Somatoforme Störungen PDF
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Diese Präsentation behandelt die Somatoformen Störungen, eine Art von psychischer Erkrankung. Sie bietet eine Übersicht über die Klassifizierung, Epidemiologie, Differentialdiagnostik und mögliche aetiologische Faktoren.
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Somatoforme Störungen (Kapitel 53) Hush Naidoo Jade Photography/ Unsplash WikiImages / Pixabay Somatoforme Störungen Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen...
Somatoforme Störungen (Kapitel 53) Hush Naidoo Jade Photography/ Unsplash WikiImages / Pixabay Somatoforme Störungen Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Überblick: Klassifikation im ICD‐10 Somatoforme Störungen (F 45) Konversionsstörungen / Dissoziative Störungen (F 44) Somatisierungsstörung (F45.0) Undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1) Hypochondrische Störung (F45.2) Somatoforme autonome Funktionsstörung (45.3) Anhaltende Schmerzstörung (F 45.4) Dissoziative Bewegungsstörungen (F44.4) Dissoziative Sensibilitäts‐ und Empfindungsstörungen (F 44.6) → vgl S 1201 für eine Beschreibung dieser Diagnosen Von Känel et al, 2016 Überblick: Klassifikation im ICD‐10 Somatoforme Störungen (F 45) Konversionsstörungen / Dissoziative Störungen (F 44) Kritik Somatisierungsstörung (F45.0) Dissoziative an Klassifikation in ICD‐10/DSM‐IV: Bewegungsstörungen (F44.4) Undifferenzierte Somatisierungsstörung Fokus auf medizinische (F45.1) Ausschlussdiagnostik Dissoziative Sensibilitäts‐ und Empfindungsstörungen (F 44.6) Hypochondrische Störung (F45.2) Strenge Zeitkriterien: Chronifizierung Somatoforme autonome Funktionsstörung Fragliche Unterteilung (45.3) → Exkurs (Parallel)Problema k in medizinischen Fachgebieten Anhaltende Schmerzstörung (F 45.4) Von Känel et al, 2016 Klassifikation in medizinischen Fachdisziplinen Fachdisziplin Funktionelles somatisches Syndrom Nimnuam, Hotopf, Wessely, 2001 6 Problematik bei der Klassifikation Parallelaktionen in den verschiedenen Disziplinen: Somatische Klassifikation: Funktionelle somatische Syndrome Psychopathologische Klassifikation: Somatoforme Störungen 7 Problematik bei der Klassifikation Parallelaktionen in den verschiedenen Disziplinen: Somatische Klassifikation: Funktionelle somatische Syndrome «One or Many?» Überlappung der einzelnen Diagnosen von bis zu 50% Henningsen et al., 2008, Lancet Psychopathologische Klassifikation: Somatoforme Störungen «Validität gegeben?» Mangelnde Belege für divergente Validität Löwe et al., 2008, Psychopathology 8 Überblick: Klassifikation im ICD‐10 Somatoforme Störungen (F 45) Konversionsstörungen / Dissoziative Störungen (F 44) Kritik Somatisierungsstörung (F45.0) Dissoziative an Klassifikation in ICD‐10/DSM‐IV: Bewegungsstörungen (F44.4) Undifferenzierte Somatisierungsstörung Fokus auf medizinische (F45.1) Ausschlussdiagnostik Dissoziative Sensibilitäts‐ und Empfindungsstörungen (F 44.6) Hypochondrische Störung (F45.2) Strenge Zeitkriterien: Chronifizierung Somatoforme autonome Funktionsstörung Fragliche Unterteilung (45.3) → Ende Exkurs Anhaltende Schmerzstörung (F 45.4) Von Känel et al, 2016 Überblick: Veränderungen der Klassifikation Somatoforme Störungen (F 45) Konversionsstörungen / Dissoziative Störungen (F 44) Somatisierungsstörung (F45.0) Undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1) Hypochondrische Störung (F45.2) Somatoforme autonome Funktionsstörung (45.3) Anhaltende Schmerzstörung (F 45.4) Dissoziative Bewegungsstörungen (F44.4) Dissoziative Sensibilitäts‐ und Empfindungsstörungen (F 44.6) DSM‐5: Somatische Belastungsstörung und verwandte Störungen Vgl. Hoyer & Knappe, 2020, Tabelle 53.2. für Vor‐ und Nachteile dieser neuen Klassifikation Überblick: Klassifikation nach DSM‐5 Somatische Belastungsstörung und verwandte Störungen > > > > > Somatische Belastungsstörung Krankheitsangststörung Konversionsstörung (Störung mit Funktionellen Neurologischen Symptomen) Psychologische Faktoren, die eine körperliche Krankheit beeinflussen Vorgetäuschte Störung (APA, 2015) Somatische Belastungsstörung (DSM‐5) A. Eines/mehrere somatische Symptome, die belastend sind oder zu erheblichen Einschränkungen in der alltäglichen Lebensführung führen. B. Exzessive Gedanken, Gefühle oder Verhaltensweisen bezüglich der somatischen Symptome/damit einhergehender Gesundheitssorgen, ausgedrückt durch (mind. 1): 1. 2. 3. C. Unangemessene und andauernde Gedanken bezüglich der Ernsthaftigkeit der vorliegenden Symptome. Anhaltende stark ausgeprägte Ängste in Bezug auf die Gesundheit oder die Symptome. Exzessiver Aufwand an Zeit und Energie, die für die Symptome oder Gesundheitssorgen aufgebracht werden. Obwohl keines der einzelnen somatischen Symptome durchgängig vorhanden sein muss, ist der Zustand der Symptombelastung persistierend (typischerweise länger als 6 Monate). Zusatzspezifikationen: Mit Überwiegendem Schmerz (Früher: «Schmerzstörung») Andauernd: Verlauf mit schwergradigen Symptome, deutlichen Beeinträchtigungen, langer Dauer (> 6 Monate) Schweregradeinteilung: Anhand Symptomzahl (Kriterium B) und Anzahl/Ausgeprägtheit der somatischen Beschwerden (APA, 2015) Krankheitsangststörung (DSM‐5) A. B. C. D. E. F. Übermäßige Beschäftigung damit, eine ernsthafte Krankheit zu haben/zu bekommen. Körperliche Symptome liegen nicht/nur in geringer Intensität vor. Besteht eine andere Erkrankung oder ein hohes Risiko, eine solche zu entwickeln, so ist die übermäßige Beschäftigung eindeutig übertrieben/unverhältnismäßig. Es bestehen stark ausgeprägte Ängste hinsichtlich der Gesundheit, und die Person ist leicht bezüglich des eigenen Gesundheitszustands zu beunruhigen. Die Person führt übertriebene gesundheitsbezogene Verhaltensweisen aus (z.B. wiederholtes Kontrollieren ihres eigenen Körpers nach Krankheitszeichen) oder zeigt maladaptives Vermeidungsverhalten (z.B. vermeidet Arztbesuche und Krankenhäuser). Die übermäßige Beschäftigung mit Krankheit besteht seit mind. 6 Monaten, wobei sich die spezifische Krankheit, die befürchtet wird, in diesem Zeitraum ändern kann. Die übermäßige Beschäftigung mit Krankheit kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden. Zusatzspezifikationen > > Hilfesuchender Typ: Medizinische Hilfe, einschliesslich Arztbesuchen oder der Durchführung medizinischer Tests und Massnahmen, wird häufig in Anspruch genommen. Hilfemeidender Typ: Medizinische Hilfe wird selten in Anspruch genommen. (APA, 2015) Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Diagnostik > > > > Anamnese der (körperlichen!) Beschwerden: → Diagnos k → (Therapie)Beziehung Übliche (teil)strukturierte Interviews (SKID, DIPS) oder spezialisierte Verfahren wie die Somatoform Disorder Schedule (SDS) Ausschluss organischer Ursachen Fragebögen: Somatisierung: SOMS (Screening für Somatoforme Störungen) Hypochondrie/Krankheitsangst: WI (Whiteley Index); Illness attitude Scales (IAS) Schmerz: Schmerzempfindungsscala (SES; sensorisches & affektives Schmerzerleben); Pain Disability Index (PDI) > Visuelle Analogskala (VAS) und Beschwerdetagebuch Visuelle Analogskala Abb: thebricktestament.com Beschwerdeprotokoll Abb: Bfs‐sozialpflege.net Differentialdiagnostik > > Abgrenzung von Simulation (Ziel: äussere Anreize) oder vorgetäuschter Störung (Vorteil: Krankenrolle) ist, falls nötig, häufig am besten mittels erweiterter Anamnese und Verhaltensbeobachtung machbar. Bei Diagnose Psychologische Faktoren, die eine körperliche Krankheit beeinflussen ist ein medizinischer Krankheitsfaktor gegeben (z.b. Asthma, Migräne, Hypertonie), wobei der Verlauf durch psychische Faktoren beeinflusst wird. Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Epidemiologie Somatoforme Störungen > Monatsprävalenz (Allgemeinbevölkerung) ca. 7.5% verschiedene Störungen unterschiedlich häufig: ‐ selten: Vollbild Somatisierungsstörung, Hypochondrie, Konversionsstörung ‐ häufig: undifferenzierte Somatisierungsstörung, Schmerzstörung. Prävalenzen in der medizinischen Versorgung deutlich höher! > Somatoforme Störungen auch im Kindes‐ und Jugendalter > Geschlechterverhältnis (F:M) 2:1 > Prävalenzen bei Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status höher Verlauf > Spontanremission in den ersten 3 Monaten relativ hoch > Chance auf Spontanremission sinkt mit zunehmender Krankheitsdauer! → Kritik am strengen Zeitkriterium für Somatisierungsstörung (ICD‐10: 2 Jahre) und Hypochondrie (ICD‐10, DSM‐5: 6 Monate). > Verlauf ungünstig bei: multiplen Beschwerden ungünstigen Kognitionen Krankheitsangst negativem Affekt Ungünstigem, von Vermeidung geprägtem, Krankheitsverhalten Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Aetiologie: Biologische Faktoren > Genetische Komponente: Gegenstand der Forschung, bisher erste Hinweise > Physiologische Risikofaktoren: ‐ Erhöhte Muskelanspannung; u.a. auch während Konfrontation mit emotionalen Themen ‐ Erhöhte kardiovaskuläre Aktivität, Veränderungen in der Reaktivität ‐ Hyperventilation und veränderte Atmungsmuster > Neurophysiologie: ‐ Serotonerge Beteiligung ‐ Immunologische Besonderheiten Aetiologie: Psychologische Faktoren Persönlichkeitsmerkmale > Neurotizismus = Neigung, negative emotionale Zustände zu erleben. → Methodischer Artefakt? > Alexithymie = Mangelnde Fähigkeit, eigene Emotionen wahrzunehmen, auszudrücken und von körperlichen Zuständen zu differenzieren. → Spezifität? → Kausalität? Zusatzinformation bei Interesse: Bodily Maps Of Emotions Abb: Numenmaa, PNAS, 2014 Aetiologie: Psychologische Faktoren Persönlichkeitsmerkmale > Neurotizismus = Neigung, negative emotionale Zustände zu erleben. → Methodischer Artefakt? > Alexithymie = Mangelnde Fähigkeit, eigene Emotionen wahrzunehmen, auszudrücken und von körperlichen Zuständen zu differenzieren. → Spezifität? → Kausalität? Aetiologie: Psychologische Faktoren Persönlichkeitsmerkmale & Life events > Neurotizismus = Neigung, negative emotionale Zustände zu erleben. → Methodischer Artefakt? > Alexithymie = Mangelnde Fähigkeit, eigene Emotionen wahrzunehmen, auszudrücken und von körperlichen Zuständen zu differenzieren. → Spezifität? → Kausalität? > Kritische Lebensereignisse & Traumata ‐ Traumata (Krieg, sexuelle Übergriffe) ‐ emotionale Vernachlässigung ‐ Tod/schwere Krankheit von Bezugspersonen in der Kindheit Aetiologie: Psychologische Faktoren Lerntheoretische Aspekte > Modelllernen: Bei Eltern/Angehörigen von Patient:innen mit somatoformen Störungen finden sich häufig ebensolche Störungen oder organische Krankheiten. → Krankheitsverhalten wird gelernt, Krankenrolle birgt Verstärker > Verstärkungslernen (→ Chronifizierung) ‐ positive Verstärkung (Aufmerksamkeit, Trost, Unterstützung) von Krankheitsverhalten ‐ negative Verstärkung (Schmerzabnahme, Entlastung) von Medikamentenkonsum und Schonverhalten ‐ mangelnde Verstärkung von Gesundheitsverhalten Aetiologie: Psychologische Faktoren Kognitionen, Aufmerksamkeit, Wahrnehmungsprozess > Kausalattributionen → wenig normalisierende/situationale und mehr dispositionelle/organische Kausalattributionen > > > > katastrophisierende Bewertung von Beschwerden Negative Verlaufserwartung Niedrige Kontrollerwartung Somatosensorische Verstärkung und selektive Aufmerksamkeit: ‐ Wahrnehmung als aktiver Prozess (bottom‐up UND top‐down) ‐ selektive Aufmerksamkeit für Körperempfindungen ‐ erhöhte Rate wahrgenommener körperlicher Veränderungen ‐ katastrophisierende Bewertung → Angst → Aufmerksamkeitsfokussierung und Intensivierung Aetiologie: Psychologische Faktoren Krankheitsverhalten Dysfunktionales Krankheitsverhalten = Schonen, Vermeiden, Rückversichern, Checken = maladaptive Bewältigungsstrategie > beeinflusst von Angst vor körperlicher Missempfindung > Begünstigt… körperlichen Abbau, negativen Affekt, gedanklichen Fokus auf Beschwerden → Ursache weiterer Beeinträchtigung! Aetiologie: Zusammenfassendes Störungsmodell Beeinflusst durch Modell‐ und Verstärkungslernen Beeinflusst durch Biologische Faktoren Somato‐ sensorische Verstärkung Abb: Hoyer & Knappe, 2020, Abb. 53.1, nach Rief und Hiller, 1998