Fälle 1-3 Lösung 2023WS PDF

Document Details

ProdigiousAmazonite

Uploaded by ProdigiousAmazonite

Universität Wien

Jana Germ

Tags

Strafrecht Fallstudien Rechtswissenschaft Strafprozess

Summary

This document is a collection of legal cases (Fälle 1-3) focusing on criminal law. The cases, along with a solution sketch, are relevant for university-level studies in criminal law and legal studies. More detail are given about the case for each of the cases for legal studies and the solutions.

Full Transcript

Anfängerübung zur Falllösung aus Strafrecht Univ.-Ass. Mag. Jana Germ Fälle 1-3 – Lösungsskizze Fall 1 Strafbarkeit des Klaus wegen des Verabreichens der Giftspritze gem § 75 StGB: I) Tatbestandsmäßigkeit (Anm.: Der Tatbestand setzt sich aus dem objektiven (äußeren) Tatbestand (=Tatbild) und dem sub...

Anfängerübung zur Falllösung aus Strafrecht Univ.-Ass. Mag. Jana Germ Fälle 1-3 – Lösungsskizze Fall 1 Strafbarkeit des Klaus wegen des Verabreichens der Giftspritze gem § 75 StGB: I) Tatbestandsmäßigkeit (Anm.: Der Tatbestand setzt sich aus dem objektiven (äußeren) Tatbestand (=Tatbild) und dem subjektiven (inneren) Tatbestand zusammen. Ob der Tatbestand erfüllt ist und eine Strafbarkeit somit in Betracht kommt, muss nach ausreichender Definition der betreffenden Merkmale mittels Subsumtion festgestellt werden. Es ist also zu argumentieren, ob der entsprechende Sachverhalt genau den Tatbestand der geprüften Norm erfüllt. Wenn Vorsatz erforderlich ist (siehe insb § 7 Abs 1 StGB), muss er sich auf jedes einzelne Element des Tatbildes beziehen. Objektiver und subjektiver Tatbestand sind strikt zu trennen!) 1. Objektiver Tatbestand: Tatobjekt ist ein vom Täter verschiedener Mensch, der keine besonderen Eigenschaften aufweisen muss. Das ist im vorliegenden Fall Erika. Die Tathandlung besteht im Töten einer anderen Person, wobei es auf die Begehungsweise nicht ankommt. Klaus setzt eine sozial-inadäquat gefährliche Handlung, in dem er seiner Frau eine tödliche Giftspritze verabreicht. (Anm.: Da jede Handlung, die zum Tod eines anderen führt, in Frage kommt, handelt es sich bei § 75 StGB um ein Erfolgsverursachungsdelikt). Auch der tatbestandsmäßige Erfolg ist mit Eintritt des Todes der Erika eingetreten. Das Verabreichen der Giftspritze war kausal, da die Handlung nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Tod der Erika entfiele (conditio-sine-qua-non-Formel). Die Kausalität indiziert die normative Zurechnung (Adäquanz, Risikozusammenhang, Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigen Alternativverhalten). Aus dem Sachverhalt ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass die normative Zurechnung problematisch sein könnte. 2. Subjektiver Tatbestand: Bei § 75 StGB handelt es sich um ein Vorsatzdelikt (vgl § 7 Abs 1 StGB). Der Täter muss es bei Setzen der Tötungshandlung also zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass seine Handlung den Tod eines anderen Menschen verursacht (dolus eventualis). Da es Klaus gerade darauf ankam, seine Frau Erika zu töten, handelte er vorsätzlich, nämlich sogar absichtlich iSd§ 5 Abs 2 StGB. II) Rechtswidrigkeit Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Klaus handelt somit rechtswidrig. 1 III) Schuld Es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Das Verhalten des Klaus ist ihm daher auch subjektiv vorwerfbar. Ergebnis: Klaus ist strafbar nach § 75 StGB. Fall 2 Strafbarkeit des Anton wegen des Schlags ins Gesicht gem § 83 Abs 1 StGB: I) Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand: Tatobjekt kann jeder vom Täter verschiedene Mensch sein, somit auch Martin. Die Tathandlung besteht im Verletzen einer anderen Person bzw im Schädigen an dessen Gesundheit, wobei (wie bei § 75 StGB) jede Handlung, die zum Erfolg führt, in Frage kommt. Anton setzt eine sozial-inadäquat gefährliche und tatbestandsmäßige Handlung, indem er ihm mit der Faust ins Gesicht schlägt. Der Erfolg ist in der Gestalt des Zahnverlusts des Martin eingetreten. Es liegt eine leichte Körperverletzung vor, da Martin durch den Faustschlag nicht ganz unerheblich in seiner körperlichen Integrität beeinträchtigt wird. (Anm.: Der Verlust eines einzelnen Zahns ohne Beeinträchtigung der Kaufunktion ist keine an sich schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 4 iVm Abs 1 3. Fall StGB.) 2. Objektive Zurechnung: Die Handlung des Anton war gemäß der csqn-Formel kausal für den eingetretenen Erfolg: Hätte Anton dem Martin nicht mit der Faust ins Gesicht geschlagen, dann hätte Martin auch keinen Zahnverlust erlitten. Auch die normative Zurechenbarkeit ist gegeben. 3. Subjektiver Tatbestand: Anton schlägt Martin bewusst mit der Faust ins Gesicht. Er hält es damit jedenfalls ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass Martin durch den Schlag eine Verletzung erleidet, und handelt daher mit Eventualvorsatz. (Anm.: Bei einem Faustschlag ins Gesicht kann jedenfalls Verletzungsvorsatz angenommen werden.) II) Rechtswidrigkeit Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Anton handelt somit rechtswidrig. III) Schuld Die Schuld wird durch die rechtswidrige Begehung des Tatbestands indiziert. Es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Das Verhalten des Anton ist ihm daher auch subjektiv vorwerfbar. Ergebnis: Anton ist strafbar gem § 83 Abs 1 StGB. 2 Variante zu Fall 2: Strafbarkeit des Anton wegen des Schlags ins Gesicht gem § 84 Abs 4 StGB: I) Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts: Tatobjekt kann jeder vom Täter verschiedene Mensch sein, somit auch Martin. Die Tathandlung besteht im Verletzen einer anderen Person bzw im Schädigen an dessen Gesundheit. Anton setzt eine sozial-inadäquat gefährliche Handlung und verletzt Martin, einen anderen, am Körper, indem er ihm mit der Faust ins Gesicht schlägt. 2. Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts: Anton schlägt Martin bewusst mit der Faust ins Gesicht. Er hat damit zweifelsfrei Vorsatz auf eine zumindest einfache Körperverletzung des Martin. 3. Eintritt und fahrlässige Herbeiführung der besonderen Folge: Auch die besondere Folge ist eingetreten: Martin erleidet einen verschobenen Nasenbeinbruch. Damit wird er nicht ganz unerheblich in seiner körperlichen Integrität beeinträchtigt. Ein Nasenbeinbruch ist nur, wenn er verschoben ist, eine an sich schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 4 iVm Abs 1 3. Fall StGB. Bezüglich des Eintritts einer schweren Körperverletzung genügt eine fahrlässige Herbeiführung durch den Täter aus. Anton ist durch den Schlag eindeutig eine solche Fahrlässigkeit zu unterstellen. 4. Objektive Zurechnung: Die Handlung des Anton war gemäß der csqn-Formel kausal für den eingetretenen Erfolg: Hätte er Martin nicht mit der Faust ins Gesicht geschlagen, dann hätte dieser auch keinen verschobenen Nasenbeinbruch erlitten. Auch die normative Zurechenbarkeit ist gegeben. II) Rechtswidrigkeit Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Klaus handelt somit rechtswidrig. III) Schuld Die Schuld wird durch die rechtswidrige Begehung des Tatbestands indiziert. Es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Vor allem war das Verhalten des Anton auch subjektiv sorgfaltswidrig und die besondere Folge für ihn voraussehbar. Ergebnis: Anton ist strafbar gem § 84 Abs 4 StGB. 3 Fall 3 Strafbarkeit der Claudia wegen des Stoßes gem § 83 Abs 2 StGB: I) Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts: Tatobjekt kann jeder vom Täter verschiedene Mensch sein, somit auch Sabine. Die Tathandlung besteht im Misshandeln einer Person. Claudia misshandelt Sabine, indem sie sie stößt und somit durch die Einwirkung von physischer Kraft deren körperliches Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtigt. 2. Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts: Claudia hat Vorsatz in Form von Absichtlichkeit auf die Misshandlung, weil es ihr geradezu darauf ankommt, Sabine zu stoßen und damit diese in ihrem körperlichen Wohlbefinden zu beeinträchtigen (§ 5 Abs 2 StGB). 3. Eintritt und fahrlässige Herbeiführung der besonderen Folge: Durch den Stoß wird Sabine (leicht) verletzt, weil diese stürzt und ein Prellung am Handgelenk erleidet. Die Prellung ist eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität von Sabine und damit eine Verletzung am Körper. (Anm.: Hat die Misshandlung keine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung zur Folge, ist die Tat nicht nach § 83 Abs 2 strafbar!) Claudia muss die Verletzung zumindest fahrlässig herbeiführen. Claudia ist durch den Stoß eindeutig eine solche Fahrlässigkeit zu unterstellen. 4. Objektive Zurechnung: Die Handlung der Claudia war gemäß der conditio-sine-qua-non-Formel für den eingetretenen Erfolg kausal, da sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt (Sabines Prellung) entfiele. Auch die normative Zurechnung ist gegeben. II) Rechtswidrigkeit Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Claudia handelt somit rechtswidrig. III) Schuld Die Schuld wird durch die rechtswidrige Begehung des Tatbestands indiziert. Es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Vor allem war das Verhalten der Claudia auch subjektiv sorgfaltswidrig und die besondere Folge für sie voraussehbar. Ergebnis: Claudia ist strafbar gem § 83 Abs 2 StGB. 4 Variante zu Fall 3 Strafbarkeit der Claudia wegen des Stoßes gem § 84 Abs 1 3. Fall StGB: 1. 2. 3. 4. I) Tatbestandsmäßigkeit Objektiver Tatbestand des Grunddelikts: Tatobjekt kann jeder vom Täter verschiedene Mensch sein, somit auch Sabine. Die Tathandlung besteht im Misshandeln einer Person. Claudia misshandelt Sabine, indem sie sie stößt und somit durch die Einwirkung von physischer Kraft deren körperliches Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtigt. Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts Claudia hat Misshandlungsvorsatz, weil es ihr geradezu darauf ankommt, Sabine zu stoßen und damit ihr körperliches Wohlbefinden zu beeinträchtigen (§ 5 Abs 2 StGB). Eintritt und fahrlässige Herbeiführung der besonderen Folge: Die besondere Folge des § 84 Abs 1 StGB ist eingetreten: Sabine erleidet durch die Misshandlung einen Armbruch. Ein Knochenbruch ist idR, sofern es sich nicht um unbedeutende kleine Knochen handelt, als „an sich schwere Verletzung“ zu qualifizieren. Auch der Armbruch stellt eine an sich schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 3. Fall StGB dar. Objektive Zurechnung: Die Handlung der Claudia war gemäß der conditio-sine-qua-non-Formel für den eingetretenen Erfolg kausal, da sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt (Armbruch) entfiele. Auch die normative Zurechnung ist gegeben. II) Rechtswidrigkeit Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Claudia handelt somit rechtswidrig. II) Schuld Die Schuld wird durch die rechtswidrige Begehung des Tatbestands indiziert. Es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Vor allem war das Verhalten der Claudia auch subjektiv sorgfaltswidrig und die besondere Folge für sie voraussehbar. Ergebnis: Claudia ist strafbar gem § 84 Abs 1 3. Fall StGB. 5

Use Quizgecko on...
Browser
Browser