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htw saar

2024

Iris Leisner-Ruppin

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childhood pedagogy social work early childhood education

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This document appears to be lecture notes for a course on social work and childhood pedagogy. It will cover topics including the concept of childhood, historical perspectives on child development, and institutionalization of childhood. The lecture is scheduled for October 15, 2024.

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BSP 2. Einführung in die Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit Kindheit als Konstrukt Text zur Sitzung: Kelle, K. (2019): Kindheit als anthropologische Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin und soziale Katego...

BSP 2. Einführung in die Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit Kindheit als Konstrukt Text zur Sitzung: Kelle, K. (2019): Kindheit als anthropologische Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin und soziale Kategorie. In: Derup, J./ Schweiger, G.(Hrsg.): Handbuch Philosophie der Kindheit. 15.10.2024 , 11.45-13.15Uhr Berlin: Metzler, S.18-25. Agenda o Begrüßung o Ziele der Vorlesung - Konzeption o Pädagogik der Kindheit – Kindheitspädagogik – Disziplin o Begriffsbestimmung Kindheit o Kindheitsforschung o Das Kind in der Kindheitsforschung – Anforderungen, Anspruch o Institutionalisierung von Kindheit o Bühler-Niederberger – Theorie/Konzeption von Kindheit Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 2 Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 3 Ziele der Vorlesung Sie können die Pädagogik der Kindheit in ihren zentralen historischen und gegenwärtigen Momenten von der Sozialen Arbeit abgrenzen und theoretische Positionen in ihrer historischen Bedeutung und Relevanz für aktuelle Diskurse darstellen und erörtern. Sie haben einen Überblick über die historische Entwicklung der vorschulischen pädagogischen Arbeit mit Kindern, dabei ist es möglich die Relevanz des historischen Erziehungs-, Bildungs-, und Betreuungsauftrages mit den aktuellen Bildungsdiskursen in Beziehung zu setzen. Sie wissen um die Bedeutung des Bildes vom Kind für die Ansätze und Positionen in der Pädagogik der Kindheit und können dieses als zentrales Moment der Professionalität begreifen. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 4 Pädagogik der Kindheit Kindheit (14. Kinder – und Jugendbericht 2013) Drei zentrale Altersphasen: ▪ Die frühe Kindheit (0-3) ▪ Die mittlere Kindheit (3-6) ▪ Die späte Kindheitsphase (6-10 Grundschulalter) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 5 Pädagogik der Kindheit/Kindheitspädagogik „Die inhaltliche Ausrichtung der Kindheitspädagogik bezieht sich auf die Bildung, Betreuung, Erziehung, Entwicklung und Sozialisation in der frühen und mittleren Kindheit sowie auf die Lebenswelten und Lebensbedingungen von Kindern und Familien. Institutionell bezieht sich die Kindheitspädagogik im Kern auf die Bildung, Betreuung und Erziehung in der Familie sowie öffentlichen Einrichtungen wie Kindertageseinrichtungen, und dem Ganztag an Grundschulen mit deren Bildungsdidaktik und mit all den damit verbundenen Transitionen“ Erziehung, Bildung und Betreuung in Institutionen Kindheit Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 6 Disziplin - Kinder Entwicklungspsychologie Soziologie Erziehungswissenschaft Pädagogik der Kindheit Entwicklungspsychologie Schulpädagogik Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 7 KiTas aktuell in den Medien Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 8 Kindheit in den Erziehungswissenschaften Kindheit als anthropologische Kategorie (Kelle 2019, S. 19f.) „Kindheit als Phase im „Kindheit als relationale Kategorie Lebenslauf des relational zur Erwachsenheit“ (ebd., S.20) Menschen“(ebd., S. 19) (Vulnerabilität, Sorge, Erziehung, Kinder als Werdende in „Kindheit als soziale Kategorie“ (ebd., S.20) Entwicklung Begriffene Kindheitssoziologie – Soziologie der Kindheit, Begründung päd. Beziehung) Kindheitsforschung Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 9 Kindheit „Als Kindheit wird die erste Altersphase eines Individuums im Lebenslauf, die gesellschaftlich, kulturell, historisch bedeutsam in der Unterscheidung zum „Erwachsenen“ gemacht wird, bezeichnet“ (Hungerland 2018, S. 22). Zugehörigkeit zur Gruppe der Kinder bestimmt ihre Positionierung in der Gesellschaft, damit verbunden ist ein „Schon- und Vorbereitungsraum“ (Zinnecker, 2000 zit. n. Hungerland 2018, S. 23), der abhängig von der Gesellschaft und Kultur ist (vgl. Hungerland 2018, S. 22f.) Von Kindheit als eigenständige Entwicklungsphase des Menschen, die durch Schutz- und Förderbedürftigkeit gekennzeichnet ist, kann ab dem 18.Jahrhundert gesprochen werden. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) mit seinem Roman „Emil oder über die Erziehung“ gilt als Begründer der Idee. Kurt Lewin 1931 Das Kind und die Welt Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 10 Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) Emile oder über die Erziehung „Die Natur will, dass Kinder Kinder sind, ehe sie Männer werden. Kehren wir diese Ordnung um, so erhalten wir frühreife Früchte. [..] Die Kindheit hat ihre eigene Art zu sehen, denken und zu fühlen und nichts ist unvernünftiger, als ihr unsere Art unterschieben zu wollen. Vielmehr muss man den Erwachsenen als Erwachsenen und das Kind als Kind betrachten“ (Rousseau 1762/1978 zit. n. Drieschner 2013: 48) https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 11 Jean-Jacques Rousseau – Emile oder über die Erziehung „Wir werden schwach geboren und bedürfen der Kräfte; wir werden hilflos geboren und bedürfen des Beistandes; wir werden dumm geboren und bedürfen des Verstandes. All das, was uns bei der Geburt noch fehlt und dessen wir als Erwachsener bedürfen, wird uns durch die Erziehung zuteil. Diese Erziehung kommt uns von der Natur oder den Menschen oder den Dingen. Die innere Entwicklung unserer Fähigkeiten und unserer Organe ist die Erziehung durch die Natur. Den Gebrauch, den man uns von dieser Entwicklung zu machen lehrt, ist die Erziehung durch den Menschen, und der Gewinn unserer eigenen Erfahrung mit den Gegenständen, die uns affizieren, ist die Erziehung durch die Dinge“ (Rousseau zitiert nach Andresen/Hurrelmann 2010: 19) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 12 Erziehung und Bildung im 18./19.Jahrhundert – Rousseau (1762) Für Rousseau ist es "erwiesen, daß Mann und Frau in Charakter und Temperament nicht gleich geartet sind noch sein sollen", und daraus folge, "daß sie auch nicht die gleiche Erziehung erhalten dürfen.(...) Nachdem wir uns bemüht haben, den natürlichen Mann zu bilden, wollen wir, um unser Werk nicht unvollständig zu lassen, uns überlegen, wie auch die Frau erzogen werden soll, die sich für diesen Mann eignet" (Rousseau 1762/1979, S.474 zit. n. Schmid, 1993, S.9) "Die ganze Erziehung der Frauen muß sich also auf die Männer beziehen. Ihnen gefallen, ihnen nützlich sein, sich von ihnen lieben und ehren lassen, sie aufziehen, solange sie jung sind, sie umsorgen, wenn sie groß sind, ihnen raten, sie trösten, ihnen das Leben angenehm und süß machen, das sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, und das muß man sie von ihrer Kindheit an lehren" (ebd., S.477). Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 13 Kinder und Kindheit ▪ „[..] die Grundannahme, dass Kindheit Entwicklungskindheit bedeutet, ist historisch eng verknüpft mit den Prozessen der gesellschaftlichen Institutionalisierung der Differenz zwischen Kindern und Erwachsenen – also mit der Etablierung der Kindheitsidee als solcher“ (Kelle 2009:80) ▪ „Alle Vorstellungen und Entwürfe von Kindheiten sind Erwachsenenbilder“ (Berg 1991, zit. n. Thole et al. 2013: 23) ▪ Bilder von Kindheit sind abhängig von Ideen, Konzepten, Konstruktionen ▪ „[..]fachliche, theoretische und disziplinäre Perspektiven modellieren die favorisierten Bilder von Kindern und Kindheiten mit“(Thole et al. 2013: 23). Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 14 Kindheit (Soziologie) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 15 Kindheitsforschung (Liegle 2003) Forschungsrichtungen ▪ Historische Kindheitsforschung ▪ Internationale und kulturvergleichende Kindheitsforschung ▪ Sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung, Sozialberichtserstattung Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 16 Museum Boston, eigenes Foto Historische Kindheitsforschung(Hengst/Zeiher 2005) Phillippe Aries (1988) – regte zu sozialwissenschaftlichen Diskussionen über Kindheit an. Aries: Konzept der Kindheit in Europa zwischen dem 15. und 18.Jahrhundert entstanden Lebenssphäre von Kinder und Erwachsenen waren im Mittelalter nicht getrennt. Kinder wurden als kleine Erwachsenen gesehen (deutlich an den Bilder des Mittelalters) Kinder erfuhren die Erziehung und Bildung ihres Standes. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 17 Historische Kindheitsforschung Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 18 http://www.zeitspurensuche.de/02/kinder1.htm Historische Kindheitsforschung (Bamler/Schönberger/ Wustmann 2010: 18) Pieter Brueghel (1560) Kunsthistorisches Museum Wien Gemälde Kinderspiele [im Mittelalter] 80 Kinderspiele Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 19 Historische Kindheitsforschung Titel deutsch „Hört ihr die Kinder weinen“ Bild einer Fortschrittsgeschichte der Kindheit → Entwicklung zu einem anderen Umgang mit Kinder → Empathie und Berücksichtigung kindlicher Bedürfnisse Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin https://books.google.de/books/about/The_History_of_Childhood.html?id=PqVXXO6NgCQC&source=kp_cover&redir_esc=y 20 Das Jahrhundert des Kindes (Ellen Key) (1849-1926) Acht Essays, die sich mit der Beziehung von Eltern und Kindern auseinandersetzten und beschrieben, welche Forderungen Kinder an ihre Eltern stellen können. Ellen Key forderte unter anderem, dass sich Eltern in Erziehung ausbilden lassen sollten, „Das Kind nicht in Frieden zu lassen, das ist das größte Verbrechen der gegenwärtigen Erziehung gegen das Kind“(Key 1902 zit. n. Andresen/ Hurrelmann 2010: 21) Ellen_Key_kabinettfoto.jpg http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikipedia%2Fcommons%2F1%2F1f%2FEllen _Key_kabinettfoto.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fcommons.wikimedia.org%2Fwiki%2FFile%3AEllen_Key_kabinettfoto.jpg&h =490&w=324&tbnid=fpk_owaKb6gpGM%3A&zoom=1&docid=MCSQEUFEg- JjkM&ei=qXiNVJ_vGYLKOfG4gLgM&tbm=isch&client=firefox- a&iact=rc&uact=3&dur=1716&page=1&start=0&ndsp=41&ved=0CEMQrQMwCw Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 21 Das Jahrhundert des Kindes (Ellen Key) (1849-1926) Kindheitskonzept wird von dem Bild des Kindes als Heiligkeit und Majestät bestimmt →idealisiertes Kind Ankündigung der Bildung „eines neuen höheren Menschengeschlechts“ wenn die „Menschen sich an den Kindern orientieren“ (Drieschner 2013: 104) Geheimnis von „wahrer Erziehung“ liegt in der „Nicht-Erziehung“. http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikipedia%2Fcommons%2F1%2F1f%2FEllen _Key_kabinettfoto.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fcommons.wikimedia.org%2Fwiki%2FFile%3AEllen_Key_kabinettfoto.jpg&h =490&w=324&tbnid=fpk_owaKb6gpGM%3A&zoom=1&docid=MCSQEUFEg- JjkM&ei=qXiNVJ_vGYLKOfG4gLgM&tbm=isch&client=firefox- a&iact=rc&uact=3&dur=1716&page=1&start=0&ndsp=41&ved=0CEMQrQMwCw Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 22 Kindheitsforschung (Andresen/ Hurrelmann 2010: 56f.) ▪ Stellt sich die Frage „wie sich die Lebensphase Kindheit entwickelt und verändert hat und welche kulturellen, sozialen und politischen Vorstellungen vom Kind in der Welt existieren“. ▪ versucht die Sichtweise der Kinder zu erforschen, ihre Sicht auf die/ihre Lebenswelt ▪ stellt sich die Frage, wie Kinder sich Räume und Umwelt aneignen? https://www.youtube.com/watch?v=P8YjCtImlsU Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 23 Das Kind in der Kindheitsforschung Die sozialwissenschaftliche Kindheitsforschungsforschung zeichnet sich durch zwei grundlegende Konzepte aus (vgl. Heinzel 2012; Bühler-Niederberger 2011) Konzept vom Kind als Akteur Konzept der generationalen Ordnung (James/ Prout 1990) Generational ordering (Alanen 2005, Konzept des „agency“ (Mayall 2000) Honig 2009) Kind als Akteur und Ko-Konstrukteur seiner Bildungsprozesse Position der Kinder in der Gesellschaft Partizpation Allmacht der Erziehungssituation Childhood Studies → Kindheitsforschung → generationale Ordnung Michael Sebastian Honig, Heinz Hengst, Helga Kelle, Helga Zeiher, Thomas Olk, Doris-Bühler-Niederberger, Heinz Sünker, Andreas Lange, Johanna Mierendorff, Tanja Betz, Bettina Prof. Dr. Grubenmann, Stefanie Bischoff Iris Leisner-Ruppin 24 (Neue) sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung 1990er Jahre Herausbildung zweier theoretischer Zugänge zur neuen Kindheitssoziologie - Differenzierung nach Bühler-Niederberger (2011: 171f.; Heinzel, Kränzl-Nagl, Mierrendorf 2012) ▪ Kinder als (kompetente) Akteure→ beinhaltet ihre Perspektive und ihre Handlungen empirisch zu erfassen. (James/ Prout 1990) Konzept des „agency“ (Mayall 2000), das Bühler-Niederberger allerdings nicht als theoretisch eingebettet und als Konzept ausgearbeitet begreift (ebd. 172) ▪ Generationale Ordnung→ „generational order“ oder „generational ordering“ meint eine Asymmetrie, die mit Macht, Anerkennung, Wissen verbunden ist , damit auch nach Alanen (2005) ungleiche Teilhabe und ungleiches Handlungsvermögen, wobei auch hier die Perspektive der Kinder eingeholt werden sollte Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 25 Sozialwissenschaftliche/Erziehungswissenschaftliche Kindheitsforschung ▪ Kindheitsforschung stellt ein weites Forschungsgebiet dar, mit dem sich viele Disziplinen in ihrer jeweiligen Ausrichtung und Perspektive auf Kinder und Kindheit beschäftigen. ▪ Bedeutung des Generationenverhältnis – doing childhood, generationale Ordnung (Alanen 1997, Honig 1999, Ovortrup 2000) ▪ Kindheit wird als Konstrukt gesehen (Corsaro 2005, Kelle 2005), das abhängig von Gesellschaft und Kultur unterschiedlich konstruiert wird. ▪ Kindheit steht in den 1970er Jahren im Fokus, wie aktuell seit 2000 (PISA)und Diskurse zu „Guter Kindheit“ und soziale Herkunft Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 26 Kindheit in der Moderne Neil Postman (1987) DAS VERSCHWINDEN DER KINDHEIT Gute Kindheit? Digitale Kindheit? Murmelrunde Diskutieren Sie mit Ihrem Sitznachbar*innen, wie Sie Kindheit und das Aufwachsen in Renate Alf (2016): ErzieherInnen in Bestform der Moderne begreifen. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 27 Institutionalisierung von Kindheit (Zeiher 2009:106) ▪ 18. Jahrhundert → bildeten sich neue Organisationen der generationalen Ordnung heraus ▪ Lernen und Lohnarbeit wurden getrennt ▪ Erwerbsarbeit wurde zeitlich/räumlich vom Familienhaushalt getrennt ▪ → Privatisierung der Kernfamilie und Familisierung der Kindheit ▪ Schule und Familie verschiedene Institutionen ▪ Schule: formal organisiertes Zusammentreffen vieler Kinder ▪ Familie: Aufmerksamkeit für das einzelne Kind Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 28 Institutionalisierung von Kindheit (Zeiher 2009: 103) ▪ Herausbildung von Kindheit ist im Zusammenhang der Institutionalisierung des Lebenslaufs (Kohli 1985 ) zu sehen. ▪ Kindheit im Kontext der Institutionalisierung des Bildungswesens ▪ „[..] auch in den Lebensbedingungen und Lebensweisen der Kinder [können] Ambivalenzen, Widersprüche und Konflikte zwischen Standardisierung und Flexibilisierung, zwischen Institutionalisierung und Individualisierung [identifiziert werden], wie sie sich gegenwärtig im Lebenszeitregime und im Arbeitszeitregime der Erwachsenen beobachten [lassen]“? Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 29 Institutionalisierung von Kindheit (Zeiher 2009, 111) ▪ Außerschulische Bildungsbereich gewinnt für Kinder an Bedeutung (milieuabhängig) → Scholarisierung ▪ „mit der Familisierung der Kindheit haben staatliche Maßnahmen eine De- Familisierung der Kindheit bewirkt, indem Funktionen der generationalen Reproduktion zunehmend von der Familie zu staatlichen Institutionen transformiert wurden“. ▪ → Scholarisierung des Lernens ▪ → staatliche Kontrolle der elterlichen Sorge (Gesundheit – Entwicklung) ▪ → Institutionalisierung von Betreuungs- und Freizeitaktivitäten → Sozio-ökonomische Erwartungen an Bildungsinstitutionen und pädagogischen Konzepten Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 30 Vergesellschaftung von Kindheit (Zeiher 2009: 118/Decker-Peacmann et al. 2010: 29) Verlagerung von Aufgaben der Familie an formale Organisationen impliziert die Freisetzung von Kindern, so dass sie weniger der Institution der Familie unterworfen sind und direkte Bezüge zu Strukturen auf gesamtgesellschaftlichen Ebenen haben“. Kinder als Träger eigener Rechte (Kinderrechtskonvention der Vereinigten Nationen (1989) → Recht auf Bildung, Recht auf verlässliche Beziehungen, Selbstbestimmung, Partizipation, Gesundheit Institutionalisierung von Kindheit geht mit Individualisierung von Kindern einher. → soziale Herkunft und Chancengleichheit →frühe Betreuung in der Krippe WHO (Weltgesundheitsorganisation) klassifiziert Normen für die Gesundheit von Kindern (ISD 10) und führt damit zu einer weltweiten Normalisierung von Kindheit → Institutionalisierung von Diagnose- und Therapieverfahren Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 31 Vorstellung einer „guter Kindheit“ (Bühler- Niederberger 2020, S.4) in westlichen Gesellschaften im Sinne eines behüteten, geförderten Aufwachsens, was nach Bühler-Niederber (ebd.) ökonomische, kulturelle und soziale Kapitalien/Ressourcen fordert. Zwei Modelle Normatives Leitbild Politik und Experten von Kindheit in Gesellschaften Vorstellungen von „fifial piety“ (kindliche Pietät) in östlichen Gesellschaften (Asien, Afrika, teilweise Bühler-Niederberger (2020) Lateinamerika) meint den Respekt, Gehorsam und die Aufmerksamkeit gegenüber (alten) Eltern und (alten) Verwandten. Bühler-Niederberger (2020, S.6) zeigt auf, dass bereits Vorschulkinder (3-6J.) in Kirgistan in der Regel häusliche Aufgaben (Feuerholz suchen, auf Geschwister aufpassen, Wasser holen, Hilfe in der Küche) übernehmen. Bühler- Niederberger (2020: 8) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 33 VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 34 Literatur Alanen, L. (2005). Kindheit als generationales Konzept. In : Hengst, H./Zeiher. H. (Hg.) : Kindheit soziologisch. Wiesbaden: VS-Verlag. S.65-82. Bühler-Niederberger D.(2011). Lebensphase Kindheit. Theoretische Ansätze, Akteure und Handungsräume. Weinheim, München: Juventa. James, A./ Prout, A. (1990). Re-Presenting Childhood. Time and Transition in the Study of Childhood. In: James, A./ Prout, A. (Editor). Constructing and Reconstructing Childhood. London: Falmer Press. Mayall, B. (2000). The sociology of childhood in Relation to Children´s Rights. The international Journal of Children´s Rights. 8. S. 243-259. Kluge, N. (2006): Das Bild des Kindes in der Pädagogik der frühen Kindheit. In. Fried, L./ Roux, S. (Hrsg.) Pädagogik der frühen Kindheit. Handbuch und Nachschlagewerk. Berlin: Beltz-Verlag. S. 22-33 Zelle, H. (2009):Kindliche Entwicklungen und die Prävention von Entwicklungsstörrungen. Die frühe Kindheit im Fokus der childhood studies. In: Honig, M-S.(Hrsg.). Ordnungen der Kindheit. Problemstellungen und Perspektiven der Kindheitsforschung. Weinheim/ München: Juventa-Verlag. S. 79-102 Bamler, V. /Schönberger, I. / Wustmann, C. (2010): Lehrbuch der Elementarpädagogik. Theorien, Methoden und Arbeitsfelder.Prof. Dr.Weinheim/ München: Juventa-Verlag. Iris Leisner-Ruppin 35 Literatur De Mause, L. (1992): Evaluation der Kindheit. In: De Mause, L.(Hrsg.): Hört ihr die Kinder weinen. Frankfurt: Suhrkamp-Verlag. S.12-111 Liegle, L (2006): Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag Fölling-Albers, M. (2008): Kinder und Kindheit im Blick der Erziehungswissenschaften. In: Thole, R./ Roßbach, H-G./ Fölling-Albers, M./ Tippelt, R. (Hrsg.): Bildung und Kindheit. Pädagogik der frühen Kindheit in Wissenschaft und Lehre. Opladen/ Farmington Hills: Barbara Budrich-Verlag. S. 33-48 Schäfer, Gert (2008): Bildung in der frühen Kindheit. In: Thole, R./ Roßbach, H-G./ Fölling-Albers, M./ Tippelt, R. (Hrsg.): Bildung und Kindheit. Pädagogik der frühen Kindheit in Wissenschaft und Lehre. Opladen/ Farmington Hills: Barbara Budrich-Verlag. S. 125-140 Zeiher, H. (2009): Ambivalenzen und Widersprüche der Institutionalisierung von Kindheit. In: Honig, M-S.(Hrsg.). Ordnungen der Kindheit. Problemstellungen und Perspektiven der Kindheitsforschung. Weinheim/ München: Juventa-Verlag. S. 103-126 Hengst. H/ Zeiher, H.(Hrsg.)(2005): Kindheit soziologisch. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften. Drieschner, E. (2013): Kindheit in pädagogischen Schonräumen. Bilder einer Entwicklung. Baltmannweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 36

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