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werbepsychologie wirtschaftspsychologie konsumentenverhalten marketing

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Dieses Skript ist eine Einführung in die Werbepsychologie. Hier werden grundlegende Aspekte, Modelle der Werbewirkung sowie die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis behandelt, um die Methoden der Werbepsychologie besser zu verstehen.

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WERBEPSYCHOLOGIE DLBWPMUW02 WERBEPSYCHOLOGIE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf media@i...

WERBEPSYCHOLOGIE DLBWPMUW02 WERBEPSYCHOLOGIE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de DLBWPMUW02 Versionsnr.: 001-2023-1229 N. N. © 2023 IU Internationale Hochschule GmbH Dieses Lernskript ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Lernskript darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH (im Folgenden „IU“) nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet wer- den. Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dement- sprechende Nachricht. 2 INHALTSVERZEICHNIS WERBEPSYCHOLOGIE Einleitung Wegweiser durch das Studienskript................................................. 6 Basisliteratur..................................................................... 7 Weiterführende Literatur.......................................................... 8 Übergeordnete Lernziele......................................................... 10 Lektion 1 Grundlagen und Entwicklung der Werbepsychologie 11 1.1 Begriffsdefinition und Entwicklung der Werbepsychologie....................... 12 1.2 Psychologische Disziplinen und ihre Beiträge zur Werbepsychologie.............. 14 1.3 Umfeldbedingungen der Werbung, Krise der klassischen Werbung................ 14 1.4 Werbung „Above/Below the Line“............................................. 15 1.5 Werbung im Kommunikationsprozess......................................... 17 1.6 Konzepte und Begriffe zur Werbegestaltung.................................... 18 Lektion 2 Modelle der Werbewirkung 23 2.1 Mechanistische Reiz-Reaktion-Modelle (S-R, S-O-R)............................. 24 2.2 Hierarchische Modelle der Werbewirkung...................................... 25 2.3 Zwei-Prozess-Modelle........................................................ 27 Lektion 3 Wahrnehmung 33 3.1 Hypothesentheorie der Wahrnehmung......................................... 34 3.2 Psychophysik................................................................ 37 3.3 Die Sinnesmodalitäten....................................................... 39 3.4 Multisensuale Ansprache..................................................... 42 Lektion 4 Aufmerksamkeit 47 4.1 Steuerung der Aufmerksamkeit............................................... 48 4.2 Werbung in Zeiten der Informationsüberflutung................................ 50 4.3 Umsetzung für die Werbegestaltung........................................... 51 4.4 Werbewirkung ohne Aufmerksamkeit.......................................... 55 3 Lektion 5 Lernen 59 5.1 Signallernen, das klassische Konditionieren nach Pawlow....................... 60 5.2 Emotionale (evaluative) Konditionierung....................................... 61 5.3 Operantes Konditionieren.................................................... 62 5.4 Modelllernen in der Werbung................................................. 64 Lektion 6 Gedächtnis 67 6.1 Encodierung und Abruf....................................................... 68 6.2 Das Speichermodell des Gedächtnisses........................................ 70 6.3 Vergessen und Interferenzeffekte.............................................. 72 6.4 Implizites Erinnern und Mere-Exposure-Effekt.................................. 74 Lektion 7 Einstellung und Einstellungsänderungen 79 7.1 Begriff der Einstellung....................................................... 80 7.2 Duale Prozesstheorien....................................................... 82 7.3 Die Rolle der Glaubwürdigkeit................................................. 85 7.4 Beeinflussungsabsicht und Reaktanz.......................................... 87 7.5 Storytelling in der Werbung................................................... 89 Lektion 8 Morphologische Ansätze 93 8.1 Wuzeln der morphologischen Ansätze......................................... 94 8.2 Scheren-Analyse der Werbewirkung........................................... 96 8.3 Morphologische Werbewirkungsanalysen...................................... 97 Lektion 9 Methoden der Werbepsychologie 101 9.1 Antwortverzerrungen in der psychologischen Werbeforschung.................. 102 9.2 Biopsychologische und neurowissenschaftliche Methoden..................... 105 9.3 Quantitative Verfahren in der Werbepsychologie............................... 108 9.4 Qualitative Verfahren in der Werbepsychologie................................ 109 9.5 Werbung und Neue Medien.................................................. 111 Verzeichnisse Literaturverzeichnis............................................................. 116 Abbildungsverzeichnis.......................................................... 124 4 EINLEITUNG HERZLICH WILLKOMMEN WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript ste- hen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntyp- spezifische Anforderungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhandenen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lern- plattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Män- ner, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. 6 BASISLITERATUR Bak, P. M. (2014): Werbe- und Konsumentenpsychologie. Eine Einführung. Schäffer-Poe- schel, Stuttgart. Felser, G. (2015): Werbe- und Konsumentenpsychologie. Springer, Berlin/Heidelberg. Moser, K. (Hrsg.) (2015): Wirtschaftspsychologie. 2. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg. Raab, G./Unger, A./Unger, F. (2016): Marktpsychologie. Grundlagen und Anwendung. 4. Auf- lage, Springer Gabler, Wiesbaden. 7 WEITERFÜHRENDE LITERATUR LEKTION 1 Wiswede, G. (2012): Einführung in die Wirtschaftspsychologie. 5. Auflage, Reinhardt, Mün- chen. (Datenbank: UTB). LEKTION 2 Kroeber-Riel, W./Gröppel-Klein, A. (2013): Konsumentenverhalten. 10. Auflage, Vahlen, München. (Datenbank: EBSCO). LEKTION 3 Kroeber-Riel, W./Gröppel-Klein, A. (2013): Konsumentenverhalten. 10. Auflage, Vahlen, München. (Datenbank: EBSCO). LEKTION 4 Kroeber-Riel, W./Gröppel-Klein, A. (2013): Konsumentenverhalten. 10. Auflage, Vahlen, München. (Datenbank: EBSCO). LEKTION 5 Kroeber-Riel, W./Gröppel-Klein, A. (2013): Konsumentenverhalten. 10. Auflage, Vahlen, München. (Datenbank: EBSCO). LEKTION 6 Kroeber-Riel, W./Gröppel-Klein, A. (2013): Konsumentenverhalten. 10. Auflage, Vahlen, München. (Datenbank: EBSCO). LEKTION 7 Their, K. (2018): Storytelling in Organizations. A Narrative Approach to Change, Brand, Pro- ject and Knowledge Management. Springer, Berlin. (Datenbank: ProQuest). 8 LEKTION 8 Fitzek, H. (2017): Morphologische Beschreibung. Naturgemäße Darstellung als psychologi- sche Methode. In: Mey, G./Mruck, K. (Hrsg.): Handbuch qualitative Forschung in der Psychologie. Springer, Wiesbaden, S. 1–19. (Datenbank: ProQuest). Lönneker, J. (2011): Morphologie. Die Wirkung von Qualitäten – Gestalten im Wandel. In: Naderer, G./Balzer, E. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen – Methoden – Anwendungen. 2. Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden, S. 84–110. (Datenbank: Dawson). LEKTION 9 Fichter, C. (2018): Wirtschaftspsychologie für Bachelor. Springer, Berlin. (Datenbank: Sprin- ger). 9 ÜBERGEORDNETE LERNZIELE Die Werbepsychologie ist eine angewandte Wissenschaft und hat als Teil der Wirtschafts- psychologie das Ziel, menschliches Verhalten und insbesondere das Verhalten und die Reaktionen der Nachfrager bzw. Konsumenten auf die Werbung der Anbieter zu untersu- chen und zu erklären. In diesem Kurs beschäftigen Sie sich mit grundlegenden Aspekten der Werbepsychologie, lernen Modelle der Werbewirkung kennen und befassen sich mit der Funktion von menschlicher Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis, um darauf aufbauend die Methoden der Werbepsychologie besser nachvollziehen und einschätzen zu können. 10 LEKTION 1 GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNG DER WERBEPSYCHOLOGIE LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie die Werbepsychologie im größeren Kontext der Psychologie als wissenschaftlicher Disziplin verortet ist. – was die Beiträge der anderen psychologischen Disziplinen zur Werbepsychologie sind. – welche Aspekte im Kommunikationsprozess zu berücksichtigen sind. – welche Konzepte und Begriffe im Rahmen der Werbegestaltung relevant sind. 1. GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNG DER WERBEPSYCHOLOGIE Einführung Wer mag eigentlich Werbung? – Je nachdem, um welche Art von Werbung, welche Pro- dukte oder welche Art der Ansprache es sich handelt, kann es sein, dass Werbung gefällt. Denn deshalb wurde sie kreiert – damit bestimmte Personen (der Zielgruppe) sie mögen. Indes sind viele Verbraucher von Werbung oft übersättigt (Fichter 2018, S. 100): Sie über- springen Anzeigen in Zeitungen, wechseln bei Werbeunterbrechungen die Kanäle und installieren Werbeblocker in ihren Webbrowsern. Aber sie versuchen nicht immer, Wer- bung zu vermeiden. Gut gemachte Werbung dient der Unterhaltung und Information, manchmal so gut, dass sie gezielt konsumiert und sogar, beispielsweise auf Youtube, emp- fohlen wird. Diese Dualität ist Teil der großen Anziehungskraft, die die Werbung als Berufs- feld ausstrahlt. Zwar ist Werbung eine Form der Kunst, in der Designer, Redakteure und Strategen ihre Kreativität voll entfalten können. Allerdings dient die Kunst der Werbung nicht dem Selbstzweck, sondern der Verkaufsförderung und der Erreichung von Geschäftszielen, obwohl es natürlich nicht nur Werbung für Produkte gibt, sondern auch für Politik, Religionen, Hilfsorganisationen, Verhalten (freundlich im Verkehr, Safer Sex) und sogar für Sucht und Intoxikation (Zigaretten, Alkohol). 1.1 Begriffsdefinition und Entwicklung der Werbepsychologie Werbepsychologie Die Werbepsychologie beschäftigt sich mit dem Erleben, dem Verhalten und den Reaktio- Zentraler Gegenstandsbe- nen der Nachfrager bzw. Konsumenten auf die Werbung der Anbieter (Neumann 2013) und reich der Werbepsycholo- gie ist die Erforschung des gehört insofern in den Bereich der angewandten Verhaltenswissenschaft. In der einschlä- Konsumentenverhaltens. gigen, wissenschaftlichen Literatur werden die Sachverhalte und Forschungsgegenstände unter Überschriften wie „Werbe- und Konsumentenpsychologie“ bzw. dem Begriff „Konsu- mentenverhalten“ besprochen und diskutiert (Felser 2015; Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013). Die Ursprünge der Konsumentenforschung in den USA reichen bis in die 1920er-Jahre zurück; die eigentliche Implementierungsphase dieser neuen Forschungsrichtung begann jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. An US-amerikanischen Universitäten wurde „Konsumverhaltensforschung“ zu einem Schwerpunktthema der Marketingausbildung. Dies ist belegt in Lincoln Clarks (1955) „The Life Cycle and Consumer Behavior“, Gerald Zaltman (1965) „Marketing. Contributions of Behavioral Sciences“, Engel, Kollat und Black- well (1968) „Consumer Behavior“ oder Howard und Sheth (1969) „The Theory of Buyer Behavior“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der deutsche Markt bis in die 1960er-Jahre von einer Anbietermarkt-Situation geprägt. Infolgedessen konzentrierte sich die Betriebs- wirtschaftslehre zunächst auf Fragen der rationellen Erweiterung der Akquisitions- und 12 Produktionskapazitäten und bevorzugte eine mikroökonomische Forschungsperspektive. Mit zunehmendem Angebot, zunehmendem Wettbewerb und zunehmender Individuali- sierung des Konsums wurde es erforderlich, die Disziplin des Marketings zu professionali- sieren, Nachfrage zu erzeugen und Präferenzen für das Angebot aufzubauen, sodass der verhaltensorientierte Ansatz des Marketings und seiner Beiträge, insbesondere in Bezug auf Kommunikationspolitik, Markenführung und psychografische Marktsegmentierung, auch in Deutschland unverzichtbar wurde (mit zeitlicher Verzögerung gegenüber den USA). Die ersten Publikationen zur Verbraucherforschung erschienen Anfang der 70er- Jahre, und das Thema war vor allem durch die Arbeit von Werner Kroeber-Riel (1973) und seine Standardwerke zum Thema „Konsumentenverhalten“ geprägt. Die Konsumentenfor- schung basiert auf dem Verhaltensparadigma und versucht, ausgehend von den Ideen des perfekten Marktes, dem rationalen Prinzip oder dem menschlichen Bild des Homo oeco- nomicus, das reale (Entscheidungs-)Verhalten von Individuen, Gruppen (einschließlich verschiedener Kulturen) und ganzen Organisationen mithilfe der Erkenntnisse aus dem Verhaltensparadigma zu verstehen unter Berücksichtigung von Sozialwissenschaften (Psy- chologie, Sozialpsychologie und Soziologie) sowie Forschungsergebnissen der Physiolo- gie, Biologie und Gehirnforschung, der Gerontologie, Anthropologie und der vergleichen- den Verhaltensforschung („interkulturelle Forschung“). Unter Verbraucherverhalten im engeren Sinne ist das beobachtbare „äußere“ Verhalten und das nicht beobachtbare „innere“ Verhalten von Menschen beim Kauf und Konsum von Wirtschaftsgütern zu verste- hen (Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013). Demgemäß versucht die Forschung zum Konsum- verhalten Fragen nach dem „Warum“ und „Wie“ des Verhaltens der Verbraucher zu beant- worten. Im weiteren Sinne wird unter Konsumentenverhalten das Verhalten des Endverbrauchers bezogen auf materielle und immaterielle Güter in einem gesellschaftli- chen Kontext verstanden, also auch das Verhalten von Wählern, Museumsbesuchern oder Patienten. MacInnis/Folkes (2009, S. 905) gaben ebenfalls eine weit gefasste Definition, die sich auf die Erforschung des Verbraucherverhaltens bezieht und das zunehmend relevante Thema der „Eliminierung von Verbraucherangeboten“ beinhaltet: „Die Erforschung des Verbraucherverhaltens unterscheidet sich von anderen Bereichen durch die Untersuchung des Erwerbs, des Verbrauchs und der Eliminierung von Produkten, Dienstleistungen und Markterfahrungen durch Personen, die als Verbraucher handeln.“ Dieser breite Begriff des Konsumenten ist eng mit dem Marketingkonzept von Kotler et al. (2007, S. 11) verbunden. Laut diesen Autoren dient das Marketing dazu, die Austauschpro- zesse zu gestalten, durch die Einzelpersonen oder Gruppen (Institutionen) ihre Bedürf- nisse erfüllen, insbesondere die Austauschbeziehungen zwischen den Unternehmen, die Produkte herstellen, und den Konsumenten, die sie kaufen. Marketing bezieht sich auch auf Austauschprozesse in nicht-kommerziellen Bereichen, z. B. zwischen Krankenhäusern oder Museen und Bürgern (Konsumenten), die die Dienste dieser Institutionen nutzen. Zusammenfassend lässt sich nach Kroeber-Riel sagen, dass es letztendlich in der For- schung zum Konsumentenverhalten darum geht, Fragen nach dem „Warum“ und „Wie“ des Konsumverhaltens zu klären (Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 11): Obwohl dieses zentrale Ziel grundsätzlich von den beiden derzeit konkurrierenden For- schungsansätzen zum Konsumverhalten geteilt wird, werden sowohl die Mittel zur Errei- chung des Ziels als auch das Ziel selbst von den Anhängern der beiden Paradigmen auf ganz unterschiedliche Weise gewählt und interpretiert. Grundsätzlich geht der positivisti- 13 sche Ansatz davon aus, dass die Verbraucherforschung zur Entwicklung praktischer Prob- lemlösungsstrategien, z. B. für das praktische Marketing, genutzt wird, während Vertreter, die sich am Verstehen des Konsumenten orientieren, die „Instrumentalisierung des Sub- jekts“ allein zum Nutzen des Profitstrebens ablehnen. 1.2 Psychologische Disziplinen und ihre Beiträge zur Werbepsychologie Nach Raab/Unger/Unger (2016) ist die Werbepsychologie eine Spezialdisziplin der Markt- psychologie, die sich mit anderen Spezialdisziplinen, wie Konsumpsychologie, Arbeitspsy- chologie, Organisationspsychologie, Führungspsychologie, Kommunikationspsychologie, Medienpsychologie und Entscheidungspsychologie, überschneiden kann. Werbung kann als interessenbezogene Kommunikation verstanden werden, die bewusst die Kommunikation beeinflusst und bestimmten Wirtschafts- und Umsatzzielen dient (Wiswede 2012, S. 311). Sie versucht, das Verhalten im Sinne von Umsatzsteigerung oder - erhaltung, auch indirekt durch Verhaltens- oder Imageänderungen, zu beeinflussen. Einen besonderen Beitrag zur Werbepsychologie leistet die Medienpsychologie, da sie auf der Grundannahme der Medienwissenschaftler basiert, dass das Kommunikationsme- dium entscheidenden Einfluss auf die Kommunikation hat und die Menschen den Umgang mit Medien als eigenständige Erfahrung wahrnehmen. Wenn Menschen Medien nutzen (z. B. beim Betrachten von Werbung), verändert sich die Art ihrer Kommunikation. 1.3 Umfeldbedingungen der Werbung, Krise der klassischen Werbung Das Verstehen der Auswirkungen von Werbung beinhaltet immer auch die Wahl eines bestimmten Blickwinkels. Dieses Skript nimmt einen psychologischen Blickwinkel ein, der auf persönliche Reaktionen auf klar abgegrenzte Werbeimpulse fokussiert. Schon vor gut 100 Jahren gab es ein reflektiertes Bewusstsein für die Bedeutung von Wer- bung und die herausragende Rolle der Psychologie dabei, wie Arbeiten von Walter D. Scott und Claude C. Hopkins belegen. Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass die Werbepsycho- logie die wohl am stärksten umstrittene Disziplin in der Wirtschaftspsychologie darstellt, da Werbung dazu dient, Einstellungen, Emotionen und Verhaltensweisen der Konsumen- ten zu prägen, und die Werbepsychologie dazu Wahrnehmung, Denken, Neigung und Erin- nerung der Adressaten von Werbebotschaften erforscht (Fichter 2018, S. 100): Bei der kommerziellen Werbung dient dieser Einfluss dazu, die Kaufmotivation zu erhöhen. För- dert die Werbung letztendlich eine Haltung des materialistischen Werteansatzes in der Gesellschaft? Dieser Vorwurf kann nicht abgetan werden. Daher ist es verständlich, dass es weitreichende Vorbehalte gegen die Werbung als solche gibt. Aber die Werbung kann auch 14 aus einer anderen Perspektive betrachtet werden: Sie dient dazu, den Markt über neue Angebote zu unterrichten. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Werbung ein grundlegender Bestandteil jedes ökonomischen Systems, denn ohne Kenntnis der angebotenen Waren gibt es keinen Markt und damit keine Ökonomie. Werbung per se gibt es daher schon seit der Antike. Damit klassische Werbung, sei sie noch so schön gestaltet oder ansprechend aufgemacht, nicht gemieden wird, muss sie auf alle Aspekte der Kommunikation eingehen. Dabei sind die Besonderheiten und Merkmale des Absenders zu berücksichtigen, ebenso wie die Frage, welche Botschaft von der Zielgruppe am besten verarbeitet und erfasst werden kann (Bak 2014, S. 12). Dies beinhaltet auch die Selektion des optimalen Werbeträgers, da es zu vielschichtigen Interaktionen zwischen Sender, Empfänger, Botschaft und Werbeträ- ger kommen kann. Ein Luxusgüterhersteller beispielsweise wählt die geeigneten Werbe- träger, um seine Botschaft zu vermitteln, und veröffentlicht keine Werbung in der gesam- ten Presse, was sich je nach Blatt auch direkt nachteilig auf das Image auswirken könnte. Zugleich haben die Konsumenten auch sehr spezifische Erwartungen an den Hersteller, z. B. in Bezug auf die genutzten Adressierungen und Werbemittel. Alle diese Besonderhei- ten und wechselseitigen Einflussfaktoren müssen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind detaillierte Kenntnisse über die Prozesse bezüglich des Empfängers und die Media- planung von Bedeutung (Bak 2014). Grundsätzlich ist dabei zwischen Massen- und Indivi- dualkommunikation zu unterscheiden. 1.4 Werbung „Above/Below the Line“ Auf der Suche nach neuen Formen der Kundenansprache und -gewinnung schlagen die Werbefachleute immer wieder neue Methoden vor, die neben den traditionellen Werbefor- men eingesetzt werden. Grundsätzlich wird zwischen klassischer Werbung „Above-the- Line“ (Werbung durch Medien wie Printanzeigen, Fernsehwerbung, Radiowerbung, Außenwerbung) und indirekter Werbung „Below-the-Line“ (Werbung außerhalb der Medien wie Product Placement, Eventmarketing, Verkaufsförderung und Public Relations) differenziert (Bak 2014, S. 14). In der praktischen Anwendung werden oft mehrere Werbe- formen parallel eingesetzt. Es wird der geeignete Werbeträger gewählt, um die Zielgrup- pen zur optimalen Zeit mit der passenden Werbebotschaft anzusprechen. Aber gibt es eine andere Möglichkeit, mithilfe der Werbung unbewusste (erwünschte) Reaktionen von Werbekunden ohne Zwischenstufen auszulösen? Die Tatsache, dass die Verbraucher nicht in der Lage sind, sich gegen die Auswirkungen der Werbung zu verteidi- gen, inspiriert die Fantasie sowohl der Werbewirtschaft als auch der Werbekritiker (Moser 2015, S. 13). Und deshalb hat die Diskussion darüber, ob und inwieweit Rezipienten durch unterschwellige Werbung beeinflusst werden können, spätestens seit Mitte des zwanzig- sten Jahrhunderts begonnen. „Subliminal“ bedeutet, dass Reize nicht bewusst wahrge- nommen werden, aber dennoch wirksam sind. Die klassische Studie kam von Vicary (1957). Diese sogenannte „Studie“ behauptete, die folgende legendäre Untersuchung durchgeführt zu haben: Die Wörter DRINK COKE und EAT POPCORN wurden alle fünf Sekunden auf eine Kinoleinwand projiziert, und zwar mi 1/3.000 Sekunden Dauer. Mehr 15 als 45.000 Menschen sollen in sechs Wochen an diesem Experiment teilgenommen haben, und der Anstieg des Verkaufsvolumens von Coca-Cola soll 57,7 % und von Popcorn 18,1 % betragen haben. In der darauffolgenden Zeit wurde nicht nur die Akzeptanz dieses Verfahrens in der Öffent- lichkeit kontrovers diskutiert, sondern auch eine Vielzahl von Nachuntersuchungen durch- geführt. Die daraus resultierenden Probleme lassen sich hier nicht im Detail beschreiben (Brand 1978). Die Effektivität der unterschwelligen Darstellung von Reizen wird im wissen- schaftlichen Bereich spätestens seit Ende der 1970er-Jahre infrage gestellt; vor allem die Wirkung auf die Ebene des offensichtlichen Verhaltens liegt bei null (Trappey 1996). Darü- ber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die „klassische Studie“ erfunden worden sein könnte; selbst „harte Daten“, wie die genannten Verkaufszahlen, werden widersprüchlich dargestellt (Brand 1978). Außerdem wurde nicht genau betrachtet, was „unterschwellig“ eigentlich heißt. Nicht zuletzt lassen sich die wenigen positiven Beweise für die Wirksam- keit der unterschwelligen Werbung bestenfalls in dem Sinne deuten, dass nur sehr unspe- zifische Effekte erzielt werden können (z. B. das Erwecken eines Hungergefühls, nicht aber die Bedarfsentwicklung bei einer Popcorn-Marke). Zum Beispiel führte die Stimulation „Beef“ in einem Experiment von Byrne (1959) dazu, dass die Versuchsgruppe sagte, dass sie hungriger sei als eine Kontrollgruppe. In jüngerer Zeit hat sich herausgestellt, dass unterschwellige Werbung doch einen Einfluss auf das Verbraucherverhalten hat. Voraus- setzung dafür ist aber, dass die betreffenden Produkte für die Zielvorgaben relevant sind. So wird beispielsweise die Bevorzugung eines Getränks durch entsprechende unter- schwellige Werbung bei durstigen Empfängern verstärkt. Darüber hinaus hat die unter- schwellige Werbung einer Marke keinen (zusätzlichen) Einfluss auf die Präferenz, wenn es sich um die bevorzugte Marke handelt (Verwijmeren et al. 2011). In der Periode nach der Entdeckung der sogenannten unterschwelligen Werbung wurden eine Vielzahl von Phänomenen erforscht und diskutiert (Moser 2015, S. 14): Das Interesse an diesen Phänomenen ist sehr vielschichtig, einige rechnen mit der ent- sprechenden Wirkung, andere lehnen sie ab. So geht beispielsweise die Idee eines unter- schwelligen Effekts mit der Überlegung einher, dass die Betroffenen nicht erkennen wür- den, dass sie beeinflusst werden und sich daher nicht dagegen verteidigen würden. Diese Vermutung scheint zu suggerieren, dass der Versuch der Beeinflussung weniger effektiv ist, wenn er wahrgenommen wird, eine Vermutung, die kaum erkennbar kontrolliert wird. Eine andere Ansicht ist, dass es sich hierbei um automatische Prozesse handelt, die nicht der Kontrolle des Verbrauchers unterliegen. Das würde auch bedeuten, dass man sich keine Sorgen darüber machen müsste, was die Betroffenen über die Botschaft denken. Es gibt allerdings kaum Untersuchungen darüber, ob es sich nicht um eine sehr vorschnelle Schlussfolgerung handelt, so wie es eine vorschnelle Schlussfolgerung zu geben scheint, dass nur verhältnismäßig simple Erkenntnisprozesse solchen Automatismen unterworfen sind (Bargh/Ferguson 2000). Eine dritte Ansicht ist, dass der unterschwellige Effekt die Tat- sache darstellt, dass die Empfänger nicht wissen, warum sich etwas in ihnen gewandelt oder geändert hat, was zu falschen Erklärungen führen kann. Ein charakteristisches Bei- spiel ist die gute Bewertung einer bereits bekannten Marke, ohne sich jedoch daran erin- nern zu können, warum das angenehme Gefühl der Vertrautheit, das erlebt wird, (fälschli- cherweise) als positive Bewertung der Marke gedeutet wird (siehe z. B. Janiszewski/ Warlop 1993). 16 Ohne ein Verständnis bestimmter psychologischer Mechanismen, Prozesse und Gesetze wird es schwierig sein, die Funktionsweise der Werbung zu erfassen (Moser 2015, S. 14). Tatsächlich behauptet heute fast niemand mehr, dass Werbung sofort und unvermittelt den gewünschten Effekt erzielt und beispielsweise den Kauf eines Produkts induziert. Viel- mehr wird allgemein erwartet, dass es mehrere Variablen gibt, die zwischen der Präsenta- tion einer Werbung und dem Kauf des beworbenen Produkts vermitteln. 1.5 Werbung im Kommunikationsprozess Natürlich hat Werbung – zumindest Unternehmenswerbung – mit der Beeinflussung von Verkaufszahlen und Umsatz zu tun. Im Folgenden wird in Anlehnung an Felser (2015, S. 5ff.) die Frage nach dem Ziel und dem Zweck der Werbung genauer behandelt, aber nicht definiert, sondern mehr auf die zentralen und peripheren Merkmale der Werbung eingegangen: Zum Beispiel spielen auch Zeugnisse bzw. Bekenntnisse von Personen (z. B. Influencern) eine Rolle, und die Menschen, die sie interpretieren, mögen sehr, was diese bewerben. Für den Werbetreibenden ist es wahrscheinlich genauso wichtig, den beworbe- nen Artikel zu akzeptieren wie ihn attraktiv zu gestalten. Im Falle der kommerziellen Wer- bung könnte man sagen: Jeder, der ein Produkt verkauft, wird es zumindest in dem Maße gut finden, in dem es sein Interesse fördert, wenn das Produkt verkauft wird. Diese Annah- men sind jedoch wahrscheinlich falsch: Der Missionar, der seinen Glauben fördert, will auch etwas Attraktives tun, hat aber in vielen Fällen kein persönliches oder gar egoisti- sches Interesse daran, zumindest nicht unbedingt. Wenn Sie einen Text bewerben, dann sind Sie natürlich daran interessiert, dass auch andere diesen Text gut finden. Die gesamte Werbebehandlung konzentriert sich nach Felser (2015, S. 6f.) letztlich auf das Verhalten der beworbenen Person. In diesem Sinne ist Werbung eine Handlungsweise und ein Prozess, der darauf abzielt, das Verhalten und die Entscheidungsfindung von Men- schen zugunsten einer bestimmten Sache zu beeinflussen. Hier muss jedoch zunächst ein anderer Punkt berücksichtigt werden: Das Marktverhalten kann auch durch andere Maß- nahmen als die Werbung beeinflusst werden. Wenn beispielsweise der Lieferant den Preis für eine Seife radikal senkt, ist mit steigenden Verkaufszahlen zu rechnen. Niedriger Preis ist ein besonderer Kaufanreiz, aber ist er auch Werbung? Eher nicht, denn die Art des Ver- haltenseinflusses, der mit Werbung versucht wird, erfordert, dass die Käufer ihn gut fin- den. Daher ist Preismarketing nur dann Werbung, wenn es die Verbraucher dazu bringt, das Produkt gut zu finden, und wenn das auch die Absicht der Vermarkter war. Ist der Anreiz (Incentive) gleichzeitig Werbung, zu kaufen? In ungünstigen Fällen leidet das Image, weil die Preise zu niedrig sind. Dieses Phänomen ist keineswegs psychologisch unplausi- bel: Hohe Anreize sind oft schlechte Werbung. Einige Beispiele sollen nur ein Angebot attraktiv machen, aber nicht unbedingt das angebotene Produkt. Bei anderen Einflussver- suchen kann es in erster Linie darum gehen, ein bestimmtes Produkt zu wählen, unabhän- gig von der eigenen Einstellung dazu (wiederum ist es nicht psychologisch unplausibel, dass die Wirkung der erhöhten Attraktivität erst später durch die Wahl entsteht). Werbung und Verkaufsförderung stehen nach Felser (2015, S. 7f.) zusammengefasst wie folgt zu einander: Gelegentlich enthält ein Produkt beispielsweise Treuepunkte-Coupons, die der Verbraucher später einlösen kann. Daher erscheint es wichtig, den Begriff „Pro- 17 dukt“ im weitesten Sinne zu verstehen. Es beinhaltet alles, was als Element des Aus- tauschs mit dem Kunden eine Rolle spielt. Die interessantesten Varianten sind Multipacks, in denen das gleiche Produkt zweimal zu einem deutlich niedrigeren Gesamtpreis angebo- ten wird, oder sogenannte Kupplungspakete, in denen verschiedene, aber funktionsbezo- gene Produkte wie Zahnbürste und Zahnpasta enthalten sind und in denen Geschenke verschiedene Möglichkeiten der Abgabe eines Produkts sind. Dazu gehören Spielzeuge für Kleinkinder, die an einem Produkt wie Nutella oder Cornflakes befestigt werden. Darunter fallen auch sogenannte Zweitverpackungen, d. h. Verpackungen, die so attraktiv oder sta- bil sind, dass der Verbraucher sie am liebsten behält und vermehrt verwendet, z. B. Keks- dosen oder Senfdosen. 1.6 Konzepte und Begriffe zur Werbegestaltung Nachfolgend werden drei gebräuchliche Begriffe zusammenfassend in Anlehnung an Fel- ser (2015, S. 12f.) vorgestellt, die die Struktur und Technik der Werbung charakterisieren. Die USP-Formel Eine Besonderheit der Struktur ist der Unique Sales Proposal (USP-Formel nach Reeves 1961). Gemäß dieser Strategie ist es das Ziel, ein einziges Argument in der Werbung her- vorzuheben. Wenn es keine entsprechende Funktion gibt, dann ist die zweitbeste Option, eine Funktion hervorzuheben, die das Produkt auf besondere Weise und besser als die anderen anbietet. Der Anbieter nutzte diese dann als zentrales Verkaufsargument, ohne behaupten zu können, dass es etwas Besonderes oder Einmaliges sei. An dieser Stelle pro- fitiert das Marketing von einer mentalen Grundhaltung der Empfänger, die in einer Kom- munikationssituation immer davon ausgehen, dass relevante Informationen ausgetauscht werden. Wänke/Reutner (2010, S. 187) zeigten ihren Befragten verschiedene Produkte und verwiesen darauf, dass sie die Zutatenrezeptur (fiktiv) enthalten. In einer anschließenden Befragung stellten die Probanden immer wieder fest, dass dieser Inhaltsstoff ein Vorteil für das jeweilige Produkt ist. In einem anderen Fall wurden die gleichen Produkte als „nicht rezitinhaltig“ beworben. Infolgedessen wurde Rezitin als Nachteil angesehen und sein Fehlen als Vorteil des betreffenden Produkts angesehen, sodass es den Anschein hat, dass ein Produkt allein dadurch verbessert werden kann, dass es frei von schädlichen Inhalts- stoffen ist. Tatsächlich sind jedoch viele Hinweise auf die tatsächlichen Eigenschaften des Produkts für die Verbraucher nicht viel informativer als dieser fiktive Bestandteil. Wer weiß, was Sophorin in Gesichtscreme oder Catechin im Tee sind? Normalerweise führt die bloße Erwähnung eines bestimmten Merkmals dazu, dass es als Vorteil und nicht als Nachteil angesehen wird. Der Zweck der USP-Strategie ist es nicht nur, einen verborgenen Aspekt des Produkts hervorzuheben. Ziel ist es, die Werbebotschaft einfacher, klarer, präg- nanter, klebriger und vor allem „schneller“ zu machen, was als eine Stärke der Werbebran- che gilt: Eine wichtige Voraussetzung für ein schnelles Verständnis ist die Beschränkung auf ein zentrales Element der Information: Es gibt kaum eine Kommunikationsregel, über die so viel Übereinstimmung besteht. Warum? Man unterliegt immer folgendem Denkfeh- ler: Vieles hilft viel, weil es sicherer erscheint, vier oder fünf Argumente zu verwenden als 18 eines. In Ausnahmefällen können auch mehrere Merkmale als Universaldienstleister genutzt werden. In diesen Fällen ist es jedoch von Vorteil, dass sich diese Merkmale aufei- nander beziehen oder zumindest hochverträglich sind. So kündigt Volvo beispielsweise seit langem „Sicherheit“ und „Langlebigkeit“ an, zwei Merkmale, die perfekt passen. Erlebniswert und Zusatznutzen Der Begriff „Zusatznutzen“ bezieht sich darauf, dass ein Produkt nicht den tatsächlichen Gebrauchswert betont, vielmehr einen Nutzen, der nicht zentral ist, sondern mit dem Pro- dukt einhergeht. Ein Beispiel dafür ist, dass immer weniger Menschen einfache Bäder und immer mehr Menschen sogenannte Erlebnisparks besuchen. Wenn man versucht, zwi- schen verschiedenen Zigarettenmarken zu unterscheiden, wird es nicht möglich sein, für die meisten Marken mit gleichem Schadstoffgehalt einen Geschmacksunterschied festzu- stellen. Was veranlasst Raucher, eine Marke gegenüber der anderen zu wählen? Wenn sich viele Verbraucher über ihre Wahrnehmung der unterschiedlichen Erfahrungswerte einig sind, dann wird die Annahme einer objektiven Äquivalenz von Produkten problematisch. Aus psychologischer Sicht wird man sagen müssen: Produkte verschiedener Marken kön- nen sich objektiv voneinander unterscheiden, auch wenn der Unterschied nicht ohne Mar- kenbekanntheit ermittelt werden kann. Dies könnte dafür sprechen, dass eine objektiv andere Produkterfahrung durch Markenbekanntheit und damit durch die Aktivierung des Erlebniswertes entsteht. Mentales Design Unter dem Begriff des mentalen Designs ist die Absicht zu verstehen, ein Produkt nicht nur materiell, sondern auch geistig im Kopf des Konsumenten zu designen. Daher muss men- tales Design den Effekt haben, dem Produkt eine andere Qualität für den Verbraucher ohne weitere körperliche Veränderungen zu verleihen. Die Methoden dafür sind teilweise die gleichen wie beim Aufbau einer Markenidentität. Ohne ein mentales Design könnte jedoch jedes Markenprodukt schnell wieder als austauschbar erlebt werden. Natürlich ist physisches Design ein wichtiger erster Schritt; es kann verwendet werden, um Assoziatio- nen und Gedanken der Verbraucher zu lenken. Ein weiterer Schritt wäre die Personalisie- rung: Das Produkt sollte einen Namen haben, dann wäre es beispielsweise keine Uhr mehr, sondern eine Swatch. Noch besser ist es, wenn andere menschliche Eigenschaften hinzugefügt werden, wenn dies logisch ist. So ist z. B. der Charakter des Films E. T. ein genialer Fall von mentaler Gestaltung: Die Handlung des Films ergibt nicht viel Sinn, aber E. T. sieht menschlich aus, hat einen Charakter – und entspricht auch einer fremden Ver- sion des Kinderschemas. ZUSAMMENFASSUNG Das grundlegende Ziel der Werbepsychologie und der Konsumentenfor- schung ist es, das Konsumentenverhalten zu verstehen, zu erklären und Empfehlungen abzuleiten, um dieses Verhalten zu beeinflussen. Dies kann nur erreicht werden, wenn die notwendigen Erkenntnisse der empirischen Verhaltenswissenschaften übernommen oder durch eigene 19 empirische Studien gewonnen werden. Kieser und Walgenbach (2007) sehen einen Ansatz darin, dass Unternehmen Kunden als ihre Mitglieder betrachten, weil sie die Entscheidungen der jeweiligen Organisation beeinflussen. In der Regel betrachten und beschreiben Menschen ihre Erfahrungen, die sie z. B. mit modernen Medien (von Websites über Spiele bis hin zu Virtual Reality) machen, als Orte, die sie besuchen und wo sie sich mit anderen treffen, mit ihnen arbeiten und spielen (Sundar 2017). Da Computer und Roboter im Namen des jeweiligen Mediennut- zers Entscheidungen treffen und dem Nutzer personalisierte Informa- tion zur Verfügung stellen, neigen die Nutzer dazu, sie als eigenständige autonome Quellen zu behandeln. Wie Sudar (2017) weiter ausführt, ist das menschliche Gehirn nicht so entwickelt, dass es auf moderne Medi- entechnologien in einer Weise reagiert, die zwischen rein menschlicher Kommunikation und menschlicher/computergestützter Kommunikation unterscheidet. In diesem Skript wird eine psychologische Perspektive eingenommen, die sich auf individuelle Reaktionen auf klar definierte Werbeimpulse konzentriert. Diese Herangehensweise ist auch in Werbeagenturen weit verbreitet, wo Creative Directors (verantwortlich für Message-Strategie und Produktion) häufig diejenigen sind, die den Werbetreibenden davon überzeugen müssen, sich für die eine oder andere Art von Werbebot- schaft zu entscheiden. Darüber hinaus sollen die intrapersonalen, zwi- schenmenschlichen oder gruppenbezogenen psychologischen Prozesse artikuliert werden, die für die Beziehung zwischen Werbeimpulsen und Verbraucherreaktionen verantwortlich sind. Die Werbetreibenden müs- sen dabei lernen, dass bestimmte Effekte zu bestimmten Reaktionen führen, und dieses Wissen nutzen, um die Ergebnisse zu optimieren und Fehler zu vermeiden. Werbung per se gibt es schon seit der Antike. Auf der Suche nach neuen Formen der Kundenansprache und -gewinnung schlagen Werbefach- leute immer wieder neue Methoden vor, die neben den traditionellen Werbeformen eingesetzt werden können. Auch wurden Möglichkeiten untersucht, mithilfe der Werbung unbewusste (erwünschte) Reaktionen von Werbekunden ohne Zwischenstufen auszulösen. In der darauffol- genden Zeit wurde nicht nur die Akzeptanz derartiger Verfahren in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, sondern auch eine Vielzahl von Stu- dien durchgeführt. So geht beispielsweise die Idee eines unterschwelli- gen Effekts mit der Überlegung einher, dass die Betroffenen nicht erken- nen, dass sie beeinflusst werden und sich daher nicht dagegen verteidigen. Ein Versuch, Einstellungen der Verbraucher zu beeinflussen, besteht z. B. darin, Anreize für ein bestimmtes Verhalten zu schaffen. Eine Möglich- keit besteht darin in Form eines USP eine Option bzw. eine Funktion eines Produktes hervorzuheben, die das Produkt auf besondere Weise und besser als die anderen anbietet. 20 Einen weiteren Ansatzpunkt bietet der sogenannte „Zusatznutzen“, der sich darauf bezieht, dass ein Produkt nicht den tatsächlichen Gebrauchswert betont, sondern einen Nutzen, der nicht zentral ist, aber mit dem Produkt einhergeht. Unter dem Begriff des mentalen Designs ist die Absicht zu verstehen, ein Produkt nicht nur materiell, sondern auch geistig im Kopf des Konsumenten zu designen. Ein weiterer Schritt wäre die Personalisierung: Das Produkt sollte einen Namen haben, dann wäre es beispielsweise keine Uhr mehr, sondern eine Swatch. Noch besser ist es, wenn andere menschliche Eigenschaften hinzugefügt werden, vorausgesetzt, dass dies zum jeweiligen Produkt passt. 21 LEKTION 2 MODELLE DER WERBEWIRKUNG LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie der Begriff mechanistisches Reiz-Reaktion-Modell einzuordnen ist. – wie hierarchische Modelle der Werbewirkung aufgebaut sind. – was unter den sogenannten Zwei-Prozess-Modellen der Werbewirkung zu verstehen ist. 2. MODELLE DER WERBEWIRKUNG Einführung Menschen kaufen jeden Tag bestimmte Produkte zum wiederholten Male, z. B. Lebensmit- tel (wie Brot oder Kaffee). Sie fällen also jeden Tag eine Vielzahl von Kaufentscheidungen (Moser 2015, S. 30). Andere Käufe hingegen tätigen sie nur wenige Male im Leben, wie z. B. den Kauf eines Hauses oder eines Toasters. Solche Kaufentscheidungen laufen nicht immer „nach dem gleichen Muster“ ab. Über manche Entscheidungen denkt man kaum nach, man geht in einen Laden und findet gleich das „richtige Produkt“. Andere Käufe beschäftigen eine Person über mehrere Wochen, und manchmal kann das Ergebnis auch im Verzicht auf einen Kauf liegen. In wieder anderen Fällen kommt man mit einem Pro- dukt nach Hause, dessen Kauf man gar nicht beabsichtigt hatte. Zudem verfolgen Konsu- menten bestimmte Ziele mit einem Kauf; sie können kaufen, um unmittelbar zu konsu- mieren, um etwas zu verschenken, aber auch, um übermäßigen Konsum zu begrenzen, weil man zukünftigen Bedarf antizipiert (z. B. der Abschluss einer privaten Rentenversiche- rung). Und schließlich sind Kaufentscheidungen oft Bestandteil einer Rolle, also eines Bündels von standardisierten Verhaltenserwartungen, die andere an eine Person richten und welche diese zu erfüllen sucht (z. B. als professioneller Einkäufer, Vater, beste Freun- din etc.). 2.1 Mechanistische Reiz-Reaktion- Modelle (S-R, S-O-R) Die Forschung zum Verbraucherverhalten beruht auf sogenannten Paradigmen. Paradig- men sind eigenständige Wissenschaftsprogramme (Theorien, Modelle, Methoden) und generell geltende Begründungsansätze, die bei vielen Wissenschaftlern als gültig gelten und die Basis für ihre Forschungsarbeiten darstellen (Balderjahn/Scholderer 2007, S. 5). Behaviorismus beruht hauptsächlich auf einer erkennbaren und einfach messbaren Ver- haltensweise und der Erkennung von Kausalzusammenhängen (Gesetzen) in Bezug auf einen S-Stimulus (Reize; z. B. der Preis eines Produkts) und eine R-Reaktion (z. B. der Kauf eines Produkts). In klassischer Weise basiert der S-R-Ansatz nur auf quantifizierbaren Merkmalen oder Einflussgrößen. Ausgeschlossen sind psychologische Humanfaktoren, die nicht unmittelbar zu erfassen sind (z. B. Emotionen, Beweggründe), um Verhaltensweisen zu erklären (Meffert 2000, S. 99). Deshalb wird diese Betrachtungsweise auch „Blackbox- Ansatz“ genannt. Die quantitative Betrachtungsweise wird oft mit Laborexperimenten im Kontext der wissenschaftlichen Forschung zum Verbraucherverhalten kombiniert (Zim- bardo/Gerrig 2004, S. 14). Der Behaviorismus gründet seine Untersuchungen auf ein deut- lich reduziertes Personenbild, das unterstellt, dass der Einzelne auf gewisse Umweltkons- tellationen passiv anspricht. In diesem Modell der Konsumentenforschung werden die verschiedenen einzelnen Verhaltensmuster in den unterschiedlichsten Szenarien durch die verschiedenen Lernerfahrungen und -geschichten der Verbraucher erläutert. 24 Modelle der Werbewirkung, wie die hier vorgestellten mechanistischen Ansätze (d. h. die S-R- und S-O-R-Ansätze), aber auch die hierarchischen bzw. Zwei-Stufen-Modelle versu- S-O-R-Ansätze chen zu erklären, wie Werbung wirkt. Grundsätzlich haben solche Werbewirkungsmodelle Bei diesem Modell ist das, was im Verbraucher vor- insgesamt vier Funktionen: geht (O = Vorgänge im Organismus), stets die 1. Sie erklären die Entstehung der Werbewirkung. Sie unterscheiden dabei auch oft verschie- abhängige Variable. dene Ebenen der Werbewirkung, und sie spezifizieren Bedingungen, unter denen bestimmte Wirkungen zu erwarten sind. 2. Sie erlauben die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen. Aus einem Werbewirkungsmo- dell lässt sich ableiten, wie eine Vorlage gestaltet sein soll, damit der erwünschte Erfolg möglichst wahrscheinlich ist. 3. Sie legen fest, welche Testmethoden für die Messung von Werbewirkung angemessen sind. Aus dem Modell geht dann z. B. hervor, ob die Erinnerung an das Produkt genügt, um Wer- beerfolg festzustellen, oder ob andere Methoden besser geeignet sind. 4. Sie begründen Werbeziele. In dem Modell wird gesagt, worauf es in der Werbekommunika- tion ankommt, ob z. B. Aufmerksamkeit, Verständnis der Werbebotschaft, Einstellungsände- rung oder andere Ziele erreicht werden müssen, um den Werbeerfolg sicherzustellen (Felser 2015, S. 9). 2.2 Hierarchische Modelle der Werbewirkung Die Variablen, die intervenieren und die die bisherige Blackbox (im S-R-Ansatz) füllen, wer- den z. B. in mehrstufigen oder hierarchischen Modellen der Werbewirksamkeit dargestellt. Diese Modelle stellen die Werbewirkung als geordnete Passage durch verschiedene Wir- kungsebenen und -stufen dar (Moser 1997, S. 270). Ein erfolgreicher Effekt auf der tieferen Ebene ist Voraussetzung für das Erreichen der höherwertigen Ebene. Im Folgenden wird auf das AIDA-Modell und auf drei Modelle von Effekthierarchie eingegangen (Felser 2015, S. 9). AIDA-Modell Eines der gängigsten hierarchischen Modelle der Werbewirksamkeit ist das sogenannte AIDA-Modell. Es geht von einer bestimmten Abfolge von Reaktionen und Verhaltensweisen aus, die als Reaktion auf die Werbung stattfinden müssen. DEFINITION AIDA Attention: Die Reaktion beginnt mit der Aufmerksamkeit. Interest: Wenn es zu einer aufmerksamen Reaktion kommt, kann sich Interesse entwickeln. 25 Desire: Auf der Basis des Interesses wiederum muss sich ein Wunsch nach dem Produkt entwickeln, damit es zum letzten Element der Sequenz kommt. Action: Die Konsumhandlung wird vollzogen. Es ist nicht klar, ob dieses Modell deskriptiv oder präskriptiv ist. Beschreibt es die Wir- kungsweise der Werbung oder wie sie funktionieren soll? Aus präskriptiver Sicht lässt sich ableiten, dass ein Werbebeitrag so weit wie möglich mit Aufmerksamkeit beginnen und mit einem Verweis auf die Aktionsmöglichkeiten enden muss. In der Zwischenzeit müsste das Wecken von Interesse und Begehren erfolgen, z. B. durch persönliche Ansprache der Adressaten und Ansprache allgemeiner Motive. Es gibt eine Anzahl von Szenarien, für die das AIDA-Modell geeignet ist. Die nachstehenden Erklärungen werden jedoch zeigen, dass das vermeintliche Basiskrite- rium der Werbewirkung, nämlich Aufmerksamkeit, selten erreicht wird, aber dass es eine ganze Palette von Mechanismen gibt, die nicht von einer gezielten Informationsaufnahme abhängig sind. Drei Modelle von Effekthierarchie Das AIDA-Modell geht davon aus, dass Werbung immer in gleicher Weise funktioniert, was nicht realistisch ist. Aber selbst wenn diese Prämisse gestrichen wird, ist es immer noch möglich, Regelsätze und sich wiederholende Muster der Werbewirkung zu differenzieren. Auch die Idee einer hierarchiebasierten Wirkungsweise auf einzelnen Stufen muss nicht verworfen werden. Dabei können drei unterschiedliche Modellansätze differenziert wer- den (Moser 1997, S. 273ff.). Diese gehen von einer gewissen Hierarchie der Effekte aus, bei der aber die Rangordnung und somit auch die maßgeblichen Aktionsmechanismen unter- schiedlich sind. Die wahrscheinlich simpelste dieser Strukturen ist die Lernhierarchie: Die Empfänger bekommen Informationen über das jeweilige Produkt, nehmen dann eine eigene Haltung oder ein gewisses Verständnis gegenüber dem Produkt ein und benehmen sich in diesem Sinne. Nach dieser Auffassung ist das Verhalten das Ergebnis von Gefühlen und Einstellun- gen. Die zweite hierarchische Form kehrt diese Orientierung um. In der Hierarchie der Disso- nanz-Attribution ist das Verhalten die autonome Variable und die Einstellung die depend- ente Variable. Es stellte sich heraus, dass nach einem bestimmten Verhalten die Einstel- lungen deutlich besser passten als vorher. Ein gewisses Verhalten schafft offensichtlich den Druck, sich vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen. Bei unvernünftigen Verhal- tensweisen würde dies als dissonant empfunden werden, sodass die aus dem Verhalten resultierenden positiven Eigenschaften gesteigert werden. Der Mensch erklärt mit diesen positiven Eigenschaften sein eigenes Verhalten. (In der psychoanalytischen Terminologie bedeutet das dann: Das Verhalten wird den positiven Eigenschaften der Verhaltensabläufe „zugeschrieben“.) 26 In der Hierarchie der Dissonanz-Attribution ist klar, dass sich Einstellungen oft erst später an ein schon seit Langem erkennbares Verhalten anpassen. Da es darüber hinaus auch Dissonanzen geben kann, ein Verhalten nur einmal und dann nie wieder auftritt, gibt es auch Hinweise darauf, dass Wiederholungen, d. h. ein Lerneffekt, vorkommen können. Eine dritte Hierarchie gilt, wenn Verbraucher sich der Verbraucherentscheidung nur mit einem geringen Engagement nähern, der Low-Involvement-Hierarchy. Zum einen lernen die Verbraucher durch kontinuierliche Werbewiederholung. Dabei sind viele Repetitionen notwendig, da das Interesse der Verbraucher bei dieser Hierarchie nicht besonders ausge- prägt ist. Aus Mangel an Engagement resultiert das Kaufverhalten zudem direkt aus dem Lernen; Einstellungen sind dafür in der Regel nicht einmal notwendig. Bei einer Verhal- tensänderung – z. B. in Form von Testkäufen – kann es jedoch zu einer Änderung der Ein- stellung kommen. In der Praxis werden entweder die Erfahrungen mit dem Produkt zu den entsprechenden Einstellungen geleitet haben, oder die bereits erwähnten Mechanismen zur Reduzierung von Dissonanzen werden umgesetzt und das ausgesuchte Produkt wird nachträglich entsprechend aktualisiert. Die diversen Modelle sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Die dort aufgeführten Rahmenbedingungen zeigen auf, wann welches Modell zutreffend ist. Dabei kommt es darauf an, dass die betroffenen Personen einen entsprechenden persönlichen Bezug haben und offensichtliche Unterscheidungskriterien für die verschiedenen Produkte vor- liegen. Figure 1: Drei Modelle von Effekthierarchie Source: Felser 2015, S. 11. 2.3 Zwei-Prozess-Modelle Statt sich bei der Erklärung der Werbewirkung auf ein einziges, globales Modell zu verlas- sen, wie es die gestuften Modelle getan hatten, übernahmen die Konsumpsychologen der 1980er-Jahre die Zwei-Prozess-Modelle, die in der Psychologie immer bedeutsamer wur- den (Fichter 2018, S. 104). Diese setzen voraus, dass Menschen Informationen (als Werbe- 27 botschaft) in unterschiedlichen Vertiefungen verarbeiten und dass dies verschiedene Effekte auf ihre Einstellungen, z. B. zu einer Marke, hat. Eines der bekanntesten Modelle mit zwei Prozessen ist das Verarbeitungswahrscheinlichkeitsmodell (engl. Elaboration- Likelihood-Model) von Petty und Cacioppos (1986) wie in nachstehender Abbildung darge- stellt. In diesem Modell hat die Güte der Argumente eine entscheidende Bedeutung, wenn Involvement das Involvement der Beteiligten entsprechend hoch ist. Die damit verbundenen Einstel- Mit diesem Begriff wird lungsveränderungen haben auch die Besonderheit, über einen längeren Zeitraum hinweg der Grad der Selbstbezo- genheit bei einer Kaufent- konstant zu bleiben, kritikresistent zu sein und einen klaren Bezug zum Verhalten zu scheidung beschrieben; haben. Dies grenzt den „zentralen“ Pfad vom „peripheren“ Pfad ab. Letzteres ist wichtig, also wie sehr der Verbrau- wenn das Involvement niedrig ist. In diesem Fall hängt die Werbewirksamkeit davon ab, cher sein Selbst in diese Entscheidung einbringt. ob es einen oder mehrere der sogenannten peripheren Informationsreize gibt, auf die die Empfänger positiv reagieren. Dazu gehören z. B. die Häufigkeit der Wiederholungen, die Menge der Argumente, die Atmosphäre der Werbung, die Attraktivität der Angebote oder der Expertenstatus der Informationsquellen. Es sind diese werblichen Inhalte oder Stilmit- tel, die das Denken „vereinfachen“. Die daraus resultierende mögliche Einstellungsände- rung muss jedoch als peripher beschrieben werden, ist weniger langlebig, leicht zu mani- pulieren und ist daher weniger in der Lage, das entsprechende Verhalten vorherzusagen. 28 Figure 2: Das Verarbeitungswahrscheinlichkeitsmodell der Persuasion Source: Moser 2015, S. 20. Eine grundlegende Annahme des Verarbeitungswahrscheinlichkeitsmodells ist, dass die Einstellungen unterschiedlich ausgeprägt sein können. Laut Perloff (2003) leisten die fol- genden Charakteristika einen Beitrag dazu, ein Umfeld als robust zu beschreiben: Bedeutung (es gibt eine intensive Beschäftigung mit dem Anpassungsobjekt), Involvement (die Einstellung ist an die persönlichen Grundwerte oder das Selbst gebun- den), Extremfall (individuelle Einstellung: weicht aus neutraler oder gemäßigter Sicht stark ab), Gewissheit (Überzeugung, dass die jeweilige Einstellung richtig ist), Zugänglichkeit (Einstellung kommt dem Verbraucher schnell in den Sinn), Wissen (der Verbraucher ist über das Thema gut informiert), 29 hierarchische Organisation (die Einstellung ist in sich stimmig und in ein aufwendiges Einstellungsgefüge integriert). Das heuristisch-systematische Modell der Informationsverarbeitung und Einstellungsän- derung nach Chaiken (1987) macht ähnliche Aussagen wie das Modell der Verarbeitungs- wahrscheinlichkeit. Der systematische Umgang mit Informationen ist analytisch und kom- munikationsorientiert, sodass der Empfänger versucht, alle Informationen zu erhalten und diejenigen zu überprüfen, die zugänglich sind und eine Bedeutung für die Urteilsbil- dung haben könnten. Auf den Bereich der Einstellungsbildung und Einstellungsänderung angewendet, heißt dies, dass sich die Adressaten mit den Argumenten beschäftigt haben und ihre endgültige Einstellung darauf beruht, die relevanten Informationen verstanden und bewertet zu haben. Heuristische Datenverarbeitung hingegen ist eine eingeschränkte Umgangsweise mit Informationen und erfordert einen minimalen geistigen Aufwand. Im Mittelpunkt stehen Informationen, die es ermöglichen, Heuristiken oder einfache Ent- scheidungsregeln zu nutzen, um schnell und effektiv Entscheidungen zu treffen. Einstel- lungsurteile werden dann von Heuristiken wie „die Mehrheit hat Recht“ beeinflusst. Maheswaran/Chaiken (1991) fanden heraus, dass auch unter der Voraussetzung hoher Motivation, Informationen systematisch zu verarbeiten, heuristische Signale einen Ein- fluss haben, sodass sich die heuristische und systematische Verarbeitung von Informatio- nen gegenseitig ergänzen kann. In diesem Sinne grenzt sich das heuristisch-systematische Modell vom Verarbeitungswahrscheinlichkeitsmodell von Petty und Cacioppo (1986) ab. Bei Johnson et al. (2005) finden sich weitere Erklärungen zu den etwas weniger auffälligen Unterschieden zwischen dem Verarbeitungswahrscheinlichkeit-Modell und dem heuristi- schen Systemmodell. Die Zwei-Prozess-Modelle haben in den vergangenen zwei Dekaden viel Beachtung gefun- den, sind aber nicht von Kritik ausgenommen. Insbesondere gehen diese Modelle meist davon aus, dass kontextuelle Charakteristika wie Quellglaubwürdigkeit oder Humor keine oder nur eine positive Wirkung haben (Moser 2015, S. 20). Im letztgenannten Beispiel kann auch von einem Assimilationseffekt gesprochen werden. Es wird übersehen, dass es For- men des Umgangs mit überzeugender Kommunikation gibt, die zu Kontrasteffekten füh- ren können. Unter gewissen Voraussetzungen ist zu erkennen, dass die Empfänger erste Urteile über eine Werbebotschaft für vermeintliche Kontextwirkungen korrigieren, sodass diese Korrekturen so stark sein können, dass die Urteile negativer ausfallen, als sie es wären, wenn die Kontextvariablen nicht vorhanden gewesen wären. Diese Bedingungen sind wie folgt (Moser 2015, S. 20f.): Die Empfänger sind sich bewusst, dass Kontextvariablen ihr Urteilsvermögen verändert haben können. Die Empfänger haben eine Ahnung davon, wie genau der Kontext sie beeinflusst. Die Empfänger haben die Möglichkeit und sind bereit, einen entsprechenden Korrektur- prozess durchzuführen. In keinem Werbewirkungsmodell wird die Wirkungsweise der Werbung vollständig erklärt (Fichter 2018, S. 105). Werbung ist ein zu komplexes Thema, das aus verschiedenen psy- chologischen Perspektiven betrachtet werden kann: Persönlichkeit, Motivation, Emotion, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, soziale Bezugsgruppen etc. Es gibt kein Wer- bewirkungsmodell, das alle relevanten Facetten realistisch abbildet – es würde ein nahezu 30 integrales Modell der menschlichen Psyche sein, und ein solches Modell existiert noch nicht. Dies sollte nicht verhindern, dass diese Modelle bei der Analyse, Gestaltung oder Bewertung von Werbung verwendet werden, vorausgesetzt, der Betreffende weiß, dass sie nur einen Teil der Realität darstellen und den Erfolg der Werbung nicht gewährleisten kön- nen. ZUSAMMENFASSUNG Die Erforschung des Konsumentenverhaltens hat zum Ziel, die menschli- chen Reaktionen auf Umweltreize systematisch zu untersuchen und sie in Form von Gesetzen und Funktionen zu charakterisieren und zu erklä- ren. Psychologische menschliche Faktoren, die nicht direkt beobachtet werden können (z. B. Gefühle, Motive), werden im Rahmen des Behavio- rismus dabei zur Erläuterung des Verhaltens ausgeschlossen. Der Beha- viorismus stützt seine Analyse auf ein stark vereinfachtes Menschenbild, das voraussetzt, dass Menschen passiv auf bestimmte Umweltkonstella- tionen reagieren. In dem anderen Paradigma der Konsumverhaltensfor- schung, dem Neo-Behaviorismus, werden die unterschiedlichen einzel- nen Verhaltensreaktionen in den gleichen Situationen durch die unterschiedlichen Lerngeschichten und Erfahrungen der Konsumenten erklärt. Aus dem jeweiligen Modell geht dann z. B. hervor, ob die Erinne- rung an das Produkt genügt, um Werbeerfolg festzustellen, oder ob andere Methoden besser geeignet sind. Die Variablen, die intervenieren und die die bisherige Blackbox (im S-R- Ansatz) füllen, werden z. B. in mehrstufigen oder hierarchischen Model- len der Werbewirksamkeit dargestellt. Aus präskriptiver Sicht lässt sich ableiten, dass ein Werbebeitrag so weit wie möglich mit Aufmerksam- keit beginnen und mit einem Verweis auf die Aktionsmöglichkeiten enden muss. Dabei zeigt sich jedoch, dass das vermeintliche Basiskrite- rium der Werbewirkung, nämlich Aufmerksamkeit, selten erreicht wird, aber dass es eine ganze Palette von Mechanismen gibt, die nicht von einer gezielten Informationsaufnahme abhängig sind. In der Hierarchie der Dissonanz-Attribution ist das Verhalten demgemäß die autonome Variable und die Einstellung die dependente Variable. Es stellte sich jedoch heraus, dass nach einem Verhalten (z. B. einem Kauf) die Einstel- lungen der Verbraucher auf den jeweiligen Kontext angepasst wurden. In der Praxis werden also entweder die Erfahrungen mit dem Produkt, die zu den entsprechenden Einstellungen geführt haben, oder die bereits erwähnten Mechanismen zur Reduzierung von Dissonanzen in Gang gesetzt und die Einstellung zum jeweiligen Produkt seitens des Verbrau- chers revidiert. Die daraus resultierende mögliche Einstellungsänderung muss jedoch als peripher beschrieben werden, ist weniger langlebig, leicht zu manipulieren und ist daher weniger in der Lage, das entspre- chende Verhalten (wie Kauf) vorherzusagen. 31 Der systematische Umgang mit Informationen ist generell analytisch und kommunikationsorientiert, sodass der Empfänger versucht, alle Informationen zu erhalten und diejenigen zu überprüfen, die zugänglich sind und eine Bedeutung für die Urteilsbildung haben könnten. Wer- bung ist ein komplexes Thema, das aus verschiedenen psychologischen Perspektiven betrachtet werden kann: Persönlichkeit, Motivation, Emo- tion, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, soziale Bezugsgrup- pen etc. Dies sollte nicht verhindern, dass diese Modelle (Zwei-Prozess, Hierarchie, etc.) bei der Analyse, Gestaltung oder Bewertung von Wer- bung verwendet werden, vorausgesetzt, der Anwender weiß, dass sie nur einen Teil der Realität darstellen und den Erfolg der Werbung nicht gewährleisten können. 32 LEKTION 3 WAHRNEHMUNG LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – was unter der Hypothesentheorie der Wahrnehmung zu verstehen ist. – was die Psychophysik umfasst. – was unter Sinnesmodalitäten zu verstehen ist. – wie eine multisensuale Ansprache erreicht wird. 3. WAHRNEHMUNG Einführung Ein interessantes Beispiel für die Vielschichtigkeit von Wahrnehmungen ist bei Felser (2015, S. 37) zu finden: Der Gitarrist Jimmy Page spielte eine Gibson Les Paul, Joe Satriani die Ibanez JS 100. Eine Studie zeigte: Viele Gitarristen kaufen exakte Repliken der von ihren Idolen gespielten Gitarren. Sie lassen ihre Musikinstrumente von ihren Idolen signie- ren. Ein Untersuchungsteilnehmer, selbst ein etablierter Musiker, benutzte die abgelegten Saiten seines Idols. Wenn es sich bei dem Instrument nicht um eine exakte Nachbildung handelt, wird es dem des bewunderten Musikers so gut wie möglich nachempfunden, auch wenn dies eine Erweiterung der Funktionen oder gar den Verzicht auf gewisse Bedie- nelemente bedeutet. Die Motivation hinter diesen Verhaltensweisen lässt sich mit zwei Begriffen zusammenfas- sen: „ansteckende Magie“, d. h. die Idee, dass sich die Dinge durch Berührung gegenseitig beeinflussen können, und „imitative Magie“, d. h. die Idee, dass Dinge, die genauso ausse- hen, identisch sind. So ist die Saite, die das Idol gespielt hat, gewissermaßen veredelt, und die eigene Gitarre kommt jener des Idols ein wenig näher. Das Instrument, oder besser gesagt, was es mit dem Idol verbindet, wirkt magisch wie ein Fetisch. 3.1 Hypothesentheorie der Wahrnehmung In dieser Lektion wird der Begriff Hypothese in Anlehnung an die Ausführungen von Raab/ Unger/Unger (2016, S. 25f.) nicht oder nicht ausschließlich im wissenschaftlichen Sinne verwendet, sondern als „Annahme“ von Menschen im täglichen Leben: Hypothesen beschreiben alle Annahmen, die ein Mensch über sich selbst und seine Umgebung macht. Die Behauptung, dass der Mensch nichts mit Sicherheit wissen kann, aber dass all das menschliche Wissen nichts anderes ist, als ein System von mehr oder weniger bewiesenen Annahmen bzw. Hypothesen, lässt umgekehrt auch die Schlussfolgerung zu, dass Hypo- thesen somit das gesamte Wissen umfassen. Das gesamte Vermutungswissen eines Menschen prägt also ständig dessen Wahrneh- Wahrnehmung mung. Der Mensch kann demgemäß nichts unvoreingenommen wahrnehmen. Was wahr- Durch die Wahrnehmung genommen werden kann, wird in seiner Wahrnehmung von dem beeinflusst, was der erlangt eine Person Kenntnis von sich und Wahrnehmende bereits meint zu wissen: Hypothesen haben einen Einfluss auf die Wahr- ihrer Umwelt; sie ist also nehmung. ein Prozess der Informati- onsverarbeitung. Es ist sicherlich aber auch der Fall, dass Menschen durch Wahrnehmung auch etwas Neues lernen oder ihr Wissen nach der Wahrnehmung umstrukturieren. Folgendes ist also ebenso zutreffend: Wahrnehmung führt zur Entstehung und/oder Modifikation von Hypo- thesen. 34 Damit ist klar, dass Wahrnehmung und vorhandenes Wissen (wenn im Weiteren der Begriff „Wissen“ verwendet wird, dann wird immer die „Vermutung des Wissens“ im Sinne von Hypothesen verstanden) in einer ständigen gegenseitigen Relation zueinander stehen. Das eine ist ohne das andere nicht vorstellbar. Jede Wahrnehmung kann als ein kontinuierli- cher Prozess der Erstellung und Prüfung von Hypothesen verstanden werden. Einstellungen sind eng mit Hypothesen verbunden, eine genaue Unterscheidung erscheint nahezu undenkbar. Im Sinne von Irle (1967, S. 195ff.) können Einstellungen auch als Erwartungen an die Wahrnehmung verstanden werden. Dies führt dazu, dass in der Regel Menschen Erwartungen durch das, was sie wahrnehmen, bestätigt sehen. Dabei glauben sie, dass sie wahrnehmen, was sie erwartet haben. Sofern das, was sie wahrnehmen, nicht zu sehr von ihren Erwartungen abweicht, gilt dies fast ohne Einschränkungen. Nur bei gro- ßen Differenzen ist die Sachlage komplizierter. Dies ist Gegenstand der Theorie der kogni- tiven Dissonanz (siehe dazu z. B. Raab/Unger/Unger 2016, S. 47ff.). Die Prämisse, dass Einstellungen Erwartungen ausdrücken, steht im Mittelpunkt des Ver- haltensmodells von Fishbein (1966). Die Einstellung zu einem Produkt wird durch die Summe jener Erwartungen ausgedrückt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Produkt bestimmte Eigenschaften besitzt, multipliziert jeweils mit der subjektiv sinnvollen Bedeu- tung dieser Eigenschaft. Das Ergebnis stellt sich formal wie folgt dar: n Eij = ∑ Bijk · aijk k=1 ES GILT DABEI: Eij ist die Einstellung einer Person i zur Marke j; Bijk ist die subjektiv wahrgenommene Wahrscheinlichkeit der Person i, dass die Marke, das Produkt j, eine bestimmte Eigenschaft k besitzt; aijk ist die subjektive Bedeutung des Vorhandenseins von Eigenschaft k im Pro- dukt j für Person i. In praktischen Marktstudien wird dabei jedoch oft nicht einfach nur nach dem wahrschein- lichen Vorhandensein einer Eigenschaft, sondern nach der mutmaßlichen Ausprägung einer gewissen Eigenschaft gefragt (Raab/Unger/Unger 2016, S. 26). Einstellungen sind also in dem hier vorgestellen Modell als die Erwartungen der Verbrau- cher bezogen auf die Existenz gewisser Eigenschaften eines Produktes zu verstehen (Raab/ Unger/Unger 2016, S. 28). Wobei das tatsächliche Kaufverhalten nicht nur durch Überzeu- gung, Marken oder Produkte, sondern auch durch soziale Normen geprägt wird sowie durch die Motivation der Menschen, diesen Normen gerecht zu werden. 35 Die folgende Abbildung zeigt die Zusammenhänge, die auch als das „Modell des begrün- deten Verhaltens“ (engl. Theory-of-Reasoned-Action-Model) nach Wells und Prensky (1996, S. 324) bezeichnet wird. Figure 3: Von Erwartungen zu Verhaltensweisen Source: Raab/Unger/Unger 2016, S. 28. Hypothesen sind, wie bereits erwähnt, alle Annahmen einer Person über sich selbst und ihre Umgebung. Wahrnehmung ist ein Produkt aus bestehenden Vermutungen über die Realität (d. h. Hypothesen) und die tatsächlich existierende wahrnehmbare Realität. Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung kann im Kern auf drei zentrale Aussagen reduzieren werden (Lilli/Frey 1993, S. 56): Je robuster die Hypothese, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person glaubt, eine Bestätigung für ihre Hypothese zu erhalten. Je robuster die Hypothese, desto weniger Informationen (oder Signale) über unterstüt- zende Reize sind erforderlich, um sie zu bestätigen (aus psychologischer Perspektive). Zum Beispiel braucht eine Person, die fest an etwas glaubt, sehr wenig Beweise, um die- sen Glauben zu unterstützen. 36 Je robuster die Hypothese, desto mehr widersprüchliche Informationen sind erforder- lich, damit die Person bereit ist, ihre Hypothese zu verwerfen. Wenn der Mensch also fest an etwas glaubt, braucht er viele gegenteilige Informationen, um sich von seiner Annahme zu trennen. Die Theorie behauptet nicht, dass bestehende Hypothesen immer zur Wahrnehmung der Hypothese Realität im Sinne dieser Hypothesen führen. Bei sehr widersprüchlichen Informationen Eine Annahme, die in Form einer logischen Aus- sind die Menschen auch bereit, bestehende Hypothesen abzulehnen. Bei gleicher Kraft der sage formuliert wird, ist Hypothese sind jedoch viel weniger Informationen erforderlich, um die Hypothese zu eine Hypothese. Ihre Gül- bestätigen, und viel mehr Informationen sind erforderlich, um eine Hypothese zu verwer- tigkeit muss noch verifi- ziert werden. fen. Das Fazit drückt sich in folgendem Leitsatz aus (Irle 1975, S. 85): Hypothesen begrün- den Wahrnehmung, und Wahrnehmungen begründen Hypothesen. Inwieweit Hypothesen die Wahrnehmungsleistung beeinträchtigen oder Hypothesen durch die Wahrnehmung modifiziert werden, ist offenkundig stark von der Kraft der jewei- ligen Hypothese abhängig. Dies wird durch folgende Faktoren bestimmt (Irle 1975, S. 86ff.): Bestätigungshäufigkeit in der Vergangenheit:Je öfter z. B. eine konkrete Vorgehens- weise zum Ziel geführt hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass die entsprechende Per- son die Überzeugung oder Hypothese bildet, dass sie das Richtige getan hat und für den Erfolg verantwortlich ist. Zahl der verfügbaren alternativen Hypothesen:Je weniger Alternativen eine Person hat, um ein Problem zu lösen, desto sicherer ist sie, dass diese Alternativen das Problem lösen werden. Stärke der Motivationsunterstützung:Je mehr ein Mensch eine gewisse Angelegenheit wahrnehmen möchte, desto wahrscheinlicher ist es, dass er sie wahrnimmt. Diejenigen, die eine negative Einstellung zu einer Person haben, sind motiviert, etwas Negatives an dieser Person wahrzunehmen. Verknüpfung einer Hypothese mit anderen Hypothesen:Es ist anzunehmen, dass der Mensch ein extrem vielschichtiges Hypothesensystem hat (Raab/Unger/Unger 2016, S. 32). Zwischen einigen dieser Hypothesen gibt es Zusammenhänge, aber zwischen manchen anderen nicht. Einige Hypothesen sind mit vielen anderen Hypothesen ver- bunden, andere sind einzeln. Eine Hypothese zu ändern, die sich auf viele andere bezieht, ist für die jeweilige Person sehr schwierig, da sie oft zu Änderungen in anderen Hypothesen führt. Hieraus kann geschlossen werden, dass je mehr eine Hypothese mit anderen verbunden ist, umso resistenter wird sie gegen Veränderungen sein. Im Marketing spielt die Hypothesentheorie im Rahmen der Produktwahrnehmung eine bedeutende Rolle. 3.2 Psychophysik Nach der Betrachtung von Wahrnehmung auf einer abstrakten, sozialen Ebene wird im Folgenden auf die Wahrnehmung im engeren Sinne, d. h. physische Wahrnehmung einge- gangen. Die Psychophysik beschäftigt sich damit, wie sich körperliche Reize auf menschli- che Empfindungen auswirken (Felser 2015, S. 28). Das Erste, was sich über diese Bezie- 37 hung sagen lässt, ist, dass nicht alles, was physikalisch messbar ist, auch zu einem Gefühl führt. Für einige Stimuli sind menschliche Sinnesorgane qualitativ nicht ausgestattet, z. B. für verschiedene Lichtwellenlängen (Radio- oder Mikrowelle, Röntgenstrahlen) oder bestimmte Schallfrequenzen. Der Terminus Wahrnehmung bezeichnet einen Informationsverarbeitungsprozess, durch den ein menschliches Wesen Kenntnis über sich selbst und seine Umwelt erlangt (Kroe- ber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 363). In seiner Alltagsumgebung ist der Betroffene einer endlosen Flut von Umweltimpulsen ausgeliefert, die ununterbrochen auf seine Sinne ein- wirken. Sie beinhalten eine Fülle von Einzelinformationen. Die Sammlung und Aufberei- tung dieser Informationen beim Einzelnen wird durch drei unterschiedliche Einflussfakto- ren bestimmt: Subjektivität, Selektivität und Aktivität (Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 363). Der Subjektivitätsbegriff steht dafür, dass der Einzelne sein Umfeld auf seine indi- viduelle Art und Weise erlebt. Auch die Wirtschaftsakteure werden sich zunehmend der Bedeutung der subjektiven Wahrnehmung bewusst und versuchen, das daraus gewonnene Wissen zielgerichtet zu verwerten (Raab/Unger/Unger 2016, S. 187ff.). Es handelt sich also um eine unmittelbare Einflussnahme auf die Haltung bzw. die Verhaltensweisen des Einzelnen durch den Einsatz spezifischer Kommunikationsmaßnahmen. Mit seinen Sinneszellen muss der menschliche Körper körperfremde physikalische und/ oder chemische Stimuli in die eigenen physiologischen Impulse umsetzen. Dies resultiert in psychologisch sensiblen Größen, wie beispielsweise Empfindungen. Zuerst einmal muss in diesen Prozessen der Wahrnehmung die folgende Unterscheidung getroffen wer- den (Felser 2015, S. 28): Bis der Mensch etwas wahrnimmt, d. h., bis er sagen kann: „Ich sehe oder höre dieses und jenes“, muss der Organismus mit seinen Sinneszellen die kör- perlichen Stimuli in die eigene physiologische Energie des Organismus umgewandelt haben. Aus dieser physiologischen Energie müssen Merkmale herausgefiltert und zu Emp- findungen umgewandelt werden. Durch die Sinnesorgane erhalten die Menschen Informationen über ihre Umwelt (Raab/ Unger/Unger 2016, S. 188). Sie haben jedoch eine eingeschränkte Kapazität und können daher nur einen Teil dessen herausfiltern, was in der Realität wahrnehmbar ist. Dabei ver- läuft die Wahrnehmung des Menschen selektiv. Informationen werden in Form von Reizen wie elektromagnetischen Wellen, mechanischen Vibrationen oder chemischen Verände- rungen im Körper auf das menschliche Wahrnehmungsorgan übertragen. Stimulanzien sind Umweltenergien, die bestimmte Empfindungen auslösen, indem sie auf die Organe unserer Sinne wirken. Die Intensität der Empfindungen hängt von der Intensität der emp- fangenen Reize ab. Stimulationen, die relativ schwach oder nicht intensiv genug sind, ver- ursachen in der Regel kein Empfinden. Die Menschen sind nicht in der Lage, sie wahrzu- nehmen. So ist beispielsweise Ultraschall für den Menschen nicht wahrnehmbar; ist ein Ton zu hoch oder zu niedrig, ist er nicht hörbar, oder ist ein Teelöffel Zucker in zehn Litern Wasser gelöst, kann er nicht mehr verkostet werden (Hobmair 2013, S. 87f.). Daher gibt es eine absolute Schwelle der Wahrnehmung. 38 Die Wirksamkeit eines Stimulus oder die Wirkung der Aktivierung auf die Leistungsfähig- keit einer Person wird im wissenschaftlichen Umfeld durch die Lambda-Hypothese aufge- zeigt. Unter Leistung werden alle Prozesse verstanden, die im Einzelnen ablaufen, wie Wahrnehmung, Denken, Lernen, Speichern etc. (Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 86). Die Lambda-Hypothese zeigt, dass die Leistung eines Individuums mit zunehmender Akti- vierung oder Stimulationskraft zunimmt. Erreicht eine Person einen bestimmten Aktivi- erungswert oder eine bestimmte Reizstärke, kommt es zu einem Funktionsverlust (Kroe- ber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 86). Wie die folgende Abbildung zeigt, wird eine durchschnittliche Aktivierungskraft als Optimum angesehen. Figure 4: Aktivierung und Erregung Source: Raab/Unger/Unger 2016, S. 189. 3.3 Die Sinnesmodalitäten Gemäß dem alltäglichen Empfinden denken die Menschen, dass ihre Wahrnehmung ein großes Schaufenster nach außen, in die Lebenswelt der Dinge, Menschen und der Natur ist. Der weitaus größte Teil der Wahrnehmungsprozesse bezieht sich jedoch auf die Wahr- nehmung innerer Prozesse. Das Gehirn wird daher auch als ein kognitiv in sich geschlosse- nes System verstanden, das neuronale Signale nach selbst entwickelten Kriterien interpre- tiert und bewertet, deren tatsächliche Ursachen und Bedeutung es nicht absolut zuverlässig kennt (Bak 2014, S. 23). Die Verwendung der Daten von außen hängt dabei auch von der Art der Daten ab, aber es empfiehlt sich, diesen kognitiven Prozess als einen Vorgang zu beschreiben, der das vorhandene Wissen mit den Informationen verknüpft, die die höheren Verarbeitungszentren aus den Daten der Sinnesorgane liefern. 39 Es ist von Bedeutung zu wissen, dass die Leistungsfähigkeit von Sinnesorganen nicht lebenslang gleichbleibend ist, sondern sich erst nach der Geburt voll entwickelt und dann mit zunehmendem Alter allmählich wieder abnimmt. Senioren haben daher insgesamt einen Rückgang in der Signalverarbeitung zu ertragen. Dies sollte auch bei der Konzeption der Werbekommunikation berücksichtigt werden, z. B. indem auf die Verbesserung der Sinne Bildkontraste geachtet wird. Es gibt fünf verschiedene Sinne: Berührung, Geschmack, Als sechster Sinn wird z. T. Geruch, Hören und Sehen (Bak 2014, 24f.): die Wahrnehmung von Körpern („Körpersinn“) verstanden. Berührungssinn: Der Berührungssinn gibt Informationen über Druck, Berührung, Vib- ration, Temperatur und Schmerz. Die Berührungsempfindlichkeit ist von einem Körper- bereich zum anderen sehr unterschiedlich. So sind beispielsweise erogene Zonen sehr taktilempfindlich, während andere Bereiche weniger berührungssensitiv sind; der Berührungssinn unterstützt auch die Kommunikation: Durch Berührungen zeigt und fühlt der Mensch z. B. Sicherheit, Unterstützung, Wärme und Zuwendung. Geschmackssinn: Menschen schmecken weniger, als allgemein angenommen. Die Rezeptoren der Zunge erkennen nur, ob es sich um süße, saure, bittere oder salzige Stoffe handelt. Viele Aromen werden nicht geschmeckt, sondern gerochen. So funktio- nieren der Geruchs- und Geschmackssinn zusammen, was leicht nachvollziehbar ist. Wenn die Nase geschlossen ist, ist der Geschmack stark eingeschränkt. Geruchssinn:Der Geruchssinn vermittelt sehr vielschichtige und unterschiedliche Infor- mationen, die notwendig sind, um z. B. Lebensmittel zu identifizieren, die noch genieß- bar sind. Lernprozesse verbinden auch unterschiedliche Empfindungen mit bestimmten Gerüchen. Zudem riecht der Mensch sogar unbewusst bestimmte Aromen („Phero- mone“), die bei der Fortpflanzung oder bei der Wahl des Partners eine wesentliche Funktion haben. Der Geruch ist ebenfalls ausschlaggebend für den Geschmack. Hörsinn: Mit 343 Metern pro Sekunde dehnen sich die Schallwellen in Form von Sinus- wellen aus und bringen die Luftmoleküle um den Menschen herum in Schwingung. Ohne Luft gibt es keine Geräusche. Die Frequenz der Schwingungen legt den Ton von niedrig (niedere Frequenz) bis hoch (hohe Frequenz) fest. Das Hören ermöglicht es nicht nur, Musik zu genießen und Sprache zu lernen, sondern ist auch für die Objektlokalisie- rung unerlässlich. Sehsinn:Zu sehen gilt allgemein als der komplexeste und am meisten gebildete menschliche Sinn. In den Augen wird Licht von den Sinneszellen der Netzhaut verarbei- tet. Die sogenannten Stäbe erfassen die Helligkeit der Umgebung, die Zapfen überneh- men das Farbsehen. Viele andere Funktionskomplexe sind mit dem Sehvermögen ver- bunden, wie z. B. die Raumorientierung und Bewegungsfunktionen wie Greifen oder Werfen. Bei der generellen Wahrnehmung und Erkennung eines Stimulus, d. h. bei der Informati- onsverarbeitung, spielen immer zwei verschiedene Prozesse oder Stufen eine Rolle (Bak 2014, S. 25f.): Einerseits hat der Stimulus selbst eine Reihe von Eigenschaften, die seine Verarbeitung beeinflussen, z. B. Größe, Form und Farbe. Andererseits hängt es auch von den bereits erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen darüber ab, wie der Stimulus mit seinen besonderen Eigenschaften erfasst wird. Diese beiden Ebenen werden auch als ab- und auf- 40 steigende Prozesse (Top-down bzw. Bottom-up) bezeichnet (siehe Abbildung unten), bei denen die erstgenannte Stufe das ist, was der Stimulus nahelegt, während die zweite auf vorhandenem Vorwissen basiert. Figure 5: Bottom-up- und Top-down-Prozesse Source: Bak 2014, S. 25. Mit anderen Worten: Viele Stimulus-Konfigurationen sind auch aufgrund ihrer Datensitua- tion nicht eindeutig. Ein Beispiel dafür sind die bekannten Kippfiguren, in denen je nach Erwartungshaltung sehr verschiedenartige Dinge oder Personen identifiziert werden kön- nen (siehe Abbildung unten). In der visuellen Verarbeitung von Informationen haben sich bestimmte Verarbeitungsmuster für die Organisation des Reizes ergeben, die das Erken- nen bestimmter Formen und Figuren erleichtern. So wird beispielsweise der visuelle Input nach bestimmten Gesetzen organisiert, wie z. B. den Gestaltgesetzten (z. B. dem Gesetz der Nähe oder dem Gesetz der Einheit, wie in nachstehender Abbildung zu sehen). Gestalt- gesetze sind auch gute Beispiele für die Wirkung von Top-down-Prozessen (Bak 2014, S. 26). 41 Figure 6: Kippfiguren Source: Bak 2014, S. 26. Figure 7: Gesetze der Nähe und der Geschlossenheit Source: Bak 2014, S. 26. 3.4 Multisensuale Ansprache Zeigt der Dirigent die hohen Töne im Symphoniekonzert an, hebt er den Taktstock an, bei tiefem Ton senkt er ihn. Die Translation von Ton in räumliche Höhe ist ein synästhetisches Äquivalent, das praktisch jeder verstehen kann, gerade hier wird von einer „Originalsynäs- thesie“ gesprochen (Felser 2015, S. 38). Im Übrigen ist die Dirigententätigkeit für den 42 Betrachter sogar eine simple Art der multisensualen Konsumerfahrung, bei der der akusti- sche Eindruck visuell dargestellt wird. Zudem kann der Musikgenuss gesteigert werden. So macht die Beobachtung des Dirigenten beispielsweise auf bestimmte Aspekte der Musik aufmerksam, z. B. auf gewisse Instrumentengruppen, was die jeweilige Interpretation des Stückes klarer und verständlicher macht. Bei der Betrachtung des Dirigenten steht nicht so sehr der Aspekt der „Show“ im Blick- punkt, sondern die Rückmeldung der unterschiedlichen Sinneseindrücke, die über die Summe der einzelnen Eindrücke als Ganzes hinausgehen. Diese obige Formulierung gibt das Schlüsselwort für ein weiteres wohlbekanntes Phäno- men, das die Vernetzung der Sinne aufzeigt: Wolfgang Köhler, einer der Begründer der Gestaltpsychologie, zeigte seinen Testpersonen zwei Figuren. Eine dieser Figuren sollte „Maluma“ genannt werden, die andere „Takete“. Die Testpersonen sollten die „richtigen“ Namen vergeben – es ist nicht verwunderlich, dass 90 % der Befragten annahmen, dass die eckige Gestalt „Takete“ und die runde „Maluma“ heißen würde (Köhler 1929). Die Grundidee der Gestaltpsychologie zeigt sich auch an diesem Beispiel: Die Gesamtheit des Eindrucks ist unverständlich, wenn die Summe seiner Teile betrachtet wird. Die Klänge des Wortes haben eine gewisse Qualität, ein Eindruck, der weitgehend darauf hindeutet, dass sie mit einer Figur in Verbindung gebracht werden sollten, aber nicht mit der ande- ren. Daher geht es nun um das Zusammenspiel der Sinne, wie beispielsweise das Konzept der Synästhesie oder die Multisensualität von Produkterfahrungen. Aber auch der Aspekt der Erwartungen erscheint von Bedeutung – die Wahrnehmung kann nicht auf den gestal- tenden Teil des Betrachters verzichten, der im Wesentlichen durch seine Erwartungen und Vorstellungen beeinflusst wird. Figure 8: Welcher Name passt zu welcher Figur? Source: Felser 2015, S. 38. Wie würde z. B. die Wahrnehmung der Schwere durch eine Melodie ohne Worte darge- stellt? Die Menschen haben das grundlegende Bestreben, die Wahrnehmung einer Sinnes- modalität in einer anderen wiederzugeben (Felser 2015, S. 38). Es ist sogar denkbar, mit 43 diesem Phänomen schwer zu beschreibende Wahrnehmungseindrücke zu erfassen. So können beispielsweise Testpersonen gebeten werden, ein Geruchserlebnis auszudrücken, indem sie eine Farbe auswählen. In diesen Fällen spricht man von einer künstlichen Synästhesie, die auch als inter-modale Analogie bezeichnet wird, um Verwirrung zu vermeiden (Felser 2015, S. 38). Aber auch bei der Wahrnehmung von Produkten spielen synästhetische Effekte eine bedeutende Rolle. Beispielsweise wird die Viskosität eines Öls bei verschiedenen Farben unterschiedlich empfunden. Rottöne neigen dazu, den Eindruck eines dicken Öls zu erwe- cken, während Gelbtöne auf eine dünne Konsistenz hindeuten. Dieser Wahrnehmungsef- fekt ist besonders wichtig, wenn, wie in der Werbung, nur Bilder gezeigt werden und somit die Konsistenz des Produktes nur statisch visualisiert zu werden vermag (Felser 2015, S. 38). ZUSAMMENFASSUNG In diesem Kapitel wurde der Begriff Hypothese als „Annahme“ von Men- schen im täglichen Leben verwendet. In diesem Sinne beschreiben Hypothesen alle Annahmen, die ein Mensch über sich selbst und seine Umgebung macht. Hypothesen haben einen Einfluss auf die Wahrneh- mung des Menschen. Es ist sicherlich so, dass Menschen durch Wahrnehmung auch etwas Neues lernen oder ihr Wissen nach der Wahrnehmung umstrukturieren. Das Kaufverhalten wird nicht nur durch Überzeugung, Marken oder Pro- dukte, sondern auch durch soziale Normen geprägt sowie durch die Motivation der Menschen diesen Normen gerecht zu werden. Je robuster eine Hypothese ist, desto weniger Informationen (oder Signale) über unterstützende Reize sind erforderlich, um sie zu bestätigen (aus psy- chologischer Perspektive). Bei gleicher Kraft der Hypothese sind jedoch viel weniger Informationen erforderlich, um eine bereits gemachte Hypothese zu bestätigen, und viel mehr Informationen sind erforderlich, um eine solche Hypothese zu verwerfen. Je weniger Alternativen eine Person hat, um ein Problem zu lösen, desto sicherer ist sie, dass diese Alternativen das Problem lösen werden. Eine Hypothese zu ändern, die sich auf viele andere bezieht, ist für die jeweilige Person sehr schwierig, da sie oft zu Änderungen in anderen Hypothesen führt. Die Erfassung und Verarbeitung von Informationen beim Menschen wird durch drei verschiedene Faktoren beeinflusst: die Subjektivität, die Selektivität und die Aktivität. Weiter ist im Hinblick auf die Wahrneh- mung der Sinnesorgane von Bedeutung zu wissen, dass deren Leis- tungsfähigkeit nicht lebenslang gleichbleibend ist, sondern sich erst nach der Geburt voll entwickelt und dann mit zunehmendem Alter all- mählich wieder abnimmt. Der Geruchssinn vermittelt beispielsweise 44 sehr vielschichtige und unterschiedliche Informationen, die notwendig sind, um z. B. Lebensmittel zu identifizieren, die noch genießbar sind. Ein eindrucksvolles Beispiel für Wahrnehmungsdifferenzen sind die bekannten Kippfiguren, in denen je nach Erwartungshaltung sehr ver- schiedenartige Dinge oder Personen identifiziert werden können. In der visuellen Verarbeitung von Informationen haben sich bestimmte Verar- beitungsmuster für die Organisation des visuellen Stimulus ergeben, die das Erkennen bestimmter Formen und Figuren erleichtern. So wird bei- spielsweise der visuelle Input nach bestimmten Gesetzen organisiert, wie den Gestaltgesetzen (z. B. dem Gesetz der Nähe oder dem Gesetz der Einheit). Dieser Wahrnehmungseffekt ist besonders wichtig, wenn, wie in der Werbung, nur Bilder gezeigt werden und somit die Konsistenz des Produktes nur statisch visualisiert werden kann. 45 LEKTION 4 AUFMERKSAMKEIT LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie die Aufmerksamkeit von Verbrauchern gesteuert werden kann. – wie Werbung trotz Reizüberflutung wirken kann. – wie eine erfolgversprechende Werbegestaltung umgesetzt werden sollte. – wie Werbung auch ohne Aufmerksamkeit wirken kann. 4. AUFMERKSAMKEIT Einführung Haben Sie schon einmal bei einer Cocktail-Party in einer Gruppe von Menschen gestan- den, die alle gleichzeitig reden, und Ihr Gesprächspartner vor Ihnen langweilt Sie zu Tode? Anstatt ihm zuzuhören, hören Sie ein anderes Gespräch. Und obwohl dieses andere Gespräch weiter entfernt ist und Sie viel leiser erreicht als das, was Ihr Gegenüber Ihnen sagt, haben Sie wenig Schwierigkeiten, anderswo zuzuhören. Dieses Phänomen, der Cock- tail-Effekt, ist auf die Fähigkeit zurückzuführen, die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken. Ein Stimmenmix wird damit überschaubar, und Sie können sich trotz des vielschichtigen Hintergrundgeräusches auf einen Punkt fokussieren. Dies wird als selektive Aufmerksam- keit bezeichnet (Felser 2015, S. 41). 4.1 Steuerung der Aufmerksamkeit Für die Werbepsychologie sind das Management, die Kontrolle, vielleicht auch die Mani- pulation der Aufmerksamkeit zentral. Der erste Schritt im AIDA-Modell ist es, Aufmerksam- keit zu erregen (Felser 2015, S. 41): Wenn sich ein Angebot gegen ein anderes behaupten will, dann sollte es zunächst Auf- merksamkeit erregen. Verstärkt wird diese Forderung durch die Erkenntnis, dass Kunden bei ihrer Kaufentscheidung nur einen Bruchteil der ihnen bekannten Produkte berücksich- tigen. Ein nicht unerheblicher Teil der konkurrierenden Produkte wurde vor dem Zeit-

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