Stunden 3-4 - AB - Zur Lage der arbeitenden Klasse in England PDF
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This document is an academic assignment about the social and economic conditions of the working class in England. It outlines historical context and includes excerpts discussing working class experiences during the industrial era.
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LB1: Die Grundlegung einer modernen Gesellschaft in Wirtschaft u. Politik in Deutschland; Einblick gewinnen in die Vorreiterrolle Englands im Industrialisierungsprozess HA: Lesen...
LB1: Die Grundlegung einer modernen Gesellschaft in Wirtschaft u. Politik in Deutschland; Einblick gewinnen in die Vorreiterrolle Englands im Industrialisierungsprozess HA: Lesen Sie Lesen Sie den Artikel „Unternehmer und Antikapitalist“ vom 14.5.2021 zum 250. Geburtstag von R. Owen Zur Lage der arbeitenden Klasse in „England“ – wie gestalteten sich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Großbritannien? M1: Robert Owen über die Auswirkungen des Fabriksystems (1815) 1 Bisher scheint der Gesetzgeber die fabrikmäßige Fertigung nur unter einem Gesichtspunkt, als Quelle des Reichtums der Nation, betrachtet zu haben. Andere nachhaltige Folgen, die der Ausdehnung der Fabriken entspringen, wenn sie dem natürlichen Fortschritt überlassen bleibt, haben noch niemals die Aufmerksamkeit 5 irgendeiner Gesetzgebung erweckt. […] Aber dieses unbegrenzte Gewinnprinzip hat noch viel beklagenswerte Auswirkungen auf die arbeitenden Klassen, […] denn die Abbildung 1: Portrait of Robert Owen meisten Zweige sind mehr oder weniger nachteilig für die Gesundheit und die Moral der (1771 - 1858) by John Cranch, 1845. Erwachsenen. Dennoch zögern Eltern nicht, das Wohlergehen ihrer Kinder aufs Spiel zu setzen, wenn sie sie Tätigkeiten zuführen, durch die sie eine weit schlechtere seelische und körperliche Verfassung erhalten als sie in 10 einem System gemeinsamer Voraussicht und Menschlichkeit erhalten würden und sollten. In den Fabrikbezirken ist es üblich, dass Eltern ihre Kinder beider Geschlechter mit sieben oder acht Jahren, im Winter ebenso wie im Sommer, um sechs Uhr morgens, manchmal natürlich im Dunkeln und gelegentlich bei Schnee und Frost in Fabriken schicken, die oft überhitzt sind und ein Klima bieten, das weit davon entfernt ist, dem Leben der Menschen sehr gedeihlich zu sein, ein Klima, in dem alle dort Beschäftigten häufig bis zwölf Uhr mittags ihre 15 Arbeit fortsetzen müssen, und, nach einer für das Mittagessen zugebilligten Stunde zurückkommen müssen, um in den meisten Fällen bis acht Uhr spät zu bleiben. Die Kinder erfahren jetzt, dass sie unaufhörlich für ihre bloße Existenz arbeiten müssen; sie sind nicht an einen harmlosen, gesunden und vernünftigen Zeitvertreib gewöhnt worden, und wenn sie vorher diese Freude gewöhnt waren, wird ihnen jetzt die dafür erforderliche Zeit nicht gewährt. Sie wissen nicht, was Erholung wirklich bedeutet, nicht nur das tatsächliche Aufhören von Arbeit. […] 20 Von einem derartigen Erziehungssystem kann man nichts anderes erwarten, als dass es eine körperlich und geistig schwache Bevölkerungsgruppe zuwege bringt und seinem eigenen Wohl und dem Wohlergehen ihrer Umgebung zuwiderlaufende und stark darauf gerichtete Gewohnheiten, alle sozialen Neigungen zu unterdrücken. […] [S]olche Umstände […] [führen dazu] dem Menschen das Herz für seinen Mitmenschen zu nehmen oder Tyrannen und Sklaven heranzubilden. Der Beschäftiger betrachtet die Beschäftigten als bloße 25 Gewinninstrumente, während diese eine starke charakterliche Grausamkeit entwickeln, die früher oder später, falls nicht klug ersonnene gesetzliche Maßnahmen ihr Anwachsen verhindern und die Lage dieser Klasse verbessern helfen, das Land in einen fürchterlichen und vielleicht unaufhebbaren Zustand der Gefahr stürzen werden. M 2: Auszug aus Friedrich Engels – Die Lage der arbeitenden Klasse in England: nach eigener Anschauung und authentischen Quellen (1845) 2 Gehen wir indes zu einer detaillierteren Untersuchung des Zustandes über, in den der soziale Krieg die besitzlose Klasse versetzt. Sehn wir, was für Lohn denn eigentlich die Gesellschaft dem Arbeiter für seine Arbeit in Wohnung, Kleidung und Nahrung erstattet, welch eine Existenz sie denen gewährt, die das meiste zur Existenz der Gesellschaft beitragen; nehmen wir zuerst die Wohnungen vor. Jede große Stadt hat ein oder mehrere 5 „schlechte Viertel“, in denen sich die arbeitende Klasse zusammendrängt. Oft freilich wohnt die Armut in versteckten Gässchen dicht neben den Palästen der Reichen; aber im Allgemeinen hat man ihr ein apartes 3 Gebiet angewiesen, wo sie, aus den Augen der glücklicheren Klassen verbannt, sich mit sich selbst durchschlagen mag, so gut es geht. Diese schlechten Viertel sind in England in allen Städten ziemlich [ähnlich] eingerichtet - die schlechtesten Häuser in der schlechtesten Gegend der Stadt; meist zweistöckige oder einstöckige Ziegelgebäude 10 in langen Reihen, möglicherweise mit bewohnten Kellerräumen und fast überall unregelmäßig angelegt. Diese Häuschen von drei bis vier Zimmern und einer Küche werden Cottages genannt und sind in ganz England – einige Teile von London ausgenommen – die allgemeinen Wohnungen der arbeitenden Klasse. Die Straßen selbst sind gewöhnlich ungepflastert, höckerig, schmutzig, voll vegetabilischen und animalischen Abfalls, ohne 1 Robert Owen: Observations on the Effect of The Manufacturing System: With Hints for the Improvement of those Parts of lt Which are Most Injurious to health and Morals. Dedicated most respectfully to The British Legislature, London 1817. Zit. nach: Robert Owen: Eine neue Auffassung von der Gesellschaft. Ausgewählte Texte. Berlin, 1989. S. 119-123. 2 Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England : nach eigener Anschauung und authentischen Quellen. Bücherei des Marxismus-Leninismus, Bd. 30. Berlin, 1952. 2. Auflage. S. 58-60. 3 besonders reizvoll LB1: Die Grundlegung einer modernen Gesellschaft in Wirtschaft u. Politik in Deutschland; Einblick gewinnen in die Vorreiterrolle Englands im Industrialisierungsprozess Abzugskanäle oder Rinnsteine, dafür aber mit stehenden, stinkenden Pfützen versehen. Dazu wird die Ventilation 15 durch die schlechte, verworrene Bauart des ganzen Stadtviertels erschwert, und da hier viele Menschen auf einem kleinen Raume leben, so kann man sich leicht vorstellen, welche Luft in diesen Arbeiterbezirken herrscht. Die Straßen dienen überdies bei schönem Wetter als Trockenplatz; es werden von Haus zu Haus Leinen quer herüber gespannt und mit nasser Wäsche behangen. […] Da ist […]in London die berühmte „Rabenheckerei“ (rookery), St. Giles 4, […] Es ist eine unordentliche Masse von hohen, drei- bis vierstöckigen Häusern, mit engen, 20 krummen und schmutzigen Straßen, auf denen wenigstens ebenso viel Leben ist wie auf den Hauptrouten durch die Stadt, nur dass man in St. Giles bloß Leute aus der arbeitenden Klasse sieht. Auf den Straßen wird Markt gehalten, Körbe mit Gemüse und Obst, natürlich alles schlecht und kaum genießbar, verengen die Passage noch mehr, und von ihnen, wie von den Fleischerläden, geht ein abscheulicher Geruch aus. Die Häuser sind bewohnt vom Keller bis hart unters Dach, schmutzig von außen und innen, und sehn aus, dass kein Mensch drin wohnen 25 möchte. Das ist aber noch alles nichts gegen die Wohnungen in den engen Höfen und Gässchen zwischen den Straßen, in die man durch bedeckte Gänge zwischen den Häusern hineingeht und in denen der Schmutz und die Baufälligkeit alle Vorstellung übertrifft – fast keine ganze Fensterscheibe ist zu sehen, die Mauern bröcklig, die Türpfosten und Fensterrahmen zerbrochen und lose, die Türen von alten Brettern zusammengenagelt oder gar nicht vorhanden - hier in diesem Diebsviertel sogar sind keine Türen nötig, weil nichts zu stehlen ist. Haufen von 30 Schmutz und Asche liegen überall umher, und die vor die Tür geschütteten schmutzigen Flüssigkeiten sammeln sich in stinkenden Pfützen. Hier wohnen die Ärmsten der Armen, die am schlechtesten bezahlten Arbeiter mit Dieben, Gaunern und Opfern der Prostitution bunt durcheinander – die meisten sind Irländer oder Abkömmlinge von Irländern, und diejenigen, die selbst noch nicht in dem Strudel moralischer Verkommenheit, der sie umgibt, untergegangen sind, sinken doch täglich tiefer, verlieren täglich mehr und mehr die Kraft, den demoralisierenden 35 Einflüssen der Not, des Schmutzes und der schlechten Umgebung zu widerstehen. M3: Robert-Owens-Bildungsreform 5 Die Kernstücke von Owens Experiment in New Lanark waren sein 1816 fertiggestelltes „Institute for the Formation of Character“ und sein ein Jahr später fertiggestelltes Begleitgebäude, die „School for Children“. Owen glaubte, dass jeder Mensch ein Recht auf Bildung und Erholung habe und diese Gebäude wurden zu diesem Zweck genutzt. Unter der Leitung von Owen wurden Kinder, die zuvor in der Mühle gearbeitet hatten, zur Schule 5 geschickt und erhielten eine strukturierte Vollzeitausbildung. Kein Kind unter 10 Jahren durfte in den Mühlen arbeiten. Sobald die Dorfkinder laufen konnten, wurden sie in den Kindergarten gebracht, wo sie von zwei jungen Dorfmädchen betreut wurden. Dies bedeutete, dass ihre Mütter wieder arbeiten konnten, und der Prozess bildete effektiv die weltweit erste Kinderkrippe am Arbeitsplatz. Aus Owens Sicht war es umso besser, je früher die Kinder dem Einfluss ihrer Eltern entzogen waren, die nicht von seinem „rationalen Erziehungssystem“ 10 profitiert hatten! Im Alter von 3 bis 6 Jahren besuchten die Kinder die Grundschule, in der ihnen beigebracht wurde, zu teilen und freundlich zueinander zu sein. Im Alter von 7 Jahren besuchten sie die Junior School, wo Owen neben dem Verbot körperlicher Züchtigungen erwartete, dass der Unterricht und die Unterrichtsumgebung interessant und anregend sein würden. Musik und Tanz spielten eine wichtige Rolle in dem ebenfalls sehr abwechslungsreichen Lehrplan, der Naturkunde, Geschichte, Geographie und Kunst sowie 15 Lesen, Schreiben und Rechnen umfasste. Owen entwarf sogar eine Uniform für die Kinder – ein togaartiges Kleidungsstück aus weißer Baumwolle, das für die Kinder leicht und bequem zu tragen war und sich gut zum Tanzen und für körperliche Aktivitäten eignete. Arbeitsauftrag: 1. Benennen Sie die Probleme, mit denen vor allem die Frauen und Kinder in der Arbeit in der Baumwollspinnerei konfrontiert werden (Video; Folie Nr. 3)! 2. Arbeiten Sie die wesentlichen Auswirkungen des Fabriksystems (M1) heraus! 3. Setzen Sie sich mit den von Friedrich Engels beschriebenen Wohnbedingungen (M2) auseinander! Berücksichtigen Sie hierbei auch die in M1 beschriebene Arbeitssituation! 4. Entwickeln Sie anhand der aus M1 gewonnenen Erkenntnisse mögliche Motive für die von Owens forcierte Bildungsreform! 4 Stadtteil (Gebiet) Londons 5 Übersetz aus: https://www.newlanark.org/introducing-robert-owen (16.9.2021).