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11.03.2024 VO Planetarische Urbanisierung Yvonne Franz & Anke Strüver Sommersemester 2024 (11.03.24) Was macht städtisches Leben im Jahr 2024...

11.03.2024 VO Planetarische Urbanisierung Yvonne Franz & Anke Strüver Sommersemester 2024 (11.03.24) Was macht städtisches Leben im Jahr 2024 aus? https://answergarden.ch/4060342 - Smart City-Technologien (IoT, KI) - Nachhaltigkeit (grüne Gebäude, erneuerbare Energien) - Mobilität der Zukunft (autonome Fahrzeuge, Shared Mobility) - Digitale Vernetzung (5G, schnelles Internet) - Vielfalt und Inklusion-> Diversität - Gesundheitsinfrastruktur (digitale Gesundheitsdienste, Telemedizin) - Lebensqualität und Gemeinschaftsraum 1 11.03.2024 SoSe 2022 („Was macht städtisches Leben aus?“) https://answergarden.ch/2338692 3 Warum nehme ich einen Ort als STADT wahr? https://answergarden.ch/4060344 - Hohe Bevölkerungsdichte - Ausgebaute Infrastruktur (Straßen, Verkehr, Versorgung) - Wirtschaftliche Vielfalt und Arbeitsmöglichkeiten - Kulturelle und soziale Einrichtungen - Verwaltung und Regierung 2 11.03.2024 SoSe 2022 5 Wer ist wer? Yvonne Franz Anke Strüver Teilnehmer:innen…. 3 11.03.2024 Abgrenzung 1: Urbanisierungsgrad ‘versus‘ Verstädterungsrate Anteil der Bevölkerung in Städten weltweit von 1985 bis 2015 und Prognose bis 2050 7 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37084/umfrage/anteil-der-bevoelkerung-in-staedten-weltweit-seit-1985/ (Stand: 2.1.24) best. Zeitpunkt! (statisch) - **Urbanisierungsgrad:** Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung. Zeitspanne! (dynamisch) - **Verstädterungsrate:** Rate, mit der Menschen in städtische Gebiete ziehen, gemessen als jährliche Veränderung in Prozent der Gesamtbevölkerung. =jährliches Wachstum der urbanen Bevölkerung/Stadt bzw. Raumeinheit Verstädterungsgrad: Prozentualer Anteil der Bevölkerung in urbanen Räumen pro Nation Abgrenzung 1: Urbanisierungsgrad ‘versus‘ Verstädterungsgrad Prozentualer Anteil der Bevölkerung in urbanen Räumen pro Nation (2018) CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons 8 4 11.03.2024 Abgrenzung 1: Urbanisierungsgrad ‘versus‘ Verstädterungsgrad 9 Abgrenzung 1: Verstädterungsrate (jährliches Wachstum der urbanen Bevölkerung/Stadt bzw. Raumeinheit) 10 https://www.oecd.org/cfe/Cities-in-the-World-Policy-Highlights-GER.pdf (2020) 5 11.03.2024 Abgrenzung 2: Urbanisierung ‘versus‘ Urbane Bevölkerungs-Dichte https://www.oecd.org/cfe/Cities-in-the-World-Policy-Highlights-GER.pdf (2020) 11 - **Urbanisierung:** Der Prozess, bei dem Menschen vom ländlichen Raum in städtische Gebiete ziehen, um dort zu leben und zu arbeiten. Es beschreibt den Wandel von einer agrarisch geprägten zu einer städtischen Gesellschaftsstruktur. - **Urbane Bevölkerungsdichte:** Die Anzahl der Menschen pro Quadratkilometer in städtischen Gebieten. Sie gibt an, wie dicht besiedelt und konzentriert die Bevölkerung in städtischen Zentren lebt. Abgrenzung 2: Urbanisierung ‘versus‘ Urbane Bevölkerungs-Dichte 12 6 11.03.2024 Wien (Kernzone, nicht Stadtregion): 1.985 EW/km² (2019) https://www.stadtregionen.at/wien Abgrenzung 2: Urbane Bevölkerungs-Dichte Verschiebung des Fokus: Dichte als qualitatives Kriterium (sozial wie räumlich):  mit positiven wie negativen Effekten 13  mit veränderten Bedeutungen durch Klima- und Corona-Krise Planetary Urbanization Kritik an Ansätzen (u. Karten), die Urbanisierung (und Dichte) „quantitativ“ auf Wirtschafts- und Bevölkerungszahlen reduzieren (Brenner 2014:102; Karte aus Brenner 2013) stattdessen Fokus auf Urbanisierung (und Dichte) als Prozess und als qualitatives Merkmal für Lebensformen 14 7 11.03.2024 “In 1970, Henri Lefebvre put forward the radical hypothesis of the complete urbanization of society, a circumstance that in his view required a radical shift from the analysis of urban form to the investigation of urbanization processes. … [This replaces] inherited spatial ontologies (urban/rural, town/country, city/non-city, society/nature) in order to investigate the uneven implosions and explosions of capitalist urbanization across places, regions, territories, continents and oceans up to the planetary scale.” (2014) 15 “… is a resolute statement against city- centric urban theorization, and a comprehensive review of Brenner’s position on the “urban question” as it has developed over the past two decades, from a scale-informed approach to his more recent work on “planetary urbanization.” … […] the urban cannot be understood by simply drawing a boundary, calling the demarcated territory “a city” and studying only the phenomena and morphologies lying inside it. Rather, such morphologies are a result of urban processes, what Brenner calls “constitutive essences”, which include creative destruction, implosion/explosion, state spatial strategies, and the politics of restructuring. (Hartman, 2021: 15) 16 8 11.03.2024 Planetary Urbanization Ausgangspunkt: empirische Feststellung, dass weltweit immer mehr Menschen in Städten leben, macht theoretische Überlegungen notwendig Fokus auf Urbanisierungsprozesse iS der Ausbreitung urbaner Lebensformen (Brenner & Schmid 2012) Versuch, die Rolle des Städtischen zu dezentrieren u. als Teil aktueller globaler Transformationen zu erfassen – ein Versuch, der auch Himalaya und Alpen, Weltmeere und ländliche Räume umfasst (Brenner 2014; Schmid 2018) Abkehr von der Kategorie ‘Stadt‘, Auflösung des Stadt-Land-Dualismus bzw. der Stadt-Vorstadt-Hinterland-Triade des 20. Jh. („Periurbanisierung“?) 17 Planetary Urbanization Qualitative Entwicklung von Quantität: “dramatic spatial and demographic expansion and socio-spatial transformations“ (Brenner/Schmid 2012: 11) entlang von (mindestens) drei aktuellen Phänomenen: 1. „The end of wilderness“: worldwide urbanisation, including the oceans, the Alps, the atmosphere as parts of planetary urbanisation (ebd., S. 12) 2. Räumliche Neuordnungen des Städtischen (neue innerstädtische Funktionen, z.B. Kultur oder Wohnen, neue Zwischenstadtfunktionen, z.B. Versorgen, neue Verkehrsmittel und -wege, z.B. Hochgeschwindigkeitszüge … dadurch „integration of urban hinterland“, Sub- und Periurbanisierung etc. aktuell: (Wieder-)Entdeckung des Radverkehrs… 3. „The end of hinterland“: Sehr schnelles und polyzentrisches Städte- bzw. Metropolenwachstum nach außen, z.B. „BosWash“ und „San San“ in USA, Blue Banana in EU, Pearl River Delta in China, Lagos Littoral in Westafrika 18 9 11.03.2024 Lagos Littoral, Länge ca. 2000km, EW ??? (Lagos: ca. 18 Mio) Radius ca. 200km; EW ca. 120 Mio Blue Banana, Länge ca. 1500km, BosWash, Länge EW ca. 110 Mio ca. 700km, EW ca. 52 Mio 19 10 11.03.2024 VO Planetary Urbanization Begriffliche Einordnung: Verstädterung: Anteil der Bevölkerung in urbanen Räumen (national/global) Urbanisierung: qualitative Entwicklung städtischen Lebensformen Urbanismus: urbanes Leben (normativ wie deskriptiv), z.B. smart urbanism, progressive urbanism, austerity urbanism… 21 VO Planetary Urbanization Begriffliche Einordnung: Wechselverhältnisse zwischen Verstädterung(-srate), Urbanismus und Urbanisierung Planetary Urbanization ist der global-gesellschaftliche RAHMEN der VO, nicht „die“ (Leit- und/oder Stadt-)Theorie Planetary Urbanization ist auch der Rahmen für aktuelle gesellschaftliche Prozesse, Themen und Theorien…, es ist nicht „die Stadtgeographie“  Fokus der VO: Aktuelle Gesellschafts-Prozesse u. -Theorien sowie Stadt- Themen (seit ca. 1970) Dennoch: “Urban geography is the geographical study of urban spaces and urban ways of being“ (Loretta Lees 2009 in Jonas et al. 2015: 17) Ko-Produktion von urbaner Gesellschaft und urbanem Raum („relational“) 22 11 11.03.2024 VO Planetary Urbanization „Die Stadtgeographie“ ist eine sehr junge Schublade der Humangeographie! Fokus der VO ist nicht die (historische, globale) Entwicklung von Städten, Stadtformen und –typen, sondern die (globale) Entwicklung aktueller urbaner Lebensformen als Teil der Stadtforschung u. ihrer Themen! “radical shift from the analysis of urban form to the investigation of urbanization processes” (Brenner 2014) Eine radikale Verschiebung von der Analyse der städtischen Form zur Untersuchung der Urbanisierungsprozesse. Das System der traditionellen Geographie und der aktuellen Geographie (Baade et al. 2017: 36f) 23 Aktuelle Gesellschafts-Prozesse u. * Es geht um kombinierte statt um exklusive Theorie(n) -Theorien sowie und Stadt-Themen… Prozesse: Theorien: Themen:  Globalisierung  Politische  Komplexität  Neoliberalisierung Ökonomie  Mobilität  Kulturalisierung &  Poststrukturalismus  Wohnen Reurbanisierung & Relational  Stadtgrün …  „Nachhaltigkeiti- Urbanism  Kultur sierung“  Mehr-als- menschliche  Smart & Platform  Digitalisierung Urbanism Perspektiven  Migration u.  … soziale Innovation  HETERODOXIE*! 24 Systematisierung AS/YF in Anlehnung an Leitner et al. 2019, Belina et al. 2022, Paddison & McCann 2014 ### Begriffe: - **Globalisierung:** Weltweite Vernetzung von Wirtschaft, Kultur und Politik. - **Neoliberalisierung:** Politische Ideologie für freie Märkte und geringe Staatsintervention. - **Kulturalisierung & Reurbanisierung:** Einfluss von Kultur auf städtische Prozesse; Rückkehr ins Stadtzentrum. - **Nachhaltigkeitisierung:** Integration von Nachhaltigkeit in alle Lebensbereiche. - **Digitalisierung:** Verwendung digitaler Technologien und Daten. - **Migration:** Bewegung von Menschen über geografische Grenzen. 12 - **Soziale Innovation:** Neue Ideen zur Lösung sozialer Herausforderungen. ### Theorien: 11.03.2024 - **Politische Ökonomie:** Untersucht Verbindung von Wirtschaft, Politik und sozialen Strukturen. - **Poststrukturalismus & Relational Urbanism:** Hinterfragt feste Strukturen und betrachtet Städte als komplexe Netzwerke. - **Mehr-als menschliche Perspektiven:** Berücksichtigt nicht-menschliche Akteure und ihre Rolle in urbanen Kontexten. - **HETERODOXIE:** Alternative Theorien abseits traditioneller Ansätze.->kombinierte Theorien! Globalisierung & Global Cities Global Power City Index (GPCI) 25 Politische Ökonomie, Neoliberalisierung und Finanzialisierung (urbane Immobilienmärkte) 13 Plattformisierung Kulturalisierung, Touristifizierung und Soziale Innovation und Ankunftsprozesse Fotos: eigene Aufnahmen, 2024. https://www.theguardian.com/us-news/2023/jan/26/nyc-airbnb-short-term-rental-new-law Fotos: eigene Aufnahmen, 2024 (inkl. Wien Museum) https://www.derstandard.at/story/3000000186722/heumarkt-wien-bleibt-auf-roter-liste-unesco-lobt-fortschritte https://www.sozialmarie.org/de https://your.rentals/blog/best-airbnb-locations/ https://www.penguinrandomhouse.ca/books/160976/arrival-city-by-doug-saunders/9780307396907 14 11.03.2024 11.03.2024 Aktuelle Gesellschafts-Prozesse, -Theorien und -Themen… Sozialräumliche Makro-Strukturen Prozesse: Theorien: Themen:  Globalisierung  Politische  Komplexität  Neoliberalisierung Ökonomie  Mobilität Ziel der VO: Urbane  Kulturalisierung &  =Poststrukturalismus sozialräumliche Prozesse in ihren  Wohnen makropolitischen Reurbanisierungund global-gesellschaftlichen & Relational Kontexten verstehen  Stadtgrün und  mit Blick auf lokales = sozialräumliches Alltagsleben analysieren „Nachhaltigkeiti- Urbanism  Kultur sierung“  Mehr-als- menschliche  Smart & Platform  Digitalisierung Urbanism Perspektiven  Migration u. soziale Innovation Mikro-Interaktionen, Alltagsleben 29 Systematisierung AS/YF in Anlehnung an Leitner et al. 2019, Belina et al. 2021, Paddison & McCann 2014 Grundlagen-Literatur zur Stadtgeographie im Master Lehrbücher: Jonas, Andrew/McCann, Eugene & Mary Thomas (2015): Urban Geography. Oxford: Blackwell. Leitner, Helga/Peck, Jamie & Eric Sheppard (2019): Urban Studies Inside/Out. London: Sage. Paddison, Ronan & Eugene McCann (2014): Cities & Social Change. London: Sage. Schwanen, Tim/van Kempen, Ronald (2019): Urban Geography. Cheltenham: Edward Elgar. (als UB-ebook verfügbar) Wichtigste Fachzeitschriften: Urban Geography (https://www.tandfonline.com/toc/rurb20/current) „kritisch“ Urban Studies (https://journals.sagepub.com/loi/usja) City. Analysis of Urban Change, Theory, Action (https://www.tandfonline.com/toc/ccit20/current) International Journal of Urban and Regional Research (https://www.ijurr.org) sub\urban – zeitschrift für kritische stadtforschung (https://zeitschrift-suburban.de) Nachschlagewerke für Überthemen sowie für Basics (auch als UB-ebooks): Belina, Bernd/Naumann, Matthias & Anke Strüver (Hg.)(52022): Handbuch kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot. (als UB-ebook verfügbar) Franz, Yvonne/Strüver, Anke (2023): Stadtgeographie: aktuelle Themen und Ansätze. Heidelberg: Springer. (als UB-ebook verfügbar) 30 15 11.03.2024 Begleitliteratur und Klausur Literatur (-empfehlungen) je nach Sitzungsthema Abschlussklausur: Multiple Choice mit Begründung 31 Zitierte Literatur 11.03.24 Brenner, Neil & Christian Schmid (2012): Planetary Urbanization. In: Gandy, Matthew (ed.)(2012): Urban Constellations. Berlin: Jovis, 10-13. Brenner, Neil (2014): Implosions/Explosions: Towards a Study of Planetary Urbanization. Berlin: Jovis. Brenner, Neil & Christian Schmid (2015): Towards a new epistemology of the urban? City 19, 2-3: 151-182 (doi.org/10.1080/13604813.2015.1014712) Hartman, Julian B. (2021): New Urban Spaces: Urban Theory and the Scale Question, The AAG Review of Books, 9:1, 15-17, DOI: 10.1080/2325548X.2021.1843907. Schmid, Christian (2018): Journeys through planetary urbanization: Decentering perspectives on the urban. Society & Space 36, 3: 591 - 610 (doi.org/10.1177%2F0263775818765476) 32 16 18.03.2024 VO Planetarische Urbanisierung Anke Strüver Sommersemester 2024 (18.03.24) Aktuelle Gesellschafts-Prozesse u. * Es geht um kombinierte statt um exklusive Theorie(n) -Theorien sowie und Stadt-Themen… Prozesse: Theorien: Themen:  Globalisierung  Politische  Komplexität  Neoliberalisierung Ökonomie  Mobilität  Kulturalisierung &  Poststrukturalismus  Wohnen Reurbanisierung & Relational  Stadtgrün …  „Nachhaltigkeiti- Urbanism  Kultur sierung“  Mehr-als- menschliche  Smart & Platform  Digitalisierung Urbanism Perspektiven  Migration u.  … soziale Innovation  HETERODOXIE*! 2 Systematisierung AS/YF in Anlehnung an Leitner et al. 2019, Belina et al. 2022, Paddison & McCann 2014 1 18.03.2024 Gliederung heute: 1. Bedeutung der Globalisierung für Urbanisierung (Potenziale & Probleme) 2. Slowbalization seit 2008 3. Globalisierung, Global Cities & World Cities 4. Glokalisierung 5. Ausblick Prozesse I: Globalisierung Planetary Urbanization als Kritik an Ansätzen, die Urbanisierung „quantitativ“ auf Wirtschafts- und Bevölkerungszahlen reduzieren aber was ist mit (wirtschaftlicher) Globalisierung? 4 Abbildung aus Koch 2023 (S. 11) 2 Welthandel mit „legalen Sachgütern“ Globalisierung 2020 Abbildung aus Koch 2023 (S. 7) 5 6 https://www.dw.com/de/die-corona-krise-stellt-die-lieferketten-der-globalisierung-auf-den-pruefstand/a-53596013 3 18.03.2024 18.03.2024 Globalisierung & Global Cities Ausgangspunkte/Hintergründe Globalisierung (I): Sinkende Energie-, Transport- und Kommunikationskosten (= günstigere Frachtkosten, schnellere Vernetzung; Mobilität von Waren, Personen und Daten) Abschaffung von festen Wechselkursen u. Auflösung von internationalen Handels- und Reisebeschränkungen (= „Grenzöffnungen“), ab 1989: Ende der bipolaren Geopolitik/Weltordnung und Erosion der (Bedeutung der) Grenzen zwischen Nationalstaaten [ABER: neue geo- und wirtschaftspolitische Konstellationen (USA-China; Russland-Europa…)] Steigende Technologisierung, Flexibilisierung und „Neue Internationale Arbeitsteilung“ (NIA), d.h. Verlagerung von Produktionsstätten in ‘Peripherie‘ (in sog. Billiglohnländer, z.B. Automobil- und Bekleidungsindustrie oder an den Stadtrand/aufs Land, z.B. Stahlbau, Brauereien [ Waagner-Biro; Reininghaus Reurbanisierung & „smart cities“/April 2024]) 7 Globalisierung & Global Cities Ausgangspunkte/Hintergründe Globalisierung (II): Krise des nordatlantischen Fordismus seit 1970er, u.a. durch Marktsättigung, Produktdiversifizierung, steigende Technologisierung der Produktion, Produktionsverlagerung etc. Krise des Wohlfahrtstaates (veränderte „Normalarbeits“- und Sozialsysteme [ Neoliberalisierung 15.04.2024]; wirtschaftliche Stabilisierung (global) durch gesellschaftliche Destabilisierung (national, regional, lokal) das Makrophänomen Globalisierung hat immer auch regionale/lokale sozialräumliche Effekte [ „Glokalisierung“, s.u.] Ziel der VO: Urbane = sozialräumliche Prozesse in ihren makropolitischen und global- gesellschaftlichen Kontexten verstehen und mit Blick auf lokales = sozialräumliches Alltagsleben analysieren Bsp. Krise des nordatlantischen Fordismus: Ruhrgebiet/Rustbelt/mid- UK/Steiermark … 8 4 18.03.2024 „Lage“-Nachteil Steiermark im Vergleich zu Ruhr, Rustbelt u. mid-UK? 9 www.nmrs.org.uk Stahlproduzierende u. –verarbeitende Großbetriebe UK 1947: 1503; 2015: 0 Slowbalization: De- Globalisierung post- Corona? https://awblog.at/zukunftsfaehiges- wirtschaften-post-corona/ https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-nach-corona kommt-die-deglobalisierung-30379.htm; Allgemeiner: Nicht das Ende, sondern der Anfang10einer neuen Globalisierung – Wirtschaftsdienst (2021) 5 18.03.2024 Exkurs/zum Weitersehen, -hören… Slowbalization III: Ukraine Krieg v.a. Energie- und Ernährungssicherung… https://www.youtube.com/watch?v=GFQFPl7wNFM 11 Globalisierung & Global Cities Globalisierung: „Ein Prozess der Transformation des Zusammenhangs zwischen Territorium und der Organisation sozio-ökonomischer Beziehungen“ … „Die zunehmende Entankerung ökonomischen Handels aus dem physischen Raum […] ermöglicht dabei sowohl die globale Verbreitung von Gütern, Leistungen, Wissen, Konsumpräferenzen und kulturellen Einstellungen als auch deren Pluralisierung an einem einzigen Ort“ (Bathelt & Glückler 2012: 98) 12 6 18.03.2024 Globalisierung & Global Cities Übergang (& Unterschiede) Fordismus – Postfordismus: Produzierende Großindustrie Dienstleistungen Massenproduktion/Fließband Flexible ‘Produktion‘ Massen-, Vollbeschäftigung Flexible Arbeitskräfte Arbeiter:innen Angestellte Stadtrand Stadtzentrum (zusammengefasst nach Jonas et al. 2015: 64) Fokus der VO: globale Entwicklung der aktuellen Stadtforschung u. ihrer Themen! “radical shift from the analysis of urban form to the investigation of urbanization processes” (Brenner 2014) 13 Globalisierung & Global Cities Globalisierung der (Welt-)Wirtschaft als Voraussetzung Global Cities: Zentren der Standorte von Banken, transnationalen Konzernzentralen sowie unternehmensnahen Dienstleistungen (Werbe-, Rechts-, Finanzfirmen, Versicherungen), die global in Städtesystemen vernetzt sind (Sassen 1991, 1996, 2001) Stärkung von Beratungs-, Versicherungs-, Immobilien- und Finanz- Dienstleistungen und Ansiedlung in urbanen Zentren „Stellt man sich die Weltwirtschaft als eine Vielzahl einander überlappender Warenketten oder Produktionsnetze vor, so sind die Global Cities die Knotenpunkte, durch welche die globalen Flüsse von Kapital, Gütern, Informationen, Dienstleistungen sowie Migrantinnen und Migranten fließen, und an denen sie gesteuert, gemanagt und kontrolliert werden“ (Parnreiter 2006; Hervorh. AS) „Global Cities sind Orte des Managements und der Steuerung der Weltwirtschaft und als solche zentrale Knoten in Wertschöpfungsketten, von denen aus ungleiche Entwicklung organisiert wird“ (Parnreiter 2020/2024) 14 7 18.03.2024 Globalisierung & Global Cities Konzernzentralen 2007 15 Globalisierung & Global Cities Global Power City Index (GPCI) evaluates and ranks the major cities of the world according to their “magnetism,” or their comprehensive power to attract people, capital, and enterprises from around the world. It does so through measuring six functions, providing a multidimensional ranking 16 https://www.weforum.org/; http://mori-m-foundation.or.jp/english/ius2/gpci2/index.shtml 8 18.03.2024 Globalisierung & Global Cities 2012 17 https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/447849_Wien-ist-globalisierter-als-Peking.html#images Globalisierung & Global Cities Sassen (1991): Untersuchung ungleiche Entwicklung und Verräumlichung von Ungleichheiten Fokus ihrer Global Cities Forschung: Wie verändern sich durch die Globalisierung globale Arbeitsteilungen und Abhängigkeiten? Wie verändern sich dadurch lokale Arbeitsmärkte u. Einkommensstrukturen in Städten? Wie verändern sich Zentrums- und Peripheriefunktionen (lokal, national, global)? Wie verändern sich Immobilienmärkte? 18 9 18.03.2024 „Die Global City ist ein brutaler Ort“ (Sassen 2012 in WOZ 25, 15- 17 (12.06.12) 19 http://www.saskiasassen.com/interviews.php Globalisierung & Global Cities Sassen (1991): Untersuchung der Verräumlichung von Ungleichheiten Fokus ihrer Global Cities Forschung: Wie ändern sich durch die Globalisierung globale Arbeitsteilungen und Abhängigkeiten? Wie ändern sich lokale Arbeitsmärkte u. Einkommensstrukturen in Städten? Wie ändern sich Zentrums- und Peripheriefunktionen sowie Immobilienmärkte? Weiterführung der Weltstadt- u. Megacities-Forschung anhand qualitativer Kriterien (= Urbanisierungs- und Urbanismus-Forschung, nicht nur Verstädterung! Vgl. Parnreiter 2020/2024) 1. DIE Global City (Singular) gibt es nicht, sie entstehen und existieren nur durch die Vernetzung von Städten [ Relational Urbanism] 2. Aufgrund der Historizität und Dynamik der Weltwirtschaft: Globalising Cities [ Relational Urbanism] 20 10 18.03.2024 Globalisierung & Global Cities Globalisierung: „ein Prozess der Transformation des Zusammenhangs zwischen Territorium und der Organisation sozio-ökonomischer Beziehungen“ … „Die zunehmende Entankerung ökonomischen Handels aus dem physischen Raum […] ermöglicht dabei sowohl die globale Verbreitung von Gütern, Leistungen, Wissen, Konsumpräferenzen und kulturellen Einstellungen als auch deren Pluralisierung an einem einzigen Ort“ (Bathelt & Glückler 2012: 98; Hervorh. AS)  Globalisierung: quantitative wie qualitative Entwicklung der weltweiten Vernetzung  Global(ising) Cities: Urbane Zentren der global vernetzen Wirtschaft 21 Globalisierung & Global Cities Differenzierung: 1. Wirtschaftliche Funktionen von Global(ising) Cities (inkl. Rankings) = Außenorientierung [ Neoliberalisierung; Unternehmerische Stadt; cultural urbanism, smart urbanism] 2. Soziale Dimensionen von Global(ising) Cities = Binnenorientierung [ alle Themen!] Zu 1: Globalization and World Cities Network (GaWC) 22 11 18.03.2024 Global Cities & World Cities GaWC - Globalization and World Cities (lboro.ac.uk) 23 https://www.lboro.ac.uk/gawc/world2020t.html (nicht mehr online!) Global Cities & World Cities Ranking basiert auf „Network Activities/ Connecitivities“! 24 12 18.03.2024 Globalisierung & Global Cities Differenzierung: 1. Wirtschaftliche Funktionen von Global(ising) Cities (inkl. Rankings) = Außenorientierung [ Neoliberalisierung; Unternehmerische Stadt; Themen V u. VI] 2. Soziale Dimensionen von Global(ising) Cities = Binnenorientierung [ Themen II bis VI] Zu 2: „Globalisierung von unten“ … „counter-geographies of globalization“ (Sassen 2000): „Global Cities als Orte, an denen Globalisierung gemacht wird“ – nicht nur in Konzernzentralen, sondern auch durch „das Bodenpersonal im Globalisierungsgeschehen“, v.a. transnationale Migrant*innen Zusammendenken von „Global Players“ & „Local Sweepers“ 25 Globalisierung & Global Cities Auswahl von Sassens Basisthesen: sozioökonomische (und auch räumliche) Ungleichheiten werden zunehmen: high-end und high-touch jobs bedingen sich gegenseitig Letztere werden von Migranten bzw. Migrantinnen erledigt, häufig informalisiert oder illegalisiert (Sassen 2001) Migrant*innen als „neue Service- Klasse“ bzw. „Offshore Proletariat“ (Sassen 2000, 2007); „migrant fix“ (AS in Anlehnung an Harveys spatial fix, s.u.) 26 13 18.03.2024 Glokalisierung 1. Zusammenführung der Differenzierung in wirtschaftliche Funktionen und soziale Dimensionen von Global(ising) Cities 2. Zusammenführung von Außen- und Binnenorientierung 3. Zusammenführung von „Global Players“ & „Local Sweepers“ „Globalisierung wird an konkreten Orten gemacht“ (Krätke 2018: 129) Glokalisierung (Swyngedouw 2004) „A global sense of local place“ (Massey 1991, 2005): „places can only be understood by their interdependencies with elsewhere“ (1991) Orte können nur durch Wechselbeziehungen zueinander verstanden werden! “the question ‘where does London end’ must address connections to the rest of the country and the planet …” (2005) Räume sind das Produkt von Relationen und entstehen in und durch gesellschaftliche Interaktionen auf allen Maßstabsebenen „from the immensity of the global to the intimately tiny“ (Massey 2005: 9) 27 Glokalisierung Räume sind das Produkt von Relationen – von ungleicher räumlicher Entwicklung als Effekt von Kapitalismus und Globalisierung (Harvey 2005, dt. 2007) Harvey als Kernautor einer Theorie der „Politischen Ökonomie (der Stadt)“ Rekurs auf Sassen 1991: Wie ändern sich durch die Globalisierung globale Arbeitsteilungen und Abhängigkeiten? Wie ändern sich lokale Arbeitsmärkte u. Einkommensstrukturen in Städten? Wie ändern sich Zentrums- und Peripheriefunktionen sowie Immobilienmärkte? Wie funktionieren der „migrant fix“ und der spatial fix? 28 14 18.03.2024 Ausblick: 2007 Teaser: https://www.youtube.com/watch?v=tN8mU4ILl7g 29 Ausblick/Überleitung zum 08.04.24: „Politische Ökonomie (der Stadt)“: „Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden.“ (Marx & Engels 1848: 32) 30 https://arch-urb.at/ 15 18.03.2024 Aktuelle Gesellschafts-Prozesse u. * Es geht um kombinierte statt um exklusive Theorie(n) -Theorien sowie und Stadt-Themen… Prozesse: Theorien: Themen:  Globalisierung  Politische  Komplexität  Neoliberalisierung Ökonomie  Mobilität  Kulturalisierung & (08.04.24)  Wohnen Reurbanisierung  Poststrukturalismus  Stadtgrün …  „Nachhaltigkeiti- & Relational Urbanism  Kultur sierung“  Mehr-als-  Smart & Platform  Digitalisierung Urbanism menschliche  Migration u.  … Perspektiven soziale Innovation  HETERODOXIE*! 31 Systematisierung AS/YF in Anlehnung an Leitner et al. 2019, Belina et al. 2022, Paddison & McCann 2014 „Hausübung“ über die Ferien  Schauen Sie (Teile) der Serie „The Wire“ (HBO 2002-2008) vor allem der Staffeln 1-3 …  Stichwort „Glokalisierung“ Harveys Aussage (2005) „Räume sind das Produkt von ungleicher Entwicklung als Effekt von Kapitalismus und Globalisierung“ 32 16 18.03.2024 Beispielfragen Klausur? Multiple Choice mit Begründung Globalisierung würde ohne Global(ising) Cities nicht funktionieren, da ….sie zentrale Knotenpunkte sind, die den Fluss von Kapital, Waren, Informationen und Menschen koordinieren und als Schlüsselzentren für wirtschaftliche, kulturelle und politische Aktivitäten globale Verbindungen ermöglichen. Global(ising) Cities können im fortschreitenden 21. Jh. auch ohne Warenhandel als solche existieren, da … sie als Zentren für Wissen, Innovation, Dienstleistungen und Finanztransaktionen fungieren, die hochqualifizierte Arbeitskräfte anziehen und internationale Investitionen lenken. 33 Zitierte Literatur 18.03.24 Bathelt, Harald & Johannes Glückler (³2012): Wirtschaftsgeographie: ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive. Stuttgart: UTB. Koch, Eckart (2023): Internationale Wirtschaftsbeziehungen I: Internationaler Handel zwischen Freihandel und Protektionismus. Wiesbaden: Springer (4. Auflage). Krätke, Stefan (2018): Globale Stadt. In: Rink, Dieter & Annegret Haase (Hg.): Handbuch Stadtkonzepte. Opladen: Budrich, S. 129-149. Marx, Karl & Friedrich Engels (2009 ): Das Manifest der Kommunistischen Partei. Zittau: Bernd Müller Verlag. Massey, Doreen (1991): A Global Sense of Place. Marxism Today (June 1991), 24-29. Massey, Doreen (2005): For Space. London: Sage. Parnreiter, Christof (2006): Global Cities. https://www.bpb.de/internationales/weltweit/megastaedte/64717/global- cities-global-player (11.10.20) Parnreiter, Christof (42020): Global Cities. In: Belina et al. (Hg.): Handbuch Kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 173-179. → Zitat Folie 14 aus der 6. Auflage (im Druck) Sassen, Saskia (1991): The Global City. New York: Princeton UP. Sassen, Saskia (1998): Metropolen des Weltmarktes. Die neue Rolle der Global Cities. Frankfurt/Main: Campus. Sassen, Saskia (2000): Women’s burden: Counter-geographies of globalization and the feminization of survival. Journal of International Affairs 53, 2: 503-524. Sassen, Saskia (2001): Global City. Peripherie 81/82, S. 10-31. Sassen, Saskia (2007): Two stops in today’s new global geographies: shaping novel labor supplies and employment regimes. www.eclac.org/mujer/noticias/noticias/5/29275/PonenciaSaskiaSassen.pdf (11.10.20) Swyngedouw, Erik (2004): Globalisation or ‘glocalisation’? Networks, territories and rescaling. Cambridge Review of International Affairs, 17, 1: 25-48. 34 17 08.04.2024 VO Planetarische Urbanisierung Politische Ökonomie (der Stadt) Sommersemester 2024 (08.04.24) 1 Anke Strüver Aktuelle Prozesse, Theorien und Themen… Prozesse: Theorien: Themen:  Globalisierung  Politische  Komplexität  Neoliberalisierung Ökonomie  Mobilität  Kulturalisierung &  Poststrukturalismus  Wohnen Reurbanisierung & Relational  Nachhaltigkeit  „Nachhaltigkeiti- Urbanism  Kultur sierung“  Mehr-als- menschliche  Smart & Platform  Digitalisierung Urbanism Perspektiven  HETERODOXIE! 2 Systematisierung AS in Anlehnung an Leitner et al. 2019, Belina et al. 2020, Paddison & McCann 2014 1 08.04.2024 Politische Ökonomie Definitionsversuche … volkswirtschaftlicher Ansatz, dem zufolge das wirtschaftliche und politische System aufgrund von wechselseitigen Abhängigkeiten nicht getrennt voneinander betrachtet werden kann (= wirtschaftliches Handeln beeinflusst politische und gesellschaftliche Verhältnisse und politische und gesellschaftliche beeinflussen Wirtschaft1 „gesellschaftliche/staatliche Hauswirtschaftsgesetze“ ~ Volkswirtschaftslehre2 Karl Marx „Das Kapital: Kritik der Politischen Ökonomie“ (1867) : Kritik der politischen Ökonomie als Wissenschaft von der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse:  Fokus auf gesellschaftliche Produktions- und Ungleichheitsverhältnisse 1 https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/18034/politische-oekonomie/ (2020) 3 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Ökonomie Ungleiches Verhältnis Bevölkerung & BIP … (jeweils im Verhältnis zur Fläche) www.worldmapper.org 4 2 08.04.2024 Politische Ökonomie (der Stadt) Gliederung: I. Globalisierung, Glokalisierung (18.03.) und Politische Ökonomie der Stadt II. Die Urbanisierung des Kapitals III. Urbansierung als “spatio-temporal fix“ IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte V. Kritische Stadtgeographie & Kritik am “spatial fetishism“ 5 Rekurs: Globalisierung und Glokalisierung Räume sind das Produkt von Relationen – von ungleicher Entwicklung als Effekt von Kapitalismus und Globalisierung (Harvey 2005, dt. 2007) Harvey als Kernautor einer Theorie der „Politischen Ökonomie (der Stadt)“ – sowie der kritischen Stadtgeographie 6 3 08.04.2024 I. Politische Ökonomie (der Stadt) Warum Politische Ökonomie?  enger Zusammenhang zwischen globaler ökonomischer Entwicklung und lokaler Stadtentwicklung (s.o., S. Sassen)  „Kapitalistische Urbanisierung“ bzw. „Urbanisierung des Kapitals“ (Harvey 1973): Städte als Orte der Kapital(über)akkumulation  David Harvey (1973ff): Analyse der kapitalistischen Produktionsweise von Stadtraum, daher Fokus auf Marx‘ „Kritik der Politischen Ökonomie“ (1867)  Fokus Harvey: Bedeutung und „Inwertsetzung“ von Stadtraum für den kapitalistischen Akkumulationsprozess Wechselwirkungen zwischen kapitalistischer (Krisen-)Dynamik und urbanem Raum – und daran gebundene Ungleichheiten (u. Kontext „Stadtgeographie“, s.u.) 7 I. Politische Ökonomie (der Stadt)  die Ökonomie von Städten ist stets eine politische, d.h. nicht naturgegeben, nicht isoliert von anderen gesellschaftlichen Prozessen (= Wechselseitigkeit, s.o.)  „Politische Ökonomie der Stadt“ verweist auf politisch hervorgebrachte Regierungsweisen , die im Laufe der Zeit verschiedene Formen angenommen haben (aktuell: Neoliberalisierung bzw. neoliberale Austerität → 15.04.24) 8 Abbildung: Franz & Strüver 2023: 20 (am Beispiel Hamburg) 4 08.04.2024 II. Die Urbanisierung des Kapitals  Städte sind materialisierte Form des gesellschaftlichen Mehrprodukts, d.h. der Kapitalüberschüsse jenseits des Notwendigen (Wiegand 2013a in Anlehnung an Harvey 1985)  Kontext: Überakkumulationskrisen zeichnen sich durch Mangel an profitablen Investitionsmöglichkeiten aus – und können z.B. in (Massen-) Arbeitslosigkeit und Betriebsschließungen resul eren (→ Ende des Fordismus; „rust belt“, 18.03.24)  Verschiebung von überschüssigem (Anlage-)Kapital in Raum und Zeit („spatio-temporal fix“, Harvey 1985, 2005): Überakkumulationen werden durch Raum und Zeit ‘repariert‘ – inkl. Doppelbedeutung von „fix“ als Reparieren (~durch Raum) und Fixieren (~im Raum)  Harvey 2005 (in Anlehnung an Lefebvre 1996): besondere Rolle des urbanen Raumes für kapitalistische Akkumulationsprozesse 9 II. Die Urbanisierung des Kapitals  „Spatial fix“: Investitionen in Raum iSv gebaute Umwelt (u. Boden) reparieren kapitalist. Akkumulationskrise durch Enteignung (Harvey 2005) 10 5 08.04.2024 II. Die Urbanisierung des Kapitals „Der neue Imperialismus: Akkumulation durch Enteignung“ (Harvey 2005)  „Dazu gehört die Kommodifizierung und Privatisierung von Land und die gewaltsame Vertreibung der Bevölkerung; die Umwandlung verschiedener Formen von Eigentumsrechten (gemeinschaftliche, kollektive, staatliche usw.) in ausschließliche private Eigentumsrechte (...); koloniale, neokoloniale und imperiale Prozesse der Aneignung von Vermögenswerten (einschließlich natürlicher Ressourcen); die Monetarisierung von Tausch und Steuern (...) und, am verheerendsten von allen, die Nutzung des Kreditsystems als radikales Mittel der Akkumulation durch Enteignung“ (Harvey 2007a; Übers. u. Hervorh. AS) 1. Kommodifizierung und Privatisierung von Gemeingütern wie bspw. ‘öffentlichen Räumen’, Gesundheitsversorgung oder Energie u. Wasser 2. Senkung der Bonität für Kredite … platzende Kredite … Verlust des Eigenkapitals wie des “Gegenwerts” (z.B. Immobilien, s.u. = III.) 11 II. Die Urbanisierung des Kapitals Anhaltende Überakkumulation führt zu kapitalistischer ‘Krise‘ (1)  „Spatio-temporal fix“: Investitionen in gebaute Umwelt – auch anderswo – verschieben die Krise in die Zukunft: Absorbieren des überschüssigen Kapitals in langfristigen Immobilien- und Infrastrukturprojekten (Harvey 2005) 1. globale geographische Expansion: Verlagerung von Produktions- und Entsorgungsstandorten – z.B. Blumen aus Kenia, Textilien aus Vietnam, Schrottschiffe nach Pakistan…), ermöglicht durch gute u. günstige Transport- und Kommunikationsinfrastrukturen sowie große internat. Lohndifferenzen; z.T. Investition auch in genau diese Infrastrukturen („Globalisierung“)  „Raum wird durch die Überwindung von Raum produziert“ (Keil 1987: 135) 12 6 08.04.2024 II. Die Urbanisierung des Kapitals Anhaltende Überakkumulation führt zu kapitalistischer ‘Krise‘ (2)  „Spatio-temporal fix“ 2. lokale Expansion: Investitionen in lokale Immobilien- und/oder Infrastruktur- projekte; aktuelles Beispiel: Smart City-Quartiere ( 29.04.2024) 13 II. Die Urbanisierung des Kapitals Anhaltende Überakkumulation führt zu kapitalistischer ‘Krise‘ (3)  „Spatio-temporal fix“ 2. lokale Expansion nach De-Investition (inkl. Besonderheiten Privatisierung sozialer Wohnbau USA/D/AT): https://failedarchitecture.com/memories-steel-and-concrete-the-wires-season-3-opener/ 14 https://www.youtube.com/watch?v=pbK5HIfdyWc 7 08.04.2024 II. Die Urbanisierung des Kapitals 15 III. Urbanisierung als “spatio-temporal fix“ Regionale sozialräumliche Segregation durch kapitalistische (Krisen-) Dynamik in der Stadt  Effekte des Finanzkapitalismus, Intensivierung seit 2007: USA: Immobilienboom seit Jahrtausendwende; Kredite auch im „Subprime Markt“, d.h. für Menschen mit geringer Eigenkapital/Bonität dadurch Steigerung der Kredit- und Immobiliennachfrage steigende Preise für private Immobilien Bindung des Überschusskapitals in Hauskrediten 2007: zunehmend platzende Kredite im Subprime-Segment Kapitalentwertung Immobilienkrise Finanzkrise … „Nebenwirkungen“: hohe Obdachlosigkeit und hoher Leerstand „Rettungsmaßnahmen“? Chicago 2012 16 8 08.04.2024 III. Urbanisierung als “spatio-temporal fix“ Regionale sozialräumliche Segregation durch kapitalistische (Krisen-) Dynamik in der Stadt (2)  dynamische Segregation, die ihre Ursachen nicht im Raum, sondern in der gesellschaftlichen Produktion von Raum hat!  ungleiche sozioökonomische Verteilung resultiert in ungleicher sozialräumlicher Struktur, aber … Wie werden Stadtstrukturen vorrangig / klassischerweise erklärt? 17 III. Urbanisierung als “spatio-temporal fix“ Unterschied zu Stadtstrukturmodelle Chicagoer Schule? “obsession with the identification of spatial regularities and an urge to explain them by spatial factors“ (Massey 1984: 11) ”Capitalism is restless and so is the urban landscape“ (Jonas et al. 2015: 55); kapitalist. Dynamik resultiert in sozialräuml. Dynamik in Städten Stadt als Teil globaler Ökonomie u. regionaler Verflechtungen, nicht selbstregulierend Absage an Kulturdeterminismus u. Raumfetischismus der Chicagoer Schule (~Segregation ist Ergebnis kultureller Abgrenzung/ Distanz) 18 https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/konzentrisches-ringmodell/4345 9 08.04.2024 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte  finanzgetriebener Anlageimmobilienboom („Betongold“) und Urbanisierungsschub (Chicago, südl. Erweiterung Gelände South Steel Works, hier 2012) 19 2020 & 2024 20 10 08.04.2024 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte Die Produktion von (Wohn-) Raum durch kapitalist. Investition verschiebt das Problem der Überakkumulation (zeitlich, räumlich)  finanzgetriebener Anlage- Immobilienboom („Betongold“) und Urbanisierungsschub (Graz)  gebaute urbane Umwelt wird für Kapital- investitionen immer interessanter  Effekte: steigende Mieten/Preise (Entkopplung von Tausch- und Gebrauchs- wert; „Fundamentalpreisindikator“ der ÖNB 2022: 35 %* (Wien: 40%)); Segregation/ Gentrifizierung, Leerstand UND Bedarf an bezahlbarem Wohnraum Tauschwert 35% über Gebrauchs-/ Sachwert (€ 675.000 statt 500.000) 21 https://www.derstandard.at/story/2000136566044/oenb-immobilien-in-wien-um-40-prozent-ueberbewertet IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte Quelle: Die Zeit, 22.022018 Quelle: Standard, 10.10.2020 22 11 08.04.2024 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte Wohnen als Alltagspraktik, als sozialer Gebrauchswert und als ökonomischer/ökonomisierter Tauschwert: „Der Gebrauchswert einer Wohnung kann sich in verschiedenen Kriterien ausdrücken: Es mag der Grundriss oder die Ausstattung einer Wohnung sein, die Lage, das soziale und kulturelle Umfeld oder auch das nicht weiter erklärbare persönliche Wohlbefinden an einem Ort. Ausschlaggebend ist letztendlich, welche spezifischen Qualitäten eine Wohnung der jeweiligen Person im Kontext ihrer gesellschaftlichen Positionierung bietet“ (Metzger 2017: 233-234). Charakteristika des Gebrauchswerts (Lage, Größe, Ausstattung etc.) verweisen auch auf Miet- bzw. Kaufpreis → Tauschwert 23 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte In der marktförmig organisierten Wohnraumversorgung (inklusive der Verknappung von Wohnraum) spiegelt sich der Doppelcharakter wider, zugleich Gebrauchs- und Tauschwert zu sein EXKURS: „Gentrification ist Instrument und Ergebnis städtischer Neuordnungsprozesse. Die Verdrängung von meist ärmeren Haushalten [z.B. Alleinerziehenden mit Kindern] aus ihren bisherigen Wohnungen und Stadtteilen hat soziale und sozialräumliche Folgen. Zum einen ist der Verlust preiswerter Wohnungen in der Regel mit steigenden Wohnkosten verbunden. Mit der Verdrängung aus den bisherigen Nachbarschaften gehen soziale Netzwerke, über Jahre erworbenen Ortskenntnisse und emotionale Bindungen [wie bspw. Nachbarschaftshilfe in der Kinderbetreuung] verloren, die insbesondere für Haushalte mit geringen ökonomischen Ressourcen für die Organisation ihres Alltags von existentieller Bedeutung sein können.“ (Holm 2020: 152-153) 24 12 08.04.2024 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte Besonderheiten in Österreich: Historisch: umfangreicher Bestand an sozialem Wohnbau Aktuell: kaum Privatisierung von sozialem Wohnbau „nur“ moderater Anstieg von Wohnkosten 25 Kadi et al. 2020 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte 26 https://awblog.at/sozialer-wohnbau-guenstiger-wohnraum/ 13 08.04.2024 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte  Wohnen als Finanzanlage 27  Verlust staatl. / städt. Steuerungsmacht Kadi et al. 2020 Graz-Gries (April 2021) 14 08.04.2024 IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte Salzburg … Festivalisierung, Touristifizierung, Platfromisierung… 29 http://www.oekosoz.org/2017/04/keine-profite-mit-der-miete-keine-millionen-mit-dem-wohnen/ IV. Finanzkapitalismus und lokale/urbane Immobilienmärkte There is, in short, no ‘spatial fix’, that can contain the contradictions of capitalism in the long run … bedeutet, dass strukturelle Veränderungen und neue 1. Kapitalanlagen in Raum (Immobilien iwS) nie wirtschaftliche Ansätze erforderlich sind, um Überakkumulationskrisen ‘lösen‘, da … diese Probleme nachhaltig anzugehen. 2. Kapitalanlagen in Raum (Immobilien iwS) nur kurzfristig Überakkumulationskrisen ‘lösen’, da … 3. Kapitalanlagen in Raum (Immobilien iwS) nur langrsitig Überakkumulationskrisen ‘lösen’, da … da sie helfen können, die strukturellen Probleme des Kapitalismus dauerhaft anzugehen und zu mildern. 30 https://www.youtube.com/watch?v=tN8mU4ILl7g https://www.youtube.com/watch?v=iPGvXhicF2M 15 08.04.2024 V. Kritische Stadtgeographie & Kritik am “spatial fetishism“ bedeutet, räumliche Einheiten wie Grenzen oder Regionen isoliert und unabhängig von den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kontexten zu betrachten, die sie formen.  Stadtgeographie und insbes. Kritische Stadtgeographie entstand erst mit der Krise der Stadt in den 1960er Jahren → Verfall der Innenstädte, Ghettoisierung; Harvey trat 1969 eine Stelle an der Johns Hopkins Universität in Baltimore an….  The Wire …  Sozialräumliche urbane Segregation ist kein räumliches Phänomen und Problem, sondern eins der gesellschaftlichen Produktions- und Ungleichheitsverhältnisse („2 Seiten der Medaille“/Leitfragen der Humangeographie) Daher 1. Kritik am spatial fetishism zentral (“the identification of spatial regularities and an urge to explain them by spatial factors“) 2. Politische Ökonomie der Stadt als Theorie der Stadtentwicklung: Harveys politökonomische Analyse des globalen Kapitalismus liefert “eine Hilfe zum Verständnis der sozioökonomischen Restrukturierung der Städte als lokalen politischen Prozess“ (Keil 1987:141) 31 Zitierte Literatur 08.04.24 Franz, Yvonne/Strüver, Anke (2023): Stadtgeographie: aktuelle Themen und Ansätze. Heidelberg: Springer. Harvey, David (1973): Social justice and the city. Athens: Georgia UP. Harvey, David (1982): The limits to capital. Oxford: Blackwell. Harvey, David (1985): The Urbanization of Capital: Studies in the History and Theory of Capitalist Urbanization. Baltimore: Johns Hopkins UP. Harvey, David (2005): The new imperialism. Oxford: Oxford UP. Harvey, David (2007a): A Brief History of Neoliberalism. Oxford: Oxford UP. Harvey, David (2007b): Spaces of Global Capitalism: Toward a Theory of Uneven Geographical Development. London: Verso. Holm, Andrej (2020): Gentrification. In Handbuch kritische Stadtgeographie, Hrsg. Belina, Bernd, Naumann, Matthias & Anke Strüver. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, S. 152-157. Kadi , Justin; Banabak, Selim & Leonhard Plank (2020): Die Rückkehr der Wohnungsfrage. beigewum factsheet vii. Keil, Roger (1987): David Harvey und das Projekt einer materialistischen Stadttheorie. PROKLA. Zeitschrift für Kritische Sozialwissenschaft, 17(69), 132-147. https://doi.org/10.32387/prokla.v17i69.1316 Lefebvre, Henri (1996): Writings on Cities. Oxford: Blackwell. Marx, Karl (1867): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Hamburg: Severus u.a. Massey, Doreen (1984): New directions in space. In: Social Relations and Spatial Structures, edited by Derek Gregory & John Urry. Basingstoke: Blackwell, S. 9-19. Metzger, Joscha (2017): Soziale Wohnungswirtschaft zwischen Gebrauchs- und Tauschwert. In: Work in Progress. Beiträge kritischer Wissenschaft, Hrsg. Marcus Hawel. Hamburg: VSA Verlag, S. 232-244. Wiegand, Felix (2013a): David Harveys urbane Politische Ökonomie. Ausgrabungen der Zukunft marxistischer Stadtforschung. Münster: Westfälisches Dampfboot. Wiegand, Felix (2013b): David Harveys urbane Politische Ökonomie. In: Emanzipation 3, 2: 35-56. 32 16 15.04.2024 VO Planetarische Urbanisierung Neoliberalisierung (und Stadt als Unternehmen) Sommersemester 2024 (15.04.24) 1 Anke Strüver Aktuelle Gesellschafts-Prozesse, -Theorien und -Themen… Sozialräumliche Makro-Strukturen Prozesse: Theorien: Themen:  Globalisierung  Politische Ziel der VO: Urbane = sozialräumliche Prozesse in ihren  Komplexität  Neoliberalisierung Ökonomie makropolitischen und global-gesellschaftlichen Kontexten verstehen  Mobilität  Kulturalisierung und & mit Blick auf lokales = sozialräumliches PoststrukturalismusAlltagsleben  Wohnenanalysieren Reurbanisierung & Relational Gesellschaftliche Prozesse Urbanism werden insbesondere  auf lokaler Ebene Nachhaltigkeit  „Nachhaltigkeiti- konkret und erfahrbar; Städte  Mehr-als- sind nicht nur als  KulturOrte des sierung“ Wirtschaftens global, sondern auch als kulturelle menschliche  Smartund soziale & Platform  Digitalisierung Urbanism Alltagsorte und Perspektiven als Experimentierfelder lokal Mikro-Interaktionen, Alltagsleben 2 Glokalisierung (Swyngedouw 2004); „A global sense of local place“ (Massey 1991, 2005) 1 15.04.2024 Prozesse II: Neoliberalisierung (und Stadt als Unternehmen) Gliederung: I. Kontextualisierung in VO II. Grundlagen ‘Neoliberalismus‘ III. Glokalisierung & Neoliberalisierung IV. Unternehmerische Stadt als Leitbild der neoliberalen Stadt V. Neoliberalismus, Neoliberalisierung & Urbanisierung VI. Ausblick: Festivalisierung und Kulturalisierung 3 “In 1970, Henri Lefebvre put forward the radical hypothesis of the complete urbanization of society, a circumstance that in his view required a radical shift from the analysis of urban form to the investigation of urbanization processes. … [This replaces] inherited spatial ontologies (urban/rural, town/country, city/non-city, society/nature) in order to investigate the uneven implosions and explosions of capitalist urbanization across places, regions, territories, continents and oceans up to the planetary scale.” (2014) 4 2 15.04.2024 I. Kontext: Neoliberalisierung  Globalisierung, Glokalisierung und Politische Ökonomie der Stadt: (Stadt-)Räume sind das Produkt ungleicher räumlicher Entwicklung als Effekte von Kapitalismus und Globalisierung (Harvey 2005/2007)  (Hintergründe) Globalisierung und Global Cities: Krise des nordatlantischen Fordismus; Krise des Wohlfahrtstaates wirtschaftliche Stabilisierung (global) durch gesellschaftliche Destabilisierung (national, regional, lokal) Außenorientierung von Global(ising) Cities, z.B. Rankings u. „Unternehmerische Stadt“ Neoliberale Stadt(-politik) und Urbanisierung des Neoliberalismus 5 2007 I. Kontext: Neoliberalisierung  Brenner & Theodore 2003 (& Antipode 2002): Towards a Political Economy of Actually Existing Neoliberalism  Karl Marx „Das Kapital: Kritik der Politischen Ökonomie“ (1867) : Kritik der politischen Ökonomie als Wissenschaft von der Entwicklung der gesellschaftl. Produktionsverhältnisse mit Fokus auf gesellschaftliche Produktions- und Ungleichheitsverhältnisse  Politische Ökonomie im Neoliberalismus: Kommodifizierung und Privatisierung … neokoloniale und imperiale Prozesse der Aneignung von Land und (Natur-) Ressourcen, d.h. auch von Gemeingütern wie bspw. ‘öffentlichen Räumen’, Gesundheitsversorgung, Energie u. Wasser 6 3 15.04.2024 II. Grundlagen Was ist Neoliberalismus? https://www.menti.com/xkfcj85sig (2022) 7 II. Grundlagen Was ist Liberalismus? Im 19. Jahrhundert entstandene, im Individualismus wurzelnde Weltanschauung, die in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht die freie Entfaltung und Autonomie des Individuums fordert und staatliche Eingriffe auf ein Minimum beschränkt sehen will (Oxford Wörterbuch) Eine Grundposition der Politischen Philosophie u. eine historische und aktuelle Bewegung, die eine freiheitliche politische, ökonomische und soziale Ordnung anstrebt (Wikipedia) (Utopischer) Wirtschaftliberalismus: Eine Wirtschaft, die sich ohne staatliche Eingriffe über den Markt selbst reguliert 8 4 15.04.2024 II. Grundlagen Was ist Neoliberalismus? Eine Form des Wirtschaftsliberalismus, die nach den besten Bedingungen für funktionierende Märkte sucht; der Staat wird dabei auf die Aufgabe reduziert, die Wettbewerbsordnung vorzugeben “Aktuell“: Neoliberalismus als ökonomistisch verengtes Politikkonzept, das soziale und ökologische Probleme nicht löst, sondern verschärft (Fraser 2023) Reaganomics (USA) & Thatcherism (UK) als nordatlantische Vorläufer für vier grundlegende politische Prinzipien: 1. Reduktion staatlicher (städtischer) Aufgaben & Ausgaben 2. Privatisierung ehemals staatlicher/städtischer Aufgaben 3. Deregulierung des Kapitalverkehrs ( Globalisierung; Politische Ökonomie der Stadt) 4. Downscaling: Stadt als lokaler Staat & NPM 5. Upscaling: Wettbewerbs-orientierung 9 III. Glokalisierung & Neoliberalisierung III.1 Downscaling: Stadt als lokaler Staat Übertragung von nationalstaatlichen Verantwortungen auf kommunale Ebene – bei gleichzeitiger Einschränkung der Mittel (Gesundheits-, Wohnraum-, Energieversorgung, ÖP(N)V …) Finanzmanagement österreichische Gemeinden Quelle: KDZ, Zentrum für Verwaltungsforschung (2011): Public Management Reformen in Österreichs Städten. 10 Eine Evaluierung (https://www.kdz.eu/de/Governance), S. 41 5 15.04.2024 III. Glokalisierung & Neoliberalisierung III.1 Downscaling: Stadt als lokaler Staat Übertragung von nationalstaatlichen Verantwortungen auf kommunale Ebene – bei gleichzeitiger Einschränkung der Mittel „from government to governance“, „from managerialism to entrepreneurialism” (Harvey 1989) Effekte: Ökonomisierung städtischer Verwaltungsprozesse (NPM) Privatisierung vormals öffentlicher kommunaler Infrastrukturen (s.u.) Wandel von der (vor-)sorgenden Stadtpolitik zur wettbewerbsorientierten Stadt(-politik) = Standortpolitik statt Sozialpolitik 11 Downscaling & New Public Management (NPM) 12 KDZ (2011: 16) 6 15.04.2024 Downscaling & New Public Management (NPM) Re-aktiv versus pro-aktiv 13 KDZ (2011: 18) Downscaling & New Public Management (NPM) 14 KDZ (2011: 26) 7 15.04.2024 III. Glokalisierung & Neoliberalisierung III.2 Reduktion staatlicher (städtischer) Ausgaben (Prinzip) „schlanker Staat, schlanke Stadt“ wenig Steuern! Effizienz durch Wettbewerb/Konkurrenz und Verkauf = Privatisierung von Infrastrukturen: Wohnungsbau, Energie- und Gesundheitsversorgung, Abfallwirtschaft, ÖPNV, Schwimmbäder, Kulturräume, Grünräume …. = Binnenorientierung I III.3 Privatisierung ehemals städtischer Aufgaben der Daseinsvorsorge (Umsetzung) Sparen durch Privatisierung von Infrastrukturen: Energie- und Gesundheitsversorgung, Abfallwirtschaft, ÖPNV, Schwimmbäder, Kulturräume, Grünräume = Binnenorientierung II 15 III. Glokalisierung & Neoliberalisierung III.3 Privatisierung ehemals städtischer Aufgaben, Sonderfall „Austerity Urbanism“ seit Finanzkrise (Peck 2012/2015): Politische Herstellung finanzieller Knappheit der Kommunen  Haushaltskürzungen  Intensivierung des neoliberalen Regierens, insbesondere im Bereich des Liberalisierens und Privatisierens… * Licht/Highland Park in Michigan: Geburtsort des Fließbandes durch Henry Ford (1909); Proletarischer Wohlstand in den 1950er und 60er Jahren als Standort der expandierenden Autoproduktion Detroits; Abwanderung und ‚Verfall‘ durch den Strukturwandel; 2012: Verlust von ¾ der EW; Kollaps von Wirtschaft u. Steueraufkommen; 42 % der EW leben unterhalb der Armutsgrenze; Stadtverwaltung schaltet alle Straßenlaternen ab und appelliert an EW, die Haustürbeleuchtungen dauerhaft einzuschalten Wasser/Flint … Schulen, Krankenhäuser, Feuerwehr/Detroit: Ist offiziell im „finanziellen Notstand“ = unter externer Notstandsverwaltung: Eingeschränkte Pflicht-Schulangebote, geschlossene Parks, Reduktion der Krankenwagen auf Eindrittel, ähnlich bei Feuerwehr und Polizei 16 * Liberalisierung klingt netter als Deregulierung, Privatisierung netter als Kommodifizierung… 8 15.04.2024 III. Glokalisierung & Neoliberalisierung III.3 Privatisierung ehemals städtischer Aufgaben, schlanker Stadtstaat & Austerität: „Anders als eine gelegentliche Fastenwoche haben die immer neuen finanziellen Abführkuren die staatliche Handlungsfähigkeit mit der Zeit kumulativ geschwächt. Das wirkt sich letzten Endes nicht allein auf jene Staatsfunktionen aus, die neoliberale Kritiker als „Fettansatz“ zu verunglimpfen pflegen, Wohlfahrtseinrichtungen, Sozialleistungen und Bürokratie beispielsweise. Es betrifft auch die elementaren Basisleistungen des Staates, die (selbst im Neoliberalismus) oft als unverzichtbar gelten, etwa Polizeiarbeit, Gefängniswesen und öffentliche Sicherheit. Austerität ist folglich kein bloß zyklisches Phänomen; langfristig geht sie mit zunehmender Handlungsunfähigkeit und institutioneller Auszehrung einher, mit der Gewöhnung an Niedrigsteuer-/Niedrigleistungs-Ungleichgewichte unterschiedlichster Art.“ (Peck 2015: 5)  Bsp. (HOLDING) Graz … und polit. Wechsel 2021? 17 III. Glokalisierung & Neoliberalisierung III.4 Upscaling: Stadt als Unternehmen im (globalen) Wettbewerb = Außenorientierung Upscaling: Stadt als Unternehmen, die in globaler Konkurrenz zu anderen Städten steht ( Global Cities 18.03.2024) 18 9 15.04.2024 IV. Unternehmerische Stadt als Leitbild der neoliberalen Stadt “Unternehmerische Stadt” als Leitbild beschreibt den Versuch, globales Kapital, einkommensstarke Haushalte und Konsumierende/Tourist*innen im Wettbewerb zu anderen Städten/Regionen anzuziehen und sich global als sichtbar zu positionieren (Graz: Kunsthaus, U-Bahn …, Universität …) “Unternehmerische Stadt” als Prozess beschreibt ein ökonomisiertes Regieren: a) globale Konkurrenz zu anderen Städten (Upscaling; Außenorientierung & Festivalisierung, Kulturalisierung…, derzeit: Smartifizierung (→ 29.04.24), GreenGentrification (→ 27.05.24)) b) Kommodifizierung/Privatisierung der Daseinsvorsorge, wie Wohnungsbau, Energieversorgung, Abfallwirtschaft, ÖPNV, Schwimmbäder, Grünräume etc. (Downscaling; Binnenorientierung & Prekarisieren, Selbstregieren …)  beides wirkt sich als Verschärfung sozialer und räumlicher Polarisierungen aus – zwischen Städten/Regionen und innerhalb von Städten 19 IV. Unternehmerische Stadt als Leitbild der neoliberalen Stadt Houston 2012: most segregated US-city; income segregation has doubled since 1980 [Red is low income. Blue is high income.] Segregationsindex = 61 https://www.businessinsider.com/maps-of-extreme-income-segregation-in-us-cities-2012-8 https://www.spektrum.de/lexikon/ geographie/segregationsindex/7150 20 10 15.04.2024 IV. Unternehmerische Stadt als Leitbild der neoliberalen Stadt Baltimore 21 https://internationalmapping.com/blog/a-brief-history-of-housing-segregation-in-baltimore/ (2021) IV. Unternehmerische Stadt als Leitbild der neoliberalen Stadt Segregationsindex Wien 2016 22 https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/grundlagen/stadtforschung/soziologie-oekonomie/wohn-segregation.html 11 15.04.2024 V. Neoliberalismus, Neoliberalisierung & Urbanisierung Was war zuerst „da“? **Neoliberal Urbanism**: Städtische Entwicklung nach neoliberalen Prinzipien wie Privatisierung und Neoliberal Urbanism marktorientierter Planung. **Neoliberalising Cities**: Prozess, bei dem Städte neoliberalen Reformen unterliegen, wie Privatisierung und Neoliberalising Cities Deregulierung. Urbanisation of Neoliberalism **Urbanisation of Neoliberalism**: Verbreitung neoliberaler Ideen in städtische und regionale Kontexte weltweit, einschließlich der Integration von Marktlogiken in Stadtplanung und Wirtschaftsentwicklung.  Henne-Ei-Frage bzw. Verhältnis Empirie/Prozess und Theorie  Unterscheidung: Neoliberalismus (Theorie), Neoliberalisierung (konkrete Umsetzung, Prozess) und neoliberaler Urbanismus (normatives Konzept zur Umsetzung der Theorie als Prozess) 23 V. Neoliberalismus, Neoliberalisierung & Urbanisierung Neoliberal Urbanism: normativ & deskriptiv (Basis: Wirtschafts(neo-) liberalismus als ökonomistisch verengtes theoretisches Politikkonzept) Neoliberalising Cities: Prozessorientiert (z.B. Brenner, Harvey) Urbanization of Neoliberalism: cities as incubators for neoliberalism and key to its success (z.B. Leitner, Sheppard, Peck; über Planetary Urbanization auch Brenner bzw. Brenner/Theodore) sind Unternehmerische Städte Folgen des neoliberalen Gesellschaftsumbaus oder ‚nur‘ Experimentierfelder und Stabilisatoren? Es bleibt Henne-Ei-Frage! 24 12 15.04.2024 VI. Ausblick: Festivalisierung und Kulturalisierung Rahmen: ‘Unternehmerische Stadt‘ und neoliberale Stadt- und Standortpolitik: Wettbewerb um globales Kapital, einkommensstarke Haushalte und Konsumierende/Tourist*innen: Kommodifizierung/Privatisierung der Daseinsvorsorge (Binnenorientierung) globale Konkurrenz zu anderen Städten (Außenorientierung: Stadt- Marketing; Kulturalisierung und Festivalisierung, derzeit: Smartifizierung und GreenGentrification) V. Neoliberalismus, Neoliberalisierung & Urbanisierung Aktuell: Postneoliberale Tendenzen staatliches Regieren der /Reagieren auf Finanzkrise (2007/08) staatliches Regieren der /Reagieren auf Coronakrise (2020ff) Neoliberalismus und schlanker Staat funktionieren nicht! Wir „überleben“ nur dank staatlicher (und städtischer) Eingriffe Vgl. Def. Neobileralismus: Eine Form des Wirtschaftsliberalismus, die nach den besten Bedingungen für funktionierende Märkte sucht; der Staat wird dabei auf die Aufgabe reduziert, die Wettbewerbsordnung vorzugeben … 26 13 15.0

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