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Ethik 2 Permanente Veränderung aufgrund histori- scher Beschleunigung Speziell die deutsche Geschichtsphilosophie, die im Zeitalter der Aufklärung ansetzt und nach klassischer Auffassung mit Karl Marx schließt, geht von der Prämisse aus, dass die Geschichte unumwunden und immanent einem inhä- ren...

Ethik 2 Permanente Veränderung aufgrund histori- scher Beschleunigung Speziell die deutsche Geschichtsphilosophie, die im Zeitalter der Aufklärung ansetzt und nach klassischer Auffassung mit Karl Marx schließt, geht von der Prämisse aus, dass die Geschichte unumwunden und immanent einem inhä- renten Ziel zuschreitet. Wie in der Lehrveranstaltung Change Management bereits dargelegt, zeigt sich der Philosoph Immanuel Kant überzeugt, dass der menschlichen Natur erfahrbare Konfliktpotenziale im sozialen Zusammenleben eingewoben wä- ren. Denn erst störrischer Widerwille am Bestehenden setzt den Gestal- tungswillen frei, der jeder Verbesserung vorangeht. Es braucht Missmut mit dem Vorhandenen, um die Intention zu kreieren, den Stand der Dinge zu wandeln. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der zeitlich nach Kant wirkte, sah hingegen nicht eine Eigenart der menschlichen Natur am Wirken, die den Gang der Geschichte vorantreibe. Stattdessen vermutete er einen metaphysischen Weltgeist, der in der Geschichte wirksam wäre. Fortschritt erkannte er als unumgänglich, weil die Geschichte als Instrument der Vernunft wirke. Die Vernunft wiederum wird durch die Geschichte selbst zur Wirklichkeit. Alles was damit Wirklichkeit wird, materialisiert den Fortschritt. Karl Marx erkennt die Grundlage der wirksamen Veränderungskräfte statt- dessen weder in individuellen Persönlichkeitsmerkmalen noch in einem me- taphysischen Konzept wie jenem des Weltgeists. Der Philosoph dachte viel- mehr, dass ein antagonistischer Klassenkampf den Fortschritt von Gesell- schaften begründe. Die letzte Stufe vor dem zielführenden Abschluss der his- torischen Entwicklung machte Karl Marx konsequenterweise im Kapitalis- mus fest. Denn jede Form von Gesellschaft zeichnet bisher immer eine Dua- lität zweier gesellschaftlicher Pole aus, die als herrschende und beherrschte Klasse im strukturellen Widerstreit stehen. Der Kapitalismus bildet insofern die vorletzte Stufe dieser Entwicklung, als in seiner Ära Produktivitätskräfte geschaffen werden, die den Menschen von den Gängelungen durch Entbeh- rungen befreien. Erstmalig in der Geschichte der Menschheit werden pro- duktive Kräfte geschaffen, die es erlauben, Mangel zu überwinden. Durch den Kapitalismus entwickelt sich konsequent ein Wohlstandsniveau, das es ermöglicht, bisherigen Entsagungen abzuschwören. Nach Auffassung von Karl Marx wird, von diesem Standard ausgehend, eine unumwundene kom- munistische Revolution zur Abschaffung der Dialektik aus Herrschenden und Beherrschten führen. Erstmal Überfluss erzielt, verlangt es seiner Auffas- sung nach, keine Trennung mehr zwischen Herrschenden und Beherrschten, 13 Ethik denn bei Marx ist gesellschaftliche Macht immer direkt an die Verfügungs- gewalt über ökonomischen Wohlstand gekoppelt. Die kommunistische Re- volution führt also seiner Auffassung nach nicht zum Austausch der Herr- schenden, sondern zur Abschaffung der Herrschaft an sich, weil unter den Bedingungen des Überflusses auch die Modalitäten von konventioneller Herrschaft überflüssig werden. Alle Denker, die im fortschrittsgläubigen 19. Jahrhundert davon ausgingen, dass Fortschritt unumgänglich wäre, strafte das 20. Jahrhundert Lügen. An- statt eines Fortschritts hin zu einem größeren Humanismus und finaler Frei- heit, führte die totalitäre Ideologie des Faschismus in den menschlichen Ab- grund und der real existierende Kommunismus entpuppte sich nicht als Reich der Herrschaftslosigkeit sondern als Großgefängnis und Unterdrü- ckungsmechanismus. Diese gemachten Erfahrungen helfen dabei, die gegenwärtige Situation in einen reflektierten Kontext zu setzen: Auch das 20. Jahrhundert zeigt we- sentliche technologische Durchbrüche, die nicht unumwunden und automa- tisch zu politischen und sozialen Verbesserungen wurden. Fortschritt in ei- nem Bereich begründet nicht zwangsweise Fortschritte in anderen Berei- chen. Wie sich technologischer Fortschritt in sozialen, politischen, ökologi- schen Fortschritt übersetzen lässt, bleibt eine gesondert zu erzielende und bedeutsame Aufgabe. Was in diesem Kapitel interessiert, ist weniger das Wesen des Fortschritts als solches, sondern die permanente Erhöhung der Geschwindigkeit, mit der Veränderung wirksam wird. Veränderung ist dem modernen Zeitalter imma- nent, denn Wandel wirkt als Konstante. Bereits das Zeitalter vor dem Ersten Weltkrieg lässt sich frappierend mit der Jetztzeit vergleichen. Die Neuerungen in der Telekommunikation durch die Erfindung und Verbreitung des Telefons, die intensive Verflechtung des in- ternationalen Handels, Jahrzehnte der internationalen politischen Stabilität und eine damit einhergehende fatale Unterschätzung von Kriegsrisiken bei zwischenstaatlichen Konflikten, Neuerungen im Transportwesen, das Gefühl der technologischen Veränderung und des sozialen bzw. politischen Still- stands führten zu einem gesellschaftlichen Mix, der schließlich den Nährbo- den für die Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs bildete. Das Neuartige an der Jetztzeit liegt folglich nicht in der Technologisierung der Lebensumstände, auch weniger in der Digitalisierung der vorhandenen Technologien – der massive Unterschied lässt sich in der Rasanz des Wandels bestimmen und durch die Folgewirkungen dieser Umbrüche ausmachen. 14 Ethik Nicht dass Wandel stattfindet, ist also die Besonderheit der Gegenwart, son- dern wie schnell er agiert. Tiefgreifende Erneuerungen führen häufig zu nachhaltigen Machtverschiebungen, Hierarchien geraten ins Wanken. Anhand vergangener Entwicklungen lässt sich diese Wirkweise dokumentie- ren. Die I. Industrielle Revolution, deren operative Grundsätze bereits in anderen Lehrveranstaltungen dieses Studiums dokumentiert wurden, baute auf der Durchsetzung der Dampfmaschine auf. Diese technische Veränderung führte in Folge nicht nur dazu, dass England zur führenden Weltmacht auf- stieg, auch die kontinentalen Wege verkürzten sich durch die Durchsetzung der Dampfeisenbahn zeitlich. Die Dampfeisenbahn ersetzte mühsame Über- landreisen in Kutschen. Im ersten Dow Jones Index, der noch vor der II. In- dustriellen Revolution gemessen wurde, fanden sich aufgrund der Populari- tät dieser Reisemethode und ihrer wirtschaftlichen Signifikanz fast aus- schließlich Dampfeisenbahnen – nur das Telegraphenunternehmen Western Union bildete diesbezüglich eine Ausnahme. Der Dow Jones Index selbst erfasst einen Aktienindex, der über die Kursent- wicklung des Aktienmarkts Aufschluss geben soll, indem die Performance der Leitaktien von 30 Unternehmen mit Gewichtung zusammengefasst wird und diese führenden Unternehmen symptomatisch für die Entwicklung der amerikanischen Gesamtindustrie selbst gelten. Berücksichtigt werden also für den Dow Jones Index vor allem Unternehmen, deren Tätigkeit als maß- geblich und beispielhaft für die Entwicklung der amerikanische Volkswirt- schaft erscheinen. Dass der Dow Jones Index maßgeblich durch Dampfunternehmen bestimmt wurde, war beispielsweise zu Anfang des 20. Jahrhunderts der Fall. In der kurzen Ära zwischen Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg, der 1914 beginnt, setzte dann eine Dynamik unterschiedlicher Entwicklung ein, die durch verschiedene Innovationen begründet wird. Die Dynamiken füh- ren dazu, dass am Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 nur noch ein Unternehmen im Aktienindex erfasst wird, das bereits zum Jahrhundertbe- ginn dazu gezählt wurde: Das Telegraphenunternehmen Western Union, auch damals schon bekannt für Geldüberweisungen, die sich mittels des Un- ternehmens organisieren lassen. Die Dampfunternehmen hingegen waren mittlerweile allesamt aussortiert. Innovation agiert folglich gnaden- und rücksichtlos. Sie besorgt nicht nur, dass Neues entsteht, sondern auch das Bestehendes obsolet wird und unwiederbringlich vergeht, als sich die Be- dürfnisse einer Gesellschaft ändern. Waren im Jahr 1900 also Eisenbahnen 15 Ethik noch die bedeutsamsten Unternehmen in den USA, war das knappe zwei Jahrzehnte später bereits nicht mehr der Fall. Wird das 20. Jahrhundert durch den Blickwinkel eines anderen US-amerika- nischen Aktienindexes betrachtet, zeigen sich ähnliche Muster und Auffällig- keiten. Der S & P 500 erfasst als instruktiver und auskunftsstarker Leitindex die 500 größten börsennotierten US-Unternehmen, ausgewählt anhand ihrer Marktkapitalisierung. Dabei wirkt es aussagekräftig, wie lange die durch- schnittliche Erwartungshaltung besagte, dass die Aktie eines Unternehmens als Teil des S & P 500 registriert werden konnte. Im Jahr 1935 waren es durchschnittlich 90 Jahre, die als Erwartungshaltung galten, wie lange ein Unternehmen im S & P 500 Index gelistet blieb. Im Jahr 1955 reduzierte sich dieser Wert bereits auf 45 Jahre. Im Jahr 1975 sank er auf 30 Jahre. Im Jahr 1995 waren es nunmehr 22 Jahre. Im Jahr 2005 sind es dann schließlich noch 15 Jahre, die der Aktie eines Un- ternehmens als Verweildauer im S & P 500 zugemessen wird. Der Bedeutungszeitraum der Relevanz eines Unternehmens sinkt kontinu- ierlich. Kräfteverhältnisse und Bedeutungsverschiebungen im Online-Bereich er- scheinen dabei noch gravierender und rasanter als diese Vergleichswerte nahelegen. Die untere Abbildung zeigt an, welche 20 Unternehmen in den USA die häufigsten Internetaufrufe über den Verlauf von zwei Jahrzehnten auf sich vereinigen. Es handelt sich dabei selbstverständlich um einen ande- ren Referenzwert als durch die Marktkapitalisierung erfasst. Doch besitzen unter volkswirtschaftlichen Umständen, die Aufmerksamkeit zu kapitalisie- ren versteht, diese Referenzwerte entscheidende Bedeutung. 16 Ethik Das Internet Abbildung 2: Zeitachse der 20 Unternehmen mit den meisten Internetaufrufen in USA 3 Die permanente Beschleunigung, denen der Wandel der Gesellschaften in größeren Zyklen als diesen unterliegt, zeigt sich auch in der Abfolge der in- dustriellen Revolutionen. Die unterschiedlichen Zyklen, die einer konkreten Entwicklungsstufe der industriellen Revolution zugeschrieben werden kön- nen, verkürzen sich sukzessive. Oder anders formuliert: Die Abfolge der Ent- wicklungsschritte beschleunigt sich. Eine Grafik, entnommen aus der Lehrveranstaltung Digital Business und In- novationsmanagement, zeigt exakt die immanente Verkürzung dieser Zyklen an. 3 Quelle: Duden, 2019 17 Ethik Entwicklungsschri e der industriellen Revolu on Kompa bilität der Technologie I. PHASE II. PHASE III. PHASE IV. PHASE Dampfmaschine Elektrizität EDV-Automa sierung Blockchain, Big Data / KI 1750 1900 1970 2020 Chronologie der Produk vitätssteigerung Abbildung 3: Abfolge der Industriellen Revolution Die technischen Grundlagen der I. Industriellen Revolution bildeten über ei- nen konstanten und beachtlichen Zeitraum hinweg die federführenden Standards im Hinblick auf die Praxis industrieller Fertigung. Die II. Industrielle Revolution repräsentiert demgemäß eine Effizienzsteige- rung, verursacht durch den flächendeckenden Einsatz von Fließbändern und der Elektrifizierung von Anlagen. Zwischen den beiden Ansätzen liegt jedoch mehr als ein Jahrhundert. Es benötigte dann den ungefähren Zeitraum von sieben kurzen Jahrzehnten, bevor sich die die gängigen Produktionsbedingungen der II. Industriellen Re- volution durch den Einsatz von EDV erneuerten und die III. Industrielle Re- volution anbricht. Weniger als fünf Jahrzehnte, wenn großzügig bemessen, brauchte es dann schließlich, bevor die Grundlagen der III. Industriellen Revolution sich als gleichermaßen überholt und veraltet beweisen. Die Zeiträume zwischen den einzelnen industriellen Entwicklungsschritten werden zunehmend kürzer. Es lässt sich antizipieren, dass der Sprung von der IV. Industriellen Revolution zur V. Industriellen Revolution kürzer sein wird, als jener von der III. zur IV. Der wiederum war kürzer als jener von der II. zur III. Der wiederum war merklich schneller als jener von der I. zur II. Im- manente Beschleunigung markiert das verbindliche Wirkprinzip. Worin liegt nun die ethische Komponente dieser zunehmenden Rasanz? Der Soziologe Hartmut Rosa diagnostiziert der Gesellschaft eine Dichotomie aus Beschleunigung und Entfremdung. 18 Ethik Hartmut Rosa referiert, dass es vor allem der Faktor Zeit sei, der unsere ge- genwärtige Gesellschaft prägt. Zeit wird persönlich jedoch nur noch als per- manente Beschleunigung erfahren. Hartmut Rosa formuliert entsprechend, dass nicht nur der fortlaufende Wandel die definitive Konstante der Mo- derne sei. Er erkennt auch, dass sich Zyklen des Wandels permanent verkür- zen. Joseph Schumpeter analysiert, dass die Marktwirtschaft keine Stabilität er- wirken kann, als ihr der Modus permanenter Erneuerung eingewoben sei. Innovation wirkt als kontinuierliches Manifest marktwirtschaftlicher Logik. Hartmut Rosa präzisiert dieses Verständnis, als er nicht nur das Wesen der Erneuerung ergründet, sondern auch die Dimension von Zeitlichkeit mitbe- denkt. Nicht nur dass Innovation die stetige Veränderung des Markts be- wirkt, sondern die Innovationszyklen verdichten sich. Es lässt sich eine stei- gende Rasanz des Wandels ausmachen, unaufhaltsam. Das bedeutet, die Veränderung agierte noch nie so schnell wie in der Gegenwart, wird aber in Zukunft nie wieder so langsam sein wie heute. Hartmut Rosa vermerkt hin- sichtlich der definitorischen Eigenart der Moderne: „Eine moderne Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nur dynamisch zu stabilisieren vermag. Was bedeutet, die heutige Gesellschaft ist strukturell auf Wachstum, Beschleunigung und Innovationsverdichtung Merksatz angewiesen, um sich zu erhalten und zu reproduzieren.“ 4 Hierin besteht die Paradoxie der gängigen Veränderung: Eine beschleunigende Dynamik durch Innovation verändert radikal Angebot, Struktur und Produktionserfahrung des Markts. Simultan erfüllt der Wandel jedoch die Funktion, dass die Grundprinzipien, auf denen die Gesellschaft aufbaut, überdauern. Die Fortdauer der politi- schen Ökonomie der Verhältnisse verlangt nach Veränderung. Prägnanter ausgedrückt: Es muss sich alles wandeln, um die Erwartung zu erfüllen, dass substanziell alles gleichbleibt. Das immer schnellere In-Bewegung-Setzen der materiellen, sozialen und geistigen Welt zielt darauf, die bestehenden Verhältnisse durch Wandel zu stabilisieren. Die Paradoxie liegt darin, dass die eigentlichen Verhältnisse erst durch rasante Veränderung überdauern werden. Es mögen zwar vier Abfolgen der industriellen Revolution gezählt werden. Doch sie alle bestärken die Rahmenbedingungen der industriellen Revolution fortlaufend und unverändert. Sie basieren auf marktwirtschaftli- chem Handel, Unternehmertum, moderner Staatlichkeit, Kapitalakkumula- tion, Konsumlogik. Diese Konstanten überdauern in veränderter Form. 4 Zit. nach Kienzler, 2018, S. 25 19 Ethik Der demokratische Imperativ liegt nun darin, diese immanente Veränderung auf gesellschaftlicher Ebene ausgleichend mitzugestalten. Demokratisch verfasste Gesellschaften verstehen es, die Konsequenzen ertragreicher In- vestitionen und marktwirtschaftlicher Tätigkeit durch Ansprüche auszuglei- chen, zu korrigieren, zu verändern und sie als unumgängliche und legitime Interessen des Gemeinwohls darzustellen. Im Zusammenhang mit der permanenten Beschleunigung der Jetztzeit stellt sich also die Aufgabe, eine nunmehr unleugbare und denkbare Konkurrenz- situation im Geiste der zivilen Humanität aufzulösen: Es handelt sich dabei um das präsente Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. Wenn Mensch und Maschine gegeneinander in einem direkten Konkurrenz- verhältnis stehen, verliert der Mensch, weil er keine ähnlichen Leistungen und Produktivitätssteigerungen erwirken kann, wie es der Maschine gelingt. Ein solches Verhältnis macht aber auch wenig Sinn und denkt die Bezüge falsch. Ein kopfrechnender Kassier im Supermarkt wird gegen den Laserscan- ner permanent den Kürzeren ziehen. Wenn aber solche Verhältnisse ge- schaffen werden, die diese abstrusen Konkurrenzsituationen in allerlei Um- feldern determinieren, dann wurde schlicht der Zweck von Maschinen ver- kannt. Vielmehr braucht es ein Abhängigkeitsverhältnis, dass die Maschine zum Er- füllungsgehilfen menschlicher Ambitionen degradiert. Nicht im maschinel- len Funktionieren des Menschen, aber auch nicht in der Vermenschlichung der Maschine liegt das humanistische Gebot der Zukunft – vielmehr in der zweckmäßigen und bedarfsgerechten Nutzung von Maschinen durch den Menschen. Dieses Zusammenwirken zeigt gegenwärtig bereits vielverspre- chende Potenziale im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Die Produktivität wird gehoben durch das ertragreiche Zusammenwirken von Mensch und Maschine. Wie das funktionieren könnte, beweist beispielsweise die gegenwärtige Weltspitze der Schachspieler. Sie repräsentieren die erste Generation an Spielern, deren Fähigkeiten seit den Anfängen auch von Computern trainiert wurden. Auf diese Weise wurden Intelligenz und Spielstärke im Vergleich zu den alten Großmeistern markant gesteigert. Die zentrale Fragestellung besteht also darin, ein kooperatives Verhältnis zwischen Mensch und Maschine zu etablieren, wobei die rechtlichen Rah- menbedingungen und gesellschaftlichen Bedingungen so zu konstituieren sind, dass maschinelle Arbeit zum unzweifelhaften Nutzen der Menschen ge- schehen sollte. Wie folglich der maschinell oder digital erwirkte Wohlstand sich ansprechend verteilen ließe und welche Redistributionsmechanismen dabei sinnvoll wirksam werden könnten, bleibt eine gesellschaftlich zu 20 Ethik treffende Entscheidung, Ideen und Vorschläge dazu folgen im Rahmen die- ses Skriptums noch. Bevor jedoch der Fokus immanent auf Veränderungspo- tenziale und diesbezügliche Konzepte gelegt wird, soll vorab eine andere Ur- sache gesellschaftlicher Veränderung skizziert werden und ein Zusammen- hang mit der digitalen Transformation mitbedacht werden. Das nächste Ka- pitel konzentriert sich auf die Wirkmacht und die Massivität des Klimawan- dels und erläutert, wie die Wissensgesellschaft zur Milderung der sich ab- zeichnenden Klimakrise beitragen kann. 21

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