Vorlesung Neuropsychologie - Einführung und Geschichte der Neuropsychologie (PDF)
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Universität zu Lübeck
Marcus Heldmann
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This lecture provides an introduction and history of neuropsychology. It covers key figures, theories, and methods in the field. Topics include the localization of brain functions, the history of neuropsychological research via famous researchers and their experiments like that of Sir William Osler.
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Vorlesung Neuropsychologie - Störungslehre und Diagnostik Einführung und Geschichte der Neuropsychologie Marcus Heldmann Klinik für Neurologie Institut für...
Vorlesung Neuropsychologie - Störungslehre und Diagnostik Einführung und Geschichte der Neuropsychologie Marcus Heldmann Klinik für Neurologie Institut für Psychologie II Universität Lübeck Einschreibeschlüssel moodle NeuroStoer$2024 2 Marcus Heldmann Studium und Promotion Universität Marburg Lehrstuhl Neuropsychologie, Universität Magdeburg Klinik für Neurologie und Stereotaktische Neurochirurgie, Universität Magdeburg Universität zu Lübeck, Klinik für Neurologie – AG Kognitive Neurologie 3 Forschungsschwerpunkte Emotion, Motivation und Empathie (bei neurologischen Erkrankungen) 4 Forschungsschwerpunkte Kognitive Funktionen bei Bewegungsstörungen 5 Forschungsschwerpunkte Kognitive Funktionen von Zielstrukturen der Tiefen Hirnstimulation Sonifikation von Bewegungen bei Schlaganfall und Parkinsonkrankheit Emotion, Motivation und Empathie bei neurologischen Erkrankungen 6 Forschungsschwerpunkte Sonifikation von Bewegungen bei Schlaganfall und Parkinsonkrankheit neuronalen Grundlage der Sonifikationseffekte 7 Forschungsschwerpunkte 8 Themen 14.10. Einführung und Geschichte der Neuropsychologie (Heldmann) 21.10. Sprache & Aphasien (Heldmann) 28.10. Agnosien (Sprenger) 04.11. Neglect (Sprenger) Dr. Sprenger 11.11. Gedächtnis (Sprenger) 18.11. Emotionen (Heldmann) 25.11. Frontalhirnsyndrome (Heldmann) 02.12. Calossale Syndrome (Sprenger) 09.12. Kleinhirnerkrankungen und Läsionen (Sprenger) PD Dr. Weißbach 16.12. Alexie, Agraphie und Apraxie (Heldmann) 06.01. Musikwahrnehmung und Amusien (Heldmann) 13.01. Neuropsychologie des Kindes – und Jugendalters (Heldmann) 20.01. Gerontoneuropsychologie (Heldmann) 27.01. Funktionelle neurologische Störungen (Weißbach) PD Dr. Heldmann 03.02. Fragen und Antworten (Heldmann & Sprenger) 9 Literatur 10 Lernziele Prinzip der Doppeldissoziation Bedeutung der Neuronendoktrin topographische Organisation sensorischer und motorischer Funktionen Äquipotentialismus vs. Lokalisationismus 11 Begriff „Neuropsychologie“ Sir William Osler 16.04.1913 Erwähnung der „Neuropsychologie“ bei der Eröffnung des Johns Hopkins Hospitals Hebb, Lashley machten den Begriff der Neuropsycholgie gebräuchlich Neuropsychologie heute: Beschreibung der Beziehungen zwischen Gehirnfunktionen und Verhalten mit den Untersuchungs- und Auswertungsmethoden der experimentellen Psychologie untersucht. 12 Geschichte 3000 v.C. erste Kraniotomien in Peru 2500 v.C. Edward Smith Papyrus „Instructions concerning a smash in the temple“: Erstbeschreibung einer Sprachstörung. 500 v.C. das Gehirn wurde als Kühlsystem für das Herz aufgefaßt. ~420 v.C. Hippokrates Sprachlosigkeit kann auf einen Flüssigkeitsverlust in den Blutgefäßen zurückgeführt werden. Außerdem: Hirnläsion führt zu einer kontralateralen spastischen Lähmung 384-322 v.C. Demokrit und Platon lokalisierten Intelligenz im Gehirn. 130-200 Galen. Experimentelle Methode: Wenn man Tier am Herzen manipuliert, beklagt es sich laut, wenn man das Gehirn quetscht, kommen keine Klagen. Ca. 1600: erstmals spaltet sich die Psychologie von der Philosophie ab. – In der Medizin ab dem Mittelalter vermehrt neuroanatomische Studien. 13 Geschichte: Lokalisation von Gedanken Descartes lokalisiert im Corpus pineale (1686) Willis lokalisiert im Corpus striatum (1664) Vieussens lokalisiert im Centrum semiovale (1685) Lancisi lokalisiert im Corpus Callosum (1739) 14 Phrenologie Lokalisationstheorie Gehirn um ca. 35 spezifische Funktionen gebaut (Sprache, Farbwahrnehmung, Moral) häufigkeitsabhängiger Zusammenhang Funktion- Ausmaß/Größe der Struktur Wachstum führt zu einer Ausbeulung des Schädelknochens 15 Wer ist das? … und was hat das mit Scharbeutz zu tun? Datum: 1955 Ort: Princeton 16 Geschichte: Struktur birgt Genie? Albert Einstein, Scharbeutz, 1928 17 Geschichte 1861 - 1875. Schnelles Wachstum von Neurologie, Anatomie, Physiologie Broca Bouillard Meynert Wernicke – Sprachdominanz – Hemisphärendominanz 18 Geschichte: Sprache und Struktur I Patient “Tan”: gestörte Sprachproduktion bei erhaltenem Sprachverständnis 19 Geschichte Theodor Meynert (1833-1898) Kommunikation zwischen Hirnregionen ist wichtig, Beschreibung von Assoziationssystemen und Kommisurenbahnen. Schlussfolderung: neuropsychologische Ausfälle können auch dann auftreten, wenn die Verbindungen lädiert sind. Nucleus Basalis Meynhardt – versorgt Vorderhirn mit ACh 20 Geschichte: Sprache und Struktur II Schlaganfallpatient: Sinnfreie, aber flüssige Sprachproduktion bei fehlendem Sprachverständnis 21 Geschichte Sergej Korsakoff, Neurologe Korsakow Syndrom Nekrose der Mammillarkörper als Ursache der Gedächtnisstörung 22 Geschichte Charcot – Hysterie (heute eher somatoforme Störung, Konversionsstörung oder dissoziative Störung) – Kinderlähmung – Symptomatik der MS – Charcot Trias: Symptomenkomplex aus Nystagmus, Intentionstremor und abgehackter (skandierender) Sprache als Ausdruck von Kleinhirnstörungen 23 Geschichte Eduard Brissaud (1852-1909) Beschreibt Hemiplegie, die Innervation des Gesichts, die Dissoziation zwischen mimischer und Willkürmotorik 24 Geschichte: Prinzip der elektrischen Stimulation Fritsch und Hitzig (1870, 1874, 1904) – elektrische Stimulation zum Verständnis der Hirnfunktion bei Hunden und Fröschen mit Hilfe der Wachkraniotomie – Reizung spezifischer Strukturen führt zur Aktivierung korrespondierender Gustav Theodor Fritsch Muskelgruppen – Hypothese: auf anatomischer Ebene sollten sich Hirnstrukturen mit unterschiedlichen Funktionen ebenfalls unterscheiden Eduard Hitzig 25 Debatte Äquipotentialismus Lokalisationismus (Goltz, Flourens) (Broca, Wernicke) 26 Topographische Organisation des Kortex Beruhend auf Beobachtungen an Epilepsiepatienten und des Verlaufs unwillkürlicher Bewegungen während eines Anfalls Postulat der topographischen Organisation des Kortex. Topographische Organisation: Räumliche Lagebeziehung einzelner Strukturen zueinander. Zuordnung von kortikalen Arealen und Funktion, z.B. Steuerung von Hand und Fuß 27 Kartierung des Gehirns 28 Golgi-Färbung (“Schwarze Reaktion”) Idee des Nervensystems als Syncytium (gemeinsames Zytoplasma) 29 Anfänge der Neuronendoktrin „Keine direkte Verbindung zwischen den Ganglienzellen durch die protoplasmischen Fortsätze.“ Frijdhof Nansen, 1887 30 Die “Neuronendoktrin” Postulate der Neuronendoktrin: - Neuronen sind diskrete Einheiten. - Sie kommunizieren an Kontaktstellen miteinander. - das Nervensystem besteht aus der Summe von Neuronen. 31 Cytoarchitektur des Gehirns Korbinian Brodmann Nissl Färbung 32 Beschreibung der Zellstruktur Constantin von Economo (1876-1931) – Beitrag zu der normalen Anatomie der Ganglienzelle – Encephalitis lethargica Der Zellaufbau der Großhirnrinde nach Ecomo Oliver Sacks Robert De Niro Robin Williams 33 Neuropathologen und Psychiater Alzheimer – Alois Alzheimer beschreibt 1907 histopathologisch die Eigenschaften der Alzheimer-Erkrankung – Beschreibung des Struktur-Funktionszusammenhangs der feingewebliche Veränderungen: Plaques und Neurofibrillen sind die Ursache der Demenz. 34 Neuropathologen und Psychiater Arnold Pick (1854-1924) Demenzkranke mit exekutiven Funktionsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen Atrophien frontal und temporal argyrophile (“silberliebend“) Körperchen „Pickkörperchen“ 35 Geschichte Moderne Periode (nach dem ersten Weltkrieg) – Vigotsky, Simmel, Goldstein, Kleist Von Monakow (Diaschisis) Teuber (double dissociation) Penfield und Jasper (Stimulation) Psychometrie und Statistik (Bessel, Galton, Binet) Brenda Milner, Rasmussen, Wada, Penfield: Temporallappenentfernung, H.M. 36 Lokalisation von Funktionen 37 Diaschisis CONSTANTIN VON MONAKOW (1853-1930) "Die Lokalisation im Grosshirn" "der Abbau der Funktion durch kortikale Herde" Diaschisis 38 Problem Diachisis x x x 39 Problem Diachisis x x x 40 Diaschisis Diaschisis in Ruhe Diaschisis der Verbindung Läsion Reduktions Richtungen und Stärke funktioneller Verbindungen der des Metabolimus lädierten Struktur verändert sich. funktionelle Diaschisis Diaschisis des Konnektoms Aufgabenassozierte Abnahme Weitreichende Veränderungen des Konnektoms. Aktivität Zunahme funktioneller Aktivität Carrera & Tononi 2014 41 law of mass action law of mass action als moderner Vertreter des Äquipotenitalismus Karl Lashley 1890-1950 42 the emotional brain Mechanismus der Emotion Papez‘scher Neuronenkreis – hippocampo-thalamo-cingulate- hippocampal circuit JAMES PAPEZ (1883-1958) 43 Geschichte Norman Geschwind David Frank Benson Alexander Luria Klaus Poeck Marcel Mesulam 44 Technische Entwicklung Läsionsstudien -> postmortem 1850 Läsionsstudien -> intra vitam 1980 MRI / CT Läsionsstudien -> intra vitam 1990 TMS / rTMS Funktionelle Untersuchungen (zeitlich) EEG / ERP / MEG 1930/1965/1980 Funktionelle Untersuchungen (räumlich) PET /fMRI 1980/1990 45 Beginn der funktionellen Bildgebung Hans Berger (1873-1941) Beschreibung des menschlichen EEGs Zusammenhang zwischen EEG und Zuständen der Aufmerksamkeit/Wachheit Berger-Effekt / Alpha-Blockade 46 Problem: Lokalisation neuropsychologische Funktionen Warum ist es so schwierig, neuropsychologische Funktionen zu lokalisieren. (1) Was ist die Rolle von Interaktionen? (2) Was lokalisieren wir überhaupt? (3) Ist die Funktion auf einem mikroskopischen oder makroskopischen Level lokalisiert? (4) Homologe Strukturen haben möglicherweise keine analoge Funktion. (5) Eigenschaften höherer Ordnung entstehen auf dem Boden von Eigenschaften „niederer“ Ordnung. 47 Problem: Lokalisation neuropsychologische Funktionen (6) Wiedererlangung von Funktionen (7) kontaminiert die Resultate von Läsionsstudien. (8) Funktionen sind möglicherweise redundant im ZNS repräsentiert. (9) Einzelne Zentren haben möglicherweise viele Funktionen. (10) Läsionsstudien zeigen nur Defizite. (11) Menschliche Daten sind sehr variabel. (12) Einzelne, umschriebene Defizite sind nur selten zu finden. 48 ventral & dorsal stream 49 Ungerleider & Mishkin (1982) Notwendigkeit der Doppeldissoziation Objektidentifikation Objektlokalisation belohnt wurde belohnt wurde das Erkennen der Abstand der Form eines Objekts zum Zylinder temporale Läsion: parietale Läsion: Störung der Objektidentifikation Störung der Objektlokalisation Fähigkeit zur Objektlokalisation Fähigkeit zur Objektidentifikation 50 Doppelte Dissoziation: 2 Funktionen, 2 Läsionsorte Objektidentifikation Fokale temporale Läsion “what” gestört, “where” intakt Objektlokalisation Objektidentifikation Fokale parietale Läsion “where” gestört, “what” intakt Objektlokalisation 51 Einfache Dissoziation single dissociation reicht nicht aus Was ist wenn, parietale & temporale Läsionen die spatiale, aber nicht die Objektaufgabe einschränken? beide Regionen tragen zu spatialer Verarbeitung bei Aufgaben schwanken in Schwierigkeit 52 Doppeldissoziation: Konditionierung und deklaratives Gedächtnis bilaterale Amygdalaläsion gesunde Kontrollprobanden bilaterale bilaterale Hippocampusläsion Amygdalaläsion bilaterale Hippocampusläsion bilaterale Hippocampus- & Amygdalaläsion bilaterale Hippocampus- & Amygdalaläsion Bechara et al., 1995 53 Aktuelle Aufgaben der Neuropsychologie Wissenschaft ▪ Lokalisation (funktionelle Bildgebung) – Kognitive Architektur Klinik ▪ (Differential)-Diagnose (z.B. Demenzen) ▪ Zustandsbeschreibung ▪ Prognose ▪ Therapie 54 Zielsetzung der neuropsychologischen Diagnostik Qualifizierung und Quantifizierung der Störungen Beurteilung von individuellen Ressourcen und Kompensationsleistungen Beurteilung des Verlaufs neuropsychologischer Defizite Differentialdiagnose Planung der neuropsychologischen Therapie (Rehabilitationsplanung) 55 Bereiche Aufmerksamkeit/Konzentration Lernen und Gedächtnis Logisches Denken Rechnerisches Denken Visuell-räumliche und räumlich-konstruktive Fähigkeiten, Visuomotorik Exekutive Funktionen (u.a. Planungsfähigkeit) Intelligenz/prämorbides intellektuelles Niveau Sprache 56 Methoden der neuropsychologischen Diagnostik Einsatz von Testbatterien Zusammenstellung einer individuellen Testbatterie Auswahl bestimmter Testverfahren, wenn aufgrund der Kenntnis der hirnorganischen Verletzung nur bestimmte Ausfälle zu erwarten sind Phantasie Verhaltensbeobachtung 57 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 58 Literatur Mishkin, M., & Ungerleider, L. G. (1982). Contribution of striate inputs to the visuospatial functions of parieto-preoccipital cortex in monkeys. Behavioural brain research, 6(1), 57–77. https://doi.org/10.1016/0166-4328(82)90081-x Bechara, A., Tranel, D., Damasio, H., Adolphs, R., Rockland, C., & Damasio, A. R. (1995). Double dissociation of conditioning and declarative knowledge relative to the amygdala and hippocampus in humans. Science (New York, N.Y.), 269(5227), 1115– 1118. https://doi.org/10.1126/science.7652558 Carrera E, Tononi G. Diaschisis: past, present, future. Brain. 2014;137(Pt 9):2408-2422. doi:10.1093/brain/awu101 59