Einführung in die Entwicklungspsychologie - 3. Vorlesung - PDF
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Universität Siegen
Simon Forstmeier
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Diese Präsentation behandelt die Einführung in die Entwicklungspsychologie, konzentriert sich auf die körperliche Entwicklung in der frühen Kindheit, präsentiert die pränatale und postnatale Entwicklung. Das Dokument beinhaltet auch Informationen zu Risiken und Teratogenen für die pränatale Entwicklung und detailliert das Thema Schlaf-Wach-Rhythmus.
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Einführung in die Entwicklungspsychologie 3. Körperliche Entwicklung in der frühen Kindheit Prof. Dr. Simon Forstmeier WS 2024/25 uni-siegen.de www.uni-siegen.de Fragen stellen über Particify https://crs.zimt.uni-siegen.de/p/61399211...
Einführung in die Entwicklungspsychologie 3. Körperliche Entwicklung in der frühen Kindheit Prof. Dr. Simon Forstmeier WS 2024/25 uni-siegen.de www.uni-siegen.de Fragen stellen über Particify https://crs.zimt.uni-siegen.de/p/61399211 Vorlesung 3 2 Frühe Kindheit: Themen körperliche Entwicklung Pränatale Entwicklung: Körperlich, sensorisch, Schmerzempfindung, Verhaltensweisen Auch z.B. Herausbilden von Geschmackspräferenzen Postnatal: Körperwachstum Gehirnentwicklung Schlaf-Wach-Rhythmus Entwicklung von Motorik Entwicklung von Sensorik 3 Pränatale Entwicklung "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-SA Pränatale Entwicklung Pränatale Entwicklungsstadien 1. Zygotenstadium (1. und 2. Lebenswoche) 2. Embryonalstadium (3. bis 8. Lebenswoche) Zellteilung, Zellspezialisierung, Zellmigration und Zellsterben 3. Fötalstadium (9. Lebenswoche bis zur Geburt) 5 6 Copyright © Pearson 2004 Risiken für die pränatale Entwicklung: Teratogene Die häufigsten pränatalen Teratogene: Alkohol und Drogen Rauchen Spezifische Medikamente (z. B. Contergan) Umweltgifte (z. B. Blei, Quecksilber, Pestizide) Strahlenschäden (z. B. Radioaktivität) Bestimmte Infektionserkrankungen der Mutter (z.B. Röteln, HIV) 7 Bild: Lee O'Dell / Fotolia.com Zur Demonstration: RealCare Baby 8 https://www.babybedenkzeit.de/produkt/realcare-baby/ Zur Demonstration: RealCare Baby https://www.babybedenkzeit.de/produkt/realcare-shaken-baby/ 9 Postnatales Körperwachstum "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-SA Postnatal: Körperliche Entwicklung Erste Lebensjahre: Hohe Anteile des Körperwachstums Geburtsgröße: Etwa 48 bis 53 Zentimeter Wachstum: 1. Lebensjahr: etwa 18 bis 25 Zentimeter 2. Lebensjahr: etwa 10 bis 13 Zentimeter Folgejahre: etwa 5 bis 6 Zentimeter Neuer Wachstumsschub in der Pubertät https://www.familie.de/kleinkind/wachstum-bei-kindern/ Abschluss des Größenwachstums im Alter von etwa 14 bis 18 Jahren (bei Mädchen früher als bei Jungen) 11 Körperwachstum Cephalocaudaler Wachstumstrend: körperliches Wachstum und motorische Kontrolle verläuft vom „Kopf zum Steiß“ bzw. vom Kopf zu den Füssen (Kopf-Rumpf- Verhältnis) Proximodistaler Wachstumstrend: körperliches Wachstum und motorische Kontrolle verläuft von der Mitte des Körpers nach außen (körpernah zu körperfern) Copyright © Pearson 2004 (aus Berk, 2011) 12 Gehirnentwicklung "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY Gehirnentwicklung Synapsenbildung: Zunächst Herstellung von wesentlich mehr Synapsenverbindungen, als tatsächlich benötigt werden Synapseneliminierung: Frühzeitiges Einsetzen einer erfahrungsabhängigen Eliminierung von überschüssigen Synapsenverbindungen Synapsenbildung und –eliminierung: wichtige Basis für Plastizität des Gehirns 14 Gehirnentwicklung Plastizität: Veränderungsfähigkeit des Gehirns durch Erfahrung und nach Schädigungen. Erfahrungserwartende Plastizität: Erst wenn ein spezifischer Input erfolgt, kommt es zu einer ungestörten Entwicklung bestimmter Funktionen z.B. Visueller Kortex Erfahrungsabhängige Plastizität: Synapsen werden in Abhängigkeit von den jeweiligen Umwelterfahrungen gebildet 95890271 Nerve Cell. © Fotolia.com Gestaltung der Umgebung 15 Gehirnentwicklung Maximum der Synapsenbildung und Synapseneliminierung in unterschiedlichen Hirnregionen zu unterschiedlichen Entwicklungszeiten Myelinisierung der Nervenbahnen zur Optimierung des Informationsflusses Cephalokaudaler Trend bei der Myelinisierung 16 Schlaf-Wach-Rhythmus "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-SA Zirkadiane Rhythmen Frühe Entwicklungsaufgabe: Entwicklung zirkadianer Rhythmen; im Zentrum hier vor allem: Entwicklung des Schlaf-Wach-Rhythmus Während der Schlafphasen: Unterscheidung zwischen dem tiefen, ruhigen Schlaf und dem aktiven, unruhigen Schlaf mit REM-Phasen Ruhiger Schlaf: Regelmäßige Atmung, geringe motorische Aktivität und eine geringe Muskelspannung Unruhiger Schlaf: Unregelmäßige Atmung; Atonie (d.h. geringer oder fehlender Muskeltonus) und schnelle Ausbrüche transienter Muskelaktivität (z. B. kurzes Muskelzucken an Extremitäten oder Gesicht); schnelle Augenbewegungen („rapid eye movements“, REM) Zirkadiane Rhythmen im Säuglingsalter Verhältnis von REM- zu Non- REM-Schlaf verändert sich im Laufe der Entwicklung Anfang der Entwicklung: 50% REM- Schlaf an der Gesamtschlafzeit Ab ca. 3 bis 4 Jahren: 20% REM- Schlaf an der Gesamtschlafzeit Dem REM-Schlaf wird beim Lernen und der Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle zugeschrieben Weiterhin: Zunahme des Nachtschlafes und Abnahme des Tagschlafes Zirkadiane Rhythmen im Säuglingsalter Wichtigste Gründe für Quengeln, Weinen und Schreien: Schmerzen Hunger Müdigkeit Langeweile Entwicklung der Motorik "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-SA Entwicklung der Motorik: Reflexe Reflex Beschreibung Entwicklungs-verlauf Funktion Saugreflex Ausgelöst, sobald sich die Brust oder die Flasche dem Geburt bis ca. 4-6 Aufnahme von Säugling nähert bzw. seinen Mund berührt Monate Nahrung Blinzeln Ausgelöst durch Licht in der Nähe der Augen; Reaktion: Permanent Schutz vor Reizung Schnelles Schließen beider Augen Rooting- Ausgelöst bei Berührung an der Wange. Folge: Geburt bis ca. 4 Hilft, Nahrungsquelle Reflex Zuwendungsreaktion in der Erwartung, dass sich dort die Monate (Brustwarze) zu Nahrungsquelle (Brust oder Flasche) befindet finden Greifreflex Ausgelöst durch Berühren der Handinnenflächen. Folge: Schon pränatal bis ca. Überlebens-sichernd Umgreifen des Gegenstands 9 Lebensmonat Schreit- Ausgelöst, indem man den Säugling leicht nach vorn Verschwindet mit 3-4 Vorbereitung auf reflex gebeugt hält und die Füße eine Fläche berühren lässt Monaten Gehen Schwimm- Ausgelöst, indem man den Säugling horizontal in Wasser Geburt bis 4-6 Evtl. kurzzeitige reflex hält Monate Überlebensfunktion Moro-Reflex Ausgelöst, wenn der Säugling erschrickt. Folge: Ab 9. Umklammerung Rhythmische Bewegungen der Extremitäten (ursprünglich Schwangerschafts- evtl. kurzzeitige vermutlich zur Anklammerung an die Mutter) woche bis 4. Monat Überlebensfunktion nach Geburt Rooting-Reflex http://www.milestonemom.com/baby-development-and-reflexes/ https://www.youtube.com/watch?v=b0CLcNtOOEQ 24 Greifreflex http://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChkindlicher_Reflex https://www.youtube.com/watch?v=GNYvmcVV7-E 25 Schreitreflex http://wp1171965.server-he.de/duck/gal/5_Verschiedenes/14_Verschiedenes_Baby-Schreitreflex.jpg https://www.youtube.com/watch?v=c8-4gmMaR5o 26 Moro-Reflex https://medlineplus.gov/ency/imagepages/17269.htm https://www.youtube.com/watch?v=DfnomzlY01I 27 Entwicklung der Motorik Manche Reflexe = bahnende Funktion für komplexere motorische Abläufe in späteren Entwicklungsabschnitten Allgemeines Prinzip der Motorikentwicklung 1. Erlernen einzelner Bewegungsabfolgen 2. Koordination der einzelnen Bewegungen 3. Integration der Bewegungen in längere Verhaltensketten 4. Zunehmende Automatisierung der Einzelabfolgen 5. Zunehmende Verfeinerung durch eine Anpassung der Verhaltensabfolgen an spezifische Umgebungsbedingungen 28 Entwicklung des Greifens 29 Wichtigste Stationen der Entwicklung des Laufens 30 Motorikentwicklung Motorikentwicklung ist als Zusammenspiel von Reifung und Lernen zu charakterisieren Reifungsgrundlagen müssen vorhanden sein (z. B. Myelinisierung der Nervenbahnen, Ausbildung bestimmter Hirnareale) Ebenso Lernerfahrungen erforderlich, um eine Abstimmung zwischen Motorik und Umgebung zu ermöglichen 31 Entwicklung der Wahrnehmung "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-SA Fragen: Säuglinge (junge vs. ältere) betrachten zwei Felder… (Präferenzparadigma) https://crs.zimt.uni-siegen.de/p/61399211 Vorlesung 3 33 Visuelle Wahrnehmung Entwicklung des visuellen Auflösungsvermögens Präferenzparadigma sowie Habituations-Dishabituations-Paradigma Bei zu geringem Auflösungsvermögen = Beide Flächen erscheinen gleichmäßig grau Bei hinreichendem Auflösungsvermögen = Gestreifte Flächen erscheint als interessanter und wird länger betrachtet 34 Visuelle Wahrnehmung Entwicklung des visuellen Auflösungsvermögens ab ca. 2 Monaten können Säuglinge das komplexere Schachbrettmuster wahrnehmen Kontrastempfindlichkeit entwickelt sich stetig (Gwiazda & Birch, 2001) 36 Visuelle Wahrnehmung Visuelle Präferenzen von Säuglingen Einfache Muster vor komplexen Mustern Symmetrische Muster vor unsymmetrischen Mustern Äußere Konturen vor inneren Konturen Kurvilineare Muster vor geradlinigen Mustern Bewegte Muster vor unbewegten Mustern Präferenz von Gesichtern vor anderen Objekten 37 Visuelle Wahrnehmung Zunehmende Integration von Musterelementen zu Gesamtmustern: Nachweis durch Musterergänzungseffekte (z.B. Ghim, 1990) Zunächst Habituierung an ein Quadrat (a) (b) (c) 38 Visuelle Wahrnehmung Musterergänzungseffekt auch bei bewegten Mustern Studie mit 4-Monate-alten Säuglingen (Kellman & Spelke, 1983) Zunächst Habituation an den hinter einem Quader hin- und herschwingenden Stab (a) (b) In Testphase Präsentation eines vollständigen Stabes und zweier Teilstäbe 39 Visuelle Wahrnehmung Fähigkeit zur Tiefenwahrnehmung Einige grundlegende Bestandteile der Tiefenwahrnehmung bereits kurz nach der Geburt nachweisbar Experimenteller Aufbau zur Testung der Fähigkeit des Erkennens von Größenkonstanz (z.B. Slater, Mattock & Brown, 1990) 40 Visuelle Wahrnehmung Habituations-Dishabituations-Paradigma (z.B. Slater, Mattock & Brown, 1990) 1) 2) 41 Visuelle Wahrnehmung Verständnis von Hinweisen für räumliche Tiefe (Tiefencues) wird erst später erworben. näher liegende Objekte erscheinen größer als entfernt liegende Objekte Beispiel: Tiefencues 42 Visuelle Wahrnehmung Prinzip der visuellen Klippe (Gibson & Walk, 1960) zum Verständnis von Tiefencues Copyright © Pearson 2004 https://www.youtube.com/watch?v=F87RcxJPIbo 43 Visuelle Wahrnehmung: Visuelle Klippe (Gibson & Walk, 1960) Versuchsaufbau: Kinder werden auf den flachen Teil gesetzt und von der Mutter gelockt, so dass sie auf die Glasplatte krabbeln müssten. Ab ca. 6 Monate: Kinder krabbeln nicht mehr auf tiefere Seite der visuellen Klippe Fähigkeit zur Tiefenwahrnehmung 44 Visuelle Wahrnehmung: Visuelle Klippe (Gibson & Walk, 1960) Forschungsfrage: Ab welchem Alter ist diese Fähigkeit ausgeprägt? Problem: Wenn Kinder noch nicht krabbeln Lösung? Bei nicht krabbelnden Kindern: physiologische Reaktionen, die eher auf Interesse als auf Angst hinweisen Bei krabbelnden Kindern: physiologische Reaktionen, die auf Angst hinweisen (Campos et al., 2000) Reaktion auf Tiefe nicht angeboren, sondern wird im Zusammenhang mit der Motorikentwicklung gelernt 45 Auditive Wahrnehmung Pränatales Hören volle Hörfähigkeiten erst mit 5-8 Jahren Studie zum Erkennen der Stimme der Mutter schon in den ersten Tagen nach der Geburt (DeCasper & Fifer, 1980) Vorgehensweise: Bestimmung der Grundfrequenz des Saugens Anschließend Vorspielen der Stimme der Mutter, wenn Saugfrequenz verändert, anderenfalls Stimme einer anderen Frau Ergebnis: Säuglinge passen Saugfrequenz an 46 Auditive Wahrnehmung Präferenz für Stimme der Mutter vermutlich durch pränatale Erfahrungen Keine Präferenz für die Stimme des Vaters, selbst wenn postnatal gleich viel Kontakt zum Vater wie zur Mutter Weitere Präferenzen: Eigene Muttersprache Hohe Töne Bestimmte Rhythmen 47 Lernziele der heutigen Veranstaltung Am Ende dieser Einheit … … kennen Sie die wichtigsten Stationen pränataler Entwicklung und die wichtigsten diesbezüglichen Risiken. … kennen Sie die Entwicklung des Körperwachstums. … wissen Sie um die Plastizität des Gehirns und können verschiedene Arten von Plastizität definieren und mit Beispielen belegen. … kennen Sie das allgemeine Prinzip der Motorikentwicklung und können es auf verschiedene Beispiele anwenden. … können die sensorischen Fähigkeiten von Säuglingen beschreiben. 48