Werkstoffkunde_SS2023_1_Aufbau der Materie_comment_Skript PDF
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This document provides an overview of material science. It covers various aspects of materials properties and their technological applications. This document is a lecture or course material from Karlsruhe University of Applied Sciences.
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Motivation für Werkstoffkunde Menschen haben sich eine Umwelt geschaffen, in der die ihnen zur aktuell bekannte...
Motivation für Werkstoffkunde Menschen haben sich eine Umwelt geschaffen, in der die ihnen zur aktuell bekannten, ggf. sehr unterschiedliche Materialien / Werkstoffe verwendet werden. Zentrale Bedeutung haben dabei die jeweiligen Eigenschaften der spezifischen Werkstoffe. Diese Eigenschaften müssen auf das genaueste bekannt sein, um den spezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Denken Sie dabei an die Anforderungen z.B. von Stahl (Maschinenbau, Kräne, Brückenbau, Drahtseile, Hochhäuser,..), Glas (Fenster,..), Kunststoffen (Fahrzeugtechnik, Dämmung, Fassaden,…). Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 1 Büroklammer – Funktion und Anforderungen an den Werkstoff Welche Funktion ist hier gefordert? - Klemmung z.B. von Papier Welche Eigenschaft wird von dem Werkstoff gefordert ? − Sehr elastisch ohne sich bleibend zu verbiegen wie bei einer Feder − Hohe Klemmkraft bei geringer Öffnung − Rostet nicht Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 2 Integrierte elektronische Schaltung: Anforderungen an die Werkstoffe Welche Funktion ist hier gefordert? - Spezifische elektrische und mechanische Funktionen Welche Anforderungen bestehen an die Werkstoffe? - leitfähig / isolierend / halbleitend - lötbar, temperaturwechselbeständig - in dünnen Schichten herstellbar - lackierbar - Elastizität - ……. Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 3 Anforderungen an und Eigenschaften von Werkstoffen Für die Erfüllung der Produktanforderungen sind Werkstoffe mit spezifischen Eigenschaften erforderlich Produktanforderungen Werkstoffeigenschaften Geometrie physikalische mechanische Anforderungen chemische Lebensdauer/Haltbarkeit optische / akustische Kosten tribologische Optik elektrische Haptik thermische Qualität technologische Herstellung ökologische Umwelteigenschaften Instandhaltung Auswahl der Werkstoffe erfolgt anhand der spezifischen Eigenschaften Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 4 Gruppierung von Werkstoffeigenschaften Physikalische Chemische Technologische Ökologische Eigenschaften Eigenschaften Eigenschaften Eigenschaften Mechanische Chemische Gießbarkeit Giftigkeit - Dichte Beständigkeit - Elastizität Umformbarkeit Recylingfähigkeit - Festigkeit Korrosions- Zerspanbarkeit Herstellungs- und - Härte beständigkeit Verarbeitungs- Schweißbarkeit kosten Elektrische - el. Leitfähigkeit Beschichtbarkeit Optische / Akustische - Transparenz Tribologische Thermische - Schmelztemperatur - Wärmeausdehnung - Wärmeleitfähigkeit Magnetische Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 5 Maßstäbe und Größenordnungen kennen Maßstäbe um Werkstoffeigenschaften zu beobachten Physikalische und Chemische Eigenschaften Skala 10-3 m [mm] makro- skopisch 10 mm 10-6 m [µm] mikro- skopisch 100 µm 10-9 m Um die physikalischen und [nm] atomar chemischen Eigenschaften der Werkstoffe zu verstehen, ist zunächst eine Betrachtung auf atomarer Ebene erforderlich 10 nm Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 6 Der innere Aufbau der Materie: Der Rutherford-Streuversuch Eine dünne Goldfolie (ca. 0,5 µm entspricht ca. 1000 α−Strahler Atomlagen) wird mit α−Teilchen (Heliumkerne bestehend aus 2 Protonen, 2 Neutronen) beschossen Fast alle α−Teilchen passieren die Folie ungehindert Nur bei ca. 1 von 100.000 Alpha-Teilchen wird die Richtung geändert Erkenntnis: In den Atomen befindet sich ein sehr kleines, positiv geladenes Massezentrum Durchmesser Atom: ca. 10-8 cm - Durchmesser Atomkern: ca. 10-13 cm (!!) Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 7 Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76546189 Veranschaulichung des Ergebnisses Hätte der Atomkern die Größe einer Erbse (Durchmesser 1 cm), so hätte das Atom einen Durchmesser von ca. 105 cm = 1 km Ein Material, das nur aus Kernmaterial bestünde (vgl. Neutronenstern), hätte eine um den Faktor 105 · 105 · 105 = 1015 höhere Dichte. 1 cm3 Wasser wöge also ca. 1 Milliarde Tonnen (1015 g/cm3). Genauer wird die Dichte eines Atomkerns mit etwa 3·1014 kg/cm3 angegeben. Ein cm3 Atomkern mit der Masse von 3·1014 kg entspricht einem Granitwürfels (Dichte 2,7 t/m3) der Seitenlänge 4807 m (= Höhe des Mont Blanc). Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 8 Schalenmodell kennen (nur das Prinzip) Aufbau der Atome – prinzipielle Darstellung (Bohrsches Atommodell) Hauptquantenbahn K, L, M - Schale Atom besteht aus Atomkern Nebenquantenbahn mit Protonen (+) s,p,d,f - Schale und Neutronen und Elektronenschalen mit Elektronen (-) besetzt Hier als Beispiel abgebildet: Eisen (Fe): 30 Neutronen Nicht besetzte Elektronenplätze 26 Protonen (+) 26 Elektronen (-) Anzahl der Protonen = Anzahl der Elektronen (Ladungen) Diskrete Energiezustände, die mit Systematik befüllt werden Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 9 Quelle: Seidel, 2014 Atomaufbau: Besetzungsreihenfolge der Schalen Elektronen Hauptquantenbahn Schale Schale 2 O /max. Anz. 14 10 Elektronen 6 N 2 14 10 6 Q= 2 M 10 6 P= 2 L 6 O= 2 K 2 N= M= L= K= aus: www.ahoefler.de Die Besetzungsreihenfolge der Schalen gehorcht der Energieminimierung! Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 10 Periodensystem der Elemente (PSE) s - Schalen d - Schalen p - Schalen K L M N O P Q Zahlen, Daten Fakten zur Elementen: http://www.periodensystem-online.de Quelle: www.ptable.com Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 11 Unterschied Valenzelektronen / Rumpfelektronen kennen Valenzelektronen am Beispiel Eisen (Fe) Die Besetzungsreihenfolge der Schalen gehorcht der Energieminimierung! Es ist energetisch günstiger nach 3p erst 4s zu besetzen anstelle 3p 3d zu befüllen, 3d d.h. 3d wird erst nach 4s befüllt 4s Valenzelektronen: - Elektronen auf der äußersten Schale - Relevant für Bindung mit gleichen oder anderen Atomen Nicht besetzte Elektronenplätze Jeweils die äußeren Elektronen (Valenzelektronen) bestimmen die Bindungseigenschaften eines Elements mit anderen Elementen (z.B. FeO, NaCl) Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 12 Quelle: Seidel, 2014 Aggregatszustände und Vorgänge kennen Aggregatzustände der Materie: fest, gasförmig, flüssig Hohe Temperatur Gasförmig (Unordnung) Die Aggregatzustände werden auch als kondensieren verdampfen Phasen bezeichnet, re-sublimieren z.B. „Flüssigphase“ Flüssig sublimieren (Nahordnung) erstarren schmelzen Fest (Kristall geordnet) Niedere Quelle: www.Ingenieurkurse.de Temperatur Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 13 Gibbs‘sche Phasenregel Die Gibbssche Phasenregel oder Phasengesetz (J. W. Gibbs 1876) besagt, dass im thermodynamischen Gleichgewicht nicht beliebig viele Phasen gleichzeitig nebeneinander existieren können. Für ein System im thermodynamischen Gleichgewicht gilt die Beziehung: P+F=K+2 P: Anzahl der Phasen F: Anzahl der Freiheitsgrade K: Anzahl der Komponenten Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 14 Gleichgewichte der Phasenübergänge, Tripelpunkt und kritischer Punkt Stoff ohne Anomalie Stoff mit Anomalie (z.B. H2O: Schmelzkurve) Die Übergänge zwischen den Aggregatzuständen hängen von der Temperatur und dem Umgebungsdruck ab (Druck üblicherweise in hPa (1 bar = 1013 hPa)) Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 15 Im festen Zustand: Ordnung im Kristall durch Gleichgewichtsabstand Positiv geladene Atomkerne vs. Negativgeladenen Elektronen (Coulomb-Gesetz ) 0 r0 = Atome einer Spezies auf den regulären Gitterplätzen r0 = Gleichgewichtsabstand Positiv geladene Atomkerne ist Gitterabstand im Kristall stoßen sich gegenseitig ab (Pauli-Prinzip) Summenkurve aus Anziehung Abstoßung Bei r0 (= Gitterabstand) herrscht ein Kräftegleichgewicht (Kraft = 0) zwischen anziehenden und abstoßenden Kräften Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 16 Quelle: Seidel, 2014, modifiziert Prinzip metallische Bindung und resultierende Eigenschaften kennen Metallbindung Eigenschaft der Bindung: - Im Gitter geben die Atome ihre äußeren Valenzelektronen ab - Zwischen Atomrümpfen bewegen sich die Elektronen frei (Elektronengas) - Die Bindung ist ungerichtet - Dies erklärt die hohe elektrische Leitfähigkeit der Metalle Eigenschaft bei Scherbelastung: - Leicht verformbar über Gleitebenen Quelle: http://www.chemgapedia.de/vsengine/glossary/de/elektronengas.glos.html Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 17 Prinzip Ionenbindung und resultierende Eigenschaften kennen Ionenbindung und Ionengitter Beispiel: NaCl (Kochsalz) Eigenschaft der Bindung: - Na gibt Valenzelektron ab und wird zum Na+ - Cl nimmt ein Elektron auf und wird zum Cl- Beide Partner haben dann Edelgaskonfiguration nach außen elektrisch neutral Eigenschaft bei Scherbelastung: - Kristall ist nicht verformbar: Bei Scherbelastung wird der Kristall zerstört (starke abstoßende Kräfte, wenn Na+ und Na+ bzw. Cl- und Cl- sich gegenüberstehen) aus: www.ahoefler.de aus: www.chemie-interaktiv.net aus: www.chemgapedia.de Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 18 Gitteraufbau von salzartigen und metallischen Stoffen Aufbau Natriumchlorid-Kristall Aufbau Natrium-Metall Welche unterschiedliche Eigenschaften lassen sich aus den Strukturen ableiten? Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 19 Prinzip kovalente Bindung und resultierende Eigenschaften kennen Kovalente Bindung (Atombindung, Molekülbindung) Beispiel: Cl2 (Chlor) Eigenschaft der Bindung: - z.B. Elemente der Nichtmetallreihe - Atome teilen sich Valenzelektronen, um Edelgaskonfiguration zu erreichen - erhöhte Elektronendichte im Überlappungsbereich Elektronen sind lokalisiert Bindung ist gerichtet - Schlechte elektrische Leitfähigkeit - Beispiele: Cl2, CH4, Al2O3,.. Eigenschaft bei Verformung: - analog Ionenbindung Atome sind im Molekül aneinander gebunden Quelle: https://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_2/backbone/r2_2_3.html Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 20 Wissen, dass es auch Kräfte zwischen Molekülen gibt! Bindungen zwischen Molekülen Moleküle: Moleküle sind Verbindungen von zwei oder mehreren Atomen Gleichartige (z.B. Cl2) oder verschiedene Atome (z.B. NaCl) Bindung zwischen den Molekülen stark: z.B. ionogen oder kovalent schwach: z.B. Nebenvalenzbindung (Dipole) Dipole: Moleküle mit inhomogener Ladungsverteilung Dipole sind polare Moleküle Ladungsverteilung am Wechselwirkung mehrerer Dipole durch H2O-Molekül Quelle: www.wasser-hilft.de elektrostatische Anziehung Van D‘ Waals – Bindung: Inhomogene Ladungsverteilung nicht permanent vor sondern wird induziert (Polymere) Induzierte Ladungsverteilung bei Annäherung Quelle: www.spektrum.de Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 21 Abstufung der Bindungsenergien Haupt- Kovalente Bindung valenz- Ionenbindung kräfte Zunahme der Bindungsenergie Metallbindung Zunahme der Bindungsstärke Neben- Bindung zwischen Molekülen Zunahme Schmelzpunkt valenz- Dipolbindungen kräfte Van D‘ Waals - Bindung Je stärker die Bindung zwischen Atomen oder Molekülen ist, desto mehr Energie wird benötigt, diese Bindung wieder aufzuspalten, desto höher ist auch Schmelzpunkt. Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 22 Kristallsysteme Geometrische Merkmale – Achsenwinkel (α, β, γ) und – Gitterparameter (Gitterkonstanten) (a, b, c) Begriffe im Kristallsystem – Gittergerade – Gitterebene, Netzebene – Raumgitter – Elementarzelle Beispiel: kubisches System : a = b = c, α = β = γ = 90° Andere Kristallsysteme: tetragonal, monoklin, triklin, … Beschreibung der Anordnung der Bausteine in einem Gitter. Atome als Kugel mit gleichen Eigenschaften in jede Raumrichtung Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 23 Quelle: Seidel, 2007 Diese Gittertypen kennen Kubische Gittertypen a) Punktgitter, b) Packungsgitter Kubisch-primitiv (kp) Kubisch-raumzentriert (krz) Kubisch-flächenzentriert (kfz) Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 24 Quelle: Seidel, 2007 Diese Gittertypen kennen; wissen wie man Packungsdichten berechnet (s. Übungen) Kubische Gittertypen Packungsgitter Quelle: Seidel, 2007 anteilig in Elementarzelle Quelle: www.wikipedia.de Kubisch-primitiv (kp) Kubisch-raumzentriert (krz) Kubisch-flächenzentriert (kfz) n = 1, PD = 52 % n = 2, PD = 68 % n = 4, PD = 74% n = Anzahl der Atome je Elementarzelle, PD = Packungsdichte Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 25 Umkristallisation bei bestimmten Temperaturen (Bsp. Eisen) Das Phänomen, dass Die Kristalle bei verschiedenen Temperaturen verschiedene Kristallstrukturen aufweisen (Umkristallisation), bezeichnet man als Allotropie. Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 26 Diesen Gittertypen kennen! Hexagonales Gitter a) Punktgitter b, c) Packungsgitter Hexagonal-dichteste Packung (hdp) n = 6, PD = 74 % Quelle: Seidel, 2007 Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 27 Zusammenhang kennen! Zusammenhang kfz und hdp Gitter c b kfz Schichtfolge: c - a – b – c - a a Wo findet sich die Schichtfolge in der jeweiligen Elementarzelle wieder? a b hdp Schichtfolge: b - a – b - a a Das kfz-Gitter verfügt über mehr Ebenen mit dichtester Kugelpackung als das hdp-Gitter (Gleitebenen). Dadurch ergibt sich grundsätzlich eine höhere Verformbarkeit in bestimmte Raumrichtungen (Anisotropie). Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 28 Einteilung der Kristallsysteme und Bravais-Gitter (1) KUBISCH TETRAGONAL Kristallsystem ORTHORHOMBISCH HEXAGONAL Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 29 Einteilung der Kristallsysteme und Bravais-Gitter (2) TRIGONAL Kristallsystem MONOKLIN TRIKLIN Es gibt 7 Kristallsysteme mit 14 dazugehörigen Bravais-Gittern (Translationsgitter). Daraus lassen sich 230 Punktgruppen konstruieren. Die Mehrzahl dieser Punktgruppen davon findet sich in realen Kristallen wieder. Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 30 Je zwei Bsp. kennen Gittertypen der Metalle im PSE bei Raumtemperatur Die Gittertypen der Metalle haben starken Einfluss auf die Legierungsbildung aus: http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/metalle/metalle.htm Werkstoffkunde - Prof. Dr. F. Finsterwalder 31