Strategisches Marketing - Grundlagen - PDF

Summary

This document is a study material for strategic marketing. It covers the basics of strategic marketing, including the changing understanding of marketing, the challenges faced by modern marketing, the different tasks of strategic marketing, and the dominant paradigms for strategic marketing. It also explores the delimitation of markets and business fields, and methods of customer segmentation.

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Studienmaterial Strategisches Marketing Grundlagen des strategischen Marketings MKG601 Prof. Dr. Carsten Rennhak unter Mitarbeit von Angelika Neumann 1 Strategisches Marketi...

Studienmaterial Strategisches Marketing Grundlagen des strategischen Marketings MKG601 Prof. Dr. Carsten Rennhak unter Mitarbeit von Angelika Neumann 1 Strategisches Marketing Grundlagen des strategischen Marketings Einleitung und Lernziele 3 1 Aktuelle Herausforderungen im Marketing 5 1.1 Marketingbegriff heute 5 1.2 Herausforderungen für das moderne Marketing 7 1.3 Marketingmaßnahmen im dynamischen Umfeld 10 2 Wichtige Grundlagen des strategischen Marketings 14 2.1 Das Aufgabenspektrum des strategischen Marketings 14 2.2 Der strategische Planungsprozess 16 2.2.1 Unternehmenszweck und Unternehmensmission 20 2.2.2 Unternehmensphilosophie 22 2.2.3 Unternehmensidentität 24 2.2.4 Strategische Ziele der marktorientierten Unternehmensführung 25 2.3 Leitbilder des strategischen Marketings 30 2.3.1 Der ressourcenorientierte Ansatz 31 2.3.2 Der marktorientierte Ansatz 34 2.3.3 Vergleich und Würdigung der Ansätze 35 3 Abgrenzung von Märkten und Geschäftsfeldern 38 3.1 Marktabgrenzung 38 3.1.1 Grundlegende Ansätze zur Marktabgrenzung 41 3.1.2 Strategische Gruppen zur Kennzeichnung des relevanten Marktes 44 3.1.3 Strukturelle Marktdeterminanten und Wettbewerbsintensität 45 3.1.4 Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder 48 3.2 Methoden der Kundensegmentierung 51 Zusammenfassung 56 Antworten zu den Kontrollfragen 58 Literaturverzeichnis 65 Stichwortverzeichnis 71 Inhaltsverzeichnis å MKG601 2 Copyright AKAD Bildungs- gesellschaft mbH Copyright Ein Unternehmen der AKAD Bildungs- Cornelsen-Gruppe. gesellschaft mbH Telefon: (07 11) 8Telefon: 14 95 - 0 (07 11) 8Internet: 14 95 - 0 Internet: http://www.akad.de http://www.akad.de Alle Rechte vorbehalten. 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Zunächst erfahren Sie, wie sich das Verständnis des Marketingbegriffs verändert hat: Das Marketing hat sich von einer Unternehmensfunktion unter vielen hin zu einer funk- tionsübergreifenden Aufgabe gewandelt. Die Unternehmen mussten sich in völlig neuer Art und Weise mit Märkten und Konsumenten auseinandersetzen: Der Konsument wurde vom „dankbaren“ Abnehmer zum kritischen Marktpartner, der Angebote prüft und einem Unternehmen nur dann die Treue hält, wenn seine Bedürfnisse ernst genom- men und ihm Produkte angeboten werden, die genau diesen Bedürfnissen und Wün- schen entsprechen. Schwerpunktmäßige Aufgabe des Marketings ist deshalb nicht mehr die reine Optimie- rung des Marketingmix, sondern die Gestaltung eines nachhaltigen Kundenbeziehungs- managements. Die Unternehmen haben gelernt, ihren Erfolg zu steuern, indem sie sämt- liche Aktivitäten am Markt ausrichteten. Marketing wurde so im Laufe der Zeit zur Denkhaltung und zur bewussten Führung des ganzen Unternehmens vom Markt her. Das Marketing steht heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Dazu gehören insbesondere die signifikante Verschiebung der Marktmacht hin zu den Kunden, die deutliche Ausweitung des Produktangebots im zunehmend internationalen Wettbe- werbsumfeld, die Fragmentierung der Medienlandschaft und damit auch die Fragmen- tierung des Medienpublikums, die Notwendigkeit beständig werthaltige Nutzenverspre- chen zu geben, die massiv gestiegene Sorge um den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten auf Kundenseite sowie die unterschiedlichen – bisweilen wider- sprüchlichen – Anforderungen multipler Rechtssysteme, in denen sich international tätige Unternehmen bewegen. Sie lernen dann die unterschiedlichen Aufgaben des strategischen Marketings kennen. Kernaufgaben sind die Festlegung der Unternehmensphilosophie und der strategischen Ziele, die Abgrenzung und die Auswahl der strategischen Geschäftsfelder, die Entwick- lung, Bewertung und Auswahl der Marktteilnehmer- und Marktbearbeitungsstrategien sowie die Implementierung dieser Strategien. Die Marketingstrategie muss dabei im Kontext der Gesamtstrategie des Unternehmens gesehen werden. Mit dem ressourcen- orientierten und dem marktorientierten Ansatz werden dann die dominanten Leitbilder des strategischen Marketings zur Erklärung des Markterfolgs von Unternehmen darge- stellt. Um zu verstehen, worauf sich die Marketingstrategien überhaupt beziehen, ist die Abgrenzung von Märkten und Geschäftsfeldern wesentlich. Diese sind die eigentlichen Planungsobjekte und damit Gegenstand der Planungs- und Implementierungsprozesse. Die Marktabgrenzung umfasst die unternehmerische Festlegung und Auswahl von Märkten. Um die Nachfrage passgenauer bedienen zu können, führen Unternehmen Kundensegmentierungen durch. Mit welchen Methoden die Segmentierung im B2C und B2B erfolgt, erfahren Sie in diesem Heft. Einleitung/Lernziele å MKG601 4 Ziel dieses Studienbriefs ist es, dass Sie grundsätzliche Aussagen zum Marketing tref- fen können und wesentliche Zusammenhänge verstehen. Nach dem Durcharbeiten des Studienbriefs kennen Sie die wichtigsten Grundlagen der strategischen Marketingpla- nung. Im Einzelnen können Sie: Z – den Wandel im Verständnis des Marketingbegriffs erklären, – die Herausforderungen, denen sich das moderne Marketing gegenübersieht, benen- nen, – die unterschiedlichen Aufgaben des strategischen Marketings erklären, – die dominanten Leitbilder des strategischen Marketings diskutieren und – die unterschiedlichen Ansätze zur Abgrenzung von Märkten und Geschäftsfeldern und die verschiedenen Ansätze zur Kundensegmentierung in B2C- und B2B-Märkten erklären. Über den Autor dieses Studienbriefs Prof. Dr. CARSTEN RENNHAK ist Professor für PR und Marketing an der Universität der Bundeswehr in München. Nach dem Studium der BWL an der Universität Augsburg sowie der VWL an der Wayne State University, Detroit, und seiner Promotion an der Ludwig-Maximilians Universität in München war er mehrere Jahre als Unternehmens- berater und Projektleiter bei booz & Co. sowie als Professor an der Munich Business School und der ESB Business School in Reutlingen tätig. Er ist als Visiting Professor u.a. an der Zagreb School of Economics and Management, der SP Jain in Mumbai, der St. Petersburg State Polytechnical University und der Haaga-Helia in Helsinki aktiv sowie Gutachter bzw. Mitherausgeber für zahlreiche internationale Fachzeitschriften. Prof. Dr. Rennhak lehrt und forscht zu den Themen Unternehmenskommunikation, Pro- dukt- und Preispolitik, Kundenbindung, Marktsegmentierung und Unternehmensstrate- gie und hat auf diesen Gebieten bislang u.a. 15 Bücher und ca. 150 Aufsätze publiziert. Einleitung/Lernziele å MKG601 5 1 Aktuelle Herausforderungen im Marketing Als Konsumenten bemerken wir, dass Unternehmen versuchen, uns unsere Wünsche beim Einkauf von Produkten oder bei der Nutzung von Dienstleistungen bestmöglich zu erfüllen. Wer hätte zum Beispiel früher daran gedacht dass Sie sich heute selbstver- ständlich einen Fotoapparat in Ihrer Lieblingsfarbe und nicht mehr nur in den Farben schwarz oder silber aussuchen können? Oder dass Sie sich eine neue Küche plastisch im Computer einrichten und im Detail gestalten können? Was hat das mit den aktuellen Herausforderungen im Marketing zu tun? Dieser kardinalen Fragestellung werden Sie in diesem Kapitel nachgehen. In diesem Kapitel werden Sie sich in Abschnitt 1.1 mit dem Wandel im Verständnis des Marketingbegriffs vertraut machen: Das Marketing hat sich von einer Unternehmens- funktion unter vielen hin zu einer funktionsübergreifenden Aufgabe gewandelt. Schwer- punktmäßige Aufgabe ist nicht mehr die reine Optimierung des Marketingmix, sondern die Gestaltung eines nachhaltigen Kundenbeziehungsmanagements. Darüber hinaus kommt dem Marketing als integriertem Konzept der ganzheitlichen Unternehmensfüh- rung eine zentrale Rolle bei der Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten auf den Markt und bei der Erfüllung menschlicher und gesamtgesellschaftlicher Bedürfnisse zu. In Abschnitt 1.2 werden Sie die Herausforderungen, vor denen das moderne Marketing steht, kennenlernen. Dazu gehören insbesondere die signifikante Verschiebung der Marktmacht hin zu den Kunden, die deutliche Ausweitung des Produktangebots im zunehmend internationalen Wettbewerbsumfeld, die Fragmentierung der Medienland- schaft und damit auch die Fragmentierung des Medienpublikums, die Notwendigkeit beständig werthaltige Nutzenversprechen zu geben, die massiv gestiegene Sorge um den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten auf Kundenseite sowie die unterschiedlichen – bisweilen widersprüchlichen – Anforderungen multipler Rechtssys- teme, in denen sich international tätige Unternehmen bewegen. In Abschnitt 1.3 zeige ich Ihnen auf, wie das moderne Marketing diesen Herausforde- rungen begegnet. Dies geschieht durch die folgenden Maßnahmen: – Strategieplanung, – Corporate Social Responsibility, – gezielte Analyse von Kundendaten, – systematischer Aufbau und Pflege von Wettbewerbsvorteilen, – Ableitung passender Marketingstrategien und deren konsequente Implementierung, – Aufbau und Pflege von nachhaltigen Kundenbeziehungen. 1.1 Marketingbegriff heute Der Begriff „Marketing“ hat mannigfache Bedeutungen. Viele Leute, insbesondere die- jenigen, die nicht im Marketing arbeiten, sehen das Marketing als eine Funktion in einem Unternehmen an, genau wie Produktion, Forschung und Entwicklung, Personal oder Rechnungswesen (vgl. FERRELLL/HARTLINE 2011, S. 7). Als Funktion hat Marke- ting das Ziel, das Unternehmen mit seinen Kunden in Verbindung zu bringen. Personen, die im Marketing arbeiten, sehen das Marketing typischerweise als Prozess, der die Kapitel 1 å MKG601 6 Angebote des Unternehmens von ihrer Entstehung bis zum Verbrauch durch die Kun- den steuert. Die im Marketing wohl einflussreichste Standesorganisation, die American Marketing Association, hat ihre Marketingdefinition im Jahre 2005 geändert. Von 1985 bis 2005 definierte sie Marketing wie folgt: “Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, promotion, and dis- tribution of ideas, goods, and services to create exchanges that satisfy individual and organizati- onal objectives.” (FERRELL/HARTLINE 2011, S. 7). Diese eher aktivitätsorientierte Sicht auf das Marketing versteht Marketing im Kern als ein Bündel marktgerichteter Unternehmensaktivitäten. Man kann Marketing in diesem Zusammenhang als Prozess der Planung und Durchführung der Produktkonzeption, des Preismanagements, der Kommunikationsaktivitäten und des Vertriebs von Ideen, Gütern und Dienstleistungen bezeichnen. Mit dem Zweck, einen Austausch zu errei- chen, der die Wünsche von Individuen und Organisationen befriedigt. Die aktivitätsori- entierte Definition entstand in den 1970er-Jahren und wurde sehr stark durch die Ent- wicklung und Betonung des Marketingmix geprägt. Im Jahr 2005 erfolgte eine Anpassung, um den sich wandelnden Realitäten in der Praxis Rechnung zu tragen: “Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating, and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders.” (FERRELL/HARTLINE 2011, S. 8). Diese eher beziehungsorientierte Marketingdefinition legt den Schwerpunkt auf die Zielsetzung des Marketings, Kundenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen aufzu- bauen, zu erhalten und zu stärken. Die beziehungsorientierte Definition ersetzt jedoch keineswegs die aktivitätsorientierte Definition, sondern wirkt in Ergänzung zu ihr. Ent- standen ist sie Ende der 1980er-Jahre im Zusammenhang mit Relationship Marketing, die damals die Fokussierung auf die einzelnen Transaktionen mit dem Kunden zuguns- ten der Fokussierung auf die nachhaltigen Beziehungen mit dem Kunden ablöste. Die Änderungen in der Definition der American Marketing Association sind nicht nur kosmetischer Natur. Die neue Definition betont vor allem zwei heute wesentliche Aspekte: value, also die Schaffung von Werten für den Kunden, und customer relation- ships, d. h. eine langfristig orientierte Kundenbeziehungssicht, die den Kunden als Part- ner wahrnimmt. Es ist die Ablösung einer nur transaktionsorientierten Sicht, in der der reine Austausch von Produkten und Dienstleistungen im Vordergrund steht. Die Schaffung von Werten für den Kunden macht die Forderung nach Kundenzufrie- denheit zur zentralen Zielsetzung aller Marketinganstrengungen. Kundenzufriedenheit kann dabei aus einer Vielzahl von Beweggründen entstehen, die weit über das reine Produktangebot bzw. das wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis hinausgehen kann. Die Kundenbeziehung wird insbesondere dann entscheidend für den Unterneh- menserfolg, wenn man sich in reifen Märkten mit dem Produkt im Wettbewerbsumfeld nicht mehr hinreichend differenzieren kann (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 8). Hier kommt eine weitere Bedeutungsdimension ins Spiel: die Erfüllung menschlicher und sozialer Bedürfnisse. Letztendliche Aufgabe des Marketings ist die kontinuierliche Verbesserung des Lebensstandards und dies nicht nur in Bezug auf verbesserte Kon- summöglichkeiten und wachsenden Reichtum, sondern auch in Bezug auf die gesamt- gesellschaftliche Wohlfahrt. Durch Marketingaktivitäten erweitern sich die Konsum- Kapitel 1 å MKG601 7 möglichkeiten der Kunden dramatisch. Marketing sorgt dadurch auch für sprudelnde Unternehmensgewinne, was die Arbeitnehmer und nicht zuletzt die Anteilseigner beglückt (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 8). Gleichzeitig trägt das Marketing dadurch auch eine enorme Verantwortung für alle negativen Effekte, die es mitverursacht. Diese Sichtweise erfordert es, dass Marketing- verantwortliche die sozialen und ethischen Implikationen ihres Handelns bedenken und in ihren Entscheidungen berücksichtigen (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 8). Der Begriff Marketing bezeichnet in dieser holistischen Sichtweise ein Konzept der ganzheitlichen, marktorientierten Unternehmensführung zur Befriedigung der Bedürf- nisse und Erwartungen der Kunden und anderer Interessengruppen (der sogenannten Stakeholder). Damit entwickelt sich das Marketingverständnis von einer operativen Beeinflussungstechnik (namentlich den Instrumenten des Marketingmix) hin zu einer Führungskonzeption, die andere Funktionen wie zum Beispiel Beschaffung, Produk- tion, Verwaltung und Personal mit einschließt und auch mit entsprechend übergreifen- den Entscheidungskompetenzen verbunden ist. Um dieser unternehmensinternen Facette Rechnung zu tragen, hat das Marketing die Aufgabe, über alle Funktionsberei- che hinweg die Voraussetzungen für die Durchführung der marktbezogenen Aktivitäten im Unternehmen zu schaffen. Dies beinhaltet insbesondere die Führung des Unterneh- mens nach der Leitidee der Marktorientierung. Viele Marketingwissenschaftler sehen Marketing entsprechend als eine im Kern unternehmerische Denkhaltung. Zusammenfassend kann man sagen: Marketing hat sich von einer Unternehmens- funktion, die den Marketingmix exekutiert, hin zum funktionsübergreifenden und nachhaltigen Kundenbeziehungsmanagement gewandelt. Darüberhinaus kommt dem Marketing als Konzept der ganzheitlichen, marktorientierten Unternehmensfüh- rung eine zentrale Rolle bei der Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten auf dem Markt und bei der Erfüllung menschlicher und gesamtgesellschaftlicher Bedürfnisse zu. Überlegen Sie drei Schlagworte, mit denen Sie die Veränderung des Marketingver- K ständnisses im Zeitablauf charakterisieren können. Geben Sie drei Beispiele dafür, dass Kunden heute value suchen und nicht nur ein Pro- K dukt erwerben wollen. 1.2 Herausforderungen für das moderne Marketing Parallel zum in Abschnitt 1.1 beschriebenen Bedeutungswandel des Marketings haben sich die Herausforderungen, denen sich das moderne Marketing gegenübersieht, massiv gewandelt. Denken Sie dabei nur an den technologischen Fortschritt in der Computer- und Kommunikationstechnologie, an die „Schocks“, die vom Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends ausgegangen sind oder an die Finanz- und Währungskrise im Nachgang zum Platzen der Immobilienblase in den USA. Der Wandel in der Unter- nehmenslandschaft ist fundamental und hochdynamisch: vergleichen Sie nur einmal die Kapitel 1 å MKG601 8 Mitgliedsunternehmen in Dow Jones oder DAX von heute mit denen vor 10 oder 20 Jahren. Diese Veränderungen sorgen für zahlreiche Herausforderungen für das moderne Marketing. Die wahrscheinlich signifikanteste Veränderung in den letzten 20 Jahren stellt die zunehmende Verschiebung der Marktmacht auf die Seite der Kunden dar (vgl. F ER- RELL/H ARTLINE 2011, S. 3). Märkte lassen sich weiterhin nach der auf ihnen herrschen- den Machtverteilung in Käufer- und Verkäufermärkte unterteilen. Gemeint ist jeweils der Markt, dessen Vertragsbedingungen (Preise, Zahlungs- und Lieferbedingungen, Handelszeiten und -orte etc.) durch den Käufer bzw. den Verkäufer festgelegt werden. Ursachen für die zunehmend bessere Verhandlungsposition des Käufers ist ein Über- hang des Angebots bei geringer Nachfrage. Waren früher Unternehmen in der Lage, ihre überlegene Position auszuspielen, so gelingt es heutzutage den Kunden immer bes- ser, Unternehmen zu weitreichenden Zugeständnissen zu bewegen. Märkte wandeln sich immer mehr zu Käufermärkten. Dies liegt z. B. an der einfacher zugänglichen und in Echtzeit vorliegenden Information über Konkurrenzangebote (denken Sie z. B. nur an die Barcode-Scanner-Applikation auf so manchem Smartphone) und der stärkeren Ver- netzung von Kunden zur Bildung von Einkaufsgemeinschaften. Kunden geben Unter- nehmen heute bisweilen Preisgrenzen vor und leben im Nachgang zu Konsumerfahrung diese intensiv über Social Media aus. B Sehen Sie sich den Clip „United breaks Guitars“ auf YouTube an (http://www.you- tube.com/watch?v=5YGc4zOqozo). Denken Sie nur daran, welche Auswirkungen der millionenfache Abruf der Seite auf das Image des Unternehmens „United Airlines“ hatte. Zeitgleich weitet sich das verfügbare Produktangebot im Internet wie auch im traditio- nellen Einzelhandel immer weiter aus. Die Differenzierung des Produktangebots wird getrieben von einer zunehmenden Internationalisierung: dank des Internets stehen Unternehmen nun jederzeit mit ihrem gesamten Produktangebot weltweit im Wettbe- werb (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 3). Die zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs auf Konsum-, aber auch auf Industriegütermärkten führt zu einer Ver- schärfung der Wettbewerbsbedingungen, die in vielen Bereichen Züge eines Verdrän- gungswettbewerbs trägt (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 14). In den letzten Jahren zeichnet sich eine zunehmende Fragmentierung der Medienland- schaft (und damit einhergehend auch des Medienpublikums ab). Das Internet (und das durch das Internet eingeübte Mediennutzungsverhalten) treibt den Medienwandel. Aber auch das Angebot der traditionellen Massenmedien erweitert sich fortlaufend: einfaches Kabelfernsehen wird durch Satellitenfernsehen und Pay TV ergänzt, die Zahl der ver- fügbaren Fernsehkanäle wächst massiv; auch die Zahl von verfügbaren Radiosendern erhöht sich ständig. Bestehende Fernseh- und Radiosender erweitern dazu noch ihr Angebot, indem sie bestimmte Sendungen auch online zur Verfügung stellen. Das Fern- sehen wird vielfach durch Portale wie YouTube ersetzt, auf denen Filme und Serien veröffentlicht werden. Auch die Zeitung als traditionelles Massenmedium wird immer mehr zu einer Internetanwendung. Als logische Konsequenz gewinnt das Internet im Marketing immer mehr an Bedeu- tung. Aber für die Marketingverantwortlichen wird es trotzdem immer schwieriger, das immer stärker fragmentierte Publikum, das aus immer mehr Medien auswählen kann und immer weniger Zeit mit einem einzelnen Medium verbringt, überhaupt zu erreichen (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 3f.). Kapitel 1 å MKG601 9 In der jüngeren Vergangenheit sind insbesondere von den rasanten Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie Impulse für das Marketing ausgegan- gen. Diese haben nicht nur in den Konsumgüterbranchen (u.a. durch neue Kommunika- tions- und Vertriebswege) den Wettbewerb nachhaltig verschärft, sondern auch die (direkte) Vernetzung zwischen Anbietern und Nachfragern gefördert (vgl. BENKEN- STEIN/UHRICH 2009, S. 15). Das familiengeführte Unternehmen Ritter Sport bewegt sich in einem Markt, der von B vielen Anbietern, Marken und Sorten gekennzeichnet ist. Um hier die Aufmerksamkeit der Kunden zu erlangen, ist die geschickte Kombination der verschiedenen Medien unumgänglich. So setzt Ritter Sport nicht mehr nur auf die „Klassiker“ TV oder Print in der Werbung oder dem klassischen breiten Verkauf in Supermarkt, Tankstellenshop o.ä. Sondern die Online-Präsenz nimmt ein wichtiges Feld ein: Neben der Verfolgung der Neuigkeiten auf Twitter oder im Ritter Sport Blog können sich die Schokoladenlieb- haber auf Facebook oder im Feedback-Bereich des Blogs äußern bzw. Fragen stellen. Antwort kommt. Um gleich anschließend den Einkauf zu ermöglichen, gibt es einen Online-Shop. Trotzdem verzichtet Ritter Sport nicht auf den persönlichen Kontakt zu den Kunden: Zum Beispiel können die Schokoladenliebhaber in der Bunten Schokowelt Berlin in die ganze Welt der Schokolade eintauchen Und wer sich einfach nur die Wer- bespots ansehen will, schaltet auf YouTube. Somit macht das Unternehmen Ritter Sport seine Produkte und seine Markenversprechen für die Kunden erlebbar. Kunden sind – u.a. aufgrund der verschiedenen krisenhaften Entwicklungen wie z. B. die aktuelle Finanz- und Währungskrise im Nachgang zum Platzen der Immobilienblase in den USA – verunsichert. Auch die zunehmende Volatilität in den Arbeitsverhältnissen trägt zu einer zunehmenden Preissensitivität bei. Unternehmen sehen sich in der Kon- sequenz heute stärker dazu angehalten, ihren Kunden werthaltige Nutzenversprechen zu machen, d. h. den Mehrwert eines Angebots und seine Preiswürdigkeit zu erklären. Kunden sind heute vielfach in der Lage, Dienstleistungen, die vormals von spezialisier- ten Dienstleistern erbracht wurden, selbst zu generieren. Reisebuchungen, die früher im Reisebüro vorgenommen wurden, werden heute zum B Beispiel über Travelocity oder Expedia vom Kunden selbst erledigt (vgl. FERRELL/ HARTLINE 2011, S. 5). Etwas, was der Kunde selbst leisten kann, stellt also keinen Mehrwert für ihn dar. Ent- sprechend ist er auch nicht mehr willens, für eine entsprechende Leistung zu bezahlen. Kunden sind heute vielfach direkt mit dem Hersteller vernetzt und können Zwischen- händler umgehen. Auch in anderen Industrien, wie z. B. dem Buchhandel, lässt sich beobachten, wie Innovationen wie das E-Book die Kernleistung für den Kunden immer günstiger gestalten und die Industriestruktur entsprechend verändern werden. Der technologische Wandel bringt auch einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer immer offeneren Gesellschaft mit sich. Mit diesem Wandel geht ein gestiegenes Bedürfnis nach Privatsphäre und Datenschutz auf Kundenseite einher. Dies betrifft Geschäftsmodelle in der Online- genauso wie in der Offline-Welt (vgl. FERRELL/HART- LINE 2011, S. 6). Unternehmen haben seit jeher Kundendaten gesammelt und ausgewer- tet. Heute sind Kunden wesentlich sensibler was die Nutzung ihrer Daten angeht. Kun- den wissen zwar die Annehmlichkeiten individualisierter Angebote über elektronische Plattformen zu schätzen, verlangen aber gleichzeitig unbedingte Datensicherheit und Vertraulichkeit sensibler Informationen. Kapitel 1 å MKG601 10 Mit der zunehmenden Internationalisierung der Geschäftstätigkeit sehen sich Unterneh- men den Anforderungen multipler Rechtssysteme gegenüber. Denken Sie nur an die Vielzahl an Ländermärkten, auf denen Internetunternehmen aktiv sind. Unternehmen sollten allen rechtlichen Normen in allen Ländern genügen, was sich – bei widersprüch- lichen Rechtsnormen – jedoch in der Praxis nicht mehr verwirklichen lässt. B Zum Beispiel die Aktivitäten von Google in China. Das Unternehmen muss hier prak- tisch einen völlig separaten Internetsuchdienst anbieten, der mit den Zensurvorschriften der chinesischen Regierung kompatibel ist (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 7). Das moderne Marketing steht vor einer Reihe massiver Herausforderungen, denen es sich stellen muss. Die Marktmacht verschiebt sich hin zum Kunden, das Produkt- angebot im zunehmenden internationalen Wettbewerbsumfeld weitet sich deutlich aus. Durch den rasanten Medienwandel fragmentieren sich die Medienlandschaft und damit auch das Medienpublikum. Die Unternehmen müssen beständig werthal- tige Nutzenversprechen geben. Gleichzeit nimmt die Sorge der Kunden um den Schutz ihrer persönlichen Daten und ihrer Privatsphäre zu. International tätige Unternehmen finden sich in – bisweilen widersprüchlichen – Anforderungen multip- ler Rechtssysteme wieder. K Ermitteln Sie den täglichen Medienkonsum eines Erwachsenen in Deutschland, Öster- reich und der Schweiz. Technischer Hinweis: Wenn Sie die Google-Seiten der jeweili- gen Länder auswählen und nach „Medienkonsum Statistik“ suchen, erhalten Sie die neuesten Daten. K Benennen Sie drei Unternehmen, die in letzter Zeit aufgrund von Datenschutzproble- men im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen. 1.3 Marketingmaßnahmen im dynamischen Umfeld Unternehmen reagieren auf die vielfältigen Herausforderungen des modernen Marke- tings, indem sie eine Vielzahl von Aktivitäten entfalten. Diese Aktivitäten variieren in Umfang und Reichweite, zielen aber immer darauf ab, dem Kunden einen Grund dafür zu geben, das eigene Produkt zu kaufen (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 16). Im Fol- genden werden die verschiedenen Marketingentscheidungen dargestellt, die notwendig sind, um im dynamischen Umfeld zu bestehen. In Anlehnung an FERRELL/HARTLINE (2011, S. 16ff.) werden – die Strategieplanung, – die Sicherstellung von Corporate Social Responsibility, – die rigorose Analyse von Kundendaten, – die Entwicklung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile und – die damit einhergehenden Marketingstrategien, – deren systematische Implementierung sowie – der Aufbau und die Bewahrung von Kundenbeziehungen als Marketingmaßnahmen vorgestellt, die notwendig sind, die Herausforderungen für das moderne Marketing zu meistern. Kapitel 1 å MKG601 11 Will ein Unternehmen seine Ziele erreichen, braucht es einen wie auch immer gearteten Plan, wie es an diese gelangen kann. Die Strategieplanung zeichnet mittelfristig (ca. 1 bis 3 Jahre) oder langfristig (ca. 3 bis 5 Jahre) vor, wie künftig Unternehmenserfolg erreicht werden soll. Strategieplanung ist kein einmaliger Akt in einer Unternehmung, sondern ein vielstufiger, immer wieder zu leistender Prozess. In vielen Unternehmen liegt – der Idee der Hierarchie folgend – der strategische Planungsschwerpunkt bei den oberen Managementebenen. Hier fokussieren die Planer die Makro-Fragestellungen, z. B. Bestimmung von Unternehmenszweck und -mission, Unternehmensphilosophie und -identität, Planung des Portfolios an Geschäftsfeldern. Planer auf der mittleren Ebene planen typischerweise aus der Perspektive eines Geschäftsfeldes optimale Geschäftsfeldstrategien, während die Pläne auf den unteren Hierarchieebenen oft eher taktischer Natur sind, z. B. in Form von Marketingplänen, die die optimale Vermark- tung von Produkten auf bestimmten Märkten zum Gegenstand haben. Mit Corporate Social Responsibility bezeichnen FERRELL/HARTLINE (2011, S. 17) die Verpflichtung eines Unternehmens, eine maximal positive Wirkung auf die Gesellschaft zu erreichen. Ein Großteil dieser Verantwortung kommt im Bereich der Marketingethik zum Tragen, d. h. den Grundsätzen und Standards, die akzeptables Marketingverhalten definieren. Ethisches Marketing erzeugt Vertrauen bei den Marktpartnern, was die Grundlage langfristiger Beziehungen schafft. Daneben ist die Förderung von gemein- nützig-philanthropischen Aktivitäten ein wichtiger Beitrag zur Corporate Social Res- ponsibility. Im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung hat die BMW Group die „BMW Group B Auszeichnung für gesellschaftliches Engagement ihrer Mitarbeiter 2012“ vergeben. Die Auszeichnung wurde in diesem Jahr erstmals weltweit für alle Mitarbeiter von BMW und ihren Tochtergesellschaften ausgeschrieben. Unter der Schirmherrschaft von Perso- nalvorstand Milagros Caiña-Andree, ehrt das Unternehmen Mitarbeiter, die sich auf außergewöhnliche Weise ehrenamtlich einsetzen und damit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. (http://www.umweltdialog.de/…/Im_Blickpunkt_BMW_Group.php) Strategieplanung basiert in einem hohen Maße auf der Verfügbarkeit und Interpretation von Information. Für Marketingverantwortliche ist die Analyse von Kundendaten, ins- besondere solchen zu deren Bedürfnissen, Meinungen und Einstellungen, eine Kernauf- gabe. In der Strategieplanung sind neben Kundendaten auch Daten zu internen Stärken und Schwächen, hier insbesondere zur aktuellen und künftigen Verfügbarkeit von Res- sourcen, sowie Wettbewerbsdaten (u.a. zu Fähigkeiten, Stärken und Schwächen und zukünftigen Handlungsabsichten) und Daten zur Entwicklung im Unternehmensumfeld (u.a. zu politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen sowie technologischen Trends) entscheidende Planungsgrundlagen (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 18). Um erfolgreich am Markt agieren zu können, muss ein Unternehmen über mindestens einen Wettbewerbsvorteil verfügen. Ein Wettbewerbsvorteil ist, einfach gesagt, etwas, das das Unternehmen besser macht als seine Wettbewerber und das aus Kundensicht relevant ist. Wettbewerbsvorteile sind kritisch, denn sie bestimmen den Rahmen für die nachgelagerten Marketingaktivitäten (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 18). Die amerikanische Firma Apple wartet mit ihrer Innovationsdynamik, ihrer einmaligen B Customer Experience und ihrer Ästhetik als Wettbewerbsvorteile auf (vgl. FERRELL/ HARTLINE 2011, S. 18). Kapitel 1 å MKG601 12 Mit über 200 000 verschiedenen Apps ist der AppStore von Apple für das iOS des iPhone und iPad der aktuell erfolgreichste Verkaufsraum für Mobile Apps. Bei so gro- ßem Angebot ist es unvermeidlich, dass sich Apps in ihren Leistungen und Funktionen ähneln oder sogar gleichen. Wenn Leistung (und Preis) keine Unterscheidung erlauben, was beeinflusst dann am Ende den Verkaufserfolg? Und warum verkaufen sich oft weniger funktionale Apps besser als ihre leistungsstärkeren Wettbewerber? Ganz ein- fach: Weil sie schöner sind. Apps mit der ästhetischeren Grafik werden überdurch- schnittlich oft bevorzugt. Das geht soweit, dass sogar schon solche, bei denen nur das Icon liebevoller gestaltet ist, besseren Absatz erreichen. Dieser Aspekt erhält noch mehr Schub dadurch, dass eine App in die Gestaltungsästhetik seiner Betriebssystem-Umge- bung eingepasst sein muss. (http://www.arsmedium.de/…/innovatives-design/) Die Marketingstrategie eines Unternehmens beschreibt, wie das Unternehmen die Bedürfnisse und Wünsche seiner Kunden erfüllen will. Dies kann auch Aktivitäten umfassen, die auf die Aufrechterhaltung von Beziehungen zum wechselseitigen Nutzen mit anderen Stakeholdern wie Mitarbeitern oder Partnern in der Wertschöpfungskette abzielen. Anders gesagt: Der Begriff Marketingstrategie bezeichnet ein langfristig aus- gerichtetes, planvolles Vorgehen zur Realisierung der Marketingziele. Das heißt, einen Plan, wie das Unternehmen seine Stärken und Fähigkeiten einsetzen will, um die Kun- denanforderungen am Markt zu erfüllen. Eine Marketingstrategie besteht immer aus einer Definition des Zielmarktes und des zugehörigen Marketingmix zur Bearbeitung desselben. Die Marketingstrategie bildet somit die Grundlage für die Planung der opti- malen Kombination der Marketinginstrumente wie Produkt, Preisgestaltung, Distributi- onsstrategie, Kommunikationsstrategie (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 19). Sind Marketingstrategie und die Elemente des Marketingmix definiert, ist der Plan in die Tat umzusetzen. Diesen Schritt bezeichnet man als Implementierung (vgl. FERRELL/ HARTLINE 2011, S. 23). Die Implementierung ist integraler Bestandteil der Planung, denn in der Planung ist bereits zu berücksichtigen, wie die Implementierung erfolgen kann und soll. In den letzten Jahren haben die Unternehmen gelernt, dass sie leichter Kundendaten generieren können und Kundenbeziehungen profitabler gestalten können, wenn sie mit ihren Kunden langfristige Beziehungen eingehen und diese systematisch pflegen und entwickeln. Das neue Paradigma Customer Relationship Management bezeichnet des- halb die konsequente Ausrichtung einer Unternehmung auf die systematische Gestal- tung der Kundenbeziehungsprozesse (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 19). Das Kun- denbeziehungsmanagement löst das transaktionsorientierte Marketing ab und richtet konsequent alle Unternehmensprozesse auf die Stärkung von Kundenbeziehungen aus. Kapitel 1 å MKG601 13 Transaktionsorientierter Ansatz Kundenbindungsansatz – Auftragsabschluss – Etablierung langfristiger Kundenbeziehungen Ziel – Kunden-Lieferantenverhältnis – Partnerschaftsverhältnis – Kunde kauft Leistungsangebot – Interaktive Wertgenerierung und Kundenintegration – Umsatzfokussierung – Ergebnisfokussierung Paradigma – Undifferenzierte Services – Individualisierte Servicelevels – Einzelproduktorientierung – Kundenorientierung – Geringe Kundenkenntnis – Spezifische Kenntnis individueller Kunden inklusiv Kunden- Prognose des individuellen Kundenverhältnisses – Relative Unabhängigkeit Verkäufer/Käufer verständnis – Interdependenz Verkäufer/Käufer – Bewertung auf Basis von Produkten und – Bewertung auf Basis der Problemlösungskompetenz Marktsicht Kosten – Fokus auf Wertsteigerung in bestehenden – Fokus auf Neukundengewinnung Beziehungen – Fokus auf Produkte – Fokus auf Service Marketing- – Kundenkontakte als episodische Ereignisse – Kundenkontakte als kontinuierlicher Prozess verständnis – Monolog zu aggregierter Kundenmenge – Individualisierter Dialog Abbildung 1: Transaktionsorientiertes versus Kundenbeziehungs- marketing Das moderne Marketing begegnet den massiven Herausforderungen, denen es sich stellen muss, mit einer Reihe von Ansätzen. Durch eine regelmäßige Strategiepla- nung und den Aufbau einer Corporate Social Responsibility wollen Unternehmen im dynamischen Marktumfeld bestehen. Im Einzelnen zählen dazu die gezielte Analyse von Kundendaten, der systematische Aufbau und die Pflege von Wettbewerbsvortei- len, die Ableitung von passenden Marketingstrategien und deren konsequente Implementierung sowie der Aufbau und die Pflege von nachhaltigen Kundenbe- ziehungen. Das Beratungsunternehmen Accenture propagiert die Vereinbarkeit von Familie und K Karriere: Frauen, die einerseits Kinder erziehen oder Familienmitglieder pflegen, ande- rerseits auch für das Familieneinkommen sorgen, können auf ein ganzes Programm an Maßnahmen zurückgreifen. Dazu zählen u.a. flexible Arbeitszeiten, ein Wiederein- stiegsprogramm für Eltern und ein aktives Networking und Training (siehe auch http:// careers.accenture.com/de-de/working/development/career-path/Pages/karrierechancen- fur-frauen.aspx). Halten Sie dies für eine Maßnahme im Sinne der Corporate Social Responsibility? Begründen Sie Ihre Aussage. Ein Unternehmen der Kommunikationstechnologie muss sich in einem Markt behaup- K ten, der von rasanten Veränderungen geprägt ist. Es möchte aus der Vielzahl der Wett- bewerber für seine Kunden als „erste Wahl“ erscheinen. Auf welchen Maßnahmenfel- dern aus dem Marketing sollte es tätig werden, um dieses Ziel zu erreichen? Kapitel 1 å MKG601 14 2 Wichtige Grundlagen des strategischen Marketings Eine Strategie ist allgemein gesprochen die Festlegung eines Plans, mit welchen Maß- nahmen das gewünschte Ziel erreicht werden kann. Sie kennen das vielleicht aus dem privaten Bereich: Nehmen wir an, Sie möchten Ihr Haus oder Ihre Wohnung innen komplett neu gestalten. Was tun Sie? Sie überlegen, mit welchem Zimmer Sie begin- nen, wie das Zimmer farblich gestaltet werden soll. Hier beschäftigen Sie sich mit der Wirkung von Farben und Mustern und wählen das für Sie passende aus. Sie überlegen, ob Sie selbst renovieren oder einen Handwerker beauftragen. Das ist abhängig vom finanziellen Budget. Nicht zuletzt machen Sie sich einen Zeitplan, bis wann das Zimmer fertig sein soll. Wir könnten das Beispiel noch weiter ausführen, doch zurück zum stra- tegischen Marketing: Welche Aufgaben erwarten Sie in diesem Planungsprozess? In diesem Kapitel erhalten Sie in Abschnitt 2.1 einen Einblick in die unterschiedlichen Aufgaben des strategischen Marketings. Wie Sie es bereits aus anderen Fächern zu Genüge kennen, setzen unterschiedliche Autoren hier verschiedene Schwerpunkte. Als Kernaufgaben können aber im Folgenden die Festlegung der Unternehmensphilosophie und der strategischen Ziele, die Abgrenzung und die Auswahl der strategischen Ge- schäftsfelder, die Entwicklung, Bewertung und Auswahl der Marktteilnehmer- und Marktbearbeitungsstrategien sowie die Implementierung dieser Strategien identifiziert werden. In Abschnitt 2.2 lernen Sie den strategischen Planungsprozess kennen. Hier wird Ihnen gezeigt, dass die Marketingstrategie im Kontext der Gesamtstrategie zu sehen ist und diese berücksichtigen muss. Den größeren Rahmen dafür bildet der Marketingplan, in den die Marketingstrategie eingebettet werden muss. Aus dem Marketingplan leiten sich dann die nötigen Handlungen ab. In Abschnitt 2.3 betrachten wir dann mit dem ressourcenorientierten und dem marktori- entierten Ansatz die dominanten Leitbilder des strategischen Marketings zur Erklärung des Markterfolgs von Unternehmen. Der ressourcenorientierte Ansatz des strategischen Marketings nimmt eine Inside-Out-Perspektive auf das Unternehmen ein. Kernaussage dieses Ansatzes ist, dass einzigartige interne Ressourcen die entscheidende Ursache für den unterschiedlichen Markterfolg von Unternehmen sind. Die dominante Idee inner- halb dieses Ansatzes ist das Konzept der Kernkompetenzen. Der marktorientierte Ansatz nimmt eine Outside-In-Perspektive ein und postuliert, dass der Markterfolg eines Unternehmens auf seiner Fähigkeit beruht, sich an extern gegebene Faktoren, wie z. B. Branchencharakteristika, anzupassen. 2.1 Das Aufgabenspektrum des strategischen Marketings In den 1920er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte sich aus der Handels- betriebslehre eine eigenständige betriebliche Absatzlehre, die zunehmend eine betriebs- wirtschaftliche Perspektive einnahm. Die aufkommende industrielle Massenproduktion in den 1930er und 1940er-Jahren führte bis in die 1950er-Jahre zu einer verstärkten Verkaufsorientierung der Disziplin. Absatz wurde als Funktion „am Ende des Fließban- des“ verstanden – was produziert wurde, musste verkauft werden. Kapitel 2 å MKG601 15 Ende der 1950er-Jahre wurde mit wachsendem Wohlstand das Warenangebot größer, die Position der Nachfrager stärker: sie mussten nicht mehr froh sein, dass überhaupt etwas angeboten wurde, sondern konnten vergleichen, auswählen und bestimmten mit ihren Kaufentscheidungen letztlich über den Erfolg oder Misserfolg der Unternehmen. Es entstanden Käufermärkte. Zu dieser Zeit führte DRUCKER den Begriff Marketing auch im deutschsprachigen Raum ein. Marketing wurde nicht mehr als „verlängerte Werkbank“, sondern zunehmend als das bewusste Führen einer Unternehmung vom Absatzmarkt her, verstanden. Neben einer Vertiefung und Verbreiterung des Marketings (vgl. MEFFERT /BRUHN 1976) hat vor allem die Dynamik der Aufgabenumwelt für eine zunehmend strategische Orientie- rung des Marketings gesorgt (vgl. ANSOFF 1981, BENKENSTEIN/UHRICH 2009, KÖHLER/ BÖHLER 1984). Im Laufe der Entwicklung hat sich das Marketing zusehends zu einem integrierten Konzept der marktorientierten Unternehmensführung entwickelt (vgl. MEF- FERT 1989, KÖHLER 1993). Ziel ist es dabei, über die Entwicklung von Marketingstrate- gien den marktorientierten Handlungsrahmen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen festzulegen (BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 15). Zielsetzung des Marketings in diesem Sinne ist es, Kundenbedürfnisse zu erkennen, Kundenprobleme zu verstehen und diese besser zu lösen als der Wettbewerb (vgl. OPRESNIK/RENNHAK, 2011). In dieser Abgrenzung werden dem strategischen Marketing zwei grundlegende Aufga- benstellungen zugewiesen (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 15f.): 1. Die Identifikation von Wünschen und Bedürfnissen des Zielmarktes. Damit geht implizit auch eine Abgrenzung des Zielmarktes einher. 2. Die Entwicklung und Implementierung von Wettbewerbsstrategien, die den poten- ziellen Kunden einen Vorteil gegenüber vergleichbaren Angeboten bieten. Nach KOTLER/BLIEMEL (2001) kann dieser Vorteil in der Wirksamkeit und/oder der Wirt- schaftlichkeit des Angebots bestehen. Diese Abgrenzung des Aufgabenspektrums des strategischen Marketings ist relativ generisch. Andere Autoren haben die Aufgaben des strategischen Marketings deutlich Tabelle 1: differenzierter aufgeschlüsselt (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 16). Tabelle 1 gibt Aufgabenspektrum des Ihnen einen Überblick über fünf unterschiedliche Abgrenzungen dieses Aufgabenspekt- strategischen Marketings nach BENKENSTEIN/ rums (BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 16). UHRICH (2009, S. 16) Kotler/Bliemel (2001) Meffert et al. (2008) Becher (2006) Backhaus/Voeth (2007) Bruhn (2009) – Auswahl von Ziel- – Bildung strategi- – Strategische Marke- – Definition der „Cor- – Festlegung strategi- märkten scher Geschäftsfel- tingziele porate Mission“ scher Marketing- – Formulierung des der – Marktfeldstrategien – Abgrenzung der ziele unternehmerischen – Definition der „Busi- – Marktstimulierungs- strategischen – Prioritäten bei der Grundauftrags und ness Mission“ strategien Geschäftsfelder Auswahl und Bear- der Leistungsziele – Ableitung strategi- – Koordination des beitung der Markt- – Marktparzellierungs- – Definition generi- scher Stoßrichtun- Geschäftsfeldport- segmente strategien scher Wettbewerbs- gen folios – Verbindungen zum – Marktarealstrate- strategien – Ableitung von – Festlegungen zur strategischen Cont- gien – Bildung strategi- Norm- und Markt- Art der Marktstimu- rolling scher Allianzen teilnehmerstrate- lierung – Strategieimplemen- gien – Zeitpunkt des tierung – Formulierung funk- Marktein- und -aus- tionaler Strategien tritts – Identifikation von Kooperationspart- nern Kapitel 2 å MKG601 16 Tabelle 1 macht deutlich, dass die verschiedenen Autoren dem strategischen Marketing deutlich unterschiedliche Aufgaben zuordnen. KOTLER/BLIEMEL (2001) sehen die vor- nehmliche Aufgabe des strategischen Marketings in der Definition generischer Wettbe- werbsstrategien. MEFFERT ET AL. (2008) dagegen fokussieren auf die Definition von Marktteilnehmerstrategien als Kernaufgabe des strategischen Marketings. BECKER (2006) misst Marktfeld- und Marktarealstrategien die größte Bedeutung bei. BACK- HAUS/VOETH (2007) verweisen insbesondere auf das Timing von Marktein- und -aus- tritt. BRUHN (2009) ist vor allem die Verbindung zum strategischen Controlling wichtig (BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 16). Obwohl jeder Autor verschiedene Schwerpunkte setzt, zeigt ein Vergleich der beschrie- benen Aufgabenspektren, dass die Aufgaben des strategischen Marketings doch relativ einheitlich gesehen werden (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 16). Kernaufgaben sind nach BENKENSTEIN/UHRICH (2009, S. 16f.): – Festlegung der Unternehmensphilosophie und der strategischen Ziele – Abgrenzung und Auswahl der strategischen Geschäftsfelder – Entwicklung, Bewertung und Auswahl der Marktteilnehmer- und Marktbearbei- tungsstrategien – Implementierung der Strategien (sowohl intern im Unternehmen wie auch extern im Markt) Marketing ist ein Managementkonzept und eine Grundhaltung, die den Markt in den Mittelpunkt der unternehmerischen Entscheidungen rückt und Kundenbedürfnisse erkennen und besser befriedigen will als der Wettbewerb dies vermag. Die Kernauf- gaben des strategischen Marketings beinhalten die Formulierung der Unternehmens- philosophie, die strategische Zielsetzung und die Auswahl der strategischen Geschäftsfelder. Dazu müssen passende Strategien für Marktteilnehmer und Markt- bearbeitung erarbeitet werden, welche dann auch umgesetzt werden müssen. 2.2 Der strategische Planungsprozess Der strategische Planungsprozess bildet den Rahmen für die Marketingstrategie. Die Marketingstrategie ist im Kontext der Gesamtstrategie zu sehen und muss diese berück- sichtigen (vgl. FERRELLL/HARTLINE 2011, S. 30ff.). Der Ausgangspunkt des strategischen Planungsprozesses ist die Situationsanalyse, die die Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten des Unternehmens an den Anforderungen des Kunden- und Wettbewerbsumfelds sowie der sonstigen Einflüsse im Unternehmensum- feld spiegelt (vgl. FERRELLL/HARTLINE 2011, S. 31). Basierend auf einer umfassenden Analyse dieser Faktoren erfolgt dann die Ableitung von – Unternehmenszweck bzw. -mission, – Unternehmensphilosophie, – Unternehmensidentität, – Oberzielen der Unternehmung, – Geschäftsbereichs- und Funktionalzielen sowie – Unterzielen im Planungsprozess. (FERRELLL/HARTLINE 2011, S. 31) Kapitel 2 å MKG601 17 Wichtige Voraussetzungen für die Planung marktgerichteter Wettbewerbsstrategien sind nach BENKENSTEIN/UHRICH (2009, S. 88): – die Abgrenzung der relevanten Märkte (siehe Kapitel 3), – die Analyse der unternehmensexternen wie -internen Einflüsse auf die Unternehmen- stätigkeit sowie – deren Erfolgsbedingungen. Die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Planung der marktgerichteten Wettbewerbsstrategien sehen diese jedoch in dem Ansatz nach HINTERHUBER (2004) in Abbildung 2: der Festlegung der Mission der Unternehmung und der Formulierung langfristiger Zielbildung im Prozess der Ziele. Abbildung 2 zeigt Ihnen diesen Zusammenhang auf (BENKENSTEIN/UHRICH strategischen Marketing- planung und -implementie- 2009, S. 88). rung nach BENKENSTEIN/ UHRICH (2009, S. 88) Optionen marktgerichteter Wettbewerbsstrategien Marktteilneh- Marktwahl- merstrategien strategien Grundlagen marktgerichteter Bewertung und Auswahl markt- Wettbewerbsstrategien gerichteter Wettbewerbsstrategien Strategische Analysen Methoden Prozesse und Prognosen Markt- und SGE- Mission der Abgrenzung Unternehmung Führungsstil und Unternehmens- Inhaltliche Implementierung markt- kultur gerichteter Wettbewerbsstrategien Kommuni- Produkt kation Strategisches Controlling Strategische Frühwarn- Preis Distribution Kontrolle systeme Organisatorische Implementierung marktgerichteter Wettbewerbsstrategien Aufbau- Ablauf- organisation organisation Die Festlegung der Marketingziele zählt zu den anspruchsvollsten Aufgaben in einem Unternehmen. Denn einerseits soll jede Handlung dazu dienen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Andererseits sind die Ziele abhängig von den strategischen und operativen Möglichkeiten wie auch von unternehmensexternen Bedingungen und ihren künftigen Veränderungen. Ohne eine Ausrichtung der Marketingstrategie an festgelegten Zielen besteht jedoch die Gefahr, dass die Marketingmaßnahmen kurzfristig angelegt, immer wieder angepasst und schließlich zu einem „muddling through“ (= Durchwursteln) werden. Andererseits besteht natürlich ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen den Zielen und den Strategien eines Unternehmens. Die Strategien dienen grundsätzlich dazu, bestimmte Ziele zu erreichen, doch können bestimmte Ziele oft nur erreicht werden, Kapitel 2 å MKG601 18 wenn die strategischen Grundlagen klar sind. Obwohl wir uns in den folgenden Ausfüh- rungen auf die marktseitigen Herausforderungen und Planungsschritte zur Entwicklung einer kundenorientierten Marketingstrategie fokussieren, ist hier aber nochmals klar zu betonen, dass Unternehmen v.a. dann in der Lage sind besonders effektive Marke- tingstrategien zu entwickeln, wenn die Marketingstrategien im Einklang mit dem Unter- nehmenszweck und den Unternehmenszielen sowie sämtlichen anderen funktionalen Plänen stehen (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 32). Ausgangspunkt der Zielbildung ist deshalb die Definition des Unternehmenszwecks (bzw. der Unternehmensmission) und die Festschreibung von Unternehmensphilosophie und Unternehmensgrundsätzen (SCHREYÖGG 1993). Diese Festlegungen sind wiederum die Grundlage für die Definition der zu bearbeitenden Geschäftsfelder (vgl. BENKEN- STEIN/UHRICH 2009, S. 89). Die Umsetzung der Unternehmensmission in operationale Handlungsziele ist wiederum erst auf der Ebene eindeutig definierter Geschäftsfelder möglich. Diese Interdependenz im Zielbildungsprozess ist anhand einer gebrochenen Zielpyramide in Abbildung 3 dargestellt (BECKER 2006, BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 89, MEFFERT 1994). Ziele sind dabei als erwünschte zukünftige Zustände definiert, die durch Implementierung der festgelegten Marketingstrategien erreicht werden sollen (vgl. STEFFENHAGEN 2008). Abbildung 3: Verknüpfungsbeziehungen innerhalb der Zielbildung (vgl. BENKENSTEIN/ UHRICH 2009, S. 89) Unter- nehmens- Übergeordnete Ziele: Zunehmende Konkretisierung zweck Leitlinien der Unter- nehmenstätigkeit bzw. -mission Mittel-Zweck-Beziehung Unternehmensphilosophie Unternehmensidentität Oberziele der Unternehmung Handlungsziele Unternehmensbereichsziele (Geschäftsfeldziele) Funktionsbereichsziele (Marketingziele, Produktionsziele, …) Unterziele (Marketing-Mix-Ziele) Die oberen drei Ebenen definieren die Leitlinien der Unternehmenstätigkeit, die unteren drei Ebenen umfassen die Zielbildung im engeren Sinn (vgl. BECKER 2006, S. 27–28). Die oberen drei Ebenen der Zielpyramide können entsprechend als Prämissen oder als Leitlinien für den Prozess der Formulierung und der Auswahl von Strategien angesehen werden. Die folgenden Ebenen, die Handlungsziele, lassen sich erst festlegen, wenn bestimmte Strategien definiert worden sind. Zentral in dieser Phase des strategischen Planungsprozesses ist die Definition eines langfristig gültigen Zielsystems der Unter- nehmung, das mittels strategischer und – diese detaillierend – operativer Verhaltens- pläne (MEFFERT 1986) der einzelnen Unternehmensbereiche und Geschäftsfelder umge- setzt werden soll (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 89). Kapitel 2 å MKG601 19 Die Handlungsziele werden also auf der Basis von Unternehmenszweck bzw. -mission, Unternehmensphilosophie und Unternehmensidentität erarbeitet. Handlungsziele sind als Oberziele der Unternehmung die Formal- und Sachziele, wie z. B. Gewinnziele, Rentabilitätsziele, soziale Ziele u.a. Diese Unternehmensziele können jedoch nur dann realisiert werden, wenn den einzelnen Bereichen des Unternehmens, wie z. B. Beschaf- fung, Produktion und Marketing, detailliertere Teilziele vorgegeben werden, die Funkti- onsbereichsziele. Auch derartige Vorgaben müssen noch weiter präzisiert und konkreti- siert werden, sodass daraus schließlich die geschäftsfeldbezogenen Zwischenziele und auf der nachfolgenden Ebene die Unter- oder Instrumentalziele entstehen. Unterneh- mens- und Marketingziele sind also hierarchisch aufgebaut und entsprechend in die unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenshierarchie eingebunden. Für den Marketingbereich müssen damit aus den übergeordneten Zielen des Unterneh- mens Marketingziele abgeleitet werden, die mit den Marketingstrategien und den Mar- ketinginstrumenten erreicht werden können. Der hierarchische Aufbau und die Komple- xität des Marketing-Zielsystems werden wesentlich von der zugrunde liegenden Komplexität und der hierarchischen Struktur der marktgerichteten Aufgaben bestimmt. Das folgende Beispiel zeigt exemplarisch eine Zielpyramide eines Herstellers von Werkzeugmaschinen. B Abbildung 4: Zielpyramide eines Herstel- lers von Werkzeugmaschi- nen (OTT, H.J.,2011, http:// sla03.ex.ba-heidenheim.de/ script/51aufgabe.htm) Sowohl die Unternehmens- wie auch die Marketingziele müssen im Rahmen eines sys- tematischen Zielbildungsprozesses festgelegt werden. Sie bilden die Grundlage für die Bewertung, Koordination und Kontrolle der Marketingaktionen und -strategien. Ein solches Zielsystem ermöglicht einerseits Kohärenz und unternehmensbereichs- bzw. geschäftsfeldübergreifende Koordination sowie vorausschauendes Handeln im Wettbewerbsumfeld. Andererseits ist eine effektive, flexible und zeitnahe Anpassung auf sich verändernde Umweltbedingungen möglich. Gleichzeitig lässt es sich vermei- den, dass sich das strategische Marketing auf die rein „reaktive Anpassung“ (MEFFERT 1994) an politische, ökonomische, soziale, technologische und/oder sonstige umfeldli- che Dynamiken in der Unternehmensumwelt beschränkt. Kapitel 2 å MKG601 20 Zur konkreten Ableitung der strategischen Ausgangsziele einer marktorientierten Unternehmensplanung und deren schrittweiser Konkretisierung ist es notwendig, die Mittel-Zweck-Beziehungen zwischen den einzelnen Leitlinien der Unternehmenstätig- keit und den einzelnen Handlungszielen zu analysieren (vgl. BECKER 2006, S. 28). Die vielfältigen Ziele in einem Unternehmen können in einer Zielpyramide zusam- mengefasst werden. Dabei sind zwei große Gruppen zu unterscheiden: die über- geordneten Ziele und die Handlungsziele. Aus den übergeordneten Zielen des Unternehmens müssen die Marketingziele abgeleitet werden, die mit den Marke- tingstrategien und den Marketinginstrumenten erreicht werden können. Sie bilden die Voraussetzung für die spätere Bewertung und Kontrolle der Marketingaktionen und -strategien. K Welche Kernaufgaben des strategischen Marketings kennen Sie? Zählen Sie auf. K Überlegen Sie an Hand der Ausführungen in Abschnitt 2.2 Der strategische Planungs- prozess: Was ist im Zielsystem unter einer Mittel-Zweck-Beziehung zu verstehen? 2.2.1 Unternehmenszweck und Unternehmensmission Ausgangspunkt bei der Erstellung eines marktorientierten strategischen Zielsystems ist die Bestimmung der Unternehmensmission (vgl. HINTERHUBER 2004). Startpunkt für die Bestimmung der Unternehmensmission wiederum ist die Festlegung des Unterneh- menszwecks, der spezifiziert, warum die Unternehmung besteht und welche Aufgabe sie in wirtschaftlichem Umfeld und Gesellschaft zu erfüllen gedenkt. Unternehmensgründungen beginnen meist mit einer Idee, wie ein Zusatznutzen für Kunden, Markt oder Gesellschaft erbracht werden kann. Diese Unternehmensmission bzw. diese Formulierung des Unternehmenszwecks beschreibt den Sinn des Unterneh- mens und begründet somit dessen Existenz. Diese Zwecksetzung gibt die Grundrich- tung vor, nach der sich das Unternehmen in seiner marktorientierten Unternehmens- führung richtet (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 90). Dies setzt gleichzeitig den Rahmen für die Unternehmenstätigkeit und die Erbringung der Unternehmensleistung. „Der Unternehmenszweck kann produkt-, technologie- oder auch markt- bzw. kunden- orientiert ausgerichtet sein“ (BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 90). Typischerweise ist in einem dynamischen und sich diskontinuierlich wandelnden Marktumfeld eine rein pro- duktorientierte Ausrichtung zur Sicherung des langfristigen Markterfolgs der Unterneh- mung nicht ausreichend. Auch disruptive Technologieentwicklungen machen es not- wendig, diese Perspektive in die Bestimmung des Unternehmenszwecks einfließen zu lassen (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 90). Damit gewinnt auch die Einbeziehung des Wettbewerbsumfelds zunehmend an Bedeutung (KOTLER/BLIEMEL 2001). Nach FERRELL/HARTLINE (2011, S. 33) soll die Unternehmensmission u.a. die folgen- den Fragen beantworten: Kapitel 2 å MKG601 21 1. Wer sind wir? 2. Wer sind unsere Kunden? 3. Welches sind unsere Kernkompetenzen (siehe dazu Abschnitt 2.3) bzw. Wettbe- werbsvorteile? 4. Was sind unsere Verantwortlichkeiten als ehrbare Kaufleute hinsichtlich der uns anvertrauten Ressourcen (Personal, Finanzen, natürliche Ressourcen etc.)? Als Beispiel für die Formulierung des Unternehmenszwecks kann z. B. der weltgrößte B Nahrungsmittelkonzern Nestle dienen: „Unser Ziel ist es, Tag für Tag die Lebensquali- tät der Konsumenten in aller Welt zu verbessern, indem wir ihnen schmackhaftere und gesündere Nahrungsmittel- und Getränkeoptionen bieten und sie zu einem gesunden Lebensstil anregen“ (www.nestle.de/Gemeinsame-Wertschoepfung/Grundsaetze/…/, 2012). Bei der Bestimmung des Unternehmenszwecks ist auch die korrekte Abgrenzung der Unternehmenstätigkeit wichtig (vgl. MORRIS 1996, S. 103–115). Sowohl die Vernach- lässigung wichtiger Teilbereiche in der Zweckbestimmung als auch die zu starke Berücksichtigung nebensächlicher Bereiche birgt die Gefahr, dass sich die Mitarbeiter nicht mit dieser Zweckbestimmung identifizieren oder die Unternehmung falsche Auf- gabenstellungen in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit rückt und damit die Erreichung ihrer Ziele gefährdet (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 91). FERRELL/HARTLINE (2011, S. 35) nennen hier die Reichweite und die Stabilität der Unternehmensmission als kriti- sche Beurteilungsmaßstäbe: ist die Mission zu breit angelegt („make all people happy around the world by providing them with entertaining products“), so hat sie keinerlei Aussagekraft. Zu breit angelegte Unternehmensmissionen können dazu führen, dass Unternehmen Strategien für Tätigkeitsbereiche entwickeln und hier entsprechende Res- sourcen einsetzen, in denen sie nicht über die benötigte Expertise oder hinreichende Stärken für eine erfolgreiche Marktbearbeitung verfügen. Beispiele sind die Ölfirma Exxon und ihr gescheiterter Ausflug in den Büroartikelmarkt B sowie Sears Expansion in den Immobilien- und Finanzdienstleistungsbereich (vgl. FER- RELL/HARTLINE 2011, S. 35). Eine zu eng gefasste Unternehmensmission kann ähnlich problematisch sein. Hier besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr auf ein Produkt oder eine Technologie fokus- siert und vergisst, dass Kunden das Produkt nur kaufen (bzw. die Technologie nur nut- zen), um ein bestimmtes Problem zu lösen. Bietet ein Wettbewerber eine überlegene Problemlösung mittels eines anderen Produkts oder einer anderen Technologie an, ver- liert man diesen Kunden. Die Eisenbahnunternehmen haben die aufkommenden Fluglinien zunächst nicht als B Wettbewerber im Passagier- oder Frachtmarkt wahrgenommen. Heute dominieren Unternehmen wie Southwest Airlines oder Federal Express das Passagiergeschäft und das Geschäft für den Transport zeitsensitiver Fracht. Unternehmen wie Burlington, Union Pacific oder Santa Fe haben das Nachsehen (vgl.FERRELL/HARTLINE 2011, S. 35). Kapitel 2 å MKG601 22 Die Stabilität der Unternehmensmission bezieht sich auf die Änderungsfrequenz dersel- ben. Von allen Komponenten im strategischen Planungsprozess sollten Unternehmens- zweck bzw. Unternehmensmission am wenigsten häufig angepasst werden. Sie sollten über mehrere strategische Planungszyklen hinweg stabil bleiben (vgl. FERRELL/HART- LINE 2011, S. 35). Anpassungen von Unternehmenszweck bzw. Unternehmensmission ziehen Änderungsbedarfe an allen nachgelagerten Elementen im strategischen Pla- nungsprozess nach sich. Entsprechend sollten Unternehmenszweck bzw. Unterneh- mensmission nur angepasst werden, wenn sich Kompetenzen und Fähigkeiten des Unternehmens, des Kunden- Wettbewerbs- oder Technologieumfelds nachhaltig verän- dern (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 36). In der Beschreibung des Unternehmenszwecks wird dargelegt, warum die Unterneh- mung besteht und welche Aufgabe sie im wirtschaftlichen Umfeld und in der Gesell- schaft erfüllen will. Diese Unternehmensmission beschreibt den Sinn des Unterneh- mens und begründet somit dessen Existenz. 2.2.2 Unternehmensphilosophie In der Unternehmensphilosophie werden die gewünschten Vorstellungen und das gewünschte Verhalten über die angestrebte Entwicklung des Unternehmens dargestellt. Sie beschreibt das Selbstverständnis des Unternehmens und seine Grundprinzipien. Wie in Abschnitt 2.2.1 beschrieben, geben Unternehmenszweck bzw. Unternehmensmission vor, wie ein Zusatznutzen für Kunden, Markt oder Gesellschaft erbracht werden kann. Da dies oftmals schwer greifbar ist, werden in der Unternehmensphilosophie Leitsätze oder Unternehmensleitlinien formuliert, die konkret das Verhältnis zu zentralen Bezugsgruppen bestimmen. Nach innen sollen die Leitlinien Orientierung geben und somit handlungsleitend und motivierend für die Unternehmung als Ganzes und alle Mit- arbeiter wirken. Nach außen, in Richtung der externen Anspruchsgruppen wie Kunden, Lieferanten oder die allgemeine Öffentlichkeit sollen sie deutlich machen, wofür die Unternehmung steht. Als Kernaussage beinhalten Leitsätze deshalb die grundlegenden Werte, Ziele und Erfolgskriterien des Unternehmens. Außerdem zeigen sie die spezifische Kompetenz des Unternehmens, dessen Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsvorteile auf. Leitsätze gelten als Richtlinie für Mitarbeiter, um die Leitidee optimal umsetzen zu können. Nichtsdestotrotz sind Leitsätze so allgemein gehalten, dass sie auf alle Bereiche des Unternehmens angewandt werden können. Es spiegeln sich hier die Werthaltungen und Grundeinstellungen der Unternehmung und ihrer Entscheidungsträger (ULRICH 1992, S. 825–837) gegenüber internen und externen Anspruchsgruppen wie z. B. Arbeitnehmern, Anteilseignern, Zulieferern, Kunden, Wettbewerbern etc. wider (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 91). Um die Existenz des Unternehmens langfristig zu sichern, müssen gesellschaftliche, kulturelle und politi- sche Wertvorstellungen der Stakeholder berücksichtigt werden und in der Unterneh- mensphilosophie absorbiert werden (vgl. HAHN 1992, S. 651–664). Die Unternehmensphilosophie kann deshalb auch als System verbindlicher Leitlinien (STEINMANN/GERUM 1978) oder Grundsätze für das tägliche Denken und Handeln der Kapitel 2 å MKG601 23 Unternehmensmitglieder angesehen werden (GABELE 1981, S. 245−252). FERRELL/ HARTLINE (2011, S. 33) sprechen in diesem Zusammenhang von grundlegenden Über- zeugungen, Werten und Regeln. Im Rahmen der empirischen Studie von GABELE/KRETSCHMER (1986) konnten zwei basale Dimensionen innerhalb der Unternehmensleitlinien identifiziert werden: in den untersuchten Unternehmensgrundsätzen fanden sich zum einen schwerpunktmäßig Aussagen zur allgemeinen Geschäftspolitik und zum anderen zur Position gegenüber den die Unternehmenstätigkeit beeinflussenden Stakeholdern (vgl. BENKENSTEIN/ UHRICH 2009, S. 91). Einen Überblick dazu gibt Ihnen Abbildung 5. Abbildung 5: Unternehmensgrundsätze Dimensionen von Unter- nehmensgrundsätzen (BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 91) Adressatenbezogen Geschäftsbezogen – Eigentümer, Aktionäre – Tätigkeit und Zweck – Gläubiger – Verhalten einer – Mitarbeiter Unternehmung – Konkurrenz – Potenziale – Gesellschaft BENKENSTEIN/UHRICH (2009, S. 92) stellen exemplarisch die im Rahmen der Vision B 2010 aufgestellten Unternehmensgrundsätze der BASF AG dar, die exakt diese Dimen- sionen aufweist. Adressatenbezogen Geschäftsbezogen Abbildung 6: Unternehmensgrundsätze – Produkte und Leistungen an den Bedürf- – Alle Instrumente auf den Hauptmärkten der BASF AG (BENKEN- nissen und Ansprüchen der Gesellschaft zu einzusetzen STEIN/UHRICH 2009, S. 92) orientieren – Sich auf technologische und regionale – Sich auf die Kunden ausgeprägt einzu- Stärken zu konzentrieren stellen – Das Portfolio der Tätigkeiten ausgewogen – Ökonomische, ökologische und soziale und konjunkturstabil zu gestalten Erfordernisse zu berücksichtigen – Hierarchie und Bürokratie abzubauen – Gesellschaftliche und unternehmerische – Die Rohstoffbasis weiter zu entwickeln Interessen in Einklang zu bringen – Den Wert der anvertrauten Mittel zu – Engagierte, gestaltende und kreative Mit- mehren arbeiter aus unterschiedlichen Kulturen zu gewinnen – Mit leistungsfähigen Partnern zu koope- rieren – Dauerhafte Attraktivität für Anteilseigner und Kapitalgeber zu sichern In der Unternehmensphilosophie werden die gewünschten Vorstellungen und das gewünschte Verhalten über die angestrebte Entwicklung des Unternehmens darge- stellt. Sie beschreibt in konkreten Leitsätzen das Selbstverständnis des Unterneh- mens und seine Grundprinzipien. In der Unternehmenspraxis finden sich in Nieder- schriften zur Unternehmensphilosophie typischerweise Aussagen zur Geschäfts- politik und Aussagen zu den Stakeholdern des Unternehmens. Kapitel 2 å MKG601 24 2.2.3 Unternehmensidentität In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen schwerwiegend verändert. In Zeiten der Globalisierung sind Märkte gesättigt und Pro- dukte substituierbar. Da sich Produkte hinsichtlich der Qualität ähneln, ist eine Diffe- renzierung über diese – für Konsumenten selbstverständliche – Komponente kaum mehr möglich. Dabei bestimmt ein rasantes Tempo die Einführung neuer Produkte, sodass die Anzahl an Produktflops steigt. Zudem sind die Ansprüche der Kunden gestiegen. Ein Produkt wird nicht mehr nur aufgrund seines bloßen Nutzens gekauft. Vielmehr interessieren sich Kunden für das Unternehmen, das hinter dem Produkt steht, und dafür, welche Werte dieses vertreibt. Kunden suchen emotionale Bindungen und Identifikationsmerkmale. Gleichermaßen verlangen gesellschaftliche Veränderungen, wie die Verschiebung von Werten, unternehmerisches Umdenken und Handeln. Werte wie Gesundheits- und Umweltbewusstsein, die Förderung sozialer und humanitärer Ziele gewinnen an Bedeutung. Wichtiger geworden sind außerdem Selbstentfaltung, Individualität und Gemeinschafts- erlebnis. So fragen Mitarbeiter in der heutigen Zeit nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, wol- len stärker in das Unternehmensgeschehen eingebunden werden und die übergeordneten Ziele des Unternehmens kennen (vgl. STENGEL/RENNHAK 2012, S. 141–177). Nicht nur das wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld hat sich verändert, sondern auch die Unternehmen selbst. Die Anzahl an Fusionen, Kooperationen und Übernah- men ist in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Oftmals führen solche (Struk- tur-)Veränderungen zur Verwirrung bei Kunden und zum Verlust des „Wir-Gefühls“ der Mitarbeiter. Durch Diversifikation verwässern heterogene Produktsortimente das Profil der Dachmarke, sodass einzigartige, unverwechselbare Marken zur Seltenheit werden. Zusätzlich erschweren Produktmanager, die sich kurzfristige Erfolge als Ziel gesetzt haben, eine langfristige, konsistente Markenführung. In solchen Zeiten ist eine klare und einzigartige Unternehmens- bzw. Markenidentität für viele Firmen lebensnotwendig. Denn dadurch ist es möglich, sich von der Konkur- renz abzuheben sowie Marktteilnehmern eine stärkere Orientierung und Sicherheit zu bieten. Mithilfe der Vermittlung von Werten und Normen können sich interne sowie externe Bezugsgruppen mit dem Unternehmen identifizieren. Eine solche Identifikation schafft Vertrauen und bildet die Basis für langfristige Beziehungen. B Miele folgt der selbst gesetzten Leitlinie „immer besser“. Das heißt unter anderem, der Kunde erhält qualitativ hochwertige Produkte, die immer einen Schritt besser sind als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Dieses Versprechen wird eingehalten – wie zum Beispiel bei den Waschmaschinen, die im Schnitt sechs Jahre länger halten als die von der Konkurrenz. Somit fühlt sich der Kunde in seinem Vertrauen auf den kommunizier- ten Anspruch bestätigt. Der Umsatz des Unternehmens wächst, trotz der selbstverständ- lich höheren Preise im Vergleich zur Konkurrenz. (vgl. KARLE, R. S. 16 und www.miele.de) Corporate Identity kann als Identität eines Unternehmens übersetzt werden und ist Resultat des einheitlichen Selbstverständnisses aller Mitarbeiter in Bezug auf die Unter- nehmenspersönlichkeit. Je mehr sich dabei die Mitarbeiter über dieses Selbstverständ- nis einig sind, desto stärker ist die Persönlichkeit des Unternehmens, die intern wie Kapitel 2 å MKG601 25 extern über das Verhalten (Corporate Behaviour – CB), die Kommunikation (Corporate Communication – CC) und das Erscheinungsbild (Corporate Design – CD) vermittelt wird. Im Rahmen des Corporate Identity Managements wird das Selbstverständnis des Unternehmens langfristig und systematisch analysiert, geplant, gestaltet und kontrol- liert. Im Gegensatz zur internen Kommunikationswirkung von Corporate Identity stehen die externen Wirkungen meist im Vordergrund und werden bewusst herbeigeführt. Wesent- liches Ziel des Corporate Identity Managements ist hierbei die Profilierung eines Unter- nehmens nach außen und die Erlangung eines Wettbewerbsvorteils. Ein eindeutiges, widerspruchfreies sowie konsistentes Bild eines Unternehmens in den Augen externer Bezugsgruppen soll hier den gestiegenen Anforderungen auf dem Markt und der Gesell- schaft Rechnung tragen. Die Unternehmensidentität ist Resultat des einheitlichen Selbstverständnisses aller Mitarbeiter in Bezug auf die Unternehmenspersönlichkeit. Je mehr sich dabei die Mitarbeiter über dieses Selbstverständnis einig sind, desto stärker ist die Persönlich- keit des Unternehmens, die intern wie extern über das Verhalten (Corporate Behavi- our – CB), die Kommunikation (Corporate Communication – CC) und das Erschei- nungsbild (Corporate Design – CD) vermittelt wird. Welche Bausteine müssen aufeinander abgestimmt sein, um eine eindeutige, starke K Unternehmensidentität (Corporate Identity) zu erhalten? In welchem Zusammenhang stehen Unternehmensmission, Unternehmensphilosophie K und Unternehmensidentität? Bitte erläutern Sie auch kurz den jeweiligen Begriff. „Mit Phytoneering bringen wir die heilende und gesunderhaltende Kraft der Natur zum K Menschen. Bionorica prägt mit diesem Begriff ein neues Zukunftsfeld der Pharmazie: Phytoneering steht für die Entschlüsselung des großen Wirkstoffpotenzials von Pflan- zen (phytos) mit dem Einsatz von modernster Forschung und innovativen Technologien (engineering) zur Herstellung wirksamer und sicherer pflanzlicher Arzneimittel.“ (www.bionorica.de) Würden Sie diese Beschreibung als Unternehmensmission oder als Unternehmensphilo- sophie bezeichnen? Bitte begründen Sie. 2.2.4 Strategische Ziele der marktorientierten Unternehmensführung Ausgehend von Mission und Unternehmenszweck und der mit dieser in engem Zusam- menhang stehenden Unternehmensphilosophie und -identität sind im Rahmen des Ziel- bildungsprozesses die strategischen Zielsetzungen der marktorientierten Unternehmens- führung zu präzisieren (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 93). Jedes Unternehmen benötigt ein zentrales Schema, um alle Ressourcen in sämtlichen Bereichen wie Pro- duktion, Finanzen, Personal, Forschung und Entwicklung und Marketing genau aufein- ander abzustimmen (vgl. FERRELL/HARTLINE 2011, S. 37). Kapitel 2 å MKG601 26 Dabei wird grundsätzlich zwischen den übergeordneten Zielsetzungen, den sogenannten Oberzielen der Unternehmung und den bereits konkretisierten Handlungszielen diffe- renziert (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 93). Das Herunterbrechen der Oberziele in eine von den einzelnen Unternehmensbereichen bzw. Geschäftsfeldern handhabbare Form bewirkt mit der steigenden Zahl von Subzielen die zunehmende Determinierung des unternehmerischen Zielsystems. Dabei bestehen zwischen den Ober- und den Sub- zielen Mittel-Zweck-Beziehungen. Die Realisierung der nachgeordneten Ziele ist ent- sprechend eine notwendige Bedingung für die Erreichung der übergeordneten Zielset- zungen (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 93f.). Primäres Oberziel der Unternehmung ist die Gewinnmaximierung. Empirische Studien zeigen, dass mit zunehmender Ertragskraft von Unternehmen die sozialen, auf die Mit- arbeiterzufriedenheit gerichteten Ziele ebenso an Bedeutung gewinnen wie die ökolo- gieorientierten Ziele (vgl. BECKER 2006, S. 18–19). Abbildung 7 verdeutlicht dies basierend auf einer empirischen Studie. Abbildung 7: Gewinnhöhe Prioritätsänderungen von Unternehmenszielsetzun- gen nach BENKENSTEIN/ hoch UHRICH (2009, S. 94) 1. Kunden mittel 2. Arbeitnehmer 3. Umwelt 1. Kunden 4. Gewinn/Wachstum 2. Arbeitnehmer 3. Gewinn/Wachstum gering 4. Umwelt 1. Gewinn (Überlebens- 2. Kunden niveau) 3. Arbeitnehmer Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Die Vielzahl möglicher Unternehmensziele wird im Folgenden wie allgemein üblich in sechs Zielkategorien zusammengefasst (BECKER 2006, MEFFERT 1994). Das grundle- gende Ziel der Existenzsicherung wird üblicherweise durch die ersten beiden Katego- rien, die finanziellen Ziele bzw. Rentabilitätsziele, abgebildet. Die finanziellen Ziele sind auf die jederzeitige Liquidität, die Sicherstellung der Kreditwürdigkeit, einen ange- messenen Grad an Selbstfinanzierung und damit eine adäquate Kapitalstruktur ausge- richtet (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 95). Die Rentabilitätsziele richten die Tätigkeit des Unternehmens auf einen angemessenen (bzw. maximalen) Gewinn sowie eine adäquate Umsatz-, Eigenkapital- bzw. Gesamtkapitalrendite aus. Daneben zählen zu den Oberzielen der Unternehmung noch die Marktstellungsziele, die Prestigeziele, die sozialen Ziele sowie die Umweltschutzziele (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 95). Abbildung 8 stellt Ihnen diese sechs Zielkategorien grafisch dar. Kapitel 2 å MKG601 27 Abbildung 8: Finanzielle Ziele Kategorien möglicher Unternehmensziele – Liquidität (BENKENSTEIN/UHRICH – Kreditwürdigkeit 2009, S. 95) – Grad der Selbstfinanzierung – Kapitalstruktur Marktstellungsziele Rentabilitätsziele – Umsatz – Gewinn – Marktanteil – Umsatzrentabilität – Marktgeltung – Eigenkapitalrentabilität – Erschließung neuer Märkte – Gesamtkapitalrentabilität Prestigeziele Soziale Ziele – Unabhängigkeit – Arbeitszufriedenheit – Image – Einkommen und soziale – Politischer und Sicherheit gesellschaftlicher Einfluss – Soziale Integration und persönliche Entwicklung Umweltschutzziele – Verringerung der Umwelt- belastung – Reduktion der Ressourcen- nutzung – Schaffung von Voraus- setzungen zur Umwelt- regeneration Die sechs Zielkategorien können freilich nicht isoliert voneinander betrachtet und opti- miert werden. Zwischen den einzelnen Zielkategorien bestehen vielmehr sachlogische Zusammenhänge (vgl. BENKENSTEIN/UHRICH 2009, S. 95). Auch erlaubt es die Viel- schichtigkeit des Themas nicht, pauschalisierende Aussagen über die Bedeutung bestimmter Zielkategorien in einzelnen Unternehmungen zu treffen. Die Bedeutung kann vom Typus der Unternehmung, der Rechtsform oder der Unternehmensgröße abhängen. Zum Beispiel können Non-Profit-Unternehmen oder Öffentliche Betriebe eine andere Gewichtung der Finanz- und/oder Rentabilitätsziele vornehmen als gewinn- orientiert wirtschaftende Unternehmen. Großunternehmen können hingegen andere Zielformulierungen vornehmen als kleinere Familienunternehmen. Mit steigender Größe einer Unternehmung und damit einhergehend wachsender Anzahl von Akteuren und Interessengruppen, nehmen Quantität und Qualität der Ziele in der Regel zu. Als Beispiel für die Formulierung von Unternehmenszielen sehen wir uns die Stadt- B wer

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