität auch andere Ziele mit ihrer Investition verfolgen, auf solche wird weiter unten eingegangen. Die Investoren formulieren idealtypisch eine Renditeerwartung aus der die gewünschte Höhe der Zahlungsüberschüsse ermittelt werden kann. Angenommen, die erwartete Rendite betrage 10 % so ergäbe sich bei einem investierten Kapital von 5000 € ein geforderter Zahlungsüberschuss von 0,1 × 5000 = 500 €. Auf einem anonymen Kapitalmarkt wie der Börse ist es nicht möglich, jeden Investor nach seiner Erwartung zu befragen um die Einzelerwartungen dann zur gesamten Renditeerwartung an das 34 Vgl. Hahn/Hungenberg (2001b), 11ff. - 20 - Unternehmen zu aggregieren. Man verwendet deshalb für die Ermittlung häufig Kapitalmarktmodelle. Sie ermitteln beispielsweise aus der bisherigen durchschnittlichen Kapitalmarktrendite und der Schwankung der Unternehmensrendite im Verhältnis zur durchschnittlichen Kapitalmarktrendite eine Renditeerwartung an das Unternehmen. Im Einzelnen sind die Zusammenhänge verwickelt, theoretisch nicht immer einfach und empirisch teils widersprüchlich. Die eben erwähnte Zielgröße des Netto-Barwerts künftiger Zahlungsüberschüsse ist für die jährliche Zielvorgabe und Kontrolle in der operativen Planung unhandlich. Der Netto- Barwert errechnet sich aus den mehrperiodischen, diskontierten Zahlungsströmen und nicht dem Periodenergebnis. Gesteuert wird in den meisten Unternehmen jedoch mit dem Periodenergebnis auf Basis des Rechnungswesens. Beides lässt sich jedoch verbinden, man muss sich nicht für eines entscheiden. Rechnungswesen und Zahlungsströme sind im Grunde unterschiedliche Darstellungen desselben Unternehmensgeschehens. Das Rechnungswesen unterscheidet sich darin, dass es Zahlungen periodisiert und abgrenzt, so bspw. bei den bilanziellen Abschreibungen. Die ursprüngliche Investitionsauszahlung wird, statt sie ihm im Jahr der Anschaffung anzusetzen, im Rechnungswesen auf die Jahre der Nutzung anteilig verteilt. Betrachtet man das Unternehmen über seine gesamte Lebensdauer (Totalbetrachtung) ergeben sich in Summe dieselben Zahlungsüberschüsse wie Nettoerträge. Denselben Zusammenhang erhält man mit Barwerten, sofern man im Rechnungswesen kalkulatorische Zinsen auf das investierte Kapital am Periodenbeginn rechnet, wobei der Zinssatz derselbe sein muss wie bei der Diskontierung der Zahlungsüberschüsse. Dieser Zusammenhang ist unter dem Namen Preinreich-Lücke- Theorem bekannt (siehe dazu Kapitel 3). Es zeigt, dass zwischen Rechnungswesen- und Zahlungsstrom-Sicht kein fundamentaler Unterschied besteht, sofern alle relevanten Zahlungen in beiden Systemen adäquat berücksichtigt sind und eine Totalbetrachtung vorliegt. Sobald man davon abweicht, wird es Unterschiede geben. Ebenso, wenn man nur ein bestimmtes Jahr betrachtet. Auch kann man aus dem Preinreich-Lücke-Theorem nicht ableiten, welche Art von Bilanzierung man wählen soll. Es geht um ein grundlegendes Verständnis der Zusammenhänge. Die Ertragsgröße nach Abzug kalkulatorischer Zinsen wird auch als „Residualgewinn“ bezeichnet und ist abgewandelter Form als „Economic Value Added (EVA™)“ bekannt (näheres dazu in Kapitel 5). Sachziele, Wertziele, soziale und ökologische Ziele Unternehmen erstellen und verkaufen Sachgüter und Dienstleistung mit dem Zweck Gewinne zu erwirtschaften. Herstellung und Vertrieb sind also Mittel zum Zweck. Was herzustellen und zu verkaufen ist, soll durch Sachziele oder Leistungsziele beschrieben werden. So könnte ein Sachziel lauten: „Anzustrebende Produktionsmenge für 2026 ist 100.000 Stück“. Jedes Sachziel ist, wie eben erläutert, Mittel zur Erreichung eines monetären oder Wert-Ziels. Und es ist Ausgangspunkt für eine Maßnahmenplanung, die erläutert, wie das Sach- und letztlich das monetäre Ziel, erreicht werden soll. Prominentestes Wertziel (monetäres Ziel) ist natürlich der Gewinn. Daneben kann jede Position in einer Bilanz und einer Ergebnisrechnung als Wertziel formuliert werden, - 21 - ebenso wie andere monetäre Größen. Wertziele können, so wie andere Ziele auch, als absolute oder relative Größen definiert sein. Absolut wäre etwa die Vorgabe eines Umsatzzieles, relativ wäre die Formulierung einer Umsatzrendite als Ziel. Soziale Ziele sollen erwünschte Haltungen und Verhaltensweisen gegenüber Mitarbeitern oder Personen und Personengruppen außerhalb des Unternehmens definieren. Manche vertreten die Ansicht, ein Unternehmen solle auch ökologische Ziele verfolgen. Für ein privatwirtschaftliches auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen sind ökologische Fragen jedoch eher als Nebenbedingungen des eigenen Handelns zu sehen und nicht als Ziele, die vorrangig zu verfolgen sind. Sie sind jedoch, ebenso wie Sozialziele auch, letztlich Voraussetzung für eine längerfristige Existenz des Unternehmens. Zerstört ein Unternehmen seine natürliche Basis, wird es auch seine eigene Existenz zerstören. Verschlechtert es den Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und anderen Anspruchsgruppen, setzt es seine Legitimation und Akzeptanz aufs Spiel (näheres in Kapitel 13). Zielmaximierung Ein Aspekt, der in Praxis und Wissenschaft zentral ist, ist die Frage der Extremal- oder Satisfizierungsziele. Extremalziele meinen die Vorgabe von Maximal- bzw. Minimalgrößen, so bspw. „Erziele den maximalen Gewinn“. Beachtet man zusätzlich Nebenbedingungen, sind sie identisch mit Optimalzielen. Die betriebswirtschaftliche Forschung beschäftigt sich bei ihrer Modellierung von Planungs- und Entscheidungssituationen sehr häufig mit Optimierungsmethoden mit denen Optimalziele erreicht werden sollen. 35 Häufig wird in Wissenschaft und Praxis der Gewinnmaximierung als Extremalziel das Wort geredet und angenommen, dies sei sowohl theoretisch als auch praktisch das richtige und wichtigste Ziel eines Unternehmens. Zwei Argumente sprechen dagegen. Zum einen zeigen empirische Studien, dass Unternehmen in den allermeisten Fällen nicht dauerhaft hohe oder sogar steigende Gewinne erwirtschaften können. Vielmehr gelingen außerordentliche Erfolge nur selten und wenn, nur über wenige Jahre. Anschließend sind oft Wettbewerbsvorteile aufgezehrt, Kundenpräferenzen haben sich geändert und Kunden wandern zu anderen Produkten und Unternehmen ab oder interne Bürokratie und Verschwendung fordern ihren Tribut. Zu beobachten ist der sogenannte Trend zum Mittelwert (auch: Regression zum Mittelwert). Das bedeutet, dass sehr erfolgreiche Unternehmen nach einiger Zeit weniger Erfolge zeigen, ihr Erfolg also wieder zum Mittelwert aller Unternehmen hintendiert. Ebenso scheiden weniger erfolgreiche Unternehmen entweder aus dem Markt aus oder sie schaffen es, ihre Profitabilität zu erhöhen, wodurch sie ebenfalls zum Mittelwert hintendieren. 36 35 Vgl. auch Klein/Scholl (2011) 36 Vgl. Rosenzweig (2007), 101ff. - 22 - Zum zweiten lassen sich mehrere Gründe anführen, die zeigen, dass eine Maximierung in der Realität meist ausgeschlossen ist und Unternehmen eher Anspruchsniveaus oder Mindestziele fordern. Entscheidungsträger in der Praxis scheinen selten Extremalziele zu verfolgen. Dort formuliert man eher Ziele der Art „der Gewinn soll um mindestens 10 % steigen“. Anders gesagt, wird ein Anspruchsniveau festgelegt, hier ein Mindestgewinnanstieg. Nichts anderes als die Festlegung eines Anspruchsniveaus meint der Begriff Satisfizierungsziel. Mehrere Gründe sprechen dafür, in der Praxis keine Extremal- oder Optimalziele anzustreben: Entscheidungen in knapper Zeit: Für Entscheidungen steht immer nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung. Handelt es sich bei der Entscheidung nicht um ein bekanntes Problem, müsste man vor der Entscheidung (Ebene 1) erst bestimmen, welches Entscheidungsverfahren für das noch unbekannte Problem dasjenige ist, das zu einer optimalen Entscheidung führt (Ebene 2). Die Wahl der richtigen Vorgehensweise in Ebene 2 ist bei einem unbekannten Problem ebenfalls wieder ein Entscheidungsproblem (Ebene 3) und so weiter ad infinitum. Man sieht unmittelbar, dass bei unbekannten Problemen schon logisch eine begrenzte Zeitspanne nicht ausreichen dürfte, um wirklich die optimale Entscheidung zu fällen. 37. Selbst wenn man ein Optimierungsverfahren kennen würde, trifft den Entscheidungsträger ein weiteres Problemfeld: begrenzte, nicht kostenlose und unsichere Information. Er kann Informationen nicht in beliebiger Menge beschaffen, sei es, dass ihre Beschaffung mit Kosten verbunden sind wie etwa Datenbankenzugriffe und Marktforschung, oder sei es, dass sie ohne weiteres nicht ermittelbar sind, wie die persönlichen Vorlieben einzelner Konsumenten. Verschärft wird das Problem noch dadurch, dass Informationen über die Zukunft nicht sicher sind, sie also so oder auch anders eintreten können. Es lassen sich noch weitere Gründe gegen eine praktische Möglichkeit zur Maximierung anführen, (1) so etwa unterschiedliche Zeithorizonte von Investoren und Managern, wodurch nicht klar ist, wessen Ziele in welchem Zeitraum maximiert werden, (2) Herdenverhalten von Managern, die ihre Ziele an andere anpassen, (3) mehrfache Ziele, die nicht gleichzeitig alle maximiert werden können, (4) höhere Risiken die mit höheren Renditen einhergehen, wodurch das Risiko eine weitere, schlecht einschätzbare Nebenbedingung darstellt und schließlich (5) der kurzfristig orientierte Erfolgsdruck (managerial myopia), der ggf. dazu führt, sich längerfristig lohnende Investitionen zu Gunsten kurzfristiger Erfolge zu unterlassen. Diese Argumente zeigen, dass optimale Entscheidungen in der Praxis nur bei bekannten, sich gleichartig wiederholenden Problemen möglich sein dürften. Für neue oder schwierige Planungsprobleme wie die Frage des Markteintritts oder der Auswahl der 37 Vgl. Selten/Gigerenzer (2002), 17ff. - 23 - besten Werbekampagne wird es meist keine optimale Entscheidung geben. Satisfizierungsziele sind daher eher die Regel. Anforderungen an Ziele Ziele können in vielfältigen Beziehungen zueinanderstehen. 38 Bereits erwähnt wurde die Ziel-Mittel- oder Zweck-Mittel-Beziehung, hier sind die Ziele hierarchisch geordnet: Das Ziel der Kosteneinsparung dient zum Beispiel dem Ziel der Gewinnsteigerung. Ebenso können und werden die Ziele einzelner Geschäftsbereiche als Mittel anzusehen sein, um die Ziele des Gesamtunternehmens zu erreichen. Schließlich sind nicht-monetäre Ziele häufig Mittel für monetäre Ziele, so könnte bspw. die Reduktion von Reklamationen über eine höhere Kundenzufriedenheit zu höheren Umsätzen und damit Gewinnen führen. Statt von Zweck und Mittel kann man auch von Ober- und Unterziel sprechen. Bei horizontalen Zielbeziehungen stehen Ziele nebeneinander und es ist zu klären, ob mehrere Ziele sich gegenseitig unterstützen wie zum Beispiel die Kostensenkung und Gewinnsteigerung, ob Ziele gegenseitig in Konkurrenz stehen oder gegenseitig neutral sind (vgl. Klein und Scholl 2004, S. 99 ff.). Die Zielbeziehung kann unmittelbar wirken, wie bei dem erwähnten Beispiel Kostensenkung und Gewinnsteigerung. Sie kann jedoch auch mit zeitlicher Verzögerung wirken und aus einer anfangs konkurrierenden Beziehung später eine komplementäre erzeugen. So stehen höhere Aufwendungen für die Produktentwicklung zu Beginn im Widerstreit zur Gewinnerhöhung. Später sollen aus den entwickelten Produkten jedoch zusätzliche Umsätze und damit Gewinne entstehen. Wie kommt man nun zu den Zielen, die man verfolgen möchte? Die Zielbildung ist eine Frage, die nicht durch ein Verfahren zu beantworten ist. Es ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Das liegt schlicht in der realen Mannigfaltigkeit und Komplexität von Unternehmen. Allerdings unterliegen Unternehmen auch Sachzwängen, so dass sie ihre Ziele nicht völlig frei definieren können. Zum einen ist die Gewinnerzielung Voraussetzung für die Existenz eines Unternehmens, wie viele Neugründungen der New Economy erfahren durften. Zum zweiten gibt es gesellschaftliche Erwartungen und gesetzliche Vorgaben, die beispielsweise zu sozialem Engagement als Ziel aufrufen oder Umweltschutz als Ziel verankern sollen. Bei der Formulierung von Zielen und Zielsystemen, sollten Anforderungen beachtet werden. Achterlei lassen sich nennen: Vollständigkeit: ein Zielsystem sollte möglichst alle wichtigen Aspekte des Unternehmens berücksichtigen. Operationalität: die Zielerreichung sollte möglichst genau definiert und gemessen werden können. Das senkt auch den Interpretationsspielraum und mögliche Ausflüchte und leidige Diskussionen. Redundanzfreiheit: für einen Sachverhalt sollte es nicht mehrere Ziele geben. 38 Vgl. hierzu und nachfolgend Klein/Scholl (2011), 91ff. - 24 - Organisationskongruenz und Koordinationsgerechtigkeit: Zielsysteme sollten möglichst so gegliedert sein, dass einzelne Ziele den Organisationseinheiten zuordenbar sind, um als Vorgaben dienen zu können. Weiterhin sollten die den einzelnen Einheiten zugeordneten Ziele die Abstimmung untereinander fördern und nicht behindern. Einfachheit und Strukturiertheit: Trotz allem sollte ein Zielsystem möglichst einfach und übersichtlich sein. Dazu wird man oft Zielhierarchien bilden, die für die Mitarbeiter transparent und klar strukturiert sind. Widerspruchsfreiheit: Sich widersprechende Ziele verwirren nicht nur Mitarbeiter sondern verhindern auch, dass Unternehmen ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Vorab erkennbare Widersprüche sollten aufgelöst, später auftretende rasch geklärt werden. Aktualität: Ein Zielsystem darf zweckmäßigerweise nur die gerade aktuellen Ziele enthalten. Unabhängigkeit der Ziele: wünschenswert wäre es, dass Ziele untereinander unabhängig wären, jedoch sind aufgrund von Zielbeziehungen meistens Abhängigkeiten vorhanden. Die Liste der Anforderungen zeigt schon auf den ersten Blick, dass in der Praxis nicht alle Anforderungen gleich gut erfüllbar sind. Man wird deshalb einen Kompromiss schließen müssen. 1.8 Koordinationsmechanismen Koordination also Abstimmung, wird intensiv in der Organisationstheorie diskutiert. Wie oben in Abschnitt 1.3 beschrieben, können wirtschaftliche Handlungen und Entscheidungen innerhalb von Organisationen nicht über den Preismechanismus koordiniert werden. Es existieren verschiedene Koordinationsmechanismen, die von Kieser und Walgenbach wie folgt eingeteilt werden: 39 Grundsätzlich unterscheiden die Autoren vier zentrale Koordinationsmechanismen: Persönliche Weisung, Selbstabstimmung, Programme und Pläne. Jeder Mechanismus dient der Koordination von Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens und weist spezifische Vor- und Nachteile auf, die bei der Anwendung berücksichtigt werden sollten. Persönliche Weisung bezieht sich auf die direkte Anweisung durch Vorgesetzte an ihre Untergebenen. Ein Beispiel wäre ein Teamleiter, der einem Mitarbeiter anweist, bis zum Ende des Tages einen bestimmten Bericht zu erstellen. Vorteile dieser Methode sind die schnelle Entscheidungsfindung und die klare Verantwortungszuteilung. Nachteile können in der Überlastung von 39 Vgl. nachfolgend Kieser/Walgenbach (2010), 100ff. - 25 - Führungskräften und einer potenziellen Demotivation der Mitarbeiter liegen, da sie wenig Spielraum für eigene Entscheidungen haben. Selbstabstimmung tritt auf, wenn Mitarbeiter auf horizontaler Ebene ohne übergeordnete Weisung zusammenarbeiten. Zum Beispiel könnten sich zwei Abteilungsleiter, etwa für Vertrieb und Produktion, direkt absprechen, um sicherzustellen, dass die Produktionskapazitäten an eine plötzliche Nachfrage angepasst werden. Vorteile dieser Methode sind die Förderung von Eigenverantwortung und Flexibilität sowie eine Entlastung der Führungsebene. Nachteile können in einer möglichen Verzögerung von Entscheidungen und Konflikten aufgrund fehlender klarer Hierarchien liegen. Programme sind festgelegte Handlungsanweisungen oder Routinen, die in regelmäßigen Situationen angewendet werden. Ein Beispiel wäre ein festes Verfahren zur Bearbeitung von Kundenreklamationen. Vorteile von Programmen sind die Standardisierung von Prozessen und die Sicherstellung einer konsistenten Qualität. Nachteile können in der fehlenden Flexibilität und der Schwierigkeit, auf unvorhergesehene Situationen angemessen zu reagieren, liegen. Pläne schließlich beziehen sich auf die langfristige strategische als auch kurzfristige operative Ausrichtung und beinhalten teils auch flexible Vorgaben, die an veränderte Umstände angepasst werden können. Ein Beispiel wäre ein Jahresplan eines Unternehmens, der Verkaufsziele und Ressourcenallokationen festlegt. Vorteile von Plänen sind die einheitliche Ausrichtung der Organisation auf ein Ziel hin und die Möglichkeit, Ressourcen gezielt zu steuern. Nachteile können in der Komplexität der Planung und der Gefahr liegen, dass Pläne in dynamischen Umgebungen schnell überholt sein können. Manche Autoren fügen diesen noch zwei weitere hinzu: interne Märkte und Kultur. Ein interner Markt soll einen realen Markt simulieren, in dem Führungskräfte wie an einem externen Markt als unabhängige Anbieter und Nachfrager auftreten. Eingangs wurde aber dargelegt, dass es ökonomische Gründe gibt, dass der Preismechanismus und die damit verknüpften Bedingungen innerhalb einer Organisation nicht gelten und Organisationen wirtschaftlicher sein können, als eine Markttransaktion. Insofern widerspricht dieser Ansatz dem und dürfte in der Praxis nicht wirklich funktionieren. Ein weiterer Mechanismus ist die Koordination durch Unternehmenskultur, also gemeinsame Wertvorstellungen, Rituale und implizite oder explizite Normen. Sicher hat Kultur einen Einfluss, die Gestaltbarkeit ist jedoch recht schwierig. 1.9 Interne Unternehmensrechnungen als Werkzeug Um festzustellen, ob ein Ziel erreicht wird bzw. ob man auf gutem Weg dorthin ist, genügt es nicht, dies nur nach einem Eindruck oder Gefühl hin zu bewerten. Nur eine Messung, eine quantitative Feststellung der Zielerreichung bzw. Ziel-Ist-Abweichung lässt das - 26 - Ausmaß einer noch zu überwindenden Ziel-Ist-Lücke erkennbar werden und ist Grundlage einer effektiven und effizienten Führung, wie das bereits in Abschnitt 1.6 erläutert wurde. Für privatwirtschaftliche Unternehmen, die auf das Gewinnziel ausgerichtet sind, bedeutet das, dass sie ein Rechenwerk benötigen, das die wirtschaftlichen Entscheidungen, Ereignisse und Handlungen im Zeitablauf abbildet. Dieses Rechenwerk ist in Wahrheit eine Ansammlung mehrerer. Richten sie sich an das interne Management des Unternehmens spricht man von interner Unternehmensrechnung 40. Letztlich handelt es sich um ein Informationssystem, das dazu dient, Informationen für Entscheidungen und für die Verhaltenssteuerung zu liefern. Es ist auch ein Mess-System, in dem es die oben genannten wirtschaftlichen Auswirkungen von Entscheidungen, Ereignissen und Handlungen in ihren wirtschaftlichen Konsequenzen auf das Ziel des Unternehmens hin misst. Da Führung ein permanenter Prozess ist, ist auch die dazugehörige Messung fortlaufend und es ergibt sich sinnbildlich ein Regel- und Steuerungskreislauf. 41 Die interne Unternehmensrechnung unterteilt sich aufgrund unterschiedlicher Anforderungen und Arten von Entscheidungen in mehrere Teilrechnungen. So findet sich neben der Kostenrechnung (auch: Kosten- und Erlösrechnung oder Kosten- und Leistungsrechnung), die Investitionsrechnung und die Finanz- und Finanzierungsrechnung. Diese haben eigene Rechengrößen, Rechenmethoden und abgeleitete Kennzahlen. Dennoch gibt es Querverbindungen und gemeinsame Grundlagen. Weshalb dann aber unterschiedliche Rechnungen? Im Gegensatz zur Technik oder den Naturwissenschaften, sind die Rechengrößen der internen Unternehmensrechnung zum großen Teil keine objektiv messbaren Sachverhalte. Im Rechnungswesen spielen die Begriffe Rechnungszweck und Rechnungsziel eine zentrale Rolle, da sie die Ausrichtung und Gestaltung der internen und externen Unternehmensrechnung maßgeblich beeinflussen. Der Rechnungszweck bezieht sich auf die grundlegende Intention, die hinter der Erstellung einer Rechnung oder eines Berichts steht, also welche Informationen vermittelt und welche Entscheidungen unterstützt werden sollen. Typische Rechnungszwecke können etwa die Dokumentation von Geschäftsvorgängen, die Rechenschaftslegung gegenüber Eigentümern oder die Erfüllung gesetzlicher Vorschriften sein. Das Rechnungsziel hingegen konkretisiert, welche spezifischen Ergebnisse oder Informationen die Rechnung liefern soll. Dies kann beispielsweise die Ermittlung der Rentabilität eines Unternehmensbereichs oder die Bewertung von Vermögenswerten sein. Ein Beispiel verdeutlicht, wie unterschiedliche Rechnungszwecke und -ziele zu einer unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechnung führen können: Angenommen, ein Unternehmen möchte einen internen Bericht zur Steuerung eines Produktionsbereichs erstellen. Der Rechnungszweck ist hier die Unterstützung des Managements bei der Vgl. hierzu Ewert et al. (2023), 1ff. 40 In der Technik wir dabei mit Steuerung und Regelung etwas anderes verstanden, siehe kritisch 41 Mengen (2019) - 27 - Entscheidungsfindung, und das Rechnungsziel könnte die Optimierung der Produktionskosten sein. In diesem Fall würde der Bericht detaillierte Informationen zu den variablen und fixen Kosten der Produktion enthalten und sich auf solche Daten konzentrieren, die direkt beeinflussbar sind. Im Gegensatz dazu könnte der Rechnungszweck einer externen Bilanzierung die Rechenschaftslegung gegenüber den Investoren sein, mit dem Ziel, die finanzielle Gesamtlage des Unternehmens darzustellen. Hierbei würde die Rechnung umfassendere und standardisierte Informationen enthalten, wie zum Beispiel Abschreibungen und Rückstellungen, die für externe Anspruchsgruppen relevant sind. Diese Sichtweise führt bei manchen zur Verwirrung, die davon ausgehen, es müsste doch den einen, richtigen Gewinn geben oder die eine richtige Zahl für die Kosten eines Produktes. Diese Sichtweise ist fehlgeleitet. Unterschiedliche Rechnungszwecke führen meist zu unterschiedlichen Rechnungsresultaten. In der internen Unternehmensrechnung dominieren die Rechenzwecke Planung und Kontrolle (i.S.v. Verhaltenssteuerung). Dazu kommt die Dokumentation, die aber eher ein nachgelagerter „Hilfszweck“ ist. Unterschiedliche Rechenwerke der internen Unternehmensrechnung fokussieren auf unterschiedliche Entscheidungen. Dabei kommt of das Marginalprinzip der Mikroökonomie zum Einsatz. Es besagt, dass für eine Entscheidung nur die Kosten und Nutzenaspekte relevant sind, die sich in der konkreten Situation durch eine Entscheidung auch ändern werden. Das Marginalprinzip findet grundsätzlich in der betriebswirtschaftlichen Entscheidungsfindung Anwendung: Welche Erlöse und Kosten entstehen durch einen Zusatzauftrag? Erbringt eine geplante Investition eine ausreichende Rendite wenn man die durch sie ausgelösten Ein- und Auszahlungen beachtet? Relevant ist hier auch der Begriff der Opportunitätskosten im Sinne des Nutzenentgangs einer nicht gewählten Alternative. Werden beispielsweise durch den Zusatzauftrag andere Aufträge und damit Gewinnmöglichkeiten verdrängt so sind die Gewinne der Aufträge die nicht realisierbar sind, als Opportunitätskosten in der Entscheidung zu berücksichtigen. Die Periodenerfolgsrechnung ist ein zentrales Instrument im Controlling, das darauf abzielt, die betriebswirtschaftliche Leistung eines Unternehmens über einen bestimmten Zeitraum (meist ein Geschäftsjahr) zu messen und zu bewerten. Sie ist eng mit dem Ziel der Leistungsüberwachung und der Wirtschaftlichkeitskontrolle verbunden. Hierbei wird das periodische Betriebsergebnis ermittelt, das sich aus den Umsatzerlösen abzüglich der Kosten ergibt, und stellt damit eine essenzielle Grundlage für die Steuerung eines Unternehmens dar. Sie erfüllt mehrere wichtige Funktionen: Leistungsmessung und Kontrolle: Sie ermöglicht es dem Management, die wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens in regelmäßigen Abständen zu bewerten. - 28 - Durch den Vergleich der Ist-Ergebnisse mit den Planzahlen können Abweichungen frühzeitig erkannt und Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen werden. Beurteilung der Wirtschaftlichkeit: Ein zentrales Ziel der Periodenerfolgsrechnung ist die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Ressourcennutzung. Hierbei wird geprüft, inwieweit die eingesetzten Ressourcen (z. B. Kapital, Material, Personal) zu einem wirtschaftlichen Erfolg geführt haben. Dies trägt zur langfristigen Sicherung der Unternehmensziele bei, insbesondere im Hinblick auf Effizienz und Rentabilität. Kontrollinstrument: Die Periodenerfolgsrechnung dient auch der Überprüfung von getroffenen Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Unternehmensleistung. Sie ist daher nicht nur retrospektiv, sondern auch prospektiv einsetzbar, da sie durch die systematische Erfassung der Erfolgsquellen die Grundlage für zukünftige Entscheidungen bietet. Ist die Periodenerfolgsrechnung mit dem Marginalprinzip vereinbar? Das Marginalprinzip, welches besagt, dass für wirtschaftliche Entscheidungen nur die Kosten und Nutzen relevant sind, die sich durch die Entscheidung tatsächlich verändern, steht nicht im Widerspruch zur Periodenerfolgsrechnung. Während das Marginalprinzip oft für kurzfristige Entscheidungen herangezogen wird, zielt die Periodenerfolgsrechnung auf eine längerfristige und übergreifende Leistungsbewertung ab. Kontrollfunktion und nicht Entscheidungsgrundlage: Die Periodenerfolgsrechnung hat primär eine Kontrollfunktion und ist daher nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage zu verstehen. Sie betrachtet nicht nur die variablen Kosten, die durch das Marginalprinzip beeinflusst werden, sondern auch fixe Kosten, die aus der Nutzung von Ressourcen entstehen. Fokus auf Ressourcenallokation: Durch die Einbeziehung der gesamten Kostenstruktur wird auch die Wirtschaftlichkeit der Ressourcen im Unternehmen kontrolliert. Dies bedeutet, dass nicht nur Grenzkosten betrachtet werden, sondern auch Fixkosten, die z. B. durch langfristige Investitionen in Maschinen oder Anlagen entstehen. 1.10 Harmonisierung des Rechnungswesens Im Rechnungswesen wird traditionell zwischen internem und externem Rechnungswesen unterschieden, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Diese Trennung hat dazu geführt, dass sich beide Systeme unterschiedlich entwickelt haben. Das externe Rechnungswesen, das sich hauptsächlich an gesetzlichen Vorgaben orientiert, hat einen dokumentierenden Charakter und konzentriert sich auf die Erstellung des Jahresabschlusses. Dem gegenüber steht das interne Rechnungswesen, das entscheidungsorientiert ist und primär der Unternehmenssteuerung dient, etwa durch die Kosten- und Leistungsrechnung. Diese Trennung führte zu Divergenzen, da Aufwendungen und Erträge der Buchführung (extern) von den Kosten und Leistungen - 29 - der Kostenrechnung (intern) abweichen. Daraus können unterschiedliche Ergebnisse resultieren, wie das folgende Beispiel zeigt: Beispiel Divergenz der Ergebnisrechnung: Angenommen, ein Unternehmen hat eine Maschine, die bilanziell vollständig abgeschrieben ist, aber intern weiterhin durch kalkulatorische Abschreibungen berücksichtigt wird. Diese kalkulatorischen Abschreibungen betragen 50.000 Euro jährlich. Im internen Rechnungswesen wird dieser Betrag vom Betriebsergebnis abgezogen, was zu einem negativen Betriebsergebnis führen kann. Gleichzeitig weist das Unternehmen im externen Rechnungswesen möglicherweise aufgrund der fehlenden Abschreibung einen positiven Jahresüberschuss aus, der versteuert werden muss. Diese unterschiedlichen Ergebnisse zeigen, wie stark die Divergenz zwischen internem und externem Rechnungswesen sein kann. Die Harmonisierung des Rechnungswesens auf Konzernebene hat ihre Ursache weniger in der Schaffung einer gemeinsamen Datenbasis, sondern vielmehr in der Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel, den Shareholder Value. Sofern die Eigentümer dem Management dieses Ziel vorgeben, bspw. durch entsprechende Entlohnungssysteme, kommt es zur Zielangleichung. Die Datengrundlage für diese Zielangleichung ist die Angleichung der internen und externen Rechnungslegungspraktiken. Das interne Rechnungswesen wird dann zunehmend an den Anforderungen des externen Rechnungswesens ausgerichtet, um die langfristige Wertsteigerung des Unternehmens sicherzustellen. Diese Orientierung ermöglicht es, die Interessen von Eigentümern und Managern zu harmonisieren und eine kohärente Strategie zur Maximierung des Shareholder Values zu verfolgen. Diese Angleichung erfolgt jedoch nur auf oberer Führungsebene. Daneben sind weiterhin andere Rechensysteme im Gebrauch wie bspw. die Deckungsbeitragsrechnung oder Prozesskostenrechnung. - 30 - Literaturverzeichnis Anthony, R./Govindarajan, V. (2001), Management Control Systems, 10. Aufl., New York. Anthony, R. N./Govindarajan, V. (2007), Management control systems, 12. Aufl., Boston. Atkinson, A. u. (2001), Management Accounting, 3. Aufl., Upper Saddle River, New Jersey, USA. Becker, W./Baltzer, B./Ulrich, P. (2014), Wertschöpfungsorientiertes Controlling. Konzeption und Umsetzung, Stuttgart. Bedford, D. S./Malmi, T. (2015), Configurations of control. An exploratory analysis, Management Accounting Research, 27. Jg., Supplement C, S. 2–26. Bloom, N./Brynjolfsson, E./Foster, L./Jarmin, R. S./Patnaik, M./Saporta-Eksten, I./van Reenen, J. (2019), What drives differences in management?, American Economic Review, 109. Jg., Nr. 5, S. 1648–1683. Bloom, N./Genakos, C./Sadun, R./van Reenen, J. 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