Erwachsenenschutzrecht Broschüre 2021 PDF

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Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig

2021

Georg Kathrein a.D.

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adult guardianship law legal representation Austrian law

Summary

This brochure provides information on adult guardianship law in Austria, which came into effect on July 1, 2018. It describes various representation types, including advance directives, appointed representatives, and court-appointed representatives. Key aspects of rights of persons under guardianship and the roles of representatives are discussed, along with details of the procedures involved.

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Erwachsenenschutzrecht Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Erwachsenenschutzrecht NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz...

Erwachsenenschutzrecht Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Erwachsenenschutzrecht NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz ifs Erwachsenenvertretung Erwachsenenvertretung Institut für Sozialdienste Bewohnervertretung Impressum: Herausgeber: Bundesministerium für Justiz Museumstraße 7, 1070 Wien Verantwortlich für den Inhalt: Abteilung für Familien- Personen- und Erbrecht des BMJ Foto Umschlag: Albrecht E. Arnold / pixelio.de Herstellung: Druckerei des BMJ 2. Auflage Wien, im Juni 2021 Die Broschüre wurde vom Bundesministerium für Justiz in Zusammenarbeit mit den vier Erwachsenenschutzvereinen erstellt. Vorwort Liebe Leserinnen und Leser! Diese Broschüre informiert Sie über das seit 1. Juli 2018 geltende Erwachsenenschutzrecht. An diesem Tag trat das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz in Kraft. Die bis dahin geltenden Regelungen über das Sachwalterrecht wurden mit dieser Reform völlig neu gestaltet. Bisher mussten psychisch kranke und vergleichbar beeinträchtigte Personen im Wege einer Vorsorgevollmacht, durch nächste Angehörige und eben durch gerichtlich bestellte Sachwalter vertreten werden. Obwohl die gerichtliche Sachwalterschaft nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollte, standen zu Jahresbeginn 2017 fast 55.000 Personen in Österreich unter Sachwalterschaft. Das sind doppelt so viele wie noch im Jahr 2003. Vielfach lag das auch daran, dass die Alternativen zur Sachwalterschaft nicht ausreichend bekannt waren oder nicht genutzt wurden. Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der wachsenden Anforderungen des Rechtsverkehrs werden sich künftig noch mehr Menschen mit solchen Fragen auseinandersetzen müssen. Hier bietet das Erwachsenenschutzrecht gänzlich neue Möglichkeiten und Wege. Das Erwachsenenschutzrecht sieht vier Arten der Vertretung vor, nämlich 1. die Vorsorgevollmacht, 2. die gewählte Erwachsenenvertretung durch eine vom Betroffenen ausgewählte Person, 3. die gesetzliche Erwachsenenvertretung durch bestimmte nahe Angehörige und 4. die gerichtliche Erwachsenenvertretung durch eine gerichtlich bestellte Person. An der Neugestaltung dieses Rechtsbereichs haben über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren auch betroffene Personen selbst mitgewirkt. Sie habe ihre Standpunkte in regelmäßigen Gesprächsrunden, Arbeitskreisen und Diskussionsgruppen mit Interessenvertretern, Fachleuten und Beamten eingebracht. Das Ergebnis dieser Arbeiten ist das neue Erwachsenenschutzrecht. Damit wird die Selbstbestimmung der vertretenen Personen in den Mittelpunkt gestellt. Dies wird zum Beispiel dadurch erreicht, dass die vertretenen Personen nicht mehr automatisch entmündigt und in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt werden. Außerdem endet eine gerichtliche Erwachsenenvertretung automatisch nach drei Jahren, wenn sie nicht davor beendet oder erneuert wird. Sie finden in der Informationsbroschüre Antworten auf hoffentlich all Ihre Fragen im Zusammenhang mit dem Erwachsenenschutzrecht. Die Broschüre behandelt die Voraussetzungen und Wirkungen der verschiedenen Vertretungsarten, sie informiert über die Rechte von Vertretenen und die Aufgaben eines Vertreters und sie enthält auch noch Tipps zu Anlaufstellen, die Ihnen in diesen Angelegenheiten weiterhelfen können. Hier sind allen voran die Erwachsenenschutzvereine zu nennen, denen ich an dieser Stelle auch recht herzlich für die Unterstützung bei der Erstellung der Broschüre danken möchte. Auf der Internetseite www.justiz.gv.at/erwachsenenschutz finden Sie die Broschüre auch zum Down- load sowie weitere Informationen und Kontaktadressen. Alles Gute und viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Georg Kathrein a.D. Sektionschef der Zivilrechtssektion des Bundesministeriums für Justiz Wie benutzen Sie diese Broschüre? In den Kapiteln A bis C dieser Broschüre finden Sie allgemeine Informationen zum Erwach- senenschutzrecht, die für alle Vertretungsformen gelten. Welche Vertretungsformen es gibt, ist ebenso in diesen Kapiteln erklärt. Erklärungen zu den wichtigsten Begriffen des Erwachsenenschutzrechts finden Sie im Kapitel H. Die dort erklärten Begriffe sind im Text jeweils kursiv und orange unterstrichen hervorge­hoben. In den Kapiteln D-G können Sie Details zu den jeweiligen Vertretungsformen nachlesen. In den Info-Boxen sind besonders wichtige Informationen oder Tipps hervorgehoben. TIPP: Diese Broschüre ist auch elektronisch auf der Internetseite www.justiz.gv.at/ erwachsenenschutz abrufbar. Dort steht auch eine Leichter-Lesen-Version über das Erwachsenenschutzrecht zur Verfügung. Kapitelübersicht A. Allgemeine Informationen zur Erwachsenen­vertretung.......................... 6 B. Was ändert sich, wenn jemand eine*n gesetzliche*n Vertreter*in hat?............ 11 C. Was sind die Aufgaben einer Er­wachsenen­vertreterin*eines Erwachsenen­ vertreters?............................................................. 16 D. Vorsorgevollmacht....................................................... 26 E. Gewählte Erwachsenenvertretung.......................................... 30 F. Gesetzliche Erwachsenenvertretung........................................ 34 G. Gerichtliche Erwachsenenvertretung........................................ 39 H. Das A – Z des Erwachsenenschutzrechts..................................... 49 I. Wichtige Adressen....................................................... 56 J. Anhang: Muster......................................................... 59 2 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Inhaltsverzeichnis A. Allgemeine Informationen zur Erwachsenen­vertretung..................... 6 1. Was ist Erwachsenenvertretung?........................................... 7 2. Unterstützung vor Vertretung............................................... 7 3. Geschichte der Erwachsenenvertretung...................................... 8 4. Wo ist das Erwachsenenschutzrecht geregelt?............................... 10 B. Was ändert sich, wenn jemand eine*n gesetzliche*n Vertreter*in hat?........ 11 1. Selbstbestimmung trotz Stellvertretung..................................... 12 2. Geschäftsfähigkeit....................................................... 12 3. Einwilligung in medizinische Behandlungen................................... 13 4. Heirat & Partnerschaft................................................... 13 5. Elterliche Rechte........................................................ 14 6. Wohnen und Umziehen................................................... 14 7. Testierfähigkeit......................................................... 15 8. Wahlrecht.............................................................. 15 C. Was sind die Aufgaben einer Er­wachsenen­vertreterin*eines Erwachsenen­ vertreters?.......................................................... 16 1. Selbstbestimmung trotz Stellvertretung..................................... 17 2. Nachweis der Vertretung und Umgang mit Urkunden.......................... 18 3. Kontakt und Austausch mit der vertretenen Person............................ 19 4. Auskunfts- und Verschwiegenheitspflicht.................................... 19 5. Bemühung um Betreuung................................................. 20 a. Allgemeine Bemühungspflicht........................................... 20 b. Rechtsschutz in Heimen............................................... 20 c. Rechtsschutz in der Psychiatrie......................................... 21 6. Einkommens- und Vermögensverwaltung.................................... 22 7. Berichtspflichten und Rechnungslegung..................................... 24 a. Lebenssituationsbericht............................................... 24 b. Pflegschaftsrechnung................................................. 24 c. Gerichtliche Genehmigung............................................. 25 Inhaltsverzeichnis 3 D. Vorsorgevollmacht.................................................. 26 1. Was ist eine Vorsorgevollmacht?........................................... 27 2. Wer kann Vorsorgebevollmächtigte*r sein?................................... 27 3. Wie wird eine Vorsorgevollmacht errichtet?.................................. 27 4. Wofür ist die*der Vorsorgebevollmächtigte zuständig?......................... 28 5. Wann beginnt die Vorsorgevollmacht und wann endet sie?..................... 28 6. Was kostet eine Vorsorgevollmacht?........................................ 29 E. Gewählte Erwachsenenvertretung.................................... 30 1. Was ist die gewählte Erwachsenenvertretung? Für welche Fälle ist sie gedacht?... 31 2. Wer kann gewählte*r Erwachsenenvertreter*in sein?........................... 31 3. Wie wird eine gewählte Erwachsenen­vertretung errichtet?..................... 31 4. Wofür ist die*der gewählte Erwachsenenvertreter*in zuständig?................. 32 5. Wann beginnt die gewählte Erwachsenenvertretung und wann endet sie?......... 32 6. Was kostet eine gewählte Erwachsenenvertretung?........................... 33 F. Gesetzliche Erwachsenenvertretung.................................. 34 1. Was ist die gesetzliche Erwachsenenvertretung?............................. 35 2. Wer kann gesetzliche*r Erwachsenenvertreter*in sein?......................... 35 3. Wie wird eine gesetzliche Erwachsenenvertretung errichtet?................... 36 4. Wofür ist die*der gesetzliche Erwachsenenvertreter*in zuständig?............... 36 5. Wann beginnt die gesetzliche Erwachsenenvertretung und wann endet sie?....... 37 6. Was kostet eine gesetzliche Erwachsenenvertretung?......................... 37 G. Gerichtliche Erwachsenenvertretung................................... 39 1. Was ist die gerichtliche Erwachsenenvertretung?............................. 40 2. Wer kann gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in sein?........................ 40 3. Wie kommt es zur gerichtlichen Erwachsenen­vertretung? Wie läuft das gerichtliche Verfahren ab?................................................ 41 a. Abklärung (Clearing) durch den Erwachsenenschutzverein................... 41 b. Persönliches Gespräch mit der*dem Betroffenen (Erstanhörung).............. 42 c. Vertreter*in für das Verfahren (Rechtsbeistand)............................ 42 d. Einstweilige Erwachsenenvertretung..................................... 42 e. Sachverständigengutachten............................................ 42 f. Mündliche Verhandlung................................................ 43 4 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte g. Gerichtliche Entscheidung (Beschluss).................................... 43 h. Genehmigungsvorbehalt............................................... 44 i. Angehörige......................................................... 44 4. Wofür ist die*der gerichtliche Erwachsenenvertreter*in zuständig?............... 45 5. Wann beginnt die Vertretung, wann endet sie?............................... 45 6. Was kostet eine gerichtliche Erwachsenenvertretung?......................... 46 a. Verfahrenskosten.................................................... 46 b. Pflegschaftsrechnung................................................. 46 c. Aufwandersatz...................................................... 47 d. Entschädigung....................................................... 47 e. Entgelt.............................................................. 47 H. Das A – Z des Erwachsenenschutzrechts............................... 49 I. Wichtige Adressen................................................ 56 J. Anhang: Muster.................................................... 59 1. Antrittsbericht / Lebenssituationsbericht.................................... 60 2. Rechnungslegung........................................................ 70 Inhaltsverzeichnis 5 A. Allgemeine Informationen zur Erwachsenen­vertretung A. Allgemeine Informationen zur Erwachsenenvertretung 1. Was ist Erwachsenenvertretung? Wenn eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleich- baren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist und ihr ein Nachteil droht, weil sie manche ihrer Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann, kann sie für diese Angelegenheiten eine gesetzliche Vertretung wählen oder bekommen. Es gibt für erwachsene Personen mehrere Möglichkeiten der gesetzlichen Vertre- tung. Die Vertretungsarten werden auch Säulen genannt: 1 2 3 4 Vorsorge­- gewählte gesetzliche gerichtliche vollmacht Erwachsenen­ Erwachsenen­ Erwachsenen­ vertretung vertretung vertretung Für die erste Säule, die Vorsorgevollmacht, gelten die allgemeinen Regeln des Vollmacht- rechts und spezielle Bestimmungen im Erwachsenenschutzrecht. Für die anderen drei Säu- len gelten in erster Linie die Bestimmungen zum Erwachsenenschutzrecht. Wenn jemand eine Erwachsenenvertretung hat, kann also die Säule 2 bis 4 gemeint sein. Nähere Infor- mationen zu den einzelnen Säulen der Erwachsenenvertretung finden Sie in den weiteren Kapiteln. INFO: Die Vorsorgevollmacht, die gewählte Erwachsenenvertretung, die gesetzliche Erwachsenenvertretung und gerichtliche Erwachsenenvertretung sind die vier Säulen des Erwachsenenschutzes. 2. Unterstützung vor Vertretung Eine gesetzliche Vertretung soll immer die Ausnahme sein. Denn grundsätzlich ist jede erwachsene Person (in Österreich ab 18) allein entscheidungsbefugt. Auch wenn eine Allgemeine Informationen zur Erwachsenenvertretung 7 erwachsene Person eine psychische Erkrankung hat, kann sie noch entscheidungsfähig sein. Bevor eine gesetzliche Vertretung in Frage kommt, sollen daher alle Unterstützungs- möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit die Person ihre Angelegenheiten selbst erle- digen kann. Unterstützung kann zum Beispiel durch die Familie, durch andere nahestehende Personen, durch Pflegeeinrichtungen, durch Einrichtungen der Behindertenhilfe, durch soziale Dienste, durch Beratungsstellen oder im Rahmen eines betreuten Kontos geleis- tet werden. Viele der genannten Bereiche betreffen das soziale Umfeld der Person oder Dienstleistungen, die von den Bundesländern zur Verfügung gestellt werden. Es empfiehlt sich, sich rechtzeitig über die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und diese gegebenenfalls zu beantragen. TIPP: Informieren Sie sich bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde über zur Verfügung stehende soziale Leistungen sowie beim Erwachsenenschutzverein über Unterstützungsmöglichkeiten. Wenn solche Unterstützungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausrei- chen und die Gefahr besteht, dass die erwachsene Person Nachteile erleidet, ist dies ein Fall für eine gesetzliche Vertretung. Dann kann für die erwachsene Person in bestimmten Angelegenheiten ein*e Vertreter*in einschreiten, etwa indem ein Erwachsenenvertreter Verträge abschließt oder auflöst oder eine Vorsorgebevollmächtigte für die erwachsene Person Erklärungen abgibt. INFO: Unterstützung ist nicht Vertretung. Ausreichende Unterstützung kann eine Ver- tretung ersetzen (wenn sie die erwachsene Person in die Lage versetzt, ihre Angele- genheiten selbst zu erledigen). 3. Geschichte der Erwachsenenvertretung Das österreichische Recht regelt schon seit langem, ob und wie nicht voll handlungsfä- hige erwachsene Personen im Rechtsverkehr auftreten können. Von 1916 bis 1984 wur- den erwachsene Personen unter bestimmten Voraussetzungen entmündigt. Das war in der Entmündigungsordnung geregelt. Damit war für die Personen ein Einschnitt in ihre Selbstbestimmung und oft eine Stigmatisierung verbunden. Ab 1984 wurde die gesetzli- che Vertretung im Rahmen der „Sachwalterschaft“ geregelt. Ziel war und ist, die Erwach- senenvertretung (früher: Sachwalterschaft) nur als letztes Mittel einzusetzen und die Personen in ihrer Handlungsfähigkeit nur so wenig wie möglich einzuschränken. Dieser Ausnahmegrundsatz wurde mit einer Reform im Jahr 2006 nochmals verstärkt. Diese Gedanken konnten in der Praxis aber nicht immer so gelebt werden. Eine Kommission der Vereinten Nationen (UN) für Rechte von Menschen mit Behinderung hat darauf aufmerksam gemacht, dass die österreichische Rechtslage den Verpflichtungen 8 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte aus dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung nicht ausrei- chend entspricht. Daraufhin wurde das alte Sachwalterrecht in einem mehrere Jahre dauernden Gesetzwerdungsprozess unter anderem anhand der Empfehlungen dieser UNO-Kommis- sion überarbeitet. Erstmals wurden in den Gesetzwerdungsprozess neben den einschlägi- gen Fachleuten auch Betroffene eingebunden. INFO: Das seit 1. Juli 2018 geltende Erwachsenenschutzrecht wurde von Betroffenen, die eigene positive und negative Erfahrungen mit Sachwalterschaft gesammelt hatten, mitgestaltet. Anfang 2017 wurde schließlich das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen. Die Rege- lungen sind seit 1. Juli 2018 in Kraft. An die Stelle der Sachwalterschaft tritt die vierte Säule der Erwachsenenvertretung, die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die alten und neuen Begriffe: bis 1. Juli 2018 seit 1. Juli 2018 gerichtlich bestellte Vertretungs­ Sachwalter*in gerichtliche person Erwachsenenvertreter*in gerichtlich bestellte Vertretung für Sachwalterschaft gerichtliche Erwachsenen- Erwachsene vertretung gesetzliche Vertretung durch nahe Vertretung naher Ange­ gesetzliche Erwachsenen- Angehörige höriger vertretung erwachsene, vertretene Person „behinderte Person“, vertretene bzw. (vom Pflegebefohlene*r Erwachsenenschutzverfah- ren) betroffene Person Voraussetzung für die Bestellung Person mit psychischer aufgrund psychischer einer gerichtlichen Vertretungsper­ Krankheit oder „geistiger Krank­­heit oder vergleich- son Behinderung“ barer Beeinträchtigung in der Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt Beratungseinrichtung Sachwalterverein Erwachsenenschutzverein INFO: Die gesetzliche Vertretung für Erwachsene kann in einer Vorsorgevollmacht oder in einer Erwachsenenvertretung bestehen. Bis zum 1. Juli 2018 wurde die gesetzliche Vertretung Erwachsener von Seiten der Gerichte in Form der Sachwalterschaft, seit diesem Zeitpunkt in Form der gerichtlichen Erwachsenenvertretung bereitgestellt. Allgemeine Informationen zur Erwachsenenvertretung 9 4. Wo ist das Erwachsenenschutzrecht geregelt? Regelungen zum Erwachsenenschutzrecht finden sich in erster Linie im Allgemeinen Bür- gerlichen Gesetzbuch (kurz ABGB) und im Außerstreitgesetz (kurz AußStrG). Das neue Erwachsenenschutzrecht wurde mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz eingeführt (siehe dazu auch Punkt 3). Es heißt deshalb 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, weil bereits davor ein 1. Erwachsenenschutz-Gesetz zu internationalen Regelungen für die Erwachsenenvertretung beschlossen worden war. Sämtliche Gesetzesbestimmungen sind kostenlos unter www.ris.bka.gv.at abrufbar (> Bundesrecht > Bundesrecht konsolidiert > Suchworte oder Titel, Abkürzung). Weitere Informationen und Links zum Erwachsenenschutzrecht finden Sie außerdem unter www. justiz.gv.at/erwachsenenschutz. TIPP: Informieren Sie sich über die Rechtsgrundlagen im Internet unter www.ris.bka.gv.at und www.justiz.gv.at/erwachsenenschutz. 10 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte B. Was ändert sich, wenn jemand eine*n gesetzliche*n Vertreter*in hat? B. Was ändert sich, wenn jemand eine*n gesetzliche*n Vertreter*in hat? 1. Selbstbestimmung trotz Stellvertretung Die vertretene Person soll trotz Stellvertretung so weit wie möglich über ihre Angele- genheiten selbst bestimmen können. Die*der Erwachsenvertreter*in ist zwar nicht Unterstützer*in, aber sie*er hat die Wünsche und Vorstellungen der vertretenen Person zu beachten (Wunschermittlungspflicht). Dazu ist es notwendig, dass sie*er regelmäßig mit der vertretenen Person spricht und sie über Entscheidungen informiert und ihre Mei- nung einholt. Auch wenn die Voraussetzungen für eine gesetzliche Vertretung einer erwachse- nen Person vorliegen, ist die Vertretungsperson verpflichtet, die vertretene Person so gut als möglich in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten (wieder) selbst zu besorgen. 2. Geschäftsfähigkeit Geschäftsfähig zu sein beinhaltet ganz allgemein die Fähigkeit, Verträge abzuschließen. Dazu zählen zum Beispiel das alltägliche Einkaufen, die Buchung eines Urlaubs und der Abschluss eines Handyvertrags. Siehe Näheres zum Begriff im Kapitel H. Auch wenn eine erwachsene Person eine Vertretungsperson hat, wird ihre Geschäftsfähigkeit grundsätzlich nicht automatisch eingeschränkt. Wenn die vertretene Person entscheidungsfähig ist, kann sie auch ohne Zustimmung ihrer Vertretungsperson weiter gültig Verträge abschließen. Ist sie nicht entscheidungsfähig, dann benötigt sie die Genehmigung des Geschäftes durch die Vertretungsperson. Alltagsgeschäfte – das sind Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, die die Lebens- verhältnisse der Person nicht übersteigen – kann die vertretene Person immer gültig abschließen, auch wenn sie nicht entscheidungsfähig ist. Die Grenze der Lebensverhält- nisse hängt von den individuellen Lebensumständen ab. Die Geschäfte werden mit Erfül- lung gültig, das heißt zum Beispiel wenn der vollständige Kaufpreis gezahlt ist. AUSNAHME: Eine Ausnahme gilt für die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Hier kann das Gericht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – wenn sich die Person sonst ernstlich und erheblich gefährdet – einen so genannten Genehmigungsvorbehalt aus- sprechen. Ein Rechtsgeschäft der vertretenen Person ist dann nur mit der Zustimmung ihrer Vertretungsperson gültig (unabhängig von der konkreten Entscheidungsfähigkeit). Näheres dazu findet sich im Kapitel über die gerichtliche Erwachsenenvertretung. 12 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte 3. Einwilligung in medizinische Behandlungen Als Patient*in, die*der entscheidungsfähig ist, entscheidet Jede*r selbst, ob eine bestimmte medizinische Behandlung durchgeführt werden soll oder nicht. Diese Grundregel gilt auch, wenn ein*e Patient*in eine Vertreterin oder einen Vertreter hat. Ob die erforderliche Entscheidungsfähigkeit vorliegt, wird von der Ärztin*vom Arzt nach dem Aufklärungsgespräch beurteilt. Wenn ein*e Patient*in nicht allein entscheidungsfähig ist, soll sie in der Entschei- dungsfindung durch geeignete Personen unterstützt werden. Solche Unterstützer*innen können zum Beispiel Angehörige, nahestehende Personen, Vertrauenspersonen oder auch besonders geübte Fachleute sein. Ein*e Patient*in kann die Beiziehung solcher Personen aber auch ablehnen. Im besten Fall gelingt es, dass die*der Patient*in mit Unterstützung entscheidungsfähig wird. Wenn das nicht gelingt und die*der Patient*in (gegebenenfalls auch mit Unter- stützung) nicht entscheidungsfähig ist, hat die Vertretungsperson nach dem Willen der Patientin*des Patienten zu entscheiden. Dabei ist es wichtig, dass eine Vertretungsbefug- nis für den Wirkungsbereich der medizinischen Behandlungen besteht. Wenn die Vertre- tungsperson anders als die*der Patient*in entscheidet, so muss das Gericht angerufen werden. WICHTIG: Auch die*der entscheidungsunfähige Patient*in muss über die Grundzüge der medizinischen Behandlung informiert werden. AUSNAHME: Wenn mit einer Behandlung nicht (länger) ohne schwere gesundheitliche Folgen für die Patientin*den Patienten auf die erfolgreiche Unterstützung zur Entschei- dungsfindung bzw. Information der Patientin*des Patienten oder auf die Zustimmung der Vertreterin*des Vertreters bzw. Entscheidung des Gerichts gewartet werden kann, so müssen Ärzt*innen die notwendige Behandlung einleiten. TIPP: Wenn es Behandlungen gibt, die man sich keinesfalls wünschen würde, zum Bei- spiel künstlich lebensverlängernde Maßnahmen, kann – solange man entscheidungsfä- hig ist – eine Patientenverfügung errichtet werden. Das ist eine schriftliche Erklärung, mit der bestimmte Maßnahmen abgelehnt werden können. Verbindliche Patientenver- fügungen sind von der Ärztin*vom Arzt auch in Notfällen zu beachten. Näheres zur Errichtung finden Sie auf www.help.gv.at. 4. Heirat & Partnerschaft Will eine Person heiraten oder eine eingetragene Partnerschaft begründen, muss sie ehe- oder partnerschaftsfähig sein. Diese Fähigkeit liegt vor, wenn eine Person volljährig und Was ändert sich, wenn jemand eine gesetzliche Vertretung hat? 13 entscheidungsfähig ist. Im konkreten Fall muss die betreffende Person daher verstehen, was eine Ehe oder eine Eingetragene Partnerschaft ist. Dies wird von der Standesbeamtin*vom Standesbeamten beurteilt. Wenn die betreffende Person nicht entscheidungsfähig ist, kann sie nicht heira- ten oder sich verpartnern, auch nicht mit Zustimmung der Erwachsenenvertreterin*des Erwachsenenvertreters oder Vorsorgebevollmächtigten. Es handelt sich um ein höchst- persönliches Recht, das nur die Person selbst wahrnehmen kann. Die Scheidung oder Auflösung der Ehe/Partnerschaft kann grundsätzlich auch nur die Ehegattin*der Ehegatte oder eingetragene Partner*in selbst in die Wege leiten. Wenn ihr*ihm die erforderliche Entscheidungsfähigkeit fehlt, kann hier – soweit dies zur Wahrung des Wohls der vertretenen Person erforderlich ist – auch die*der Erwachsenenvertreter*in oder Vorsorgebevollmächtigte tätig werden. Gegen den Willen der vertretenen Person kann eine Scheidung oder Auflösung von der*dem Vertreter*in nur eingeleitet werden, wenn das Weiterbestehen der Ehe oder Partnerschaft das Wohl der vertretenen Person erheblich gefährdet. 5. Elterliche Rechte Grundsätzlich ändert sich nichts an der Ausübung der elterlichen Rechte (Erziehungs- berechtigung und gesetzliche Vertretung), wenn jemand eine*n Erwachsenenvertreter*in hat. Jeder Elternteil behält daher trotz Erwachsenenvertretung grundsätzlich weiterhin seine Obsorgerechte. Wenn ein Elternteil in bestimmten Bereichen der gesetzlichen Vertretung, zum Bei- spiel bei der Vermögensverwaltung, die Entscheidungsfähigkeit verliert, kann das Gericht dem Elternteil für die betroffenen Teilbereiche die Obsorge einschränken oder entziehen. Dies ist immer im Einzelfall zu beurteilen. Das Gesetz sieht keinen automatischen Verlust der Obsorge vor. 6. Wohnen und Umziehen Jede erwachsene Person, die entscheidungsfähig ist, entscheidet selbst, wo sie wohnen möchte. Daran ändert auch eine Vorsorgevollmacht oder Erwachsenenvertretung nichts. Ist eine Person nicht entscheidungsfähig und ist ein Umzug aus bestimmten Grün- den erforderlich (zum Beispiel für eine bessere Betreuung, medizinische Versorgung etc.), kann die*der Vorsorgebevollmächtigte bzw. Erwachsenenvertreter*in diese Entscheidung treffen. Sie*er muss für diesen Wirkungsbereich aber zuständig sein. Wenn der Umzug nicht nur vorübergehend ist, muss diese Entscheidung im Fall der Erwachsenenvertretung auch gerichtlich genehmigt werden (im Fall einer Vorsorgevoll- macht nur beim Umzug ins Ausland). Lehnt die erwachsene Person die Übersiedelung ab, muss der Erwachsenenschutzverein eingebunden werden und abklären, ob der Umzug im Wohle der Person liegt. 14 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte WICHTIG: Der Wunsch der erwachsenen Person muss immer gehört werden. 7. Testierfähigkeit Jede erwachsene Person, die entscheidungsfähig ist, kann ein Testament errichten. Das Testament kann eigenhändig, fremdhändig oder mündlich errichtet werden: Eigenhändige Verfügung: Der Text muss eigenhändig geschrieben und am Ende unterschrieben werden. Fremdhändige Verfügung: Der Text kann mit einer Schreibmaschine, einem PC oder von einer*einem Dritten verfasst werden; er muss einen eigenhändigen Zusatz enthalten, dass es sich bei dem Text um den letzten Willen handelt; am Ende muss der Text eigenhändig unterschrieben werden, ebenso müssen drei Zeugen unter- schreiben und ihre Namen und eventuell weitere Daten festhalten. Die Zeugen müssen auch einen eigenhändigen Zusatz anbringen (z.B. „als Zeuge“). Für das vor einer*einem Notar*in oder bei Gericht errichtete Testament gelten besondere Regeln. Mündliches Testament: Bei Notlage vor zwei Zeugen mündlich oder fremdhändig errichtetes Testament, das nur drei Monate nach Wegfall der Notlage wirksam ist. TIPP: Es empfiehlt sich allgemein, ein Testament bei einem Rechtsanwalt, einer Rechts- anwältin oder einem Notar, einer Notarin zu errichten und in einem Testamentsregister zu registrieren. Ausführlichere Infos finden sich unter www.help.gv.at. 8. Wahlrecht Jede erwachsene Person kann selbst wählen. Auch Menschen mit gesetzlicher Vertretung behalten ihr Wahlrecht. Was ändert sich, wenn jemand eine gesetzliche Vertretung hat? 15 C. Was sind die Aufgaben einer Er­wachsenen­ vertreterin*eines Erwachsenen­vertreters? C. Was sind die Aufgaben einer Erwachsenenvertreterin*eines Erwachsenenvertreters? HINWEIS: Die Aufgaben des Vorsorgebevollmächtigten ergeben sich überwiegend aus dem Bevollmächtigungsvertrag. Soweit die im Folgenden dargestellten Aufgaben kraft Gesetzes auch für den Vorsorgebevollmächtigten gelten, wird dies gesondert hervor- gehoben. 1. Selbstbestimmung trotz Stellvertretung Die konkreten Aufgaben der Erwachsenenvertreter*innen richten sich nach den Angele- genheiten, für die Vertretungsbefugnisse eingeräumt wurden. Je nach Vertretungsform kann die*der Vorsorgebevollmächtigte oder Erwachsenenvertreter*in für einzelne oder Arten von Angelegenheiten bestellt werden (nähere Infos finden Sie bei den einzelnen Vertretungsformen, Kapitel D bis Kapitel G): VV Gewählte Gesetzliche Gerichtliche EV EV EV Einzelne    ** Angelegen­heiten Arten von   *  ** Angelegenheiten * Formulierung ** soweit der Bereiche gegen­wärtig ist gesetzlich zu besorgen vorgegeben und bestimmt bezeichnet Nach Rücksprache mit der vertretenen Person ist die Vertretungsperson im Rah- men ihres Wirkungsbereiches berechtigt, Entscheidungen zu treffen. Hierbei gilt immer der Grundsatz: Jede erwachsene Person soll trotz Stellvertretung so selbst­ bestimmt wie möglich agieren können. Die Vertretungsperson hat je nach den konkre- ten Lebensumständen der vertretenen Person dafür zu sorgen, dass diese ihr Leben weiterhin nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. Die*der Vertreter*in darf nicht über die vertretene Person hinweg, sondern soll mit ihr entscheiden. Aufgaben einer Erwachsenenvertreterin*eines Erwachsenenvertreters 17 WICHTIG: Die vertretene Person bleibt trotz Stellvertretung selbstbestimmt. Sie kann ihr Leben nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten. Die*der Vertreter*in hat sich also jeweils vom Wunsch und Willen der vertretenen Person leiten zu lassen (Wunschermittlungspflicht). Lehnt diese etwa eine Stellvertretungshand- lung ab, so hat sie zu unterbleiben. AUSNAHME: Wenn das Wohl der vertretenen Person sonst ernstlich und erheblich gefährdet wäre (zum Beispiel Gefährdung der Existenzgrundlage), darf eine Entschei- dung auch gegen ihren Willen erfolgen. In wichtigen persönlichen Angelegenheiten hat die*der Erwachsenenvertreter*in auch eine Entscheidung des Gerichts einzuholen. TIPP: Wenn Sie sich als Erwachsenenvertreter*in unsicher sind, ob eine Vertretungs- handlung wichtige persönliche Angelegenheiten betrifft, fragen Sie beim zuständigen Pflegschaftsgericht nach. Es empfiehlt sich daher, bereits bei Errichtung der Erwachsenenvertretung die Gestaltung der Vertretungshandlungen mit der vertretenen Person ausführlich zu besprechen. Für beide, Erwachsenenvertreter*in und vertretene Person, soll im Vorhinein klar sein, welche Tätigkeiten die*der Vertreter*in übernimmt und welche Bedürfnisse die vertretene Person in Bezug auf diese Angelegenheiten hat. WICHTIG: Die Gestaltung der persönlichen Kontakte der vertretenen Person und ihr Schriftverkehr sind ein besonders wichtiger Ausdruck ihrer Selbstbestimmung. Beide dürfen daher nur eingeschränkt werden, wenn sonst das Wohl der vertretenen Person erheblich gefährdet wäre (zum Beispiel weil sie über den Besuch einer bestimmten Per- son derart in Aufregung gerät, dass sie bei einem weiteren Besuch schweren gesund- heitlichen Schaden nehmen würde). 2. Nachweis der Vertretung und Umgang mit Urkunden Die*der Erwachsenenvertreter*in ist verpflichtet, die Urkunde über ihren*seinen Wir- kungsbereich und die für die Eintragung ins ÖZVV erforderlichen ärztlichen Zeugnisse bis zur Beendigung der Tätigkeit aufzubewahren. Auf Verlangen sind diese Unterlagen dem Gericht zu übermitteln. Diese Verpflichtung trifft auch die*den Vorsorgebevollmächtigte*n. Wenn die*der Erwachsenenvertreter*in auch über andere Urkunden der vertrete- nen Person verfügt oder ihr*ihm diese von der vertretenen Person ausgehändigt werden, hat sie*er auch diese aufzubewahren. Wenn eine andere Person zur Vertretungsperson gewählt oder bestellt wird, hat die bisherige Vertretungsperson der neuen sämtliche Urkunden auszuhändigen. Bei Beendigung der Vertretung sind die Urkunden der vertrete- nen Person selbst zu übermitteln. 18 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte 3. Kontakt und Austausch mit der vertretenen Person Die Vertretungsperson muss sich laufend über die Lebensverhältnisse und die Bedürfnisse der vertretenen Person informieren. Zur gesetzlichen Vertretung ist es unerlässlich, dass die*der Erwachsenenvertreter*in regelmäßig Kontakt zur vertretenen Person hält, da sich die vertretene Person zu den anstehenden Entscheidungen äußern können muss (siehe auch oben Punkt 1). Die Häufigkeit der Kontakte hängt jeweils von den Aufgaben der Erwachsenenver- tretung ab. Soweit die Vertretung nicht nur rechtliche Angelegenheiten oder Kenntnisse der Vermögensverwaltung betrifft, besteht die gesetzliche Verpflichtung, mindestens ein- mal im Monat persönlichen Kontakt zur vertretenen Person (in der Regel Besuche) zu halten. TIPP: Besprechen Sie als Erwachsenenvertreter*in zu Beginn Ihrer Vertretungstätigkeit mit der vertretenen Person, wie sie die persönlichen Kontakte gestalten sollen. WICHTIG: Die*der Vertreter*in muss dem Gericht jährlich über die Gestaltung und Häufigkeit der Kontakte berichten. Siehe Näheres dazu unter Punkt 7. 4. Auskunfts- und Verschwiegenheitspflicht Ein*e Erwachsenenvertreter*in ist zur Verschwiegenheit über alle ihr*ihm in Ausübung ihrer*seiner Funktion anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Dies gilt grundsätzlich auch gegenüber der Familie der vertretenen Person. AUSNAHME: Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht gegenüber dem Pflegschafts- gericht. Sie besteht auch dann nicht, wenn sich die Offenlegung aus einer gesetzlichen Verpflichtung (zum Beispiel bei der Steuererklärung) ergibt oder für die vertretene Per- son wichtig ist (zum Beispiel bei der Beantragung einer Beihilfe). Bestimmten Angehörigen steht ein Auskunftsrecht zu. Sie sind auf ihre Nachfrage über das geistige und körperliche Befinden und den Wohnort der vertretenen Person sowie über den Wirkungsbereich der Erwachsenenvertretung zu informieren. Dies betrifft Ehegatte*Ehegattin, eingetragene*r Partner*in, Lebensgefährtin*Lebensgefährte der vertretenen Person Eltern der vertretenen Person sowie Kinder der vertretenen Person. Die vertretene Person kann die*den Vertreter*in von der Verschwiegenheitspflicht entbin- den oder das Auskunftsrecht – auch gegenüber Angehörigen – einschränken. Aufgaben einer Erwachsenenvertreterin*eines Erwachsenenvertreters 19 WICHTIG: Holen Sie als Erwachsenenvertreter*in immer die Meinung der vertretenen Person ein, bevor Sie einem Angehörigen oder einer dritten Person Auskunft erteilen. Die Ausführungen zur Auskunfts- und Verschwiegenheitspflicht gelten auch für den Vorsorgebevollmächtigten. 5. Bemühung um Betreuung a. Allgemeine Bemühungspflicht Die*der Erwachsenenvertreter*in ist nicht zur Betreuung der vertretenen Person verpflich- tet, er muss die Betreuung somit nicht selber übernehmen. WICHTIG: Die*der Erwachsenenvertreter*in ist nicht Betreuer*in der vertretenen Per- son. Wenn für die Betreuung der vertretenen Person aber nicht ausreichend gesorgt ist und die vertretene Person zum Beispiel Gefahr läuft, zu verwahrlosen, hat sich die*der Vertreter*in – egal welchen Wirkungsbereich sie*er hat – darum zu kümmern, die notwendige Betreu- ung zu organisieren. Dies umfasst sowohl die Organisation der sozialen (zum Beispiel Besuchsdienste) und medizinischen Betreuung als auch der Pflege der Person (zum Bei- spiel: Organisation von mobilen Diensten). TIPP: Als Erwachsenenvertreter*in kontaktieren Sie die Bezirksverwaltungsbehörden und informieren Sie sich über Kontaktstellen und mögliche Sozial(dienst)leistungen. Letztendlich entscheidet die vertretene Person, ob sie ein Hilfsangebot annimmt oder nicht. Nicht immer erkennt die vertretene Person die Notwendigkeit dieser Hilfe und manchmal ist es schwierig, sie zur Annahme von Unterstützung zu motivieren. INFO: Für die*den Vorsorgebevollmächtigte*n kann auch die persönliche Betreuung vereinbart werden. b. Rechtsschutz in Heimen Wenn die vertretene Person in einer Pflege- oder Betreuungseinrichtung lebt, regelt das Heimaufenthaltsgesetz den Umgang mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (zum Beispiel: Seitenteile am Bett, Fixierungen im Rollstuhl, beruhigende Medikamente). Dar- über hinaus gilt das Heimaufenthaltsgesetz auch für Aufenthalte in Krankenanstalten, 20 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder zur Pflege und Erziehung Minderjähri- ger sowie in Sonderschulen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen dürfen nur unter strengen Voraussetzungen angeordnet werden, insbesondere wenn sich die*der Bewohner*in selbst ernstlich und erheblich gefährden würde und die Gefahr nicht durch eine schonendere Alternative abgewendet werden kann. Zur Wahrung des Rechts auf größtmögliche Bewegungsfreiheit gibt es Bewohnervertreter*innen. Sie prüfen, ob die freiheitsbeschränkende Maßnahme zu Recht erfolgt ist und suchen gemeinsam mit dem Pflegeteam nach möglichen schonenderen Alternativen. Im Zweifelsfall kann eine Überprüfung durch das Gericht beantragt werden. INFO: Die Bewohnervertreter*innen sind über die Adressen der Erwachsenenschutz- vereine erreichbar (die Kontaktadressen finden sich im Kapitel I). WICHTIG: Die*der Erwachsenenvertreter*in ist nicht befugt, Freiheitsbeschränkungen der vertretenen Person anzuordnen oder zu bewilligen und damit zu legitimieren. c. Rechtsschutz in der Psychiatrie Es kann notwendig sein, eine Person in eine psychiatrische Einrichtung bzw. Abteilung einzuweisen. Eine solche Unterbringung ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Dazu zählen insbesondere, dass die vertretene Person sich oder andere ernstlich und erheblich an Leib oder Leben gefährdet und keine ausreichende Behandlungsalternative außerhalb der psychiatrischen Einrichtung bzw. Abteilung vorliegt. Wenn solche Umstände vorliegen, kann die*der Erwachsenenvertreter*in die Zwangseinweisung anregen. Dazu muss sie*er die Polizei verständigen, die einen Amts- oder Polizeiärztin*Polizeiarzt beiziehen muss. Ob die Voraussetzungen einer Unterbrin- gung tatsächlich vorliegen, wird nach der Einweisung von Fachärztinnen*Fachärzten der psychiatrischen Einrichtung geprüft. In der Folge muss das Gericht die Rechtmäßigkeit der Unterbringung überprüfen. Regelungen dazu finden sich im Unterbringungsgesetz. WICHTIG: Die*der Erwachsenenvertreter*in kann eine Zwangseinweisung nicht veran- lassen, sondern nur anregen. Um die Interessen der untergebrachten Person zu wahren, wird ihr ein*e Patientenanwält*in zur Seite gestellt. Diese*r vertritt die Anliegen und Rechte gegenüber dem Krankenhaus und dem Gericht. INFO: Die Patientenanwältinnen*Patientenanwälte sind über die Adressen der Erwach- senenschutzvereine erreichbar. Die Kontaktadressen finden Sie im Kapitel I. Aufgaben einer Erwachsenenvertreterin*eines Erwachsenenvertreters 21 6. Einkommens- und Vermögensverwaltung Ist die*der Erwachsenenvertreter*in mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung der vertretenen Person betraut, so muss sie*er sich zunächst einen Überblick über das Einkom- men, das Vermögen und die finanziellen Ansprüche der vertretenen Person verschaffen. Je nach dem festgelegten Umfang ihrer*seiner Aufgaben muss die*der Vertreter*in Banken, Pensionsstellen, Behörden und Versicherungen etc. der vertretenen Person per- sönlich oder schriftlich über die neue Situation informieren. Allen Verständigungsschrei- ben muss eine Kopie des Vertretungsnachweises beiliegen, bei Banken muss die*der Vertreter*in auch einen Lichtbildausweis vorlegen. Die*der Vertreter*in hat außerdem dafür zu sorgen, dass der vertretenen Person die notwendigen finanziellen Mittel für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens und zur Deckung der angemessenen Lebensbedürfnisse zur Verfügung stehen. Wie dies gewähr- leistet wird (Bargeld, Zugriff auf Zahlungskonten), kann individuell vereinbart werden. Die Banken bieten in der Regel verschiedene Möglichkeiten an, wie trotz Stellvertretung der Zugriff zum eigenen Konto gesichert bleibt, zum Beispiel eine eigene Kontokarte mit Zah- lungs- und Behebungslimit oder die Einrichtung eines Subkontos. TIPP: Informieren Sie sich bei der zuständigen Bank über die Möglichkeiten zur Einrich- tung eines passenden Bankproduktes. WICHTIG: Die vertretene Person wird in ihrer Geschäftsfähigkeit nicht automatisch eingeschränkt, auch wenn sie eine Erwachsenenvertreterin*einen Erwachsenenvertre- ter oder eine*n Vorsorgebevollmächtigte hat. Wenn die vertretene Person entschei- dungsfähig ist, kann sie auch weiter gültig Geschäfte abschließen. Wenn sie nicht entscheidungsfähig ist, ist zur Wirksamkeit des Geschäfts die Zustimmung der Ver- tretungsperson erforderlich. Siehe Näheres dazu oben Kapitel B Punkt 2. Geschäfts- fähigkeit. Bei der Veranlagung von Bargeld und Vermögenswerten der vertretenen Person sind über- dies die Vorschriften der Mündelsicherheit zu beachten. Solche Mittel sind unverzüglich sicher und möglichst fruchtbringend anzulegen. Bei größeren Vermögenswerten kann es etwa geboten sein, das Verlustrisiko durch Streuung auf verschiedene Anlageformen zu minimieren. TIPP: Informieren Sie sich bei der Bank über mündelsichere Anlageformen. 22 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte WICHTIG: 10.000 Euro übersteigende Zahlungen kann die*der Erwachsenen­ vertreter*in nur mit gerichtlicher Ermächtigung entgegen nehmen. Vertretungs­ handlungen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs (z.B. Erheben einer Klage, unbedingte Erbantrittserklärung, Ankauf einer Liegenschaft) bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der gerichtlichen Genehmigung. Informieren Sie sich dazu beim Erwachsenenschutzverein oder beim zuständigen Pflegschaftsgericht. Ist ein*e gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in für die Verwaltung von Liegenschaf- ten (Grundstück, Haus) zuständig und besteht ein Genehmigungsvorbehalt, hat das Pflegschafts­gericht eine entsprechende Anmerkung im Grundbuch zu veranlassen. TIPP: Informieren Sie sich bei der Eintragung der Vorsorgevollmacht oder Erwachsenen- vertretung über die richtige Vorgangsweise. Ein Verkauf von Liegenschaften ist nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil der vertre- tenen Person möglich. Es handelt sich dabei um eine Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs, die zu ihrer Rechtswirksamkeit gerichtlich genehmigt werden muss. Weitere Voraussetzung für den Verkauf einer Liegenschaft ist die Schätzung des Ver- kehrswerts durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen. Wohnhäuser, die die vertretene Person besitzt, müssen zumindest gegen Feuer angemessen versichert werden. Diese Feuerversicherung wird vom Gericht vinkuliert. Das bedeutet, dass die Auszahlung im Schadensfall nur mit Genehmigung des Gerichts erfolgt. TIPP: Es empfiehlt sich, (auch leerstehende) Gebäude nicht nur gegen Feuer, sondern auch gegen andere Schäden versichern zu lassen. Dazu gibt es die so genannte Gebäu- deversicherung, ein Versicherungspaket, das neben Feuerschäden auch Schäden durch Leitungswasser und Sturm abdeckt und die auch eine Haus- und Grundbesitzhaft- pflichtversicherung beinhaltet. Zusätzlich ist eine Haushaltsversicherung ratsam. Eine Kombination aus Gebäude- Haushalts- und Privathaftpflichtversicherung ist mit einer Bündelversicherung möglich. INFO: Die*der Vorsorgebevollmächtigte kann auch in Angelegenheiten des außeror- dentlichen Wirtschaftsbetriebs ohne gerichtliche Genehmigung tätig werden. Voraus- setzung dafür ist, dass diese Angelegenheit von seinem Wirkungsbereich umfasst ist. Aufgaben einer Erwachsenenvertreterin*eines Erwachsenenvertreters 23 7. Berichtspflichten und Rechnungslegung a. Lebenssituationsbericht Die*der Erwachsenenvertreter*in hat dem Gericht jedenfalls zu Beginn ihrer*seiner Ver- tretungstätigkeit (vier Wochen nach Beginn) und dann jährlich, in der Regel am Ende des Jahres, einen Bericht über die Lebenssituation der vertretenen Person vorzulegen. Dieser Bericht soll folgende Punkte enthalten: Gestaltung und Häufigkeit der persönlichen Kontakte, Wohnort der vertretenen Person, ihr geistiges und körperliches Befinden sowie Auflistung und Beschreibung der im vergangenen Jahr besorgten und im kommenden Jahr zu besorgenden Angelegenheiten. Das Gericht kann der*dem Vertreter*in jederzeit einen Auftrag zu einem solchen Bericht erteilen. Diese Pflicht kann auch eingeschränkt werden. TIPP: Im Kapitel J finden Sie Muster zum Lebenssituationsbericht und zur Rechnungs- legung. INFO: Die*der Vorsorgebevollmächtigte ist von diesen Berichtspflichten ausgenommen. b. Pflegschaftsrechnung Im Rahmen der Überwachung der Vermögensverwaltung hat die*der Vertreter*in dem Gericht am Ende des ersten Kalenderjahres ihrer*seiner Tätigkeit Rechnung zu legen (Antrittsrechnung), danach in vom Gericht festzusetzenden Zeitabständen (laufende Rechnung) und nach Beendigung ihrer*seiner Tätigkeit (Schlussrechnung). All diese Rech- nungslegungen heißen Pflegschaftsrechnung. Für die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung sowie für andere gerichtliche Geneh- migungen, die finanzielle Angelegenheiten betreffen, ist eine gerichtliche Gebühr von der- zeit (Stand: Jahr 2019) mindestens Euro 86,- zu entrichten. INFO: Unter bestimmten Voraussetzungen (Einkünfte und Vermögen unterschreiten eine bestimmte Summe) kann der Antrag gestellt werden, von der gerichtlichen Gebühr befreit zu werden. Siehe dazu das Muster im Kapitel J. INFO: Die*der Vorsorgebevollmächtigte ist von diesen Berichtspflichten ausgenommen. 24 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte c. Gerichtliche Genehmigung In bestimmten Angelegenheiten muss eine Vertretungshandlung für eine nicht entschei- dungsfähige Person auch durch das Gericht genehmigt werden. Dies betrifft folgende Bereiche: Vermögensangelegenheiten des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs (Näheres dazu unter Punkt 6. Einkommens- und Vermögensverwaltung); dauerhafte Wohnortänderung (Näheres dazu unter Kapitel B Punkt 6. Wohnen und Umziehen); Uneinigkeit zwischen der*dem Vertreter*in und vertretener Person bei einer medizi- nischen Behandlung (Näheres dazu unter Kapitel B Punkt 3. Einwilligung in medizini- sche Behandlungen); medizinische Forschung an vertretener Person; Sterilisation der vertretenen Person oder wichtige persönliche Angelegenheiten, zum Beispiel eine Änderung des Namens oder die vorzeitige Auflösung eines Dienstvertrages. Aufgaben einer Erwachsenenvertreterin*eines Erwachsenenvertreters 25 D. Vorsorgevollmacht 1 2 3 4 Vorsorge- gewählte gesetzliche gerichtliche vollmacht Erwachsenen­ Erwachsenen­ Erwachsenen­ vertretung vertretung vertretung D. Vorsorgevollmacht 1. Was ist eine Vorsorgevollmacht? Die Vorsorgevollmacht ist eine vorsorglich eingeräumte Vollmacht, die erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Eintritt des Vorsorgefalls, also wenn die betreffende Person nicht mehr entscheidungsfähig ist) wirksam werden soll. Es handelt sich um ein Vorsorge­ instrument. Jede Person, die über die ausreichende Geschäftsfähigkeit zur Erteilung einer Vollmacht verfügt, kann jederzeit eine solche Vollmacht vor einer*einem Notar*in, Rechtsanwält*in oder – in einfachen Fällen – vor einem Erwachsenenschutzverein schriftlich errichten. Darin wird festgelegt, wer für diese Person Vertretungshandlungen übernehmen darf und für welchen Wirkungsbereich dies gelten soll, wenn sie in diesen Angelegenheiten die notwendige Entscheidungsfähigkeit verliert. TIPP: Jede*r, der ausreichend geschäftsfähig ist, kann bereits jetzt vorsorgen. Die Notar*innen, Rechtsanwält*innen und Erwachsenenschutzvereine bieten hierfür Bera- tungen an. 2. Wer kann Vorsorgebevollmächtigte*r sein? Vorsorgebevollmächtigte*r kann grundsätzlich jede erwachsene Person sein. Ausnahmen bestehen nur für Personen, die aus bestimmten Gründen ungeeignet erscheinen, zum Beispiel weil sie selbst ihre Angelegenheiten nicht ausreichend besorgen können oder in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Einrichtung stehen, von der die Person betreut wird (etwa ein*e Pfleger*in in einem Heim). In der Regel wird jemand eine Person bevollmächtigen, zu der sie*er bereits ein gewisses Vertrauensverhältnis hat. Das können Angehörige, Freunde, Nachbarn oder andere nahestehende Personen sein. WICHTIG: Die*der Vorsorgebevollmächtigte*r unterliegt nur sehr eingeschränkt der Kontrolle des Gerichts. Die Entscheidung, wem eine Person für welche Angelegenhei- ten eine Vollmacht einräumt, sollte gut überlegt sein. 3. Wie wird eine Vorsorgevollmacht errichtet? Die Vorsorgevollmacht muss schriftlich bei einer*einem Notar*in, Rechtsanwält*in oder – in einfachen Fällen – bei einem Erwachsenenschutzverein errichtet werden. Im Kapitel I finden Sie dazu wichtige Adressen. Vorsorgevollmacht 27 WICHTIG: Beim Vorliegen von bestimmten Vermögenswerten (Liegenschaften, Vermö- gen im Ausland) oder wenn für die Errichtung besondere Rechtskenntnisse erforderlich sind, kann eine Vorsorgevollmacht nur bei Vertreter*innen der Rechtsberufe (Rechts- anwältin, Notar) errichtet werden. Diese beraten und informieren ausführlich über die Rechtsfolgen einer Vorsorgevollmacht und auch über die Möglichkeiten des Widerrufs. Bei der Vorsorgevollmacht sind zwei Schritte auseinanderzuhalten, nämlich ihre Errich- tung und ihre Wirksamkeit. In einem ersten Schritt wird im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) die Errichtung einer Vorsorgevollmacht registriert. Erst mit Eintritt und Eintragung des so genannten Vorsorgefalls in einem zweiten Schritt wird die Vorsorgevollmacht wirksam (siehe dazu gleich Punkt 5). INFO: Es besteht auch die Möglichkeit, eine bestehende normale Vollmacht in eine Vorsorgevollmacht „umzuwandeln“. Dies muss ausdrücklich angeordnet werden. Infor- mieren Sie sich zu dieser Möglichkeit näher bei den professionellen Errichtungsstellen. 4. Wofür ist die*der Vorsorgebevollmächtigte zuständig? In der Vorsorgevollmacht kann der Wirkungsbereich der*des Vorsorgebevollmächtigten individuell geregelt werden. Die Vertretungsbefugnis kann für einzelne oder Arten von Angelegenheiten erteilt werden, also zum Beispiel für ein ganz bestimmtes Geschäft, etwa den Verkauf einer Liegenschaft, oder für generelle Angelegenheiten, zum Beispiel für Einkäufe, für die Verwaltung von Ver- mögen (etwa Sparguthaben oder Wertpapierfonds) oder für Geschäfte zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs etc. INFO: Es können auch mehrere Personen als Vorsorgebevollmächtigte für denselben Wirkungsbereich eingetragen werden. TIPP: Vereinbaren Sie rechtzeitig einen Termin bei einer*einem Notar*in, einer*einem Rechtsanwält*in oder einem Erwachsenenschutzverein und lassen Sie sich individuell beraten. 5. Wann beginnt die Vorsorgevollmacht und wann endet sie? Die Vorsorgevollmacht wird mit der Eintragung des Eintritts des Vorsorgefalls wirksam. Das ist jener Zeitpunkt, in dem die Person die Entscheidungsfähigkeit in den Angelegen- heiten verliert, für die sie vorgesorgt hat. In diesem Fall können die zu vertretende Person 28 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte und die*der Vorsorgebevollmächtigte erneut die Errichtungsstelle aufsuchen und den Ein- tritt des Vorsorgefalls eintragen lassen. INFO: Die Vorsorgevollmacht wird wirksam, wenn der Vorsorgefall eintritt und dieser Umstand im ÖZVV eingetragen wird. WICHTIG: Der Verlust der Entscheidungsfähigkeit ist zu bescheinigen. Dafür ist die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses notwendig. Die Vorsorgevollmacht endet mit dem Tod der vertretenen Person oder der*des Vorsorgebevollmächtigten; wenn das Gericht dies beschlussmäßig ausspricht, zum Beispiel weil die*der Vorsor- gebevollmächtigte nicht zum Wohl der vertretenen Person handelt; mit Eintragung der Kündigung, des Widerrufs oder des Wegfalls des Vorsorgefalls im ÖZVV: Die vertretene Person kann die Vorsorgevollmacht jederzeit widerrufen. Sie muss dazu zu einer der Eintragungsstellen (Notar*in, Rechtsanwält*in, Erwachsenen- schutzverein) gehen und dies eintragen lassen. Die Vorsorgevollmacht ist nicht zeitlich befristet. WICHTIG: Wenn die Person die Entscheidungsfähigkeit für die in der Vorsorgevoll- macht genannten Angelegenheiten wiedererlangt, ist dies ein Beendigungsgrund und im ÖZVV einzutragen. Der erneute Verlust der Entscheidungsfähigkeit kann auch wie- der registriert werden. 6. Was kostet eine Vorsorgevollmacht? Die Kosten für die Eintragung der Vorsorgevollmacht und die Registrierung des Eintritts des Vorsorgefalls unterscheiden sich je nach Errichtungsstelle. Bei den Erwachsenen- schutzvereinen kostet die Errichtung Euro 75,- (2019) plus Zuschlag von Euro 25,- (2019) für einen Hausbesuch; die Registrierung kostet Euro 10,- (2019), soweit dadurch die Befriedi- gung der Lebensbedürfnisse der vertretenen Person nicht gefährdet wird. Bei einer*einem Notar*in oder Rechtsanwält*in sind die Kosten individuell zu vereinbaren. Ob der*dem Vorsorgebevollmächtigten auch ein Aufwandersatz oder Entgelt für ihre*seine im Zusammenhang mit der Vertretung angefallen Kosten oder Tätigkeiten zusteht, kann in der Vorsorgevollmacht individuell vereinbart werden. Dafür kommen die Regeln des allgemeinen Stellvertretungsrechts zur Anwendung. TIPP: Nehmen Sie das Beratungsangebot der professionellen Errichtungsstellen in Anspruch. Vorsorgevollmacht 29 E. Gewählte Erwachsenenvertretung 1 2 3 4 Vorsorge- gewählte gesetzliche gerichtliche vollmacht Erwachsenen­ Erwachsenen­ Erwachsenen­ vertretung vertretung vertretung E. Gewählte Erwachsenenvertretung 1. Was ist die gewählte Erwachsenenvertretung? Für welche Fälle ist sie gedacht? Die gewählte Erwachsenenvertretung soll eine Alternative zur Vorsorgevollmacht für alle Personen sein, die nicht rechtzeitig Vorsorge treffen. Es handelt sich um eine mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz neu eingeführte Vertretungsart. Jede*r kann einmal in einer schwierigen Lebenssituation sein und aufgrund einer psychischen Krankheit oder vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit nicht mehr alle Angelegen- heiten für sich selbst besorgen können. In einer solchen Lebensphase wird die volle Ent- scheidungsfähigkeit oft nicht mehr vorliegen, sodass auch keine Vorsorgevollmacht mehr errichtet werden kann. Dann kann aber immer noch eine gewählte Erwachsenenvertretung in Betracht kommen: Auch bei dieser sucht sich die betroffene Person selbst eine oder mehrere Person/en aus, die sie bei diesen Angelegenheiten vertreten können. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen von geminderter Entscheidungsfähigkeit. Die Person muss also noch verstehen können, was es bedeutet, eine Vertretungsperson zu haben, und dies auch wollen. INFO: Man kann auch sagen, die gewählte Erwachsenenvertretung ist eine „Vorsorge- vollmacht light“ für alle jene, die nicht früh genug vorsorgen (können). Die gewählte Erwachsenenvertretung unterscheidet sich von der Vorsorgevollmacht dadurch, dass für die Vorsorgevollmacht die volle Entscheidungsfähigkeit vorliegen muss, für die gewählte Erwachsenenvertretung aber die geminderte Entscheidungsfähigkeit aus- reicht. 2. Wer kann gewählte*r Erwachsenenvertreter*in sein? Als gewählte*r Erwachsenenvertreter*in kommt jede nahestehende Person in Betracht. Das kann jede Person sein, zu der ein Vertrauensverhältnis besteht, zum Beispiel Angehö- rige, Freunde, Nachbarn oder andere Bekannte. 3. Wie wird eine gewählte Erwachsenen­ vertretung errichtet? Die Vertretungsperson und die vertretene Person müssen eine schriftliche Vereinbarung schließen. Die schriftliche Vereinbarung muss vor einer*einem Notar*in, einer*einem Rechtsanwält*in oder einem Erwachsenenschutzverein errichtet werden. Im Kapitel I fin- den Sie dazu wichtige Adressen und Kontaktstellen. Gewählte Erwachsenenvertretung 31 Der Name der Vertretungsperson sowie ihr*sein Wirkungsbereich, also wofür diese Person zuständig ist, müssen in der Vereinbarung festgehalten werden. INFO: Es können auch mehrere Personen als gewählte Erwachsenenvertreter*innen eingetragen werden. Deren Wirkungsbereiche dürfen sich aber nicht überschneiden. TIPP: Vereinbaren Sie rechtzeitig einen Termin bei einer Errichtungsstelle und lassen Sie sich individuell beraten. 4. Wofür ist die*der gewählte Erwachsenenvertreter*in zuständig? Die gewählte Erwachsenenvertretung kann für einzelne oder Arten von Angelegenheiten eingerichtet werden. Das bedeutet, der*dem Vertreter*in können Vertretungsbefugnisse für ein ganz bestimmtes Geschäft, etwa den Verkauf einer Liegenschaft, oder für generelle Angelegenheiten, zum Beispiel für die Verwaltung von Vermögen (etwa Sparguthaben oder Wertpapierfonds) oder für Geschäfte zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs etc. eingeräumt werden. TIPP: Die vertretene Person kann in der schriftlichen Vereinbarung auch festhalten, dass die*der Vertreter*in nur mit ihrer Zustimmung Vertretungshandlungen setzen kann (so genannte Mitentscheidung oder „Co-Decision“). 5. Wann beginnt die gewählte Erwachsenenvertretung und wann endet sie? Die gewählte Erwachsenenvertretung wird mit der Eintragung in das Österreichische Zen- trale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) wirksam. Die Eintragung wird von einer professionel- len Errichtungsstelle vorgenommen (siehe oben Punkt 3). Sie endet mit dem Tod der vertretenen Person oder der Vertretungsperson; wenn das Gericht dies beschlussmäßig ausspricht, zum Beispiel weil die Vertretungs- person nicht zum Wohl der vertretenen Person handelt; mit Eintragung der Kündigung oder des Widerrufs im ÖZVV: Die vertretene Person kann die gewählte Erwachsenenvertretung jederzeit kündigen. Sie muss dazu zu einer*einem Notar*in, Rechtsanwält*in oder Erwachsenenschutzverein gehen und dies eintragen lassen. 32 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte INFO: Sobald und solange die gewählte Erwachsenenvertretung im ÖZVV eingetragen ist, ist sie wirksam. Sie ist nicht zeitlich befristet. 6. Was kostet eine gewählte Erwachsenenvertretung? Die Kosten für die Errichtung der gewählten Erwachsenenvertretung unterscheiden sich je nach Errichtungsstelle. Bei den Erwachsenenschutzvereinen kostet die Errichtung und Registrierung Euro 60,- (2019) plus Zuschlag von Euro 25,- (2019) für einen Hausbesuch. Bei einer*einem Notar*in oder einer*einem Rechtsanwält*in sind die Kosten individuell zu vereinbaren. AUSNAHME: Die Erwachsenenschutzvereine heben keine Kostenbeiträge ein, soweit dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der vertretenen Person gefährdet wird. Der*dem Erwachsenenvertreter*in steht grundsätzlich auch ein Aufwandersatz zu. Soweit ihr*ihm selbst im Zusammenhang mit der Vertretung Kosten angefallen sind (z.B. Fahrt-, Telefon-, Portokosten, Haftpflichtversicherungsprämie), muss sie*er bei Gericht einen Antrag auf Bestimmung des Aufwandersatzes stellen. AUSNAHME: Von der Entnahme ist abzusehen, wenn die Person nur ein geringes Ein- kommen hat und ihr Unterhalt sonst gefährdet wäre. Gewählte Erwachsenenvertretung 33 F. Gesetzliche Erwachsenenvertretung 1 2 3 4 Vorsorge- gewählte gesetzliche gerichtliche vollmacht Erwachsenen­ Erwachsenen­ Erwachsenen­ vertretung vertretung vertretung F. Gesetzliche Erwachsenenvertretung 1. Was ist die gesetzliche Erwachsenenvertretung? Die gesetzliche Erwachsenenvertretung kommt in Betracht, wenn eine erwachsene Person ihre Angelegenheiten aufgrund ihrer psychischen Krankheit oder vergleichbaren Beein- trächtigung der Entscheidungsfähigkeit nicht mehr ohne Gefahr, sich selbst zu schaden, alleine besorgen kann. Diese Vertretungsart kommt immer erst dann zum Tragen, wenn die erwachsene Person nicht mehr selbst eine*n Vertreter*in wählen kann oder will. TIPP: Es besteht die Möglichkeit, der gesetzlichen Erwachsenenvertretung oder der Vertretung durch bestimmte nächste Angehörige vorab zu widersprechen. Dieser Widerspruch muss für seine Wirksamkeit im ÖZVV registriert werden. 2. Wer kann gesetzliche*r Erwachsenenvertreter*in sein? Gesetzliche Erwachsenenvertreter*innen können nächste Angehörige der betroffenen Person sein. Dazu zählen Eltern, Großeltern, volljährige Kinder, Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen, Ehegatte*Ehegattin, eingetragene Partner*in, Lebensgefährte*Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt (seit drei Jahren) und Personen, die in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung genannt sind. Alle diese Angehörigen stehen gleichrangig nebeneinander. Es ist also nicht so, dass beispielsweise Eltern vor den Großeltern vertretungsbefugt sind oder Geschwister vor entfernten Verwandten. Vielmehr will das Gesetz auf die individuellen Familiensysteme Rücksicht nehmen. Die Familie soll sich untereinander einig werden, wer die Person in welchen Angelegenheiten vertreten will. ACHTUNG: Es kommt vor, dass man sich in der Familie nicht einigen kann. In solchen Fällen ist die gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht die ideale Lösung, stattdessen ist an eine gerichtliche Erwachsenenvertretung zu denken. Gesetzliche Erwachsenenvertretung 35 INFO: Es können auch mehrere Angehörige als gesetzliche Erwachsenenvertreter*innen eingetragen werden. Deren Wirkungsbereiche dürfen sich aber nicht überschneiden. 3. Wie wird eine gesetzliche Erwachsenenvertretung errichtet? Die gesetzliche Erwachsenenvertretung muss im Österreichischen Zentralen Vertretungs- verzeichnis (ÖZVV) eingetragen werden. Dafür müssen die zu vertretende Person und die*der nächste Angehörige zu einer*einem Notar*in, einer*einem Rechtsanwält*in oder einem Erwachsenenschutzverein gehen. Im Anhang finden Sie dazu wichtige Adressen und Kontaktstellen. TIPP: Vereinbaren Sie rechtzeitig einen Termin bei einer Errichtungsstelle und lassen Sie sich individuell beraten. 4. Wofür ist die*der gesetzliche Erwachsenenvertreter*in zuständig? Die Wirkungsbereiche sind vom Gesetz genau vorgegeben. Es können einzelne oder alle Bereiche ausgewählt werden. Die Vertretung kann die nachstehenden Bereiche betreffen: Vertretung in Verwaltungsverfahren oder Verfahren vor Verwaltungsgerichten, zum Beispiel ein Antrag auf Pflegegeld oder auf Wohnbeihilfe; Vertretung in gerichtlichen Verfahren, zum Beispiel in einem Zivilprozess, wo die vertretene Person als Kläger*in oder Beklagte*r auftritt; Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, zum Beispiel: Verfügungen gegenüber der Bank; Abschluss von Rechtsgeschäften zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs, zum Beispiel der Kauf eines Pflegebettes oder die Anstellung einer Pflegekraft; Entscheidung über medizinische Behandlungen und Abschluss von damit im Zusam- menhang stehenden Verträgen, zum Beispiel: Zustimmung zu einer Operation; mehr Information dazu im Kapitel B Punkt 3. Einwilligung in medizinische Behandlungen; Änderung des Wohnorts, zum Beispiel: Übersiedlung in ein Heim, und Abschluss von Heimverträgen; mehr Information dazu im Kapitel B Punkt 6. Wohnen und Umziehen; Vertretung in anderen personenrechtlichen Angelegenheiten, zum Beispiel: Schei- dung der betroffenen Person; mehr Information dazu im Kapitel B Punkt 4. Heirat & Partnerschaft; Abschluss von nicht oben genannten Rechtsgeschäften, zum Beispiel: Kauf eines Autos 36 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Im Beratungsgespräch mit der errichtenden Stelle wird eruiert, für welche Bereiche eine Vertretung notwendig und sinnvoll ist. WICHTIG: Die zu vertretende Person ist von der*dem Notar*in, der*dem Rechtsanwält*in oder dem Erwachsenenschutzverein persönlich über die Möglichkeit, der Eintragung einzelner Bereiche oder auch generell zu widersprechen, zu belehren. Dabei muss der zu vertretenden Person ausreichend Gelegenheit gegeben werden, einen solchen Widerspruch zu erkennen zu geben (etwa durch gesonderte Belehrung und Befragung). Gibt es einen Widerspruch, so darf die gesetzliche Erwachsenenvertretung (je nach Reichweite des Widerspruchs) in den betroffenen Bereichen bzw. überhaupt nicht ein- getragen werden. 5. Wann beginnt die gesetzliche Erwachsenenvertretung und wann endet sie? Die gesetzliche Erwachsenenvertretung wird mit der Eintragung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) wirksam. Die Eintragung wird von einer professio­ nellen Errichtungsstelle vorgenommen (siehe Punkt 3). Sie endet automatisch nach 3 Jahren; Wenn die vertretene Person oder die*der Vertreter*in widerspricht und der Wider- spruch im ÖZVV eingetragen wird. INFO: Die gesetzliche Erwachsenenvertretung kann vor Ablauf der 3 Jahre erneut ein- getragen werden. Dafür müssen die vertretene Person und die*der nächste Angehö- rige wieder zu einer*einem Notar*in, Rechtsanwält*in oder Erwachsenenschutzverein gehen. Dort werden die Voraussetzungen neuerlich geprüft. Wenn notwendig, ist auch ein Hausbesuch möglich. 6. Was kostet eine gesetzliche Erwachsenenvertretung? Die Kosten für die Eintragung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung unterscheiden sich je nach Errichtungsstelle. Bei den Erwachsenenschutzvereinen kostet die Registrierung Euro 50,- (2019) plus Zuschlag von Euro 25,- (2019) für einen Hausbesuch. Bei einer*einem Notar*in oder Rechtsanwält*in sind die Kosten individuell zu vereinbaren. AUSNAHME: Die Erwachsenenschutzvereine heben keine Kostenbeiträge ein, soweit dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der vertretenen Person gefährdet wird. Gesetzliche Erwachsenenvertretung 37 Der*dem Erwachsenenvertreter*in steht grundsätzlich auch ein Aufwandersatz zu. Soweit ihm*ihr selbst im Zusammenhang mit der Vertretung Kosten angefallen sind (z.B. Fahrt-, Telefon-, Portokosten, Haftpflichtversicherungsprämie), muss sie*er bei Gericht einen Antrag auf Bestimmung des Aufwandersatzes stellen. AUSNAHME: Von der Entnahme ist abzusehen, wenn die Person nur ein geringes Ein- kommen hat und ihr Unterhalt sonst gefährdet wäre. 38 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte G. Gerichtliche Erwachsenenvertretung 1 2 3 4 Vorsorge- gewählte gesetzliche gerichtliche vollmacht Erwachsenen­ Erwachsenen­ Erwachsenen­ vertretung vertretung vertretung G. Gerichtliche Erwachsenenvertretung 1. Was ist die gerichtliche Erwachsenenvertretung? Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist die letzte Stufe (auch vierte Säule genannt) der Vertretungsmöglichkeiten. Wie sich bereits aus der Bezeichnung ergibt, liegt die Entscheidung hier beim Gericht. Die Frage, ob und in welchem Umfang jemand einen*eine Erwachsenenvertreter*in benötigt, wird – anders als bei den anderen Säulen – in einem gerichtlichen Verfahren geklärt. Die gesetzlichen Verfahrensvorschriften sehen auch hier gewisse Mitsprachemöglichkeiten der zu vertretenden Person vor (dazu näher Punkt 3b). Allgemein lässt sich sagen, dass die gerichtliche Erwachsenenvertretung vor allem für jene Fälle gedacht ist, in denen nicht einmal mehr geminderte Entscheidungsfähigkeit für eine selbstgewählte Vertretung vorliegt, die zu vertretende Person keine*n selbstgewählte*n Vertreter*in will, keine geeigneten Vertreter*innen vorhanden sind (zum Beispiel weil es an nahen Angehörigen fehlt oder diese sich nicht einig sind), die bestehende Vertretung nicht ausreicht (zum Beispiel weil komplexe recht- liche Angelegenheiten zu besorgen sind und die konkrete Vertretungsperson überfordert ist), die bestehende Vertretung nicht zum Wohl der Person handelt. Auch für die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist Voraussetzung, dass eine erwachsene Person ihre Angelegenheiten aufgrund ihrer psychischen Krankheit oder vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit nicht mehr ohne Gefahr, sich selbst zu schaden, alleine besorgen kann. WICHTIG: Die gerichtliche Erwachsenenvertretung soll immer nur das letzte Mittel sein, weil sie von den 4 Säulen am wenigsten auf der Entscheidung der vertretenen Person beruht (Ausnahme: Es gibt eine Erwachsenenvertreter-Ver- fügung). 2. Wer kann gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in sein? Das Gesetz sieht einen Stufenbau der möglichen Vertretungspersonen vor. Vor- rangig sollen auch bei der gerichtlichen Erwachsenenvertretung selbstgewählte 40 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Personen zum Zug kommen. Das können zum Beispiel Personen sein, die in einer Erwach- senenvertreter-Verfügung genannt sind. Wenn dies nicht der Fall ist, sollen vor allem nahestehende geeignete Personen als gerichtliche Erwachsenenvertreter*innen tätig werden. Wenn auch solche Personen nicht vorhanden sind oder nicht geeignet sind, kön- nen Erwachsenenschutzvereine als gerichtliche Erwachsenenvertreter bestellt werden. Mitarbeiter*innen der Erwachsenenschutzvereine sind im Umgang mit Menschen, die auf- grund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung im alltägli- chen Leben mit Barrieren konfrontiert sind, besonders geschult und erfahren. Ist auch die Bestellung eines Erwachsenenschutzvereins nicht möglich (weil diese dafür nur begrenzte Ressourcen haben), so ist ein*e Rechtsanwält*in oder ein*e Notar *in oder eine andere geeignete Person zu bestellen. Die Notariatskammern und die Rechtsanwaltskammern führen Listen von zur Über- nahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeigneten Notaren*innen und Rechtsanwält*innen. Jene, die in eine solche Liste eingetragen sind, können auch mehr als 15 Vertretun- gen übernehmen (ansonsten kann niemand mehr als 15 Vertretungen übernehmen). In Fällen, in denen für die Besorgung der Angelegenheiten vor allem rechtliches Fachwissen gefragt ist, sollen vorrangig Vertreter*innen der rechtsberatenden Berufe (Rechtsanwält*in, Notar*in) bestellt werden. TIPP: Es empfiehlt sich vorsorglich, eine Erwachsenenvertreter-Verfügung zu errichten. Es handelt sich um eine wirksame Möglichkeit, seinen Willen trotz Verlust der Entschei- dungsfähigkeit und möglicherweise nicht mehr ausreichender Artikulationsfähigkeit auch im gerichtlichen Bestellungsverfahren Ausdruck zu verleihen. 3. Wie kommt es zur gerichtlichen Erwachsenen­ vertretung? Wie läuft das gerichtliche Verfahren ab? Für die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist das Gericht zuständig. Die*der Erwachsenenvertreter*in wird vom Gericht mit einer schriftlichen Entscheidung (Beschluss) bestellt. Die Voraussetzungen werden in einem gerichtlichen Verfahren geklärt. Dieses besteht aus mehreren Schritten: a. Abklärung (Clearing) durch den Erwachsenenschutzverein In einem ersten Schritt hat das Gericht in einer so genannten Abklärung (Clearing) durch den Erwachsenenschutzverein erheben zu lassen, in welcher Lebenssituation sich die betroffene Person befindet. In der Abklärung soll neben dem persönlichen und sozialen Umfeld insbesondere geklärt werden: Gerichtliche Erwachsenenvertretung 41 welche konkreten Angelegenheiten zu besorgen sind, wie die Fähigkeiten der betroffenen Person eingeschätzt werden, ob und welche Unterstützung sie benötigt und bekommt, ob und welche Alternativen zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestehen. Die betroffene Person ist von der Verfahrenseinleitung (Beauftragung der Abklärung) schriftlich zu verständigen. Mit dem Bericht des Erwachsenenschutzvereins kann das Gericht eine erste Einschätzung treffen, ob das Verfahren fortzusetzen ist. WICHTIG: Das Gericht hat nach jedem Verfahrensschritt, also auch noch im späteren Verfahrensverlauf, die Möglichkeit, das Verfahren zu beenden (einzustellen). b. Persönliches Gespräch mit der*dem Betroffenen (Erstanhörung) Wenn das Verfahren fortgesetzt wird, hat das Gericht die betroffene Person zu einem persönlichen Gespräch, der so genannten Erstanhörung, zum Gericht zu laden. Dabei soll sich die*der Richter*in einen persönlichen Eindruck von der Person verschaffen und über den Grund und den Zweck des Erwachsenenschutzverfahrens informieren. Die betroffene Person soll Gelegenheit zur Äußerung haben. c. Vertreter*in für das Verfahren (Rechtsbeistand) Die*der Betroffene bekommt für das weitere Verfahren eine*n Vertreter*in, den so genann- ten Rechtsbeistand. Dieser ist vom Gericht zu bestellen, wenn die*der Betroffene nicht selbst eine*n Vertreter*in für das Verfahren wählt. Der Rechtsbeistand soll die Interessen der*des Betroffenen im Verfahren vertreten und ihr*ihm zur Seite stehen. d. Einstweilige Erwachsenenvertretung Wenn schon während der Dauer des Verfahrens wichtige und unaufschiebbare Dinge zu erledigen sind, bestellt das Gericht eine einstweilige Erwachsenenvertreterin oder einen einstweiligen Erwachsenenvertreter. Diese Vertretungsbefugnis wird sofort wirksam und endet mit der Endentscheidung des Verfahrens, also entweder mit Einstellung des Verfahrens oder regulärer Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin*eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters. e. Sachverständigengutachten Eine der Voraussetzungen für die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung ist das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit. Da diese Beurteilung oftmals medizinisches Fachwissen 42 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte erfordert, kann das Gericht eine*n Ärzt*in aus dem jeweiligen Fachbereich beauftragen, ein Gutachten zu erstellen. Auch die*der Betroffene kann die Bestellung eines Gutachtens beantragen. Unter Umständen ist ein Gutachten aus einem anderen Fachbereich einzuholen (zum Beispiel Pflege oder Sonder- und Heilpädagogik). Das Gutachten muss der betroffe- nen Person und dem Rechtsbeistand zugeschickt werden. INFO: Wenn ausreichende aktuelle ärztliche Unterlagen über die Krankheit vorliegen, kann das Gericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ausnahmsweise auch absehen. f. Mündliche Verhandlung Wenn die Ergebnisse der Abklärung und allenfalls des Sachverständigengutachtens vor- liegen und das Verfahren fortgesetzt wird, findet eine mündliche Verhandlung statt, wenn das Gericht eine solche für notwendig hält. Die*der Betroffene kann dies auch beantragen. Die*der Betroffene, ihr*sein Rechtsbeistand und die*der in Aussicht genommene Erwachsenenvertreter*in sind zur Verhandlung zu laden. Bei der Verhandlung werden alle relevanten Informationen für die Entscheidung des Gerichts gesammelt und besprochen. g. Gerichtliche Entscheidung (Beschluss) Am Ende des Verfahrens trifft das Gericht eine schriftliche Entscheidung (Beschluss), ob und in welchem Umfang eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin oder ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt wird. Der Beschluss kann entweder auf Einstellung des Verfahrens oder auf Bestellung lauten. Im ersten Fall begründet das Gericht warum es keinen Grund für die Bestellung sieht. Im zweiten Fall enthält der Beschluss eine Begründung, warum diese notwendig ist. Der Bestellungsbeschluss enthält folgende wichtige Informationen: Namen und die Adresse der Person, die zur*zum Erwachsenenvertreter*in bestellt wird; Wirkungsbereich: Umschreibung der konkreten Angelegenheiten, für die die*der Vertreter*in vertretungsbefugt ist; Befristung: Im Beschluss wird angeführt, wann die Erwachsenenvertretung endet; Verfahrenskosten: siehe dazu gleich unten Punkt 6; Begründung: Das Gericht erklärt in diesem Abschnitt, warum die Erwachsenen­ vertretung notwendig ist. Rechtsmittelbelehrung Gerichtliche Erwachsenenvertretung 43 WICHTIG: Der Beschluss muss der betroffenen Person persönlich zugestellt werden. Gegen die Bestellung kann ein Rechtsmittel erhoben werden (binnen 14 Tagen ab Zustellung). Dieses muss schriftlich eingebracht werden. Will die betroffene Person ein Rechtsmittel erheben, so genügt es, dass aus dem Schriftstück hervorgeht, dass sie mit der Entscheidung nicht einverstanden ist. h. Genehmigungsvorbehalt Das Gericht kann auch aussprechen, dass in der gerichtlichen Erwachsenenvertretung die Wirksamkeit bestimmter rechtsgeschäftlicher Handlungen oder Verfahrenshandlungen der vertretenen Person von der Zustimmung der Erwachsenenvertretung abhängt. Bei außergewöhnlichen Geschäften (außerordentlicher Wirtschaftsbetrieb) ist zusätzlich die Genehmigung des Gerichts notwendig. Ein derartiger Genehmigungsvorbehalt durch das Gericht setzt voraus, dass auf- grund des bisherigen Verhaltens der betroffenen Person Grund zur Annahme besteht, sie würde sich sonst ernstlich und erheblich schaden. Der Genehmigungsvorbehalt steht im Bestellungsbeschluss oder kann in einem eigenen Beschluss erfolgen. Das Gericht muss vor einer solchen Anordnung jedenfalls mit der erwachsenen Person reden. WICHTIG: Der Genehmigungsvorbehalt betrifft die Gültigkeit von Rechtsgeschäf- ten oder Verfahrenshandlungen. In (allen) anderen Bereichen, zum Beispiel bei medi- zinischen Behandlungen, kommt es immer allein auf die Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person an. Liegt sie vor, hat die Person allein zu entscheiden. Ein Genehmi- gungsvorbehalt ist hier nicht möglich. i. Angehörige Auch nahe Angehörige sollen über die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens informiert werden. Das Gesetz nennt hier: Ehegatt*innen, eingetragene Partner*innen, Lebensgefährt*innen, Eltern, volljährige Kinder, in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung genannte Person. TIPP: Wenn die betroffene Person nicht möchte, dass (bestimmte) Angehörige verstän- digt werden, kann sie sich dagegen aussprechen. Dies kann auch vorab, zum Beispiel in einer Vorsorgevollmacht oder Erwachsenenvertreter-Verfügung, erfolgen. 44 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte 4. Wofür ist die*der gerichtliche Erwachsenenvertreter*in zuständig? Die gerichtliche Erwachsenenvertretung kann nur für einzelne oder Arten von gegenwär- tig zu besorgenden Angelegenheiten bestellt werden. Das bedeutet, der*dem Vertreter*in können Vertretungsbefugnisse für ein ganz bestimmtes Geschäft, etwa den Abschluss eines Heimvertrags, oder für gegenwärtig zu besorgende Arten von Angelegenheiten, zum Beispiel für Geschäfte zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs, eingeräumt werden. Der Wirkungsbereich ergibt sich aus dem gerichtlichen Bestellungsbeschluss. Dort sind die Angelegenheiten, für die die*der Vertreter*in zuständig ist, genau angeführt. Der Wirkungsbereich der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin*des gerichtlichen Erwachsenenvertreters kann nach Bestellung auch erweitert oder eingeschränkt werden. Dies wird ebenso in einem gerichtlichen Verfahren geklärt, das dem Bestellungsverfahren ähnelt. Allerdings ist die Einholung einer Abklärung und die Erstanhörung (siehe dazu auch oben Punkt 3b) nicht zwingend notwendig. WICHTIG: Die vertretenen Person wird in ihrer Geschäftsfähigkeit nicht automatisch eingeschränkt, auch wenn sie eine*n Erwachsenenvertreter*in hat. Wenn die vertre- tene Person entscheidungsfähig ist, kann sie auch weiter gültig Geschäfte abschließen. Wenn sie nicht entscheidungsfähig ist, ist zur Wirksamkeit des Geschäfts die Zustim- mung der Vertretungsperson erforderlich. Siehe näher Kapitel B Punkt 2. Geschäftsfä- higkeit. AUSNAHME: Wenn das Gericht einen Genehmigungsvorbehalt ausgesprochen hat, sind die davon umfassten Angelegenheiten (es kann nur um Rechtsgeschäfte oder Verfahrenshandlungen gehen) nur mit Zustimmung der Erwachsenenvertreterin*des Erwachsenenvertreters gültig (unabhängig von der konkret vorliegenden Entschei- dungsfähigkeit). 5. Wann beginnt die Vertretung, wann endet sie? Die gerichtliche Erwachsenenvertretung wird wirksam mit der Rechtskraft des Bestel- lungsbeschlusses. Eine gerichtliche Entscheidung erwächst dann in Rechtskraft, wenn gegen sie kein Rechtsmittel mehr erhoben werden kann. Die Rechtsmittelfrist gegen einen Beschluss beträgt 14 Tage und beginnt für jede rechtsmittellegitimierte Partei mit der Zustellung des Beschlusses an sie. Gerichtliche Erwachsenenvertretung 45 Ab Rechtskraft des Beschlusses kann die*der Vertreter*in rechtsgültig innerhalb ihres Wirkungsbereiches Handlungen vornehmen. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung endet in folgenden Fällen: mit dem Tod der vertretenen Person oder der Vertretungsperson, durch gerichtliche Entscheidung (Beendigungsbeschluss), durch Zeitablauf nach drei Jahren. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist also zeitlich befristet. Grundsätzlich soll sie nur so lange wirksam sein, wie es zur Besorgung der Angelegenheiten notwendig ist. Sobald die konkreten Geschäfte erledigt sind, kann das Gericht von sich aus (von Amts wegen) oder über Antrag die Beendigung der Erwachsenenvertretung aussprechen. Ansonsten endet sie automatisch nach drei Jahren. WICHTIG: Die gerichtliche Erwachsenenvertretung kann auch erneuert werden. Das wird in einem gerichtlichen Verfahren geklärt, das dem Bestellungsverfahren nachge- bildet ist. Das Gericht informiert die Vertretungsperson ein halbes Jahr vor Ablauf der Frist über die Möglichkeit eines Erneuerungsverfahrens. So ist die lückenlose Vertre- tung gewährleistet. INFO: Auch die gerichtliche Erwachsenenvertretung wird im Österreichischen Zentra- len Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen. 6. Was kostet eine gerichtliche Erwachsenenvertretung? a. Verfahrenskosten Das gerichtliche Verfahren ist kostenlos. Nur das Honorar für ein Sachverständigen­ gutachten (ca. 400 – 700 Euro) muss von der betroffenen Person bezahlt werden. Wenn ihr Einkommen sehr gering ist oder das Verfahren eingestellt wird, übernimmt diese Kos- ten der Staat. b. Pflegschaftsrechnung Im Rahmen der Überwachung der Vermögensverwaltung hat die*der Vertreter*in dem Gericht am Ende des ersten Kalenderjahres ihrer*seiner Tätigkeit Rechnung zu legen (Antrittsrechnung), danach in vom Gericht festzusetzenden Zeitabständen (laufende Rechnung) und nach Beendigung ihrer*seiner Tätigkeit (Schlussrechnung). All diese Rech- nungslegungen heißen Pflegschaftsrechnung. 46 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Für die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung sowie für andere gerichtliche Genehmigun- gen, die finanzielle Angelegenheiten betreffen, ist eine gerichtliche Gebühr von derzeit (Stand: Jahr 2019) mindestens Euro 86,- zu entrichten. INFO: Unter bestimmten Voraussetzungen (Einkünfte und Vermögen unterschreiten eine bestimmte Summe) kann der Antrag gestellt werden, von der gerichtlichen Gebühr befreit zu werden. Siehe dazu das Muster im Kapitel J. c. Aufwandersatz Die*der gerichtliche Erwachsenenvertreter*in kann der Pflegschaftsrechnung eine Auf- stellung ihrer*seiner Aufwände (Fahrt-, Telefon-, Portokosten, Haftpflichtversicherungs- prämie) beilegen. Wenn diese Aufwände vom Gericht mit Beschluss genehmigt werden, können sie aus dem Vermögen der*des Vertretenen entnommen werden. AUSNAHME: Von der Entnahme ist abzusehen, wenn die Person nur ein geringes Ein- kommen hat und ihr Unterhalt sonst gefährdet wäre. d. Entschädigung Der*dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in gebührt im Regelfall eine Entschädigung, deren Höhe nach gesetzlichen Kriterien vom Gericht festzusetzen ist. Die*der Vertreter*in kann beim Gericht einen Antrag auf Entschädigung stellen. Die Höhe der Entschädigung ist von den Einkünften und dem Vermögen der vertre- tenen Person abhängig. Die Entschädigung beträgt grundsätzlich 5% der Nettoeinkünfte. Wenn das Vermögen der vertretenen Person Euro 15.000,- übersteigt, erhöht sich dieser Betrag um 2% des Mehrbetrags (= das Vermögen, das EUR 15.000 übersteigt). Wenn die*der Vertreter*in noch kein ganzes Jahr tätig war, ist die Entschädigung nur aliquot zu bemessen. Das Gericht kann die Entschädigung je nach den Umständen des Einzelfalls auch mindern (zum Beispiel weil die Vertretungstätigkeit nur einen geringen Aufwand bedeu- tete) oder erhöhen (zum Beispiel weil die Vertretungstätigkeit besonders umfangreich und erfolgreich war). e. Entgelt Vertreter*innen der rechtsberatenden Berufe (Notariat, Anwaltschaft), die als Erwachsenenvertreter*in bestellt worden sind, steht für die rechtliche Vertretung der Gerichtliche Erwachsenenvertretung 47 vertretenen Person ein angemessenes Entgelt zu, wenn dafür besondere Rechtskennt- nisse erforderlich waren. AUSNAHME: Dies gilt nicht, wenn die vertretene Person aufgrund ihres geringen Ein- kommens Verfahrenshilfe beantragen könnte oder die Kosten von der anderen Partei übernommen werden müssen. 48 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte H. Das A – Z des Erwachsenenschutzrechts H. Das A – Z des Erwachsenenschutzrechts Hier finden Sie kurze Erklärungen zu den wichtigsten Begriffen und Institutionen im Zusammenhang mit dem Erwachsenenschutzrecht. Abklärung Die Abklärung, auch Clearing genannt, muss vor der Bestellung einer gericht- lichen Erwachsenenvertreterin*eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters durchge- führt werden. Mitarbeiter*innen der Erwachsenenschutzvereine klären hier im Auftrag des Gerichts die Lebenssituation der erwachsenen Person ab und versuchen vor allem herauszufinden, ob Alternativen zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestehen (Unterstützung durch das persönliche Umfeld, soziale Dienste etc.) oder andere For- men der Erwachsenenvertretung möglich sind. Dazu müssen sie mit der betroffenen Person und allenfalls auch mit ihrem Umfeld reden. Sie verfassen abschließend einen Bericht über die soziale Situation und ihre Erhebungen und leiten diesen dem Gericht weiter. Das Gericht entscheidet dann unter anderem auf Basis dieser Grundlagen und auch nach einem eigenen persönlichen Eindruck (Erstanhörung), ob und in welchem Umfang eine Vertretung notwendig ist. Das Verfahren kann auch eingestellt werden. Auch in anderen Verfahrensschritten kann oder muss ein Clearing durchgeführt wer- den, zum Beispiel vor der gerichtlichen Genehmigung einer dauerhaften Wohnortver- änderung. Beschluss Ein Beschluss ist eine gerichtliche Entscheidung, zum Beispiel über die Bestel- lung eines Erwachsenenvertreters. Ab Rechtskraft des Beschlusses, das heißt sobald die Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln bekämpft werden kann (zumeist weil die Rechtsmittelfrist verstrichen ist), entsteht die Vertretungsbefugnis der gerichtli- chen Erwachsenenvertreterin*des gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Clearing Siehe Abklärung Entscheidungsfähigkeit Unter der Entscheidungsfähigkeit versteht man die Fähigkeit, die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang zu ver- stehen, seinen Willen danach zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten. Sie wird im Zweifel bei Volljährigen vermutet. Sie ist die Voraussetzung für die Handlungs- fähigkeit. Ein Beispiel: Ein Patient mit psychischer Erkrankung muss an seiner Lunge behandelt werden. Dazu bedarf es seiner Einwilligung. Hier muss der Patient verstehen, was eine Lunge ist, was bei dem medizinischen Eingriff passiert und welche Folgen die Opera- tion oder die Unterlassung haben kann. Es geht jeweils darum, im Kern zu verstehen, worum es bei einer Entscheidung geht und dass sich die Person auch zu einer Entschei- dung durchringen kann (und nicht etwa durch große Ängste daran gehindert wird). 50 Erwachsenenschutzrecht – Wissenswertes für Vertretene, Vertreter*innen und Interessierte Geminderte Entscheidungsfähigkeit liegt vor, wenn eine Person noch in Grundzügen versteht, was sie tut. Sie genügt als Voraussetzung für die gewählte Erwachsenenver- tretung. Erstanhörung Eine Erstanhörung muss das Gericht vor der Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin*eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vornehmen. Das bedeutet, das zuständige Gericht muss sich von der betroffenen Person einen persön- lichen Eindruck verschaffen. In der Regel wird die Person vom Gericht zu einem Termin eingeladen. Erwachsenenvertretung Siehe gewählte / gesetzliche / gerichtliche Erwachsenenver- tretung Erwachsenenschutzverein Das sind Vereine, die zahlreiche beratende und abklärende Aufgaben im Erwachsenenschutzrecht übernehmen und von der öffentlichen Hand gefördert werden. In Österreich gibt es vier Erwachsenenschutzvereine, die jeweils regionale Standorte haben (siehe Kapitel I. Wichtige Adressen). Sämtliche Vertretungs- arten – ausgenommen die gerichtliche Erwachsenenvertretung – können nicht nur bei Notariat und Rechtsanwaltskanzlei, sondern auch vor den Erwachsenenschutzvereinen errichtet und registriert werden. Speziell geschulte Mitarbeiter*innen können hier zu Vertretende und Angehörige oder Interessierte beraten und informieren. Die Vereine bieten auch Schulungen für Angehörige an. Vor jeder gerichtlichen Erwachsenenvertretung führen die Vereine im Bestellungsver- fahren im Auftrag des Gerichts eine Abklärung durch. Die Erwachsenenschutzvereine können auch als gerichtliche Erwachsenenvertretung bestellt werden. Dies soll vor allem in den Fällen geschehen, wo mit der Vertretung besondere Anforderungen verbunden sind. Außerdem vertreten sie in bestimmten gerichtlichen Genehmigungsverfahren, zum Beispiel bei einer medizinischen Behandlung einer nicht entscheidungsfähigen Person, die Interessen der*des Betroffenen. Erwachsenenvertreter-Verfügung In einer Erwachsenenvertreter-Verfügung erklärt eine erwachsene Person schriftlich, dass für die Zukunft eine bestimmte andere Person ihr*e Vertreter*in sein darf oder dass sie diese Person nicht als Vertreter*in einsetzen will. Voraussetzung für die Errichtung ist zumindest geminderte Entscheidungsfähig- keit. Sie muss vor Notariat, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein errichtet und im ÖZVV registriert werden. Die Erwachsenenvertreter-Verfügung hat Einfluss auf die gesetzliche Erwachsenenvertretung und die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Genehmigungsvorbehalt Grundsätzlich vermutet das Gesetz, dass jede volljährige Person (Volljährigkeit ab 18. Lebensjahr) handlungsfähig ist.

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