Soziale Architektur - Das Rote Wien PDF
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Summary
This document examines social architecture, focusing on the "Rote Wien" era. It analyzes the housing situation, communal features, and design aspects of that period. It discusses the challenges of housing shortages in Vienna and the government's efforts to address them.
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435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Soziale Architektur-Wohnen am Existenzminimum- das rote Wien …...Werkbund dt. 1907 ö. 1912: ein Verband zur Förderung der modernen Formgebung – nicht nur im Feststofflichen sondern insbesondere im sozial, ökonom...
435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Soziale Architektur-Wohnen am Existenzminimum- das rote Wien …...Werkbund dt. 1907 ö. 1912: ein Verband zur Förderung der modernen Formgebung – nicht nur im Feststofflichen sondern insbesondere im sozial, ökonomischen aber auch allgemein kulturellen Bereich. Musterhaussiedlungen- Konzentration auf optimale Raumausnützung bei kleinstem Grundriss sowie die Schaffung einer neuen Wohnkultur, industrielle Vorfertigung, Rationalisierung und Typisierung. (Josef Hoffmann, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier, Hans Scharoun oder J. J. Peter Oud) ……Bauhaus 1919: eine Schule, Projekt für die Gesellschaft; im Mittelpunkt stand die Verbesserung der Lebensbedingungen. Das Kollektive wurde vor das Individuelle gestellt. Die neue Bauweise sollte etwas für die Menschen verbessern! Das rote Wien: das weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte Wohnbauprogramm der Gemeinde Wien ist als Reaktion auf die soziale Lage nach dem Ersten Weltkrieg (1914 -1918) zu sehen, als in Wien neben Hunger und Arbeitslosigkeit auch eine verheerende Wohnungsnot (Kriegszerstörung) herrschte und die Wohnverhältnisse unmenschliche Ausmaße angenommen hatten. Eine Bestandsaufnahme der Wohnsituation im Jahr 1919 hatte bestätigt, dass vor allem die Klein- und Kleinstwohnungen in Wien, zu denen Wohnungen in der Größe von 1 Kabinett bis maximal 2 Räumen zählten, untragbare Wohnbedingungen aufwiesen. Die meisten Wohnungen dieser Kategorie (1917 waren das immerhin über 400.000 in Wien) hatten weder WC noch fließend Wasser, zahlreiche Räume waren nur indirekt belichtet und belüftet, auch Gas- oder elektrische Beleuchtung fehlten. 58% hatten kein eigenes Bett Bei der kleinsten Wohnungstype, der Kabinettwohnung (Kabinett= Neben- Hinterzimmer), verfügte etwa die Hälfte über eine Küche. Bei den typischen Wiener Mietskasernen der Vorkriegszeit waren die Wohnungen entlang eines schmalen, hofseitigen Ganges angeordnet, in den sämtliche Wohnungseingänge mündeten. Die Küchen und Vorräume, soweit überhaupt vorhanden, hatten die Fenster gegen diesen Gang gerichtet und hatten weder direkte Licht- noch Luftzufuhr. Auch die zu Gruppen angeordneten Aborte (WCs) an den Hofseiten der Häuser, die stets von mehreren Wohnungen gemeinsam genutzt werden mussten, waren ausschließlich über diese Erschließungsgänge erreichbar. Wir sprechen von Substandardwohnungen, diese sind kleine Wohnungen (Zimmer- Küche- bzw. Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnungen) und besitzen - wenn überhaupt - nur einfache Wasserinstallationen. 1971-91 sank in Wien die Zahl der Substandard- wohnungen (Kategorien C und D) von 262.000 auf 133.000. NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen WC GRUPPE LUFT/LICHT BASSENA 10,5m² 9m² ZI/KÜ/KA-39m² 20m² 18m² ZI/KÜ-29m² Bild: (© Dagmar Schulz 2010) 7x WOHNUNGEN1 STIEGENHAUS BASSENA LUFT/LICHT BASSENA Die Bassenawohnung war ein Wohnungstyp, der in Wien vor dem 1923 einsetzenden sozialen Wohnbau, für Arbeiter und andere ärmere Bevölkerungsschichten gebaut wurde und der nicht über fließendes Wasser verfügte. (franz. „bassin“ für Wasserbecken) 1919-1934 hatte Wien eine hohe Bevölkerungsdichte- ca. 1,8mio EW, es gab eine starke Arbeiter:innenbewegung mit hohem Organisationsgrad. Die dringende Lösung des Wohnungsproblems wurde zum Angelpunkt der Sozialpolitik im „Roten Wien“. 1918 Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts für Frauen und Männer ab dem 21. Lebensjahr. (Frauenwahlrecht Schweiz 1971!!) 1919 Gemeinderatswahl Wien, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) erhielt 54,1% = überwältigende Mehrheit. Jakob Reumann (1835-1925) wurde Bürgermeister. NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Bereits unter BM Lueger (1897-1910) als historischen Wegbereiter, wurde die kommunale Gas und Elektrizitätsversorgung, die Hochquellwasserleitung (von der RAX), Straßenbahn sowie Versorgungsheime und Krankenhäuser errichtet, aber auch die städtische Versicherung gegründet. Installierung des Mieterschutzes mit 26.01.1917. Wesentliche Voraussetzung zur Finanzierung des sozialen Wohnbaues war die Einführung der Wohnbausteuer “Breitner Steuer“. Wien vor 1923: nur 785 Miet-Wohnungen; 1923-1933: Bau von 58.667 Wohnungen und 5.257 Wohnhäusern. Ca 250.000 Menschen (~1/8 der Wr. Bevölkerung) bekam neue, helle und gesunde Wohnungen. Das Wohnprogramm war in Europa einzigartig! Bei der Umsetzung des Bauprogramms des Roten Wien hatte sich die Stadt bewusst gegen den Flachbau und zugunsten des mehrstöckigen Mietshauses im Stadtgebiet entschieden, dennoch wurden am Stadtrand auch einzelne Siedlungen mit Einfamilienhäusern und Nutzgärten erbaut. (Werkbundsiedlungen) Die vor allem von der breiten Masse der Arbeiterschicht bewohnten Gemeindebauten wiesen teils umfangreiche Gemeinschaftseinrichtungen auf, die von Brause- und Wannenbädern, Waschküchen, Kindergärten und Büchereien bis zu geschützten Gartenhöfen mit Ruhezonen für Erwachsene und Spielplätze für Kinder reichten. Richtlinien für den neuen Gemeindewohnbau Vergabe nach Bedarf nicht nach Einkommen. - Zins nur zur Deckung der Instandhaltung u. Betriebskosten ca. 4% d. Lohnes (vorher 1/6). Stundung bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit. Neue Wiener Bauordnung Maximale Verbauung von 50% des Grundstückes- Rest Garten oder Hofanlage. Freier Lichteinfall unter 45% auf alle Fenster von Haupträumen (Wohnräume). Mindestfläche von 35m² 2,5P (18m² für Alleinstehende). Wasser/ Strom und belüftbares WC in jeder Wohnung. Normierung von Fenster, Türen, Küchen, Treppen, und Raumhöhen (2,80)! Max 4 Wohnungen je Geschoß an einer Haupttreppe Die Gangtoilette und das eigentliche Symbol des Arbeiterhauses, die Bassena, wurde „der Geschichte übergeben“. Man verkündete voll Stolz „den Frieden des Hauses“, durch Eliminierung der Bassena und „Tratsch“! NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Der ehemalige Bankdirektor Hugo Breitner übernahm unter BM Reumann das Finanzreferat Die Breitner Steuern musste zahlen, wer es sich in dieser tristen Zeit leisten konnte, Nachtlokale, Bars, Bordelle, Kabaretts, Pferderennen oder auch Boxkämpfe zu besuchen, wer ein Auto besaß oder sich ein Rennpferd hielt, wer in Luxusvillen oder Luxuswohnungen lebte. „Luxus und Vergnügen zu besteuern, um die Aufziehung eines körperlich gesunden, geistig freien, lebenstüchtigen und lebensfrohen Geschlechtes zu ermöglichen, ist der Grundgedanke der sozialdemokratischen Gemeindepolitik“, hieß es in einer Werbebroschüre. Abb.: Wien Museum 2023, ständige Ausstellung NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Konflikte entstehen: Volkswohnung oder Sozialpalast; Siedlung oder Massenwohnbau STAFFELUNG BALKON RANDSIEDLUNG GED. TERRASSE KARL SEITZ- HOF KARL MARX -HOF SOZIALPALAST Bild: (© Dagmar Schulz 2010) Bild: (© Dagmar Schulz 2010) Bild: (© Wiener Stadt- und Landesbibliothek) Typengrundriss von Gemeindewohnungen: in den Gemeindebauten vor 1926 kamen zumeist 2 Wohnungsgrößen zum Einsatz- 38 bzw. 48m² NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Der Reumannhof wurde vom Architekten Hubert Gessner in den Jahren 1924/26 als städtische Wohnhausanlage errichtet. GED. TERRASSE PERGOLEN ERHOLUNG Bild: Reumann Hof (© linzWien Museum) Arch Gessner in Linz………. Bild: Linz- Arbeiterkammer 01.jpg; © Hans Koberger Bild: Linz- Centralkino Landstr, SPÖ- Zentrale „Schon in der gesamten Architekturdebatte der 20er Jahre spielt das Thema „Wohnen für das Existenzminimum“ die beherrschende Rolle. In diesem Zusammenhang entstanden die großen internationalen CIAM-Kongresse, in denen sich die Avantgarde mit diesen Problemen auseinandersetzte. Nach dem 2. Weltkrieg gerieten diese Fragestellungen wieder in Vergessenheit und erhielten erst danach wieder aktuelle Bedeutung, wo aufgrund von zunehmender Baulandverknappung, Wohnraum für sozial Schwächere nicht mehr bezahlbar war.“ NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen CIAM- Congrès Internationaux d’Architecture Moderne Internationaler Kongress der modernen Architektur CIAM war eine von 1928 bis 1959 stattfindende Reihe von Kongressen für Architekten und Stadtplaner, die als Denkfabrik zu verschiedensten Themen der Architektur und des Städtebaus fungierte. Gründungsursache war der unfaire Ausschluss Le Corbusiers aus dem Architekturwettbewerb für das „Palais des Völkerbundes“ in Genf 1927, wegen Unterzeichnung der Pläne mit Druckertinte statt China-Tinte. Bei aller Gastfreundschaft herrschte in der Stadt eine ästhetische Sensibilität, die Extravaganzen in Höhe oder Stil untersagte. Größe war nur in der Waagerechten erwünscht. Allein die Kathedrale durfte emporragen. Der Wettbewerb war geprägt von einer heftigen Polemik zwischen Vertretern des Klassizismus und der Moderne. Anlass für die Vereinigung CIAM war die Förderung der aufkommenden modernen Architektur im „kubistischen“ Stil wie: Bauhaus, Weißenhof, De Stijl(holl) und moderne Völkerbundsprojekte in Genf. Gegründet wurde CIAM in der Schweiz nahe Lausanne von Le Corbusier(sz), Helene de Mandrot (Schlossherrin/Künstlerin)und Siegfried Giedion(sz). Der vierte Kongress fand 1933 in Athen statt. Dabei wurde das Manifest die „Charta von Athen“ verabschiedet. Unter dem Thema „Die funktionale Stadt“ wurden dort die Aufgaben der modernen Siedlungsentwicklung diskutiert. Sie ist ein städtebauliches Manifest in 95 Punkten, viele davon habe heute noch Gültigkeit. Die meisten Forderungen passten auch in den Rahmen des Sozialismus (sozialer Wohnbau). Die Resultate in der Umsetzung der Charta waren vor allem der veränderte rasch wachsende Städtebau und die Auflösung des klassischen Urbanismus durch große Freiflächen und die funktionale Trennung von bebauten Quartieren nach Wohnungen (z.B. Großwohnsiedlungen in Trabantenstädten), Büros, Einkaufsmöglichkeiten, Gewerbe und Industrie, sowie die Entwicklung der „autogerechten Stadt“. Abb re.: Le Corbusiers Ideal von einem Wohngebäude: die „Wohnmaschine“ (hier jene in Marseille) Abb li.: Corbusiers Ideal: Die strahlende Stadt (Ville Radieuse)utopischer Stadtplan für 3 Mio. Menschen, Hochhäuser (200 m) umflossen von Parkflächen NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Konkrete Forderungen der Charta von Athen: Die Stadt muss, bei Gewährleistung individueller Freiheit, Handeln im Sinne der Allgemeinheit begünstigen. Die Stadt muss als funktionelle Einheit definiert und in dem größeren Rahmen ihres Einflussbereichs geplant werden. Die Stadt als funktionelle Einheit unterliegt den städtebaulichen Hauptfunktionen wie Wohnen, Arbeiten, Erholen und Bewegen. Die einzelnen Funktionsgebiete für Wohnen, Arbeiten und Erholung sollen durch weitläufige Grüngürtel gegliedert und durch Verkehrsachsen verbunden werden. Die überlieferten architektonischen Werke müssen – Einzeln oder als Stadtganzes – erhalten bleiben. Die Wohnung muss das Zentrum aller städtebaulichen Bestrebungen sein. Der Arbeitsplatz muss von der Wohnung minimal entfernt sein. Freiflächen müssen den Wohngebieten zugeordnet und als Freizeitanlagen der Gesamtstadt angegliedert werden. Der Verkehr hat eine der Verbindung der städtischen Schlüsselfunktionen dienende Aufgabe. Die idealen Städte sollten folgende Zonierung aufweisen: Innenstadt: Verwaltung, Handel, Banken, Einkaufen, Kultur Gürtel rund um die Innenstadt: Voneinander getrennt: Industrie, Gewerbe, Wohnen Peripherie: In Grüngürtel eingebettete Satellitenstädte mit reiner Wohnfunktion Die Wohngebiete, die Le Corbusier vorsah, waren bestimmt durch hohe, weitläufig auseinanderliegende Appartementhäuser mit hoher Wohndichte. Einige soziologische Forderungen der Charta, wie etwa die Forderungen zur Lage der Wohnviertel, der Größe von Grün- und Freizeitflächen, der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes oder Vermeidung von Wohngebieten neben Industriegebieten, haben sich als erstrebenswert erwiesen und gehören auch heute noch zu den Grundlagen der Stadtplanung. Kritik und Wirkung Nach der Veröffentlichung 1943 blieb die Charta aber zunächst wenig beachtet. An Bedeutung gewann sie erst einige Jahre später: Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs stand die Schaffung von Wohnraum an oberster Stelle. In ganz Europa griffen Planer für Wohnbauprojekte die Ideen des CIAM und Le Corbusiers auf und so entstanden etwa in Frankreich und Großbritannien wie auch in Deutschland entsprechende Großsiedlungen. NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Pro und Contra - - Radikal und Rücksichtslos gegenüber dem historischen Bestand - +Einflussreich bis heute aufgrund der Bedeutung von innerstädtischen Grünflächen, Verkehrskonzepten und Trennung von Wohn-und Industriegebieten Le Corbusier´s Wohnmaschine: „Wohnmaschine“ als Metapher für ein technisch einwandfreies, reibungsloses Funktionieren Statt Titel Wohnmaschine (….schlechter Anklang), lieber „Zelle im menschlichen Massstab“ (..geprägt von der Kartause Ema bei Florenz und dem Leben an Bord eines Schnelldampfers) Raumökonomie: Raumbedarf genau berechnet und optimiert (Maßsystem Modulor) Basis ist Nabel 1,13m, Verdoppelung= Hand ausgestreckt 2,26 bzw hinzufügen oder abziehen im goldenen Schnitt;..Kopf 1,83; Einrichtungsökonomie: Vgl. Personenkabinen: Schnörkellosigkeit ohne ärmlichen Eindruck. Die Einrichtungsgegenstände sind standardisierte Massenprodukte: „Dem Individualismus, diesem Fieberprodukt, ziehen wir das Banale, das Allgemeine, der Ausnahme die Regel vor. Das Allgemeine, die Regel, erscheinen uns als der strategische Ausgangspunkt für den Marsch nach dem Fortschritt und nach dem Schönen.“ Ästhetik: „Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen. Bäder, Sonne, warmes und kaltes Wasser, Temperatur nach belieben. Aufbewahrung der Speisen, Hygiene, Schönheit durch Proportion.“(„Die Ozeandampfer“) Abb.: Le Corbusiers Ideal von einem Wohngebäude: die „Wohnmaschine“ (hier jene in Marseille) NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Le Corbusiers Betongebäude begründeten den Architekturstil des Brutalismus (béton brut franz. = roher Beton, Sichtbeton) sind Vorläufer der Plattenbauten (ehem. DDR..) entsprachen seinem Leitbild der „vertikalen Stadt“, in der er Wohnen und andere Funktionen „stapelte“ (Vgl. Charta: Zeitersparnis und Raum für Grün zwischen den Hochhäusern) Für ihn die ideale Lösung für massenhafte Wiederholung (standardisierte Serienproduktion) an vielen Orten („Ortslosigkeit“, „Kapselcharakter“) und Wohnkomfort für eine Breite Masse (Vgl. Charta: Ökonimie) NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Margarete Schütte- Lihotzky (1897 - 2000) Margarete Schütte-Lihotzky, die Erfinderin der Frankfurter Küche, war Zeit ihres langen Lebens (1897-2000 – 103jährig) oft die Erste: erste Architekturstudentin in Österreich und eine der ersten Frauen, die als Architektin „erfolgreich“ arbeitete und die den Beruf in Österreich umfassend ausübte. Sie sah Architektur als einen gesellschaftlichen Auftrag und war an sozialen Aspekten sehr interessiert. Sie wurde Kommunistin (als Opposition zu Hitler); engagiert im Widerstand, entging sie knapp der Hinrichtung. Die Bauaufträge blieben während des Kalten Krieges aus (weil Kommunistin..), so wandte sich Margarete Schütte-Lihotzky der Politik zu und „setzte sich für Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Abrüstung ein.“ (vgl. HORNCASTLE, Mona: Margarete Schütte-Lihotzky. Architektin. Widerstandskämpferin. Aktivistin. Die Biografie, Wien, 2019) Die Frankfurter Küche, nur sechseinhalb Quadratmeter groß, war die Frankfurter Küche durch Raumökonomie und streng funktionale Einrichtung ein Beitrag zur »Rationalisierung der Hauswirtschaft« und wurde bis 1930 in rund 10 000 Wohnungen der Frankfurter Sozialsiedlungen eingebaut. Die Frankfurter Küche war das Vorbild der »Schwedenküche-IKEA«, die seit den fünfziger Jahren weltweit Einzug in den Haushalt hielt. Abb.: Wien Museum 2023, ständige Ausstellung NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Die Frankfurter Küche Anstoß zur Entwicklung der Frankfurter Küche gab das „Taylorsystem“ in Amerika -> Dies bezeichnet das Vermessen bestimmter Handlungsabläufe in der Industrie mit einer Stoppuhr! Zeitersparnisse!(Frederick Winslow Taylor-> 1856-1915 Begründer der Arbeits- wissenschaft).Vergl REFA 1924-> Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung; Akkordgrundlage-Menge! In Europa - in der ersten Hälfte der 20er Jahre - Zunahme der Berufstätigkeit der Frau Zeitersparnis in Industrie – wirft Problematik des Lohndrucks und Arbeitslosigkeit auf Im Haushalt ersparte Zeit- kommt der Familie zugute. Die Frage mit der sich die Architektin beschäftigte war „wie können wir durch den richtigen Wohnungsbau den Menschen die Hausarbeit erleichtern“: Ihr Focus war die „Planung und Bauausführung der Wohnungen im Hinblick auf die Rationalisierung der Hauswirtschaften. Die Funktionen einer Wohnung werden durch folgende Fragen deutlich: Wo wohnt der Mensch, wo isst er, wo bereitet er seine Speisen zu, wo schläft, und wo arbeitet er. Das Herzstück dieser Funktionen bilden das Essen und das Kochen.“ In Frankfurt, wie sonstwo, befanden sich Wohn- und Essplatz in den 20er Jahren im selben Raum (Frage des Geldes- Wohnraumgröße). BEWEGUNGSSKIZZE 12,6m² 6,5m² ZITAT Schütte-Lihotzky: „Nachdem wir uns für die reine Arbeitsküche, mit dem Essplatz in einem daran anschließenden Wohnzimmer entschieden hatten, betrachteten wir die Küche als eine Art Laboratorium, das jedoch, da man sich die wesentliche Zeit des Tages in ihm aufhält, auch einen eigenen Wohnwert haben sollte.“ NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Conclusio: 1. Länglicher (viel Abstellfläche), verhältnismäßig schmaler (idealerweise kein Schritt nötig von einer zur anderen Seite- umdrehen) Raum (1,90 m x 3,40 m) 2. Vorbild: damalige Speisewagenküche der Eisenbahn (2 Menschen bereiten Essen für 100 Personen zu, Geschirr spülen & große Anzahl an Geschirr untergebracht). 3. Wichtigste bauliche Grundlage: breite Öffnung zum Wohn- Essraum -> durch Schiebetür verschließbar. Frau konnte Kinder 4. beaufsichtigen. Vorschrift: Abstand vom 5. Die Frankfurter Küche von 1926. 6. Rekonstruktion mit Lihotzky, 1990 Arbeitsplatz in der Küche bis zum Esstisch darf nicht mehr als 3m betragen. Finanzierung: Räume sind nicht auf handelsübliche Küchenmöbel verwendbar (Ausmaße des Raumes zu gering) -> dennoch Kostenreduzierung durch eingesparte Kubikmeter Bauumfang. (6m²x GH 2,8=~17m³!) Frankfurter Küche 2 Vorteile: Arbeitsersparnis bzw. Zeitersparnis für Benutzer und geringere Baukosten! So konnte man die Einrichtung in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung (Gemeinderat) durchsetzen: zwischen 1926-1930 durfte keine Gemeindewohnung ohne Frankfurter Küche gebaut werden. (etwa 10.000 Wohnungen). Kosten der gesamten Einrichtung wurde den Baukosten zugeschlagen und auf die Miete umgelegt, Höhe der Miete für Mieter somit leichter tragbar, als selber Einrichtung kaufen. (Massenbeschaffung günstiger). Bauliche Grundlagen: - Dunsthaube: Küchen erhielten Ventilationsschlauch über Dach- kein Geruch - Ein Speisekasten: unter Fenster-Luftabzugsöffnung mit einem Regulationsgitter - Sockel: Keine Möbelfüße & Ecken, Betonsockel - Reinigung des Bodens - Müll- und Besenschrank: Neuheit: zwischen Küche und Vorzimmer gemauerter Müll- und Besenschrank -> Küchenabfall aus Küche, Kehricht vom Vorzimmer aus eingeworfen – vermeidet Staubentwicklung in Küche- Hygiene! - Fensterbrüstung: erhielt Absatz zu Arbeitsfläche- Fensteröffnung-> Gegenstände blieben stehen, werden nicht durch Fenster umgeworfen.. - Kastenwand: Raum zw. Oberkante Kastenwand und Decke abgemauert- kein Staub! NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Arbeitssparende Einzelheiten der Frankfurter Küche: Spülbecken: Tellerabtropfgestell an/in Wandnische – Neuheit! Kochkiste: Neben Herd gab es eine Kiste - Abstellen heißer Töpfe & Wärmespeicher Arbeitstisch und Küchenabfallrinne: Kompostabfälle direkt von der Arbeitsfläche in Auffangbehälter geschoben -> durch eine Holzklappe in den Mülleimer entleert. Aufbewahrung trockener Lebensmittel: Entwicklung von Schubkästen. Ideales Material: Aluminium -> leicht & unzerbrechlich. Besonderheit: vor „Schnauze zum Schütten“ ist Aluminiumsteg -> zur genaueren Dosierung! Künstliche Beleuchtung: Neu entwickelt Schiebelampe: bewegbar- Deckenschiene! Lichtkegel so, dass Arbeitende nirgendwo in der Küche einen Schatten erzeugt. Bügeln: Bügelbrett an Wand befestigt, ausgeklappt liegt es an Rand der Spüle auf. Höhenverstellbarer Drehhocker – jede Arbeit kann im Sitzen verrichtet werden. SCHRANKVERBAU TELLERBORD BÜGELBRETT ABFALLLADE WÄRMEKISTE DREHHOCKER SCHIEBELAMPE ZB. ZUCKERSCHÜTTE Besonderheiten: - Große Mehlvorräte in großer Eichenholzschublade, die darin enthaltene Gerbsäure verhindert Würmer im Mehl. - Topfschrank, statt festen Holzböden-> verstellbare Leisten; da nie vollkommen trocken eingeräumt – kann rundherum von Luft „umspült“ werden- getrocknet - Farbe: Blauer Anstrich gegen Fliegen (Wissenschaftler der Universität Frankfurt erkannten, dass Fliegen nicht auf blau gehen). Gestaltung: Funktionellen Erfordernisse der damaligen Zeit durch Frankfurter Küche gut erfüllt. Wesentliche Gestaltungsmittel: „harmonische Verteilung der Kuben, gute Proportion, Lichteinfall und Farben“ erzeugt Wohlbefinden in Raum! NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Werkabriss: erste und einzige Frau in der Architektur an der K.K. Kunstgewerbeschule in Wien später Hochschule für angewandte Kunst – (bei Oskar Strnad) und Baukonstruktion (bei Prof. H. Tessenow). Preis für Projekt einer Kleingarten- und Siedlungsanlage auf dem Schafberg bei Wien (1920) arbeitete mit Wiener Siedlerbewegung bei Adolf Loos Rotterdam: Entwürfe für Einfamilien-Reihenhäuser Architektin für die "Erste gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft der Kriegs- invaliden Österreichs" und „Verband der Siedler- und Kleingartenwesen“ Mustersiedlung Heuberg / Winarskyhof - Teilplanung Bau der Wiener Werkbundsiedlung arbeitete mit Josef Frank Frankfurt am Main - entwickelte "Frankfurter Küche“ 1927 Heirat: Architekten W. WINARSKYHOF WIEN; WERKBUNDSIEDLUNG Schütte. Wiener Werkbundsiedlung (1930-32) -> europäischen Wohnbauausstellung einzige (!) Architektin zwei Reihenhäuser mit je 35 m² Grundfläche (Woinovichgasse 2 und 4). Sowjetunion - Arbeitersiedlungen, Schulen und Kindergärten Weltausstellung in Chicago Angst vor Stalins Säuberungen zuerst nach London und dann nach Paris Widerstandskämpferin im Exil politisches Engagement -> verbotenen KPÖ nach Wien, Kommunistin Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus -> verhaftet und zum Tod verurteilt , entging diesem knapp -> Gefängnis! bis zur Befreiung durch US-Truppen 1945 im Frauengefängnis Aichbach (Bayern) inhaftiert Sofia (Bulgarien) – Kinderhäuser, Entwurfslehre politischen Gründe - > kaum noch Aufträge Beraterin in der Volksrepublik China, in Kuba und in der DDR publizistische Tätigkeit, politisches Engagement für Frauen und den Frieden 1951 Trennung von Ehemann Wilhelm Vortrags- und Beratungstätigkeit, Kongressen, Vortragstätigkeit späte Anerkennung! über 80 Jahre alt als erste Auszeichnungen für ihre Rolle als Pionierin in der Architektur erfolgte! 1988 Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst - Übergabe erst 1993 (verweigerte die Auszeichnung durch den damaligen Bundespräsident Kurt Waldheim entgegenzunehmen). 1993 MAK eine große Werk-Schau NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN 435.033 – VO GTT B 6.3 Architektur u. Wohnen Quelle: Das Rote Wien Wohnsituation um die Jahrhundertwende Dagmar Schulz,2010 Seminar der AK Wien/PH Wien Dagmar Schulz,2010 Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Anna Stuhlpfarrer Wieviel Raum braucht der Mensch? Wohnen für das Existenzminimum, München; Strunk Andreas, 1996 Margarete Schütte-Lihotzkay. Architektin. Widerstandskämpferin. Aktivistin. Die Biografie, Wien; Horncastle Mona 2019 Margarete Schütte-Lihotzky, Soziale Architektur, Zeitzeugin eines Jahrhunderts, MAK; Noever, Peter, 1996 Architektur und Städtebau: das Werk van den Broek und Bakema (Vol. 1): Karl Krämer. Le Corbusiers „Charta von Athen“. Texte und Dokumente. Kritische Neuausgabe, Thilo Hilpert, 1984 Architektur und Städtebau: das Werk van den Broek und Bakema (Vol. 1): Karl Krämer. Le Corbusiers „Charta von Athen“. Texte und Dokumente. Kritische Neuausgabe, Thilo Hilpert, 1984 Die funktionale Stadt. Le Corbusiers Stadtvision- Bedingung, Motive, Hintergründe, Thilo Hilpert, 1978 Century of Modernity. Architektur und Städtebau. Essays und Texte. , Thilo Hilpert, 2015 Bilder: Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge austria-forum.org www.geschichtewiki.wien.gv.at Century of Modernity. Architektur und Städtebau. Essays und Texte. , Thilo Hilpert, 2015 Empfohlene Fachliteratur: Eve Blau, Rotes Wien. Architektur 1919-1934. Stadt – Raum – Politik, Basel: Birkhäuser Verlag 2014. Helmut Weihsmann, DAS ROTE WIEN, sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919-1934 Sigfried Giedion, Befreites wohnen. Licht, Luft, Öffnung; Orell Füssli-Zürich 1929 NUR ZUM UNTERRICHTSGEBRAUCH ARCHITEKTUR U WOHNEN