Geschichte und Klassiker der Pädagogik PDF

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This document explores the history and key figures in pedagogy, examining the philosophical underpinnings of education and the distinctions between different educational fields. It also discusses the historical development of pedagogy, summarizing prominent thinkers and their contributions.

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Geschichte und Klassiker der Pädagogik Lernziele Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … welche anthropologischen Wurzeln der Erziehung zugrunde liegen. welche Unterschiede die Begriffe Erziehungswissenschaft und Pädagogik markieren. welche historische Entwicklung die Päd...

Geschichte und Klassiker der Pädagogik Lernziele Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … welche anthropologischen Wurzeln der Erziehung zugrunde liegen. welche Unterschiede die Begriffe Erziehungswissenschaft und Pädagogik markieren. welche historische Entwicklung die Pädagogik prägt. welche Klassiker den pädagogischen Kern maßgeblich beeinflussten. Aus der Praxis Beim gemeinsamen Sonntagsessen bei Familie Schmidt empört sich die mittlerweile 98-jährige Urgroßmutter wieder einmal: „Ihr wart doch bereits im fünften Schuljahr ständig mit Max beim Lehrergespräch. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Lehrer heutzutage nicht einfach mal tätig werden. Es kann doch nicht möglich sein, dass es heutzutage keinen Respekt mehr gegenüber Erwachsenen gibt. Also damals zu meiner Schulzeit war das ganz anders.“ Die Mutter von Max reagiert leicht verstimmt: „Ja, das war einfach eine andere Zeit. Das kannst du nicht mit heute vergleichen und ich verstehe Max da ein Stück weit.“ Begründen lässt sich diese hier angedeutete Meinungsverschiedenheit beispielsweise durch die Vielzahl an Erziehungsmethoden innerhalb der jeweiligen Generationen. Auch geht es hierbei um die grundlegende Frage in Bezug auf das vorherrschende Menschenbild. Welches Bild vom Kind hat die Urgroßmutter? Welche Schlussfolgerungen für Erziehungsschritte leitet sie daraus ab? Dieses Beispiel zeigt auf, dass sich das Verständnis von Erziehung bereits innerhalb kurz aufeinander folgender Generationen stark voneinander unterscheiden kann. Um die eigene pädagogische Haltung zu reflektieren, ist ein historischer Abriss zur Entwicklung der Pädagogik notwendig. Erkenntnisleitende Fragen dieser Lektion sind folglich: Welchen Vorteil hat eine historische Reflexion für die pädagogische Praxis? Welche Vertreter beeinflussen pädagogische Konzepte bis heute? Kann es überhaupt einen Unterschied zwischen Erziehungswissenschaft und Pädagogik geben? Anthropologische Grundlagen Ausgangspunkt einer jeden Diskussion im Kontext von Pädagogik und Erziehungswissenschaft ist der Mensch. Folglich ist eine Auseinandersetzung mit anthropologischen Grundlagen unabdingbar. Die Anthropologie wird als Lehre vom Menschen bezeichnet, welche der Frage nach dem eigentlichen Sein des Menschen nachgeht (vgl. Böhm/Seichter 2018, S. 35; Gudjons/Traub 2016, S. 183). Dabei beschäftigen sich unterschiedliche Disziplinen – wie beispielsweise die Medizin, die Philosophie oder die Psychologie – aus ihrer eigenen Perspektive mit dieser grundsätzlichen Frage über den Menschen selbst. Immanuel Kant (1798) unterschied erstmalig explizit zwischen philosophischer und physiologischer Anthropologie: „Während die physiologische Anthropologie dem Wesen des Menschen mit einem naturwissenschaftlichen Interesse auf den Grund gehen will, befasst sich die pragmatische Anthropologie mit der philosophischen Frage nach dem Wesen des Menschen, das sich grundsätzlich vom Tier unterscheide“ (Seel/Hanke 2015b, S. 312). Nach Kant besteht der wesentliche Unterschied zwischen Tier und Mensch darin, dass zuletzt genannter über Vernunft verfüge und sich aus diesem Grund „in der Gesellschaft kultivieren und Moralität entwickeln“ (ebd.) könne. Erziehungsbedürftigkeit des Menschen Immanuel Kant begründete die Erziehungsbedürftigkeiteines jeden Menschen. Unter Anbetracht dieser Tatsache in Bezug auf das Wesen des Menschen kennzeichnet das einen weiteren Unterschied zu Tieren. Erziehung hängt unmittelbar mit dem Menschsein zusammen: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht“ (Kant 1798, zit. n. Koller 2017, S. 32). Dies kennzeichnet einen Grundgedanken des 18. Jahrhunderts, des sogenannten pädagogischen Jahrhunderts. Es dominierte die Auffassung, dass Erziehung dazu diene, den Menschen überhaupt erst machbar machen zu können (vgl. Helsper 2010a, S. 16). Man fragt sich an dieser Stelle vielleicht, warum der Philosoph Immanuel Kant in einem pädagogischen Abriss thematisiert wird. Pädagogik wurde lange Zeit als Teilbereich der Philosophie betrachtet. Kant war als Professor der Philosophie an der Universität Königsberg dazu angehalten, in regelmäßigen Abständen auch Vorlesungen zu pädagogischen Themen zu halten. Im Jahr 1779 wurde die erste deutsche Professur für Pädagogik an der Universität von Halle vergeben, wodurch eine eigene Entwicklungslinie initiiert wurde (vgl. Koller 2017, S. 31). Mensch als Mängel- und Kulturwesen Ähnlich wie Kant konstatierte der Kultursoziologe Arnold Gehlen, dass das Tier im Gegensatz zum Menschen über Instinkte verfüge, welche einerseits als „Flucht- oder Schutzorgane“ (Gehlen 1961, zit. n. Gudjons/Traub 2016, S. 184) fungierten, gleichzeitig aber ebenfalls ihr Verhalten determinierten. Menschen haben deshalb die Möglichkeit, sich frei zu entwickeln. Dies bringt einen wesentlichen Nachteil, welcher bereits von Immanuel Kant geäußert wurde, mit sich. So gilt, dass diese dem Menschen zur Verfügung stehende Freiheit ferner mit einer gewissen Hilflosigkeit in Verbindung steht. Letzteres führt zu einer direkten Abhängigkeit von anderen Personen (vgl. Koller 2017, S. 32). Dies bedeutet, dass aus anthropologischer Sicht ein Überleben des Säuglings beziehungsweise des Kleinkindes ohne die Erziehung von anderen Menschen nicht möglich wäre. Gleichzeitig ergibt sich daraus nach Arnold Gehlen der Vorteil, dass sich der Mensch an die unterschiedlichsten Rahmenbedingungen seiner unmittelbaren Umwelt beziehungsweise Kultur anpassen kann. Er bezeichnete den Menschen als Mängelwesen und bezog sich dabei vor allem auf die Ausstattung der Tiere mit Instinkten, welche für deren sämtliche Verhaltensweisen ausschlaggebend seien und dem Menschen fehlen würden. Aus eben diesen Gründen bezeichnete Arnold Gehlen den Menschen als Kulturwesen, welches erzogen werden müsse (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 186). Mensch als physiologische Frühgeburt Im Zusammenhang mit der menschlichen Erziehungsbedürftigkeit prägt eine weitere These die Fachdiskussion. Der Zoologe Adolf Portmann beschreibt den Menschen als „physiologische Frühgeburt“ (Portmann 1951, zit. n. Gudjons/Traub 2016, S. 184) Er begründet dies damit, dass der Nachwuchs von Menschen im Vergleich zu Tieren nach der Geburt sehr lange braucht, um notwendige Grundkompetenzen, wie beispielsweise Laufen oder Stehen, zu beherrschen. Kennzeichnend ist an dieser Stelle das Wachstum des menschlichen Gehirns im Verlauf der Kindheit bis zum Erwachsenenalter auf das Vierfache (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 185). Ausgehend von dieser These beschreibt Adolf Portmann den Menschen als weltoffenes Wesen, welches sich frei entscheiden kann. Beide Merkmale kennzeichnen die Unterschiede zu Tieren und geben gleichzeitig Anhaltspunkte dafür, dass der Mensch extrem lernfähig ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es zur gezielten Förderung seitens Erwachsener kommt (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 185). Beide zuletzt von Adolf Portmann aufgeführten Merkmale sind dem Begriff der Erziehungsbedürftigkeit unterzuordnen. Spätere Auffassungen der philosophischen Anthropologie Zu einem späteren Zeitpunkt wurden ausgewählte biologische Aspekte dieser anthropologischen Grundfrage aus philosophischer Sicht erneut aufgegriffen. Exemplarisch seien zwei Beispiele angeführt. So bezeichnete beispielsweise Max Scheler (1928) den Menschen als „Geistwesen“, welches sich durch drei zentrale Merkmale auszeichne (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 187): umweltfrei, weltoffen und selbstbewusst. Nach Max Scheler wird der Mensch entsprechend nicht von seiner unmittelbaren Umwelt, wie beispielsweise den Erziehenden, beeinflusst und entwickelt sich unabhängig von angeborenen Trieben. Helmuth Plessner (1975) geht in seinen Arbeiten noch etwas weiter. Er bezeichnete den Menschen als reflexives Wesen. Das bedeutet, dass der Mensch dazu in der Lage ist, sich selbst zu betrachten und gleichzeitig sein eigenes „Ich“ zu definieren. Aus diesem Grund nehme der Mensch im Vergleich zu anderen naturgegebenen Lebewesen eine übergeordnete Stellung ein. Gemeint ist, dass sich der Mensch aufgrund seiner selbstreflexiven Fähigkeiten nicht mit anderen Lebewesen vergleichen lässt. Er hat damit eine übergeordnete Stellung inne (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 187). Übungsaufgaben – Ergebnis Super, Tanja! Weiter so! 1 von 1 Punkten (100%) Übungsaufgaben abgeschlossen! start quiz icon Wiederholen Erziehungswissenschaft oder Pädagogik? In Deutschland können sich Studierende mit unterschiedlichen pädagogischen Fragestellungen auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigen. Bei einer Recherche zu potenziellen Studiengängen an verschiedenen Hochschulen zeigt sich dann häufig, dass verschiedene Begriffe zur Bezeichnung von Studiengängen und -fächern genutzt werden: Pädagogik, Erziehungswissenschaft und Bildungswissenschaften. Absolventen des Studienganges Erziehungswissenschaft lesen auf ihrem Abschlusszeugnis, dass sie nun examinierte Pädagoginnen und Pädagogen sind. Einstige Institute für Erziehungswissenschaft wurden im Verlauf der vergangenen Jahre vereinzelt umbenannt und heißen heute beispielsweise „Institut für Bildungswissenschaften“ oder „Institut für lebenslanges Lernen“. Andere wiederum haben ihren Namen beibehalten (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 21). Angemerkt sei, dass der Begriff „Bildungswissenschaften“ im Plural verwendet wird. Hinzu kommt, dass sogar in pädagogischen Fachdiskursen die drei genannten Begrifflichkeiten vereinzelt als Synonyme verwendet werden. Im Folgenden werden die drei Bezeichnungen analysiert. Pädagogik In der Vergangenheit wurde mit dem Begriff „Pädagogik“ die Erziehungspraxis beziehungsweise die Ausbildung in diesem Bereich beschrieben (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 21). Das oben aufgeführte Beispiel mit Abschlusszeugnissen von Hochschulen zeigt, dass bis dato historische Spuren dieser Art zu beobachten sind. Dies bedeutet, dass, sobald Studierende ein Studium der Erziehungswissenschaft abgeschlossen haben, dazu ausgebildet sind, dieses theoretische Wissen in der Praxis gezielt und reflektiert einzusetzen. Nach Gudjons/Traub (2016, S. 21) steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen Theorie und Praxis im Mittelpunkt des Diskurses. Anders ausgedrückt soll durch die Beschreibung des Verhältnisses zwischen pädagogischem Handeln und wissenschaftlicher Theorie geklärt werden, welchen Wissenschaftscharakter das Fach Pädagogik aufweist. Erziehungswissenschaft Im Kontext der Etablierung der Erziehungswissenschaft an deutschen Hochschulen wurde dieser Begriff seit dem Ersten Weltkrieg, vor allem aber ab den 1960er- und 1970er-Jahren verstärkt eingesetzt, um den wissenschaftlichen Charakter dieser bis dato noch relativ jungen Disziplin zu betonen. Gleichzeitig gab es einzelne Hochschulen (z. B. Frankfurt am Main), die diesen Begriff ebenfalls in den Plural setzten, um die verschiedenen Strömungen innerhalb der Erziehungswissenschaft zu unterstreichen. In der Gegenwart zeichnet sich vermehrt ab, dass die Begriffe Pädagogik und Erziehungswissenschaft als Synonyme genutzt werden (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 21). Bildungswissenschaften In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Kontext der Etablierung neuer Studiengänge die Bezeichnungen universitärer Institute vorgenommen. Da es sich vielfach um den interdisziplinären Zusammenschluss verschiedener Disziplinen handelte, wurde der Begriff „Bildungswissenschaften“ eingesetzt. Der kleinste gemeinsame Nenner dieser vereinten Disziplinen stellt das Hauptthema – die Bildung – in den Mittelpunkt der Betrachtung, welche je nach disziplinärer Ausrichtung beispielsweise aus soziologischer bzw. philosophischer Perspektive erfolgt. Darüber hinaus geht es um die klare Hervorhebung der Eigenschaften „der Fragestellung, der Methoden und der Untersuchungsgegenstände im Hinblick auf ganzheitliche, individuelle Bildung“ (Gudjons/Traub 2016, S. 21). Darüber hinaus beschreiben Gudjons/Traub (vgl. ebd., S. 20), dass an allen Universitäten Deutschlands starke Modifizierungen zu beobachten sind, welche aufgrund der Bologna-Vereinbarungen zur europaweiten Vereinheitlichung und gegenseitigen Anerkennung von Studiengängen zutage traten. Ewald Terhart (2012) zeigt in seinem Aufsatz unter anderem parallele Entwicklungslinien der Transformation von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft auf. Nun, im 21. Jahrhundert, zeigt sich eine Entwicklung hin zu den Bildungswissenschaften. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Bologna verfasste Dieter Lenzen (2014). Gliederung der Erziehungswissenschaft Grundsätzlich gilt anzumerken, dass es heute nicht möglich ist, den Bereich der Erziehungswissenschaft für Deutschland mithilfe einer einzigen Übersicht darzustellen. Aufgrund der steten Weiterentwicklung dieses Faches zeichnet sich vielmehr ein heterogenes Bild ab. Dies lässt sich einerseits darauf zurückführen, dass an deutschen Hochschulen eine unterschiedliche Gliederung der Erziehungswissenschaft vorgenommen wird. In den meisten Fällen basiert diese auf den in den jeweiligen Fakultäten existierenden Arbeitsbereichen. Andererseits handelt es sich bei der Erziehungswissenschaft um ein relativ junges Fach. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Vergleich mit Philosophie oder Medizin erfolgt. Hinzu kommt die Tatsache, dass erziehungswissenschaftliche Teildisziplinen ab Ende der 1960er-Jahre stark expandierten. Plötzlich stieg der Ausbildungsbedarf an Universitäten enorm an. Diese Vorgänge waren die Antwort auf damalige gesellschaftliche Problemlagen (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 20). Einen Überblick zur damaligen Situation in Deutschland gibt beispielsweise Klaus-Peter Horn (2003). Ein Versuch der Gliederung Der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen beschreibt die hier skizzierte Situation wie folgt: „Die Erziehungswissenschaft gliedert sich heute in verschiedene Einzeldisziplinen, die nur mehr durch das lockere Band eines gemeinsamen Namens zusammengehalten werden“ (Lenzen 2005, S. 1232). In diesem Zitat sind zwei wichtige Aspekte enthalten. Einerseits stellt der Begriff der Erziehungswissenschaft eine Art Kategorie für verschiedene Einzeldisziplinen dar. Andererseits existiert dieser Begriff lediglich im Singular. In der nachfolgenden Abbildung ist eine Auswahl wichtiger erziehungswissenschaftlicher Einzeldisziplinen aufgeführt. Abbildung 1: Gliederung der Erziehungswissenschaft Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2019 in Anlehnung an Lenzen 2005, zit. n. Gudjons/Traub 2016, S. 22ff. Die genannten Ebenen werden nachfolgend näher beschrieben: Subdisziplinen: In der ersten Ebene verortet Lenzen die Allgemeine, Historische und Vergleichende Pädagogik. Ebenso aufgeführt werden die Sozialpädagogik, die Sonderpädagogik und die Erwachsenenpädagogik. Weitere Elemente stellen sowohl die Vorschul- und Schulpädagogik als auch die Berufs- und Wirtschaftspädagogik dar. Jede Subdisziplin lässt sich darüber hinaus in einzelne Arbeitsbereiche differenzieren, welche teilweise an deutschen Hochschulen sehr gut etabliert sind (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 24). So gehören Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit zur Subdisziplin der Sozialpädagogik. Innerhalb der Sonderpädagogik wird nach den jeweiligen Förderschwerpunkten unterschieden. Auch innerhalb der Erwachsenenbildung kann eine Differenzierung, beispielsweise in berufliche Rehabilitation und Weiterbildung, vorgenommen werden. Trotz charakteristischer Unterschiede werden alle Subdisziplinen der Erziehungswissenschaft von drei weiteren Elementen beeinflusst (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 23): verwandte Disziplinen: Pädagogische Psychologie, Pädagogische Soziologie, Fachdidaktiken etc.; Ansätze, Konzepte, Positionen: geisteswissenschaftliche Pädagogik, empirische Pädagogik, kritische Pädagogik, psychoanalytische Erziehungswissenschaft etc.; pädagogische Lehren: Montessoripädagogik, Freinet-Pädagogik, Waldorfpädagogik, Sozialistische Pädagogik, Antiautoritäre Pädagogik, etc. Ausgehend von dieser Gliederung lässt sich exemplarisch ableiten, dass pädagogische Konzepte, wie beispielsweise die geisteswissenschaftliche oder die empirische Pädagogik, jeweils die verschiedenen Subdisziplinen beeinflussten. Dies gilt ebenso für verwandte Disziplinen und die verschiedenen pädagogischen Lehren. Letztere sind dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig nach dem Initiator, wie Maria Montessori oder Rudolf Steiner – beides reformpädagogische Vertreter –, benannt wurden. Beispielsweise lassen sich Elemente der Montessoripädagogik in sonderpädagogischen, aber auch in sozialpädagogischen Bereichen identifizieren. Gleichzeitig beeinflussen diese pädagogischen Lehren de facto die nachfolgend aufgeführten Fachrichtungen der Erziehungswissenschaft. Fachrichtungen: In der zweiten Ebene aufgeführt sind jene „Fachrichtungen, die als Spezialisierungsversuche noch nicht den Charakter einer Subdisziplin erreicht haben“ (Gudjons/Traub 2016, S. 24). Zu diesen Fachrichtungen gehören beispielsweise: Interkulturelle Pädagogik, Medienpädagogik, Umweltpädagogik, Kulturpädagogik, Freizeitpädagogik, Betriebspädagogik, Friedenspädagogik und Sexualpädagogik. Praxisfelder: Es ist kennzeichnend für folgende, in der dritten Ebene aufgeführten Praxisfelder, dass der jeweilige fachliche Fokus bereits aus dem Oberbegriff entnommen werden kann: Friedenserziehung, Gesundheitserziehung und Umwelterziehung. Übungsaufgaben – Ergebnis Super, Tanja! Weiter so! 1 von 1 Punkten (100%) Übungsaufgaben abgeschlossen! start quiz icon Wiederholen Geschichte der Pädagogik Historische Abrisse zu pädagogischen Themen beginnen meist ab der Antike, da das damalige Bildungsverständnis auch neuzeitliche Ideen beeinflusste. Dies ist insofern interessant, da es sich hierbei um einen zeitlichen Rahmen von circa 2.000 Jahren handelt. Erziehung und Bildung stellten vereint in dem Begriff paideia das Fundament der griechischen Antike dar, welches zwei verschiedene Absichten verfolgte: Einerseits wurde beabsichtig, durch Erziehung und Bildung praktische Lebensformen zu vermitteln; andererseits ging es ebenso um ein philosophisch aufgegriffenes Bildungsziel, welches geradezu ein Ideal von Bildung und Erziehung anstrebte. Platon (427–347 v. Chr.) beschrieb in seinen Hauptwerken das Bildungsideal, welches sich an die gesellschaftliche Elite richtete (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 79). Daraus geht hervor, dass in dieser Zeit ein organisiertes öffentliches Schulwesen, wie es heute bekannt ist, nicht existierte. Wohl aber gab es bereits unterschiedliche Bildungseinrichtungen anderer Art (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 77ff.): antikes Griechenland: private Schulen für freie Bürger und Jungen; Hellenismus (Griechenland): ab ca. 300 v. Chr. gingen fast alle Kinder, unabhängig vom Geschlecht, in eine Schule; römische Gesellschaft (Oberschicht): elementare Lese- und Schreibschulen, Grammatikschulen (weiterführend), abschließender Rhetorikkurs. In der nachfolgenden Tabelle ist das römische Bildungssystem abgebildet. Interessant ist, dass bereits zu jenem Zeitpunkt eine Gliederung des Bildungssystems stattfand. Man kann Parallelen zum heutigen Schulsystem entdecken. Auch einige, bereits damals genutzte schulische Utensilien kommen noch heute in allgemeinbildenden Schulen zum Einsatz. Hierzu gehört beispielsweise eine Rechenhilfe, der sogenannte römische Abakus. Tabelle 1: Römisches Bildungssystem Table Preview Quelle: Marrou 1957, zit. n. Seel/Hanke 2015c, S. 182. Ein Vergleich der frühen griechischen und römischen Bildung zeigt, dass es in Griechenland vorrangig um die freie Entwicklung der sowohl musischen als auch philosophisch-theoretischen Bildung ging. Demgegenüber stand bei den Römern eine eher praktische Orientierung im Vordergrund (vgl. Seel/Hanke 2015c). Die weitere Entwicklung pädagogischer Themen wird in Lehrbüchern in großzügigen Epochen vorgenommen. Die nachfolgende Betrachtung ist angelehnt an Gudjons/Traub (2016, S. 77ff.) und Seel/Hanke (2015c). Epoche 1: vom Mittelalter zur Moderne (Renaissance) Ab der Zeit des Mittelalters zählten lediglich Kleriker zur Zielgruppe von Bildungsangeboten. Als Kleriker wird der kirchliche Nachwuchs bezeichnet. Dies bedeutet, dass der einfache Bürger keinen Zugang zur Bildung hatte, denn Grundlage allen Bildungsdenkens war eine kontinuierliche Bindung an Gott (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 79). Kennzeichnend für diese Epoche ist, dass einige Lehrbücher über einige Jahrhunderte hinweg unverändert in Gebrauch waren. Dies bedeutet, dass sämtliches zur Verfügung stehendes Wissen ab einem bestimmten Zeitpunkt bekannt war. Selbst die Lehre wurde während der Zeit des Mittelalters durch die Kleriker übernommen. Grundlage für den Unterricht waren die sieben freien Künste (Septem Artes liberales) (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 80): Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. Unabhängig davon standen sowohl auf Ebene der Erziehung als auch des Unterrichts die „Einübung und christliche Nachfolge an“ (Gudjons/Traub 2016, S. 80). Renaissance und Moderne Die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts wird als Renaissance bezeichnet. Sie gilt als Vorbereitung der Moderne (ab 1750) (Gudjons/Traub 2016, S. 82). Der Begriff „Renaissance“ bezieht sich dabei vor allem auf die Kunstepoche. Zu den Künstlern der Renaissance zählen beispielsweise Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Raffael und Michelangelo. Kennzeichnend für die Phase ist, dass es aus pädagogischer Sicht zu einer fundamentalen Wende kam. So wurde begonnen, die Welt und den Menschen nicht mehr nur aus mythologischer Perspektive zu betrachten; vielmehr wurden beide als „Produkt einer eigenen Praxis“ (Seel/Hanke 2015c, S. 213) begriffen. Damit ging die Trennung zwischen dem Glauben und dem Wissen einher. In der Praxis wurde dies dadurch unterstützt, dass man ab der Zeit der Moderne kontinuierlich zwischen Klerikern und Gelehrten unterschied. Letzteren oblagen Bildungs- und Erziehungsaufgaben. Kennzeichnend war zudem, dass es zur Anerkennung verschiedener Varianten von Erziehung kam, welche in enger Verbindung mit verschiedenen Lebensformen standen. Dennoch liegen heute keine Kenntnisse darüber vor, wie genau die Erziehungspraxis während dieser Zeit in den Familien beziehungsweise in verschiedenen Gesellschaften ausgesehen hat (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 81f.). Ab dem 17. Jahrhundert sind erste Kennzeichen dafür erkennbar, was heutzutage als moderne Erziehung bezeichnet werden würde. Erstmalig wurden Kinder in ihrem Sein beobachtet. Dadurch entwickelte sich ein neues Verständnis über den spezifischen Ablauf der kindlichen Entwicklung. Darüber hinaus wurden in dieser Zeit erstmalig Vermutungen eines möglichen Zusammenhangs zwischen Entwicklungsphasen während der Kindheit und späteren Merkmalen der kindlichen Persönlichkeit geäußert (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 82). Folglich lassen sich bereits im 17. Jahrhundert erste Entwicklungslinien zur gezielten Beobachtung in der frühen Kindheit skizzieren. Wichtige Pädagogen wie beispielsweise Johann Amos Comenius (1592–1670) oder später Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) nahmen diese innovativen Gedanken in ihren Schriften auf und entwickelten sie weiter. Letzterer gilt schließlich als repräsentativ für die nachfolgende zweite Epoche (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 87). Epoche 2: Aufklärung Es ist kennzeichnend für die Zeit der Aufklärung, das sogenannte pädagogische Jahrhundert, dass die Werke renommierter Pädagogen nicht ausschließlich die Pädagogik auf professioneller Ebene modifizierten. Vielmehr veränderte sich darüber hinaus die Erziehung im Kontext der Familie bzw. im Elternhaus. So war die Beziehung zwischen Eltern und Kindern nicht mehr geprägt vom Diktat des Befehls oder des Gehorsams (vgl. Groppe 2006, S. 46). Große Denker der Epoche wie Friedrich Wilhelm August Fröbel, Johann Heinrich Pestalozzi oder Jean-Jacques Rousseau stellten das „als ‚richtig’ geltende Bild“ (Niesel/Griebel 2015, S. 36) vom Kind immer wieder infrage. Dabei dominierten folgende Grundgedanken zur Erziehung im pädagogischen Jahrhundert (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 85): Der Mensch ist verantwortlich für Erziehung: Dies war ein wesentlicher Impulsgeber für die Gründung des ersten Lehrstuhls für Pädagogik im Jahr 1779 in Halle, der durch Ernst Christian Trapp als Professor vertreten wurde. Das Leben und die Erziehung bedingen sich gegenseitig: Um am echten Leben teilhaben zu können, bedarf es einer Erziehung. Neben theoretischen Inhalten aus der Literatur ist eine „Leibes-, Handfertigkeits- und Charakterschulung“ (vgl. ebd.) notwendig. Es ist möglich, die eine richtige Methode für korrekte Erziehung zu identifizieren: Richtungsweisend für erzieherische Maßnahmen war die Natur des Menschen und damit die didaktischen Ansätze von Johann Amos Comenius. Erziehung ermöglicht einen Raum, wo das Kind als Kind gesehen werden kann: Dieser aufklärerische Grundgedanke unterstreicht, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, sondern über das sogenannte „Eigenrecht“ verfügen (vgl. ebd.). Dies wurde später von Rousseau als These ausgesprochen. Die Schulpflicht ergibt sich aus der menschlichen Erziehungsbedürftigkeit: Es dominierte die Annahme, dass jeder Mensch ohne Ausnahme einer Erziehung bedarf. Vertreter der Aufklärung betonten, dass diese niemandem vorenthalten werden darf. Schließlich brachte die Schulpflicht den Vorteil mit sich, dass Kinderarbeit in industriellen Zweigen zahlreicher Städte unterbunden wurde. Beispielsweise wurde die Schulpflicht 1619 in Weimar und 1640 in Gotha eingeführt (vgl. ebd.). Die kirchliche Bevormundung der Schule wurde unterbunden: Damit erlangte die Schule mehr Autonomie in Bezug auf die vermittelten Inhalte. Epoche 3: Deutsche Klassik Die Zeit der Deutschen Klassik (1800–1900) spielt für die Pädagogik eine sehr wichtige Rolle, da in keiner anderen Phase so viele fachspezifische Denker zeitgleich agierten wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hierzu gehörten beispielsweise (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 93): Friedrich Schiller (1795 veröffentlicht in Böhm 1927), Johann Friedrich Herbart (1802 veröffentlicht in Benner 1997), Friedrich Wilhelm August Fröbel (1826 veröffentlicht in Hoffmann 1982), Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1820/1826 thematisiert in Böhm/Schiefelbein/Seichter 2018), Johann Gottlieb Fichte (1978) und Johann Wolfgang von Goethe (thematisiert von Flitner 1948). Carola Groppe (2006) bezeichnet die aufgeführten Klassiker als „Protagonisten der neuen Bildungstheorie“ (S. 47). Dabei betont die Autorin, dass der Erziehungsbegriff nur noch in Bezugnahme auf ausgewählte Settings zum Einsatz kam. Dies war genau dann der Fall, wenn es um explizit beschriebene erzieherische Aufgaben oder Handlungen ging. Konkret gemeint ist, dass freie Bildungsprozesse ermöglicht und gleichzeitig gefördert werden sollten (vgl. Groppe 2006). Damit wurde der Begriff der Erziehung erstmals durch den der Bildung ersetzt. Nach Groppe wird in diesem Transformationsprozess gleichzeitig das veränderte Verhältnis zwischen dem Individuum und der Gesellschaft deutlich. Verdeutlicht werden soll diese nun veränderte Perspektive anhand eines bekannten Ausschnittes eines Aufsatzes von Johann Gottlieb Fichte (1978, S. 29): „Es ist vergebens zu sagen, fliege – dem der keine Flügel hat, und er wird durch all deinen Ermahnungen nie zwei Schritte über den Boden emporkommen; aber entwickle, wen [sic!] du kannst, seine geistigen Schwungfedern, und lasse ihn dieselben üben, und kräftig machen, und er wird ohne alle dein Ermahnen gar nichts anders mehr wollen, oder können, denn fliegen“. Damit geht es um die individuellen Voraussetzungen eines jeden Menschen, die er mitbringt. Ausgehend davon zielt Bildung darauf ab, die Persönlichkeit als Ganzes weiterzuentwickeln (vgl.Groppe 2006). Wilhelm von Humboldt (1980) beschreibt, dass der neue Bildungsbegriff mit einer Neubewertung des Individuums, das nun nicht mehr primär als Gemeinschaftswesen betrachtet wurde, sondern dem als freiem Einzelwesen ein Eigenwert zukam, gleichzusetzen sei. Epoche 4: Der Protest – die Reformpädagogik Zwischen 1900 und 1933 ist diese vierte Epoche zu verorten. Häufig wird der Protest dieser Zeit als ein Streben gegen den extrem formalen Unterricht seitens der Herbartianer beschrieben. Als Begründung führen Gudjons/Traub (2016, S. 101) an, dass die gesamte schulische Bildung, nachdem sie sich etabliert hatte, sich gleichzeitig während der Zeit deutscher Klassiker auch zunehmend verfestigte. Gemeint ist damit, dass kein Raum für individuelle Entfaltung mehr zur Verfügung stand. Schule „machte satt, anstatt auf Bildung hungrig zu machen“ (Lichtwark, zit. n. Gudjons/Traub 2016, S. 101). Alfred Lichtwark initiierte die Kunsterziehungsbewegung von Hamburg aus. Im Vordergrund standen die Einzigartigkeit und gleichzeitig sowohl die Fantasie als auch das individuelle Empfinden beziehungsweise Präsentieren (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 106). Weiterführend kann jedoch nicht von der einen reformpädagogischen Bewegung die Rede sein, denn sie gleicht einem breiten Flickenteppich verschiedener, theoretischer Elemente, die sich zudem auch auf politischer Ebene als extrem heterogen erweisen. Schließlich fehlt auch auf pädagogischer Ebene eine Konstante. Gerade Letzteres lässt sich vor allem damit begründen, dass zahlreiche US-amerikanische Grundideen in die reformpädagogische Weiterentwicklung Deutschlands eingeflossen sind. Darüber hinaus zeichneten sich Reformpädagogen bereits damals durch ihre internationale Netzwerktätigkeit aus. Dennoch gilt zu unterstreichen, dass reformpädagogische Ideennoch heute von höchster Bedeutung sind, weil bis dato ähnliche, grundlegende Fragen im pädagogischen Kontext diskutiert werden (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 101f.). Zu den reformpädagogischen Alternativen bzw. Ideen zählen damals wie heute: offener Unterricht, Öffnung der Schule, Projektarbeit und Förderung sozialer Kompetenz. Ausgehend von den Grundideen der reformpädagogischen Bewegung gilt, ab sofort eine Trennung von Lernen und Leben zu vermeiden und stattdessen beide Prozesse als Einheit zu betrachten (Seel/Hanke 2015c, S. 271). Ein erster Versuch der systematischen Analyse und eines Resümees ist im Handbuch der Pädagogik von Nohl/Pallat (1928–1933) zu finden. Zu den bedeutende Reformpädagogen dieser vierten Epoche, welche unter anderem an den zahlreichen Schulneugründungen beteiligt waren (vgl. auch Seel/Hanke 2015c, S. 271ff.), zählen beispielsweise: Ellen Key (Das Jahrhundert des Kindes – 1900 erschienen): Sie „forderte radikal vom Kind her zu denken“ (Gudjons/Traub 2016, S. 104). Berthold Otto (Berliner „freiheitlichste Schule der Welt“): „Bildung sollte erfolgen auf der Grundlage dessen, was die Kinder wirklich selber fragten, ohne Zwang“ (ebd.). Georg Kerschensteiner (München): Er kombinierte Elemente wie „Selbständigkeit [sic!], praktisches Tun und geistige Leistungen, Lernen an der Sache, Selbstüberprüfung des Erfolgs statt sachfremder Zensuren, Praxis und fachliches Wissen, ethische Ziele“ (ebd.). Hugo Gaudig: Er prägte die Arbeitsschulbewegung von Leipzig aus (vgl. ebd., S. 105). Epoche 5: Neuzeit Pädagogik zwischen 1933 und 1945 Es ist nicht angemessen, die Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) in Deutschland als eine Epoche der Pädagogik zu beschreiben. Vielmehr ordnen deutsche Erziehungswissenschaftler diese Phase einer Kategorie zu, die eine überaus große Zahl ungeklärter Fragen zur nationalistischen Staatspädagogik aufwirft. Allerdings ist hier nicht klar, ob überhaupt von Erziehung beziehungsweise Pädagogik die Rede sein darf. Gudjons/Traub (2016) resümieren in diesem Zusammenhang, dass jegliche pädagogischen Ideen dieser Zeit „als Antwort Theodor W. Adornos Forderung verdien[en], es habe zukünftig oberstes Ziel aller Erziehung zu sein, dass Auschwitz nicht noch einmal sei“ (S. 108). Unterstrichen sei an dieser Stelle, dass auch die wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mehr „Dissens als übereinstimmende Aussagen“ (Tenorth 2006, S. 139) liefert. Dabei scheint die Frage gerechtfertigt, ob genau diese jedoch notwendig wären, um empirisch gesicherte Aussagen darüber treffen zu können, inwiefern die Erfahrungen dieser Zeit die deutsche Bevölkerung nach 1945 in ihrem Tun und Handeln in verschiedenen Lebensbereichen beeinflusst hat (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 108ff.). Auf bildungspolitischer Ebene lassen sich für diese Phase des Nationalsozialismus dennoch vier verschiedene Schwerpunkte identifizieren (vgl.Gudjons/Traub 2016, S. 108): Vereinheitlichung des Schulwesens auf organisatorischer und inhaltlicher Ebene; Jugendliche wurden in Parteiverbände eingebunden, sodass politische Erziehung bei gleichzeitiger Bindung an den Führer möglich war; positive und negative Selektion, wobei sich letztere auf jene Kinder bezog, die nicht dem damals geltenden Ideal entsprachen und somit als minderwertig und weniger kompetent angesehen wurden. Um Parteien und Beamtentum nachhaltig in der Existenz zu sichern, erfolgte der Ausbau des außerschulischen Fortbildungswesens. Pädagogik nach 1945: BRD Erziehungswissenschaftliche Arbeiten nach 1945 sind geprägt von einer Neuorientierung. Zu notieren ist, dass eine wirkliche „Neugestaltung von Schul- und Bildungswesen“ (Gudjons/Traub 2016, S. 110) trotz Druck der Alliierten, insbesondere der Amerikaner, nicht stattfand. Vielmehr wurde der Versuch unternommen, an einzelne Aspekte der Reformpädagogik vor 1933 anzuknüpfen. Auf ein einheitliches Konzept wurde verzichtet, womit dieses Vorhaben letztendlich zum Scheitern verurteilt war. Erst in den 1960er- bzw. 1970er-Jahren gelang eine beachtliche Modernisierungswelle, welche verschiedene Bildungsinstitutionen, beginnend bei der Schule bis hin zu Hochschulen, kritisch analysierte, wodurch schließlich Reformen angestoßen wurden. Diese konzentrierten sich zunächst auf Schulen und in diesem Zusammenhang sowohl auf die Lehrplan- als auch die Unterrichtsgestaltung (vgl. ebd.). Aufgrund einer wichtigen Positionierung von Bildung(-sinstitutionen) innerhalb der Gesellschaft wurde seitens der Vertreter des Faches der Erziehungswissenschaft ab 1968 angestrebt, den ersten Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft in Deutschland zu etablieren. Dies hatte zur Folge, dass ab 1970 nicht nur Lehrpersonal eine universitäre Ausbildung genoss, sondern hierzu fortan auch Sonder- und Sozialpädagogen zählten (vgl. Tenorth 2006). Aufgrund der finanziellen Situation Deutschlands in den 1980er-Jahren war es schwierig, diese Reformversuche in dieser Zeit aufrecht zu erhalten. Diese mündeten schließlich in die „Ökonomisierung des Bildungswesens“ (Gudjons/Traub 2016, S. 110). Effiziente Modelle sollten eine Kosten-Nutzen-Optimierung bringen und die exzellenten Rahmenbedingungen des Bildungsbereiches in Deutschland sichern. Nach der Jahrtausendwende setzte schließlich eine neue Reformwelle ein (vgl. ebd.). Pädagogik nach 1945: DDR Marxistisch-leninistische Ideen bildeten die Basis des Bildungswesens der ehemaligen DDR. Erziehung und Bildung dienten einem klaren politischen Ziel: Es ging um die flächendeckende Einführung einer sozialistischen Anschauung, welche mithilfe von Institutionen beschleunigt werden sollte. Kennzeichnend war, dass sich ein Bildungswesen entwickelte, welches schlussendlich über die Grenzen allgemeinbildender Schulen hinaus auch weitere Lebensbereiche der Bürger berührte. Diese Art des Vorgehens zur Etablierung einer sozialistischen Erziehung und Bildung war letztlich nicht erfolgreich. Als Beleg dafür kann die seitens der Bürger ausgelöste, politische Wende genannt werden (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 111f.). Des Weiteren sei hinzugefügt, dass in der DDR im Gegensatz zur BRD auf eine wissenschaftliche Auseinandersetzung gänzlich verzichtet wurde und damit ebenfalls auf die Differenzierung der Begriffe Erziehungswissenschaft und Pädagogik (vgl. Tenorth 2006). Fazit für die Disziplin Erziehungswissenschaft nach 1945 Um ein etwas weiter gefasstes Verständnis der Auswirkungen der nationalistischen Zeit auf die Erziehungswissenschaft in Deutschland zu bekommen, sei Folgendes hinzugefügt: Unabhängig von den zwei skizzierten, unterschiedlichen Entwicklungslinien, darf man nicht vergessen, dass die Emigration von zahlreichen deutschen Erziehungswissenschaftlern während der Zeit des Nationalsozialismus und auch nach 1945 nicht zu unterschätzende Folgen nach sich zog. So war diese Disziplin nach 1945 aufgrund des fehlenden theoretischen Hintergrunds in zahlreichen Arbeitsfeldern nicht mehr vertreten. Dies bedeutete, dass die fehlende theoretische Entwicklung Nachteile für die unmittelbare pädagogische Praxis zur Folge hatte. Pädagogen fehlten in Bereichen, wo sie bis 1933 wichtige Kompetenzen zur Verfügung gestellt hatten. Exemplarisch angeführt seien an dieser Stelle folgende ausgewählte pädagogische Handlungsfelder (vgl. Tenorth 2006): Erziehungsberatung, Erwachsenenbildung und einzelne Bereiche der Sozialpädagogik. Klassiker der Pädagogik Sobald Klassiker der Pädagogik thematisiert werden, handelt es sich nicht selten um eine Darstellung von Konzepten hiesiger Reformpädagogen (vgl. Oelkers 2003). Werden einschlägige Handbücher zu Klassikern der Pädagogik konsultiert, fällt auf, dass bestimmte Persönlichkeiten, allen voran Jean-Jacques Rousseau, Johann Heinrich Pestalozzi, Friedrich Wilhelm August Fröbel und Johann Amos Comenius immer wieder aufgeführt sind. Empirischen Analysen deutscher Literatur zufolge gehören zuletzt genannte Personen mit zu den am häufigsten genannten zehn Klassikern der Pädagogik (vgl. Tenorth 2003). Leben und Werk aller Klassiker genießen eine umfangreiche Darstellung in zahlreichen Büchern, z. B. in Böhm/Schiefelbein/Seichter (2017) oder Raihtel/Dollinger/Hörmann (2009). Um einen einführenden Überblick über die Pädagogik zu geben, wird der Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtung auf zentrale Aspekte verschiedener Klassiker der Pädagogik gelegt. Diese Darstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Hierzu dienen in Anlehnung an Thesing (2014) fünf ausgewählte Kategorien, welche einen unmittelbaren Einfluss auf das heutige pädagogische Handeln haben: Bildungs- und Erziehungsbedürftigkeit des Menschen, Erwachsenen-Kind-Beziehung, Persönlichkeit und Rechte des Kindes, entwicklungsfördernde Umgebung und Bildung. Gegliedert werden alle Ausführungen in die pädagogische Leitidee und deren heutige Relevanz, denn schließlich können die hier ausgewählten Klassiker als „Personen mit konkreten pädagogischen Vorstellungen, Motiven und gelebter Praxis erfasst werden“ (Thesing 2014, S. 8). Bildungs- und Erziehungsbedürftigkeit des Menschen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778): Pädagogische Leitidee In seinem Erziehungsroman „Emile oder Über die Erziehung“ (Rousseau 2001) stellt der nicht ausgebildete Pädagoge seine Vorstellungen über Bildung und Erziehung dar. Dabei hebt Rousseau zwei Begriffe besonders hervor: Natur und Kultur. Unter Kultur versteht Rousseau die „Zivilisation und nachteilige Begleiterscheinungen der Kulturentwicklung“ (Thesing 2014, S. 16). Hiervon zu unterscheiden ist die wahre Kultur. Diese kann als Synonym für Natur angesehen werden und ist vergleichbar mit einer natürlichen, geradezu ursprünglichen, einfachen Lebensweise. Ebendies lässt sich auch auf die Erziehung von Kindern übertragen. Rousseau sagt: „Die Natur will, dass Kinder Kinder sind, bevor sie zum Erwachsenen werden. Wollen wir diese Ordnung umkehren, erzeugen wir frühreife Früchte, die weder Saft noch Kraft haben […]. Die Kindheit hat ihre eigene Weise zu sehen, zu denken und zu empfinden“ (ebd., S. 16). Rousseaus Leitidee gilt insofern als wegweisend, weil erstmalig die Kindheit als solche anerkannt wird (vgl. ebd., S. 80). Dies ist kennzeichnend für die Zeit der Aufklärung, denn im Mittelalter wurde zwischen Kindern und Erwachsenen nicht unterschieden (vgl. Ariès 2003, S. 46). Rousseaus Leitideen wurden von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller und Johann Heinrich Pestalozzi aufgenommen. Insbesondere Letztgenannter bezieht sich explizit auf Jean-Jacques Rousseau (vgl. Thesing 2014, S. 13). Heutige Relevanz Die von Rousseau vorgebrachte Forderung nach einer möglichst natürlichen Lebenswelt der Kinder tritt heute, nun vor dem Hintergrund einer zunehmenden Medialisierung, erneut zutage. Parallelen zu Rousseau sind beispielsweise bei Konzepten von Wald- und Naturkindergärten erkennbar (vgl. Thesing 2014, S. 20). Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827): Pädagogische Leitidee Zentrales Thema Pestalozzis ist die Menschenbildung, wobei er sich in seiner Praxis auf die Erziehung und sozialpädagogische Begleitung „verwahrloste[r] Kinder“ (vgl. Thesing 2014, S. 80) konzentrierte. Erste Veröffentlichungen machte er in „Die Abendstunde des Einsiedlers“ (1880). Im Mittelpunkt seines pädagogischen Modells „steht der Mensch und seine ‚Individualbestimmung’, der anthropologische Auftrag, zu sich selbst zu kommen, und die Beziehung zu Gott“ (Thesing 2014, S. 29). Trotz Dominanz des Glaubens stellt die Familie neben der eigenen Natur das wichtigste Element kindlicher Entwicklung dar. Neben der Bedeutung der Natur hebt Pestalozzi jedoch im Gegensatz zu Rousseau hervor, dass auch die Gesellschaft die menschliche Entwicklung prägt. Folglich verdeutlicht Pestalozzi, dass Erziehung nur gelingen kann, wenn beide Aspekte beachtet werden (vgl. Thesing 2014, S. 31). Heutige Relevanz Die Entwicklung der Volksschule des 19. und 20. Jahrhunderts wurde durch Pestalozzis Ideen stark beeinflusst. Hochaktuell ist im 21. Jahrhundert nach wie vor Pestalozzis Forderung, eine „Bildung von Herz, Kopf und Hand“ (Thesing 2014, S. 33) zu ermöglichen. Schließlich steht auch das aktive Mitgestalten eigener Entwicklungs- und Lernprozesse noch heute im Mittelpunkt zeitgenössischer Bildungs- und Erziehungskonzepte. Erwachsenen-Kind-Beziehung Herman Nohl (1879–1960): Pädagogische Leitidee Damit Erziehung unabhängig von der Zielgruppe gelingen kann, bedarf es eines professionellen Verhältnisses zwischen Pädagogen und Klienten. Um dieses zu beschreiben, prägte Herman Nohl den Begriff des pädagogischen Verhältnisses (Thesing 2014, S. 55). Die Basis für Nohls Ausführungen war vor allem das Modell von Martin Buber (1878–1965). Gemäß Buber kann die menschliche Persönlichkeitsentfaltung erst „in der lebendigen dialogischen Beziehung“ (ebd.) vonstattengehen. Dies bedeutet, pädagogisches Handeln kann nur dann Ziele erreichen, wenn eine Beziehung zwischen Erzieher und den zu Erziehenden existiert (vgl. Buber 1960). Heutige Relevanz Genau diese Relevanz von professioneller „Zuwendung, Zuneigung und Akzeptanz“ (Thesing 2014, S. 77) beziehungsweise der Erwachsenen-Kind-Beziehung ist es, weshalb die pädagogische Leitidee Nohls bis heute als höchst relevant für pädagogisches Handeln eingeschätzt wird. Empirisch belegt wurden Nohls Ausführungen beispielsweise durch die Untersuchung zum Hospitalismus von René Spitz (1974). Persönlichkeit und Rechte des Kindes Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782–1852): Pädagogische Leitidee Friedrich Wilhelm August Fröbel folgte dem Grundgedanken seiner Zeit und machte das göttliche Gesetz verantwortlich für alles, was auf der Welt passiert. Dieses Gesetz zu durchdringen, stellt die Aufgabe von Erziehung dar. „Erziehung soll im Dienst der Schöpfung stehen und Entfaltungshilfen für das Kind bereitstellen“ (Thesing 2014, S. 85). Dabei geht Fröbel davon aus, dass sich jeder Mensch in drei verschiedene Richtungen entfalten kann: Auf der einen Seite erforscht er seine Umgebung, also die Natur, und sich als Person. Darüber hinaus erhebt sich jedes Individuum auch zu Gott. Im Kontext der frühen Kindheit unterstreicht Friedrich Wilhelm August Fröbel das kindliche Spiel, um entsprechende Erziehungsziele wie beispielsweise die Selbstentfaltung zu erreichen (vgl. ebd., S. 85ff.). Heutige Relevanz Aus diesen Annahmen heraus entwickelte Fröbel nicht nur entwicklungsgerechte Spielmaterialien, heute bekannt als Fröbel-Material, sondern nutzte den Begriff des Kindergartens erstmals im Jahr 1840 und initiierte damit die erste Ausbildungsmöglichkeit für Kindergärtnerinnen. Kritisch anzumerken ist, dass Fröbel betonte, dass genau dies ausschließlich Aufgabe der Frau sei (vgl. Thesing 2014, S. 87). Janusz Korczak (1878–1942) Pädagogische Leitidee Korczaks Leitidee betont die Würde eines jeden Menschen. Damit schließt er sich den Ideen der Aufklärung an. Nach Immanuel Kant ist Würde „ein Wert, für den es kein Äquivalent gibt, der also unendlich ist und weder käuflich zu erwerben noch durch irgendeine Anstrengung zu erhalten ist“ (Thesing 2014, S. 97f.). Fünf Jahre, bevor in Genf seitens des Völkerbundes 1924 eine erstmalige Annäherung an das Thema Kinderrechte erfolgte, stellte „Korczak seine Charta der Menschenrechte für Kinder auf“ (ebd., S. 98). Er formulierte drei Kinderrechte (vgl. Korczak 1992, zit. n. Thesing 2014, S. 98ff.): Recht des Kindes auf den eigenen Tod: Gemeint ist das Recht auf Leben mit all seinen Risiken, wobei sich Korczak explizit gegen Überbehütung ausspricht. Recht des Kindes auf den heutigen Tag: Im Mittelpunkt stehen kindliche Bedürfnisse, die zeitnah seitens Erwachsener beantwortet werden sollten, anstatt sämtliche Maßnahmen stets auf die Zukunft auszurichten. Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist: Zum einen negierte Korczak die Pädagogisierung kindlicher Lebenswelten, um das „Kind nach dem eigenen Willen formen zu wollen“ (Thesing 2014, S. 100). Gleichzeitig warnte er vor einer Erziehung, welche geprägt war von einschränkenden Vorgaben, expliziten Verboten und Druck. Heutige Relevanz 1972 erhielt Janusz Korczak den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Ab diesem Zeitpunkt nahm die Rezeption seines Werkes zu. Grund hierfür waren sowohl die verständliche Ausdrucksweise als auch die hohe Praxisrelevanz. Letztere zeigte sich darin, dass Korczak keine unerreichbaren Ideale beschrieb. „Korczak akzeptierte die Mittelmäßigkeit und das Anderssein jedes Menschen“ (Thesing 2014, S. 107). Vor dem Hintergrund der heutigen Fachdiskussion und der Forderung nach verstärkter Inklusion (vgl. Georgi/Keküllüoglu 2018), scheint Korczaks Werk heute relevanter denn je zu sein. Entwicklungsfördernde Umgebung Maria Montessori (1870–1952): Pädagogische Leitidee Maria Montessori entwickelte verschiedene didaktische Materialien, mithilfe derer Kinder in einer für sie vorbereiteten Umgebung selbstständig lernen. Es geht im Kern darum, dem „aktiven Kind eine angepasste Umgebung zu schaffen“ (Montessori 1988, S. 39). Neben speziellen Materialien kommt es jedoch nach Maria Montessori vor allem darauf an, eine besondere Sichtweise vom Kind selbst anzunehmen. Diese wurde in einer neuen Erzieherrolle definiert. Im Gegensatz zu traditionellen Lehrerrollen tritt der Erzieher zurück und wird „Assistent, Beobachter und Helfer des Kindes“ (Thesing 2014, S. 145). Heutige Relevanz Einzelne Aspekte gelten bis dato als richtungsweisend für pädagogisches Handeln im Elementarbereich. Anzumerken ist, dass Montessoris Methode immer wieder kritisiert wurde. Beispielsweise führten Vertreter der Fröbelpädagogik an, dass dem kindlichen Spiel zu wenig Freiraum gegeben werde. Tatsächlich gelten beide Ansätze heute als sich gegenseitig ergänzend. Nennenswert sind darüber hinaus die Verdienste der Montessoripädagogik sowohl um die Förderung sozial benachteiligter Zielgruppen als auch um die sonderpädagogische Arbeit mit Kindern (Thesing 2014, S. 150f.). Bildung Johann Amos Comenius (1592–1670): Pädagogische Leitidee Johann Amos Comenius (1909) stellte in seinem zentralen Werk, „Didactica magna“ („Große Didaktik“) dar, welche Merkmale Bildung aufzuweisen hat (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 83): Bildungsmöglichkeiten für alle, unabhängig von Alter, Geschlecht, Wohlstand und Herkunft; Bildungsinhalte sind entwicklungsgerechte Informationen, die ein möglichst vollständiges Weltbild darstellen sollen; die Vermittlung von Bildungsinhalten erfolgt nicht nur auf theoretischer, sondern vielmehr auf anschaulicher, praktischer Ebene. Vor allem der letzte Punkt gibt einen Hinweis darauf, dass Comenius bezüglich der damaligen traditionellen, verbalen Bildung deutliche Akzente setzte. Heutige Relevanz Seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse im Jahr 2002 sind in Deutschland intensive Diskussionen zum Thema Bildung angezeigt, die aber oft mit einem neuen Begriff, nämlich dem der Kompetenz, geführt werden. Vor dem Hintergrund von Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit lassen sich in diesem Zusammenhang Parallelen zu den Ideen von Comenius erkennen (vgl. Thesing 2014, S. 222). Auch in Bezug auf das Thema ganzheitliches Lernen sind bei Comenius erste Ansätze zu finden. Dabei betonte er vor allem die Alltagsnähe der Bildungsinhalte (vgl. ebd., S. 229). Wilhelm von Humboldt (1767–1835): Pädagogische Leitidee Im 18. Jahrhundert führte Wilhelm von Humboldt einen Bildungsbegriff ein, der erstmalig in der Geschichte der Pädagogik eine klare Differenzierung zwischen Erziehung und Bildung erlaubte (vgl. Thesing 2014, S. 222). Mithilfe von Bildung sollten nach Wilhelm von Humboldt Menschen in die Lage versetzt werden, ihr Weltwissen eigenständig zu erweitern und damit einen Beitrag zu ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu leisten. Ausgehend von dieser Grundidee leitete er verschiedene Reformen ein, welche jedoch in Bezug auf ihre Konzeption dem Gedankengut anderer, allen voran Johann Heinrich Pestalozzi, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher oder Johann Gottlieb Fichte, entstammen. Wilhelm von Humboldts Verdienst bestand schlussendlich darin, dass er entsprechende Ideen zusammenführte und zu etablieren versuchte (vgl. ebd., S. 234). Heutige Relevanz Bis heute wird im Gegensatz zum deutschen Sprachgebrauch im angelsächsischen nur ein Begriff („education“) für die Bezeichnung von Erziehung und Bildung verwendet. Zurückzuführen ist dies auf Wilhelm von Humboldts Werk (vgl. Thesing 2014, S. 234). Zusammenfassung Anthropologische Fragestellungen suchen Antworten auf Fragen nach dem eigentlichen Wesen des Menschen, welches sich grundsätzlich stark vom Tier unterscheidet. Den Grundstein pädagogischer Betrachtungen legte Immanuel Kant, indem er explizit zwischen philosophischer und physiologischer Anthropologie differenzierte. Damit gingen Argumentationslinien, welche die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen fokussierten, einher. Deren Weiterentwicklung folgte im pädagogischen Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung. Ergänzt wurden diese Ausführungen durch eine Reflexion der gegenwärtigen Benutzung zentraler Begriffe wie Pädagogik, Erziehungswissenschaft und Bildungswissenschaft, welche unmittelbar in die Frage nach einer möglichen Gliederung dieses breitgefächerten Faches mündete. Für pädagogische Fragestellungen im Fach Pädagogik ist eine Kenntnis historischer Entwicklungslinien unabdingbar, beginnend bei der Antike über die Aufklärung, die Deutsche Klassik und die Reformpädagogik bis hin zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1989. Eine punktuelle Betrachtung der Klassiker der Pädagogik und die Reflexion pädagogischer Leitideen einzelner Persönlichkeiten und der heutigen Relevanz damaliger Konzepte rundeten diese Lektion thematisch ab.

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