Summary

This document details the concept of attachment and exploration behavior in children. It discusses different types of attachment and how they influence a child's development. It also includes a section on the strange situation test, a method of evaluating attachment styles.

Full Transcript

Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Bindung, Bindungs- und Explorationsverhalten Bindung Bindung ist die intensive, überdauernde, sozial-emotionale Beziehung eines Kindes zu seiner Mutter, seinem Vater oder einer anderen Bezugsperson. Weil Säuglinge nicht in der Lage sind...

Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Bindung, Bindungs- und Explorationsverhalten Bindung Bindung ist die intensive, überdauernde, sozial-emotionale Beziehung eines Kindes zu seiner Mutter, seinem Vater oder einer anderen Bezugsperson. Weil Säuglinge nicht in der Lage sind, sich zu versorgen oder zu schützen, ist die erste Funktion der Bindung die Sicherung des Überlebens. Kinder können zu mehreren Personen Bindungen aufbauen und sich auf diese auch stützen, neben den Eltern können diese auch andere Personen sein, die regelmäßig (viel) Zeit mit dem Kind verbringen – auch pädagogisches Fachpersonal. Bindung ist eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen können. Ein „sicherer Hafen“ ermöglicht Erkundungsverhalten und damit Erfahrungen, die für eine gesunde Entwicklung notwendig sind. Primäre Beziehungserfahrungen wirken jedoch auch durch die Entstehung von (relativ konstanten) Schemata für soziale Beziehungen lebenslang auf Menschen ein. Bindungsverhalten Wenn ein Kind sich unsicher, unbehaglich oder überfordert fühlt, wie in fremden Situationen und vor fremden Personen, sucht es bei seiner Bezugsperson Körperkontakt, Schutz und Geborgenheit. Es zeigt sog. Bindungsverhalten (=attachement)  Sie suchen die Nähe und den Kontakt zur Bezugsperson.  Sie widersetzen sich der Trennung.  Sie nutzen die Bezugsperson als „sichere Basis“, wenn sie nicht vertraute Situationen erkunden.  Sie klammern sich an die Person, wenn sie sich fürchten.  Sie bemühen sich um die Aufmerksamkeit und um Zeichen der Anerkennung der Bezugsperson, durch Anlächeln, Blickkontakt aufnehmen, Körperkontakt aufnehmen, Weinen, Rufen Explorationsverhalten Komplementär zum Bindungsverhalten ist das Explorationsverhalten (Erkundungsverhalten): Wenn das Kind sich wohl und sicher fühlt (und entsprechend kein Bindungsverhalten zeigt) wagt es sich weiter in den Raum, erkundet Gegenstände/Personen und Umgebung, eine wichtige Voraussetzung für das Lernen und die Entwicklung des Kindes 1 Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Nach diesem Modell suchen Kinder immer dann die Nähe zur wichtigen Bezugsperson, wenn sie unsicher sind oder sich unwohl fühlen. Wenn sie dagegen sicher sind und sich wohl fühlen, bewegen sie sich weg und erkunden ihre Umgebung. Beide Verhaltensweisen stehen im ständigen Wechsel, wobei die erwachsene Bezugsperson als „sichere Basis“ genutzt wird. Man kann sich dies ähnlich einer Wippe vorstellen: fühlt sich das Kind sicher und vertraut, so steigt sein Explorationsverhalten an und das Bindungsverhalten sinkt. Fühlt es sich unsicher oder ängstlich, so steigt sein Bindungsverhalten, d.h. Nähe- und Kontaktsuchen an und das Explorationsverhalten lässt nach. Quelle: Strohband, K. (2011) Bindung im Kindergartenalter. Online: http://www.familienhandbuch.de/ kindheitsforschung/fruhe-kindheit/bindung-im-kindergartenalter Zugriff am 7.1.2022 Beschreiben Sie eine Situation aus Ihrer Praxis möglichst detailliert, in welcher ein Kind Bindungs- oder Explorationsverhalten gezeigt hat. 2 Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Fremde-Situations-Test Die Qualität der Bindung lässt sich mit dem Fremde-Situation-Test bestimmen, den Mary Ainsworth in den 70er Jahren entwickelt hat. Im Test wird bei Kindern zwischen 12 und 24 Monaten Erkundungs- und Bindungsverhalten provoziert. Meist ist im Test die Mutter die Bezugsperson, der Test lässt sich aber auch mit anderen Bezugspersonen durchführen. Beobachtet wird das Verhalten des Kindes zum Zeitpunkt der Trennung und zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung. Phase Dauer Inhalt 1 30 sec Beobachter führt Mutter und Kind in einen Raum mit Spiegelscheibe, mit attraktivem Spielmaterial für das Kind und einem Stuhl für die Mutter, dann verlässt er den Raum Beobachtung: Keine 2 3 min Das Kind kann das Spielmaterial erkunden, wenn nötig regt die Mutter das Spiel des Kindes an. Beobachtung: Erkundungsverhalten und Nutzung der Mutter als „sicherer Hafen“ 3 3 min Ein Fremder betritt den Raum, verhält sich erst still, nimmt dann Kontakt zur Mutter und schließlich auch zum Kind auf. Beobachtung: Reaktion auf den Fremden 4 3 min Mutter verlässt unauffällig den Raum, der Fremde bleibt mit dem Kind (oder allein, beschäftigt sich mit ihm und tröstet es wenn nötig kürzer) Beobachtung: Trennungs-Stress und Reaktion auf die Angebote des Fremden 5 3 min Mutter kommt zurück, begrüßt das Kind und tröstet es. (oder Beobachtung: Reaktion auf die Wiedervereinigung länger) 6 3 min Mutter verlässt den Raum mit einem Abschiedsgruß, das Kind bleibt (oder allein kürzer) Beobachtung: Trennungs-Stress 7 3 min Der Fremde betritt den Raum, er passt sein Verhalten an das des (oder Kindes an kürzer) Beobachtung: Fähigkeit sich durch einen Fremden beruhigen zu lassen 8 3 min Die Mutter kommt zurück, begrüßt das Kind, nimmt es auf. Der Fremde verlässt unauffällig den Raum. Beobachtung: Reaktion auf die Wiedervereinigung 3 Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Bindungsqualität Sichere Bindung Für die sichere Bindung hat sich auch die Bezeichnung B-Bindung etabliert. Sicher gebundene Kinder entwickeln aufgrund von elterlicher „Feinfühligkeit“ eine große Zuversichtlichkeit in Bezug auf die Verfügbarkeit der Bindungsperson. Die Feinfühligkeit der Mütter ist durch die promte Wahrnehmung der kindlichen Signale, der richtigen Interpretation dieser eine angemessene Reaktion auf diese Signale, sowie eine prompte Reaktion, welche keine starke Frustration beim Kind hervorruft gekennzeichnet. Diese Kinder weinen durchaus innerhalb der „fremden Situation“. Sie zeigen die Gefühle deutlich, akzeptieren den Trost einer fremden Frau (einer zum Test gehörenden Untersucherin) im Raum sogar zum Teil. Obwohl die Trennung bei solchen Kindern also mit negativen Gefühlen verbunden ist, vertrauen sie darauf, dass die Bindungsperson sie im Bedarfsfall nicht im Stich lassen oder in irgendeiner Weise falsch reagieren wird. Die Bindungsperson erfüllt in einer derartigen Bindung die Rolle eines „sicheren Hafens“, der immer Schutz bieten wird, wenn das Kind dessen bedarf. Die Kinder sind traurig, dass die Bindungsperson nicht bei ihnen ist - und gehen davon aus: sie kommt zurück. Erscheint die Bindungsperson im Raum, freuen sich die Kinder. Sie suchen Nähe und Kontakt, wenden sich kurz danach wieder der Exploration des Raumes zu. Unsicher-vermeidende Bindung Die hier beschriebenen Kinder, auch A-Bindung genannt, reagieren scheinbar unbeeindruckt, wenn ihre Bindungsperson hinausgeht. Sie spielen, erkunden den Raum und sind auf den ersten Blick weder ängstlich noch ärgerlich über das Fortgehen der Bindungsperson. Durch zusätzliche Untersuchung der physiologischen Reaktionen der Kinder während der Situation wurde jedoch festgestellt, dass ihr Cortisolspiegel im Speichel, was auf Stress schließen lässt, beim Fortgehen der Bindungsperson höher ansteigt, als der sicher gebundener Kinder, welche ihrem Kummer Ausdruck verleihen. Auch ihr Herzschlag beschleunigt sich. Kommt die Bindungsperson zurück, wird sie ignoriert. Die Kinder suchen eher die Nähe der fremden Person und meiden die ihrer Bindungsperson. Unsicher-vermeidenden Kindern fehlt die Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit ihrer Bindungsperson. Sie entwickeln die Erwartungshaltung, dass ihre Wünsche grundsätzlich auf Ablehnung stoßen und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung zusteht. So ein Bindungsmuster ist bei Kindern zu beobachten, die häufig Zurückweisung erfahren haben. Die Kinder finden einen Ausweg aus der belastenden bedrohlichen Situation des immer wieder Zurückgewiesen-Seins nur durch Beziehungsvermeidung. Unsicher-ambivalente Bindung Auch ängstlich-widerstrebende; resistente, ambivalente Bindung auch C-Bindung genannt. Kinder, die hier beschrieben werden, zeigen sich ängstlich und abhängig von ihrer Bindungsperson. Geht die Bindungsperson, reagieren die Kinder extrem belastet. Eine fremde Frau wird ebenso gefürchtet wie der Raum selbst. Schon bevor die Bindungsperson 4 Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 hinausgeht, zeigen die Kinder Stress. Da sie die ungewohnte Situation fürchten, wird ihr Bindungsverhalten schon von Beginn an aktiviert. Die Kinder reagieren so auf das korrelierende Bindungsverhalten der Bezugsperson: Die Bindungsperson reagiert für das Kind nicht zuverlässig, nachvollziehbar und vorhersagbar. Der ständige Wechsel von einmal feinfühligem, dann wieder abweisendem Verhalten führt dazu, dass das Bindungssystem des Kindes ständig aktiviert sein muss. Es kann schwer einschätzen, wie die Bindungsperson in einer bestimmten Situation handeln oder reagieren wird. Das Kind ist somit permanent damit beschäftigt, herauszufinden, in welcher Stimmung sich die Bindungsperson gerade befindet, was sie will und was sie braucht, damit es sich entsprechend anpassen kann. Dies führt zu einer Einschränkung des Neugier- und Erkundungsverhaltens des Kindes, welches sich auch nicht auf die Exploration des Raumes konzentrieren kann. Die Kinder können keine positive Erwartungshaltung aufbauen, weil die Bindungsperson häufig nicht verfügbar ist - meist auch nicht, wenn sie in der Nähe ist. Dementsprechend erwarten sie keinen positiven Ausgang der Situation und reagieren extrem gestresst und ängstlich innerhalb der „fremden Situation“. Quelle: wikipedia Suchbegriff Bindungsqualität, Zugriff 13.1.2022 Kinder mit desorientierter Bindung lassen sich keiner Klasse zuordnen, sie zeigen bizarres Verhalten (Grimassen, Erstarren), scheinen kein durchgängiges Verhaltensprogramm zu haben. Diese Bindungstypen ließen sich in kulturvergleichenden Studien bestätigen. Ca. 2/3 sind sicher gebunden, etwa 1/3 kann keine sichere Bindungsqualität entwickeln. Kinder, die sich in der Qualität der Bindung unterscheiden (untersucht mit ca. 15 Monaten) unterscheiden sich mit acht Jahren in ihrem Schulerfolg, sicher gebundene Kinder in später häufiger beliebter und weniger ängstlich, die Bindungsqualität scheint sich bis in die Liebesbeziehungen Erwachsener auszuwirken. Die Art der Bindung ist kein Wesensmerkmal des Kindes, sondern eine Strategie, die das Kind im Kontakt mit seinen Bezugspersonen entwickelt hat. Kinder können zu unterschiedlichen Bezugspersonen unterschiedliche Bindungen haben. Durch neue Erfahrungen im Kontakt mit wichtigen Personen lässt sich das Bindungsverhalten beeinflussen. 5 Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Feinfühligkeit Voraussetzung für die Entwicklung der Bindung ist das Fürsorgeverhalten der Bezugsperson (= bonding), ihre Feinfühligkeit. Dazu gehört: 1. Bedürfnisse und Befindlichkeiten des Kindes werden wahrgenommen, die Bezugsperson hat das Kind aufmerksam im Blick. 2. Die nonverbalen und verbalen Äußerungen des Kindes werden aus seiner Lage heraus richtig interpretiert (Einfühlungsvermögen) 3. Die Bezugsperson reagiert prompt auf das Kind. Dadurch kann es einen Zusammenhang zwischen eigenem Verhalten und Handlungen der Bezugspersonen wahrnehmen, es entwickelt ein Gefühl des Vertrauens und der Effektivität 4. Die Reaktionen sind angemessen. Sie umfassen nicht mehr und nicht weniger, als das, was vom Kind verlangt wird. Die Signale der Kinder wahrnehmen Zugänglich sein Interesse, Zeit, Ruhe und Muße haben Aufmerksam Aussagen, verhalten, Mimik, Interessen, Bedürfnisse, Motivation eines sein Kindes aufmerksam verfolgen Angemessen auf die Signale der Kinder reagieren Innere Haltung Interesse an den Äußerungen und Handlungen des Kindes Akzeptanz des Kindes Wertschätzung der Perspektive des Kindes Respekt vor der Autonomie des Kindes „Dabei- Hohes Interesse am Kind und an seinen Äußerungen und Aktivitäten Sein“/“Sich Hohes Engagement, die Interaktion aufrechtzuerhalten Einlassen“ Emotionales Die Emotionen des Kindes berücksichtigen und aufgreifen Klima Die eigene Begeisterung und Freude zeigen Stimulation Das Kind in seinem Tun bestärken Das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeitserwartung des Kindes stärken Keine Über- oder Unterstimulation Ideen des Kindes aufgreifen, Anregungen geben und Gedanken gemeinsam „weiterspinnen“ Vier Ausdruckskanale von Feinfühligkeit Sprache Wertschatzende und anerkennende Wortwahl Interessiertes und stimulierendes Fragen Stimme Liebevoller, ruhiger Tonfall Geduldiges, langsames und deutliches Sprechen Gesicht/Mimik Interessierter Gesichtsausdruck Anteilnehmender und wertschätzender Gesichtsausdruck Stimmungen und Äußerungen der Kinder durch eigene Mimik aufgreifen Körper Ruhige, gelassene, den Kindern zugewandte Körperhaltung Sich auf Augenhöhe der Kinder befinden Körperkontakt mit Kindern zulassen 6 Unterkurs B Handlungsfeld 2, Lernfeld 2 Schuljahr 2023 - 2024 Bezug zur pädagogischen Arbeit Kindern in den ersten Lebensjahren fällt es sehr schwer - in den ersten beiden Lebensjahren ist es für sie fast unmöglich - ohne die Anwesenheit einer Bindungsperson mit Irritationen (z. B. beim Eintreten unvorhergesehener Ereignisse, wenn fremde Personen den Raum betreten oder wenn sie sich wehgetan haben) umzugehen und allein damit fertig zu werden. Alle Kinder in den ersten Lebensjahren sind überfordert, wenn sie die vielfältigen Situationen in einer neuen Umgebung, so interessant sie für die Kinder auch sein mögen, ohne den Schutz und die Nähe einer Bindungsperson bewältigen sollten. Sie benötigen den Zugriff auf eine solche Person, wenn ihnen die Dinge aus der Kontrolle geraten, um sich wieder beruhigen zu können und die Kontrolle über sich selbst und die Situation zurück zu gewinnen. Dies sollte in Einrichtungen bei der Planung der Eingewöhnungsphase berücksichtigt werden. Vertiefende und weiterführende Aufgaben Beschreiben Sie eine Situation aus Ihrer Praxis möglichst detailliert, in welcher Sie feinfühlig auf ein Kind reagiert haben. Lesen Sie im Lehrbuch Band 1 auf der Seite 165 den Punkt 2.1.1 „Entwicklung der Bindung und beschreiben Sie in eigenen Worten die vier Phasen der Bindungsentwicklung in den ersten drei Lebensjahren. 7

Use Quizgecko on...
Browser
Browser