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Schutzkonzept der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen PDF

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This document is a protection guide for asylum seekers in Hessen, Germany. It outlines the protective measures, target audiences, and the staffing and accommodation management within the context of the asylum reception process.

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Regierungspräsidium Gießen Schutzkonzept...

Regierungspräsidium Gießen Schutzkonzept der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen SCHUTZKONZEPT Impressum: RP Gießen, www.rp-giessen.de, Foto: RP Gießen – Ina Velte, Stand: Februar 2019 –2– Inhalt Verhaltenskodex3 Einleitung4 Umgang mit dem Konzept 5 1. Zielgruppen des Schutzkonzepts 6 1.1 Frauen als Zielgruppe 6 1.2 Kinder und Jugendliche als Zielgruppe 7 1.3 LSBTTI* als Zielgruppe 8 1.4 Menschen mit Behinderung 9 2. Prävention und Intervention 10 2.1 Handlungsleitlinien zur Prävention 10 2.2 Niedrigschwellige Kursangebote und integrative Maßnahmen für Bewohner*innen  12 2.3 Handlungsleitlinien zur Intervention 15 3. Personal und Personalmanagement 16 3.1 Anforderungen an die Mitarbeiter*innen  16 3.2 Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen und Dienstleister*innen 20 4. Belegungsmanagement  21 4.1 Separierte Unterbringungsmöglichkeiten  21 4.2 Geschützte Gemeinschaftsräume für bedarfsorientierte Angebote 23 5. Netzwerke und Kooperationspartner  24 5.1 Die Psychosozialen Zentren (PSZ)  25 –3– Verhaltenskodex Für ein achtsames und gewaltfreies Leben und Arbeiten in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen Wir haben einen respektvollen, grenzachtenden, wertschätzenden und menschenwürdigen Um- gang miteinander. Wir tolerieren keine Form von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt. Alle Mitarbeiter*innen nehmen für Kinder und Jugendliche eine Vorbildfunktion ein. Alle Mit- arbeiter*innen sind Orientierungshilfe bei der Einhaltung sozialer Werte und Normen. Bei Verdachtsmomenten und Vorfällen körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt wenden wir uns umgehend an die zuständigen Verantwortlichen. Entsprechende Handlungsleitlinien sowie festgelegte Meldeketten sind allen Mitarbeiter*innen bekannt und werden zum Schutz der geflüchteten Menschen eingehalten. Alle Mitarbeiter*innen achten auf einen für ihre Tätigkeit angemessenen Umgang mit Nähe und Distanz. Wir schauen nicht weg und handeln sofort, wenn die persönlichen Grenzen eines Kindes verletzt werden. Bei Verdacht der Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheit eines Kin- des oder eines/einer Jugendlichen werden die Verantwortlichen und die Landessozialarbeit*in- nen umgehend informiert. Kinder, Jugendliche, Frauen, Menschen mit Behinderung, LSBTTI*-Personen, religiöse Minder- heiten, Betroffene des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen und Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physi- scher oder sexualisierter Gewalt erfahren haben, obliegen einem besonderen Schutz. –4– Einleitung Im Jahr 2015 stand das Land Hessen vor ungeahnten Herausforderungen. In diesem Jahr stie- gen die Zugangszahlen der asylsuchenden Menschen in Hessen im Vergleich zum Vorjahr von 17.453 Personen auf rund 75.000 an. Viele Bürger*innen engagierten sich ehrenamtlich und tru- gen einen wichtigen Teil dazu bei, eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten sicher zu stellen. In diesem und dem darauffolgenden Jahr standen die Schaffung sicherer und geeigneter Unter- bringungsmöglichkeiten, die Abschaffung der Notunterkünfte, die Sicherstellung einer medizi- nischen Versorgung, die Bereitstellung der psychosozialen Versorgung, wie auch die Installie- rung von integrativen Maßnahmen in den Bereichen Wertevermittlung, Spracherwerb und Sport im Fokus des politischen Handelns. Mit der Einrichtung der Abteilung VII – Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration im Regierungspräsidium Gießen sowie der Etablierung von umfänglichen Maß- nahmen zur Sicherheit, Betreuung, Versorgung und Unterbringung Asylsuchender entstand das Ziel, ein Konzept zu erarbeiten, das für alle in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen untergebrachten Personengruppen den größtmöglichen Schutz und eine sichere Atmosphä- re gewährleistet. Darüber hinaus setzte das Regierungspräsidium Gießen den Maßstab, auch die Gegebenheiten der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen zu verbessern, um Hand- lungssicherheit in der operativen Arbeit zu ermöglichen und so den geflüchteten Menschen ein hohes Maß an qualitativen Hilfestrukturen vorhalten zu können. In diesem Zusammenhang bewarb sich das Regierungspräsidium Gießen zunächst mit der Au- ßenstelle Büdingen als Pilotprojekt für die Teilnahme an der Bundesinitiative „Schutz geflüch- teter Menschen in Flüchtlingsunterkünften“, einem Projekt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und UNICEF. Im Rahmen der Bundesinitiative wurden bereits 2016 in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege sowie Interessenver- tretungen für besonders schutzbedürftige Personengruppen im Sinne der EU-Richtlinie 2013/33 Mindeststandards zur Betreuung, Versorgung und Unterbringung sowie zum Schutz Asylsuchen- der in Gemeinschaftsunterkünften veröffentlicht. Orientiert an den Vorgaben der Bundesinitiative wurde ein Schutzkonzept für die Erstaufnahme- einrichtung des Landes Hessen erarbeitet. Die darin verankerten Maßnahmen sind eine Leitlinie, deren Umsetzung und Beachtung für alle haupt- und ehrenamtlich tätigen Personen sowie für die Bewohner*innen verpflichtend ist. –5– Umgang mit dem Konzept Das Schutzkonzept der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen ist als fester Bestand- teil in die Arbeitsprozesse der Abteilung VII – Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahme und Integration des Regierungspräsidiums Gießen integriert und steht im Kontext mit allen wei- teren Konzepten, Handlungsleitlinien und Empfehlungen für die Betreuung, Versorgung und Unterbringung der in Hessen angekommenen, geflüchteten Menschen. Die Umsetzung der im Schutzkonzept implementierten Maßnahmen versteht sich als interne Verpflichtung. Aus diesem Grund werden diese bereits in die Ausschreibungsverfahren der Dienstleister der Erstaufnah- meeinrichtung einbezogen und sind vor allem bei der Vergabe der Dienstleistung im Bereich der Sozialbetreuung, der Medizin und der Sprachmittler fester Bestandteil des Vertragswesens. Neben der Vorgabe, bei der Installierung spezifischer Schutzmaßnahmen aktiv mitzuwirken, ver- pflichten sich die Vertragspartner zur Teilnahme an den im Konzept verankerten Schulungen und Sensibilisierungsangeboten. (Gewalt-)Prävention ist darüber hinaus als ein ganzheitlicher Ansatz zu verstehen, der alle Personen der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen einbezieht. Der Verhaltenskodex ist sowohl durch die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen als auch durch die Bewohner*innen aktiv mitzutragen. Dazu finden für die Bewohner*innen regelmäßig Angebote statt, die in die Themen des Schutzkonzepts einführen und auf die Regeln des sozia- len Miteinanders eingehen. Das Schutzkonzept der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen ist kein statisches Doku- ment. Die Umsetzung ist als fortlaufender Prozess zu verstehen, der kontinuierlich weiterent- wickelt und aufgrund regelmäßiger Evaluation angepasst wird. Daher werden auch zukünftig Konzepte zur Prävention und Intervention erarbeitet, die das Schutzkonzept ergänzen. Alle im- plementierten Maßnahmen werden darüber hinaus in Form eines internen Monitorings regel- mäßig überprüft. Alle haupt- sowie ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen werden über Änderungen unterrichtet und sind angehalten, sich regelmäßig über den Sachstand zu informieren und zur Umsetzung des Schutzkonzepts beizutragen. –6– 1. Zielgruppen des Schutzkonzepts Der Schutz und die Schaffung einer schützenden und sicheren Atmosphäre haben in der Arbeit in der Erstaufnahmeeinrichtung hohe Priorität. Das vorliegende Schutzkonzept richtet den Fo- kus auf den Schutz aller Bewohner*innen. Ziel ist es, allen geflüchteten Menschen in der Erstauf- nahmeeinrichtung des Landes Hessen eine sichere Unterbringung zur Verfügung zu stellen, die mit Hilfe gezielter präventiver Maßnahmen umgesetzt wird. Zu besonders schutzbedürftigen Personengruppen zählen unter anderem: Frauen Kinder und Jugendliche LSBTTI*-Personen Menschen mit Behinderung Menschen mit schweren körperlichen Erkrankungen Religiöse Minderheiten Betroffene des Menschenhandels Von Folter, sexueller Gewalt und von sonstigen Formen psychischer oder physischer Gewalt betroffene Personen Folgende konkrete Maßnahmen, aufgeführt nach Zielgruppen, sind als verbindliche Standards in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen umgesetzt. 1.1 Frauen Frauen, insbesondere Schwangere und Alleinreisende mit und ohne Kinder, werden in der Erst- aufnahmeeinrichtung besonders geschützt. Zu den zielgruppenspezifischen Schutzmaßnahmen zählen: Separierte Unterbringungsmöglichkeit sowie geschützte Gemeinschaftsräume Festgelegte sensibilisierte Ansprechpartner*innen, besonders in Fällen von familiä- rer Gewalt oder Gesundheitsfragen Gesprächskreise explizit für Frauen zur Thematisierung verschiedener Formen von Gewalt Aufklärungsveranstaltungen zu den Themen Familienplanung und Gesundheit Sport- und Fitnessangebote, angepasst an die Interessen der Bewohnerinnen Außerdem findet eine enge Zusammenarbeit mit kommunalen Beratungsstellen statt, um einen ganzheitlichen Ansatz zur Unterstützung von Frauen zu gewährleisten. Dabei liegt die Priorität –7– auch auf der Installierung präventiver Angebote. Bewohnerinnen sollen befähigt werden, ihre persönlichen Rechte wahrzunehmen. Die Landessozialarbeiter*innen und der medizinische Dienst sind mit dem besonderen Schutz- bedarf insbesondere allein reisender Frauen vertraut und können im Rahmen der Einzelfallhilfe Maßnahmen zur Intervention einleiten. 1.2 Kinder und Jugendliche Unser Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen einen Raum zu geben, in dem sie sich altersgerecht beschäftigen, spielen, kreativ sein und andere Kinder treffen können. Das Gefühl, nicht allein zu sein und mit Fantasie und Spaß gemeinsam Neues auszuprobieren, ist ein Schritt, um das Er- lebte verarbeiten zu können. Um diese Zielsetzung zu fördern, finden altersgerechte Freizeitaktivitäten und Projekte statt. In diesen können Kinder und Jugendliche gemeinschaftlich Erfahrungen sammeln, ihre sozialen Kompetenzen erweitern und stabilisieren. Ihnen mit Respekt zu begegnen und ihre Leistungen anzuerkennen, soll ihr Selbstbewusstsein fördern und sie in ihrem Selbstwert stärken. Zur Umsetzung dieser Zielsetzung werden kinderfreundliche Orte vorgehalten. Dies bezieht die Installierung fester weiblicher sowie männlicher Ansprechpartner*innen ein, an die sich Kinder und Jugendliche auch bei familiären Problemen, unabhängig von den Eltern, wenden können. In der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es unterschiedliche Angebote für Kinder und Jugendliche. Dazu zählen: Kleinkinderbereiche für Eltern mit Kindern bis 3 Jahren Kinderbetreuungsgruppe von 3 bis 6 Jahren Kindertreff von 6 bis 12 Jahren Jugendtreff ab 13 Jahre Alle Angebote sind am Wohl der Kinder und Jugendlichen orientiert. Kinder und Jugendliche sind für eine Teilnahme an den Angeboten zu begeistern und in die Planungen aktiv einzube- ziehen. Ihre eigenen Wünsche sind zu berücksichtigen und sofern möglich auch umzusetzen. Zu diesem Zweck arbeiten die Dienstleister*innen der Sozialbetreuung eng mit der Landessozial- arbeit und den Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung zusammen. Besonders Kindern mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung oder einer chronischen Erkrankung soll die Teilnahme an den Angeboten ermöglicht werden. –8– Es ist darauf zu achten, dass Barrierefreiheit gegeben ist und die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung berücksichtigt werden. Darüber hinaus trägt eine stabile Elternrolle maßgeblich zu der Entwicklung eines stabilen Selbstbildes bei. Eltern sind in ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen. Folgende Hilfestruktu- ren sind vor Ort durch die Landessozialarbeit in Kooperation mit der Sozialbetreuung (fallspezi- fisch) vorzuhalten: Beziehungsarbeit mit den Eltern zur Schaffung eines vertrauensvollen Miteinanders Regelmäßige Gespräche mit Eltern Sensibilisierung der Eltern zum Thema Aufsichtspflicht in der Erstaufnahmeeinrich- tung Niedrigschwellige Angebote zu den Themen Elternrechte/Elternpflichten Vorstellung der kindgerechten Angebote, persönlich und durch Aushang Motivation zur Teilnahme an Angeboten aus dem Gemeinwesen Installierung externer Hilfen, wie zum Beispiel sozialpädagogische Familienhilfe Die Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung gewährleisten die Möglichkeit zur Zusam- menarbeit zwischen der Landessozialarbeit, der Sozialbetreuung und externen Hilfsorganisatio- nen und fördern deren Austausch. 1.3 LSBTTI* als Zielgruppe Bereits 2017 befasste sich die Landesregierung im „Hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt“ mit der Situation von LSBTTI*-Personen in unserer Gesellschaft und setzte damit ein klares Statement gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und für die Akzeptanz sexueller und ge- schlechtlicher Vielfalt. Diese Zielsetzung wird auch bei der Betreuung, Versorgung und Unterbringung LSBTTI*-Ge- flüchteter in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen beachtet. Um höchstmöglichen Schutz für LSBTTI*-Geflüchtete zu gewährleisten, sorgen wir für: Eine separierte Unterbringungsmöglichkeit für LSBTTI*-Personen, unter Berücksich- tigung der individuellen Bedarfe1 Geschützte Gesprächsräume Wahrung der Geheimhaltungspflicht Feste und geschulte bzw. sensibilisierte Ansprechpartner*innen 1 Siehe Kapitel 4 zum Belegungsmanagement –9– Sensibilisierung und Fortbildung des Personals aller Professionen mit Unterstützung von externen Fachverbänden sowie Kooperationen mit externen Beratungsstellen und Ansprechpartner*innen zur Ge- währleistung einer ganzheitlichen Betreuung vor Ort Hinzukommend verfügt die Abteilung VII über ein Konzept zur Unterstützung gezielter Zuwei- sungen LSBTTI*-Geflüchteter in eine geeignete Einrichtung der kommunalen Unterbringung. 1.4 Menschen mit Behinderung Bereits bei der Aufnahme im Ankunftszentrum wird besonders auf Menschen mit Behinderung Rücksicht genommen. Das Konzept zur Registrierung und Weiterleitung vulnerabler Personen- gruppen bezieht auch diese Personengruppe ein. Darüber hinaus kann zur Unterstützung im Aufnahmeprozess sowie in der Betreuung und Versorgung auf Gebärdendolmetscher*innen zu- rückgegriffen werden. Sehbehinderten Personen werden wichtige Dokumente von Sprachmitt- lern vorgelesen. Eine Begleitung durch Lotsen zu den verschiedenen Stationen des Ankunfts- zentrums wird für Personen mit und ohne Behinderung gewährleistet. Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen hat zum Ziel, Personen mit einer Behinderung die Teilhabe am sozialen Miteinander zu ermöglichen. Dabei sind vor allem bauliche, organisa- torische sowie technische Maßnahmen und die Möglichkeit zur Teilnahme an den verschiede- nen (Freizeit-)Angeboten im Fokus. Um diese Teilhabe zu gewährleisten, werden folgende Standards vorgehalten: Kinderbetreuungsräume und Jugendräume (child friendly spaces) sind in den Erd- geschossen oder aber mittels Rampe zugänglich Sport- und Fitnessräume sollen barrierefrei erreichbar und so eingerichtet sein, dass auch Rollstuhlfahrer*innen den Raum optimal nutzen können Zugänge zu Spielplätzen im Außengelände sind mit festen Wegen ausgestattet Freizeitaktivitäten oder Projekte finden in barrierefreien Räumen statt Beratungsgespräche werden durch die Landessozialarbeit und die Sozialbetreuung in entsprechenden barriere- und störungsfreien Räumlichkeiten durchgeführt Angebote und Projekte sind so zu bewerben, dass auch Bewohner*innen mit einer Sehbehinde- rung davon Kenntnis erlangen. Bei Bedarf können Personen mit Behinderung durch Mitarbei- ter*innen der Erstaufnahmeeinrichtung begleitet werden. Darüber hinaus verfügt die Abteilung VII des Regierungspräsidiums Gießen über Unterbringungsmöglichkeiten für schutzbedürftige Personen mit besonderem medizinischem Bedarf. – 10 – 2. Prävention und Intervention „Prävention hat zum Ziel, durch vorbeugendes Handeln unerwünschte Entwicklungen zu vermei- den. Zur primären Prävention gehören beispielsweise die Aufklärung, Anleitung und Beratung. In der sekundären Prävention soll die latente Bereitschaft etwa zu abweichendem Verhalten, zum Beispiel durch Beratung und Betreuung, verringert werden.“2 2.1 Handlungsleitlinien zur Prävention Um allen Bewohner*innen schützende Rahmenbedingungen vorhalten zu können, werden prä- ventive Maßnahmen umgesetzt. Diese sollen sowohl das alltägliche Miteinander verbessern so- wie das Risikomanagement nachhaltig unterstützen. Durch die Suche und Analyse möglicher Risiken sollen im Rahmen des Risikomanagements diese abgestellt oder zumindest minimiert werden. Neben niedrigschwelligen Kursangeboten für Bewohner*innen sowie Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter*innen wurden folgende Standards zur (Gewalt-)Präven- tion implementiert: hh Der Verhaltenskodex Der Verhaltenskodex dient als Leitbild für die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hes- sen. Er setzt ein klares Statement gegen jede Form von physischer, psychischer und sexu- eller Gewalt und fordert alle Personen auf, ihre Handlungen daran auszurichten und aktiv im Alltag zu leben. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen nehmen dabei eine Vorbildfunktion ein und repräsentieren die Haltung und Kultur der Einrichtung. Die Mit- arbeiter*innen dienen als Orientierung und tragen die Verantwortung, den Verhaltens- kodex zu vermitteln. hh Die Hausordnung der Erstaufnahmeeinrichtung Die Inhalte des Verhaltenskodex wurden darüber hinaus in die Hausordnung der Erstauf- nahmeeinrichtung aufgenommen. Diese ist für alle Personen bindend. Sowohl der Ver- haltenskodex, als auch die Hausordnung sollen präventiv auf ein gewaltfreies Miteinander hinwirken. Außerdem fordert die Hausordnung alle zum Schutz vulnerabler Personen auf. hh Die kindgerechte Hausordnung Neben der allgemeingültigen Hausordnung verfügt die Erstaufnahmeeinrichtung über eine kindgerechte Hausordnung. Neben den Regeln des sozialen Miteinanders in der 2 Vgl. https://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzeptg/l53/l5328.htm – 11 – Einrichtung werden Kindern ihre Rechte und vor allem der Umgang mit fremden Erwach- senen vermittelt. Die kindgerechte Hausordnung hängt in allen Bereichen aus, in denen sich Kinder und deren Eltern bevorzugt aufhalten sowie in gemeinschaftlich genutzten Bereichen wie der Kantine und dem Infopoint. Kinder lernen die kindgerechte Hausord- nung durch die Betreuer*innen der zielgruppenspezifischen Angebote kennen. hh Das Beschwerdemanagement Zur Umsetzung des Beschwerdemanagements wurde in der Erstaufnahmeeinrichtung eine interne Beschwerdestelle eingerichtet. Neben festen Ansprechpartner*innen (je- weils männliche und weibliche) sind an den Infopoints Beschwerdekästen installiert. Für diese Aufgabe ist in jedem Fall ein/e Landessozialarbeiter*in verantwortlich. Als weite- re/r Ansprechpartner*in kann ein/e Mitarbeiter*in aus der Verwaltung die interne Be- schwerdestelle unterstützen. Zu beachten ist jedoch, dass die Landessozialarbeit als Hauptansprechpartner zur Umsetzung der internen Beschwerdestelle fungiert. Mittels teilstandardisierter Beschwerdebögen besteht die Möglichkeit, eine Beschwerde schrift- lich darzulegen. Diese Vorlage soll Bewohner*innen das Einreichen einer Beschwerde erleichtern. Die Bögen liegen in mehreren Sprachen vor. Eine Beschwerde kann grund- sätzlich anonym oder unter Angabe des Namens eingereicht werden. Alle Beschwerden werden zentral durch eine übergeordnete Stelle in der Verwaltung des Regierungspräsidiums Gießen erfasst, dokumentiert und an die Unterkunft zurückgeleitet. Die zentralen Ansprechpartner*innen in der Unterkunft haben sodann die Aufgabe, den Umgang mit der eingereichten Beschwerde an den Beschwerdeführer, sofern bekannt, zu übermitteln und ggf. darzulegen, welche Schritte als nächstes stattfinden. Die mit dem Beschwerdemanagement beauftragten zentralen Ansprechpartner*innen stehen den Be- wohner*innen auch bei persönlichen Schwierigkeiten im Bereich der Unterbringung zur Verfügung. Auch persönlich beziehungsweise mündlich können dort Beschwerdegründe dargelegt und gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden. Beim Einzug in die Unterkunft und im Rahmen der verschiedenen Freizeit– und Beratungs- angebote soll das Beschwerdemanagement den Bewohner*innen vorgestellt werden. hh Die Bedarfsanalyse mit Bewohner*innen Aufgrund der hohen Fluktuation in der Erstaufnahmeeinrichtung wird die Bedarfsanalyse in regelmäßigen Abständen mit einer bestimmten Anzahl an Bewohner*innen, gemessen an den Belegungszahlen, wiederholt durchgeführt. Dies hat den Vorteil, dass die gebo- tene Anzahl der zu installierenden Angebote nicht isoliert betrachtet wird, sondern stetig auf die Bewohner*innen-Gruppen zugeschnitten werden kann. Mittels kurzer Fragebö- gen sollen die individuellen Bedarfe erfasst und auf das Angebotsspektrum übertragen werden. – 12 – Innerhalb der Kinderbetreuungsgruppe erhalten die Kinder ein eigenes Erfassungsver- fahren, welches zur Verbesserung der kinderfreundlichen Orte ebenfalls in regelmäßigen Abständen, mindestens alle 3-4 Monate oder aber nach einer erhöhten Fluktuation inner- halb der Bewohner*innen-Gruppen durchgeführt wird. hh Identifikation vulnerabler Personen Bereits im Ankunftszentrum werden vulnerable Personen identifiziert und besondere Schutzbedarfe festgestellt. Anhand der Identifizierung und Bedarfsermittlung wird der weitere Betreuungs- und Unterbringungsverlauf daran ausgerichtet. Generell können in allen Arbeitsbereichen des Ankunftszentrums sowie während der Unterbringung vulnera- ble Personen identifiziert werden. Die Medizinische Untersuchungs- und Versorgungspassage (MUVP) spielt als eine der ersten Anlaufstellen während des Aufnahmeprozesses für die Identifikation besonde- rer Schutzbedarfe eine elementare Rolle. Im Rahmen der Erstuntersuchung identifiziert das medizinische Personal schutzbedürftige Personen, erkennt notwendige individuelle Bedarfe und stellt eine bedarfsgerechte Unterstützung sicher. Gleichzeitig werden Fest- legungen zur Unterbringung an besonderen Standorten für Schutzbedürftige getroffen, sodass den individuellen Bedürfnissen Rechnung getragen wird und eine adäquate Un- terbringung gewährleistet ist. 2.2 Niedrigschwellige Kursangebote und integrative Maßnahmen für Bewohner*innen Das Recht auf ein gewaltfreies Miteinander und schützende Rahmenbedingungen besteht für alle Menschen. Die Aufforderung, den Verhaltenskodex aktiv in der Einrichtung zu leben, richtet sich somit auch an alle Bewohner*innen. Ihnen soll im Rahmen von unterschiedlichen niedrig- schwelligen Kursangeboten und Sensibilisierungsmaßnahmen der Inhalt vermittelt und auch im gemeinsamen Alltag vorgelebt werden. Seit 2016 sind in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen Wertevermittlungsveranstal- tungen ein fester Bestandteil integrativer Maßnahmen. Neben der Vermittlung der Normen und Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens sollen den Bewohner*innen Informationen über Grundrechte sowie Alltagssituationen in Deutschland nähergebracht werden. Die Veranstaltun- gen finden grundsätzlich in homogenen Sprachgruppen statt und sind für alle Bewohner*innen offen. Das Angebot ist schwerpunktmäßig in drei Veranstaltungen unterteilt: – 13 – hh Allgemeine Wertevermittlung Das Angebot wird sowohl von weiblichen als auch männlichen Mitarbeiter*innen des Re- gierungspräsidiums Gießen durchgeführt. Die Veranstaltungen orientieren sich neben der Vermittlung der bereits genannten Themen an einer teilnehmerzentrierten und si- tuationsbedingten Umsetzung, welche den Austausch und die Diskussion mit den Teil- nehmer*innen einbezieht. Das Angebot ist zielgruppenunabhängig und damit für alle Bewohner*innen offen. hh Wertevermittlung „Frauen für Frauen“ In dieser Veranstaltung werden thematisch die Grundrechte, die demokratischen Grund- werte und das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland vermittelt. Der Fokus dieses Angebotes liegt auf der Vermittlung der gesellschaftlichen Stellung der Frau in Deutschland. Gleichberechtigung, gleiche Bildungs- und Berufschancen für Mädchen und Frauen sowie die Vorstellung der unterschiedlichen Lebensmodelle von Frauen sind zentrale Themen. Die Vorstellung der Kinderrechte und die Mitwirkungspflicht der Eltern in Kindergarten und Schule nimmt darüber hinaus einen weiteren Schwerpunkt in dieser Veranstaltung ein. Die Frauen sollen motiviert werden, die Sprachkurse zu besuchen, um ihre Kinder in ihrem Lernalltag unterstützen zu können. Abgerundet wird das Angebot mit Informationen über das Gesundheits- und Schulsys- tem sowie über externe Hilfestellen, die Frauen, Kindern aber auch Familien im Gemein- wesen zur Verfügung stehen. Diese Veranstaltung findet regelmäßig in homogenen Sprachgruppen und mit Unterstüt- zung einer weiblichen Sprachmittlerin statt. hh Familienplanung und Gesundheit – Eine Veranstaltung nur für Frauen Die Wertevermittlungsveranstaltung “Familienplanung und Gesundheit” richtet sich an (junge) Frauen ab 16 Jahren und findet regelmäßig in homogenen Sprachgruppen statt. Ziel ist es, die Bewohnerinnen für ihre persönlichen Rechte als (junge) Frauen zu sensibi- lisieren. So werden in dieser Veranstaltung die Rechte in Deutschland, wie das Recht auf Bildung und die Themen „freie Partnerwahl“, „geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frau- en“ und „häusliche Gewalt“ in einem geschützten Rahmen diskutiert. Es handelt sich bei der Wertevermittlungsreihe „Familienplanung und Gesundheit“ nicht um einen Unterrichtsansatz. Die Frauen werden durch Schaffung einer Dialogatmosphäre dazu motiviert, Fragen zu stellen und von ihren Erfahrungen zu berichten. Die Maßnahme kann sowohl präventiv, als auch reaktiv schützen. Die Frauen lernen ihre Rechte kennen und können ihren Alltag so an ein Leben in Deutschland anpassen. Außerdem erfahren sie, dass Gewalt in Deutschland nicht legitimiert ist und können durch die Vorstellung der Beratungsstrukturen und / oder im Falle häuslicher Gewalt für sich Hilfe suchen. – 14 – Das Angebot „Familienplanung und Gesundheit“ leistet einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Frauen und bietet, neben den Hilfestrukturen vor Ort, die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einer unabhängigen Ansprechpartnerin für die Bewohnerinnen bei individuellen Schwierigkeiten. Durch die Schaffung dieser Angebote ist es möglich, mit den Bewohner*innen im Ge- spräch zu bleiben und die Angebote an deren Bedürfnissen und Interessen anzupassen. hh Integration durch Sport Das Tätigkeitsfeld „Integration durch Sport“ ist ein eigenständiger Ansatz, der eine Viel- zahl an Möglichkeiten zum Ankommen in der Gesellschaft bietet. In der Erstaufnahmeein- richtung des Landes Hessen finden regelmäßig Sportangebote statt. Die ortsansässigen Vereine im Gemeinwesen werden bei der Gestaltung einbezogen. Durch regelmäßige Teilhabe an den Sportangeboten lernen die Bewohner*innen – über die Sprachkurse hinaus – zusätzlich im sozialen Miteinander die deutsche Sprache. In ge- meinsamen Aktivitäten werden die gesellschaftlichen Grundwerte verinnerlicht und es erfolgt eine erste Integration in die neue soziale Umgebung. Sprachbarrieren werden überwunden und eine diskriminierungsfreie Atmosphäre geschaffen. Sport spielt darüber hinaus auch in der Gewalt- und Konfliktprävention eine wichtige Rol- le. Durch die Teilnahme sollen die Bewohner*innen, im Besonderen auch die vulnerablen Personengruppen, die Möglichkeit erhalten, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihre Selbstsicherheit zu stabilisieren. Durch ein faires Miteinander und die Akzeptanz füreinan- der sollen sich die Teilnehmer*innen angenommen und vor allem als Person respektiert fühlen. Aus diesem Grund werden grundsätzlich, je nach Zielgruppe, alle Bewohner*in- nen zu den verschiedenen Angeboten eingeladen. Ein Fokus liegt dabei auch auf der Integration LSBTTI*-Geflüchteter und, sofern möglich, der Teilhabe von Menschen mit Be- einträchtigung. Die Angebote sind abwechslungsreich gestaltet, so dass alle Zielgruppen einbezogen werden können. Die aktive Teilhabe am Sport sorgt letztendlich für Abwechslung und Beschäftigung. Sie ist alltäglich, aber keineswegs verpflichtend. Durch das Miteinander der einzelnen Ziel- gruppen über das eigene Herkunftsland hinaus kann ein positives soziales Miteinander, auch über die Aktivitäten hinaus, geschaffen werden. hh Ehrenamtliche integrative Maßnahmen Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen verfügt über ein individuelles Konzept zur Umsetzung der ehrenamtlichen Arbeit. Neben Freizeitaktivitäten finden integrative Maßnahmen und Angebote zum Spracherwerb statt, die sich als fester Bestandteil etab- lieren konnten. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch unterschiedliche Projekte, die – 15 – den Bewohner*innen das Ankommen erleichtern, Orientierung und Tagesstrukturierung schaffen und eine Integration unterstützen sollen. Zur Koordinierung der ehrenamtlichen Arbeit sind Ehrenamtskoordinator*innen als feste Ansprechpartner*innen eingesetzt. 2.3 Handlungsleitlinien zur Intervention Zur Umsetzung des Risikomanagements stehen den Mitarbeiter*innen für einen handlungssi- cheren Umgang mit Gefährdungslagen sowie in akuten Konfliktsituationen Handlungsleitlinien und standardisierte Meldeketten zur Verfügung. Diese sollen besonders im Ernstfall ein hohes Maß an Orientierung und Sicherheit bieten, besonders vor dem Hintergrund die Gefahrensitu- ation schnellstmöglich zu beseitigen und Opfer bestmöglich zu schützen. Dies bezieht sowohl den Faktor der Fremd- wie auch der Selbstgefährdung mit ein. Folgende Handlungsleitlinien sind in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen einge- führt: Meldeschema bei Verdacht von Kindeswohlgefährdung, häuslicher sowie sexuali- sierte Gewalt inkl. standardisierter Dokumentation Meldeschema bei Diskriminierung von Bewohner*innen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung, religiösen Zugehörigkeit oder körperlichen Beeinträchtigung Umgang mit alkoholisierten Bewohner*innen Meldeschema bei Verdacht auf suizidales Verhalten Verfahren bei der Kontrolle von Bewohner*innen und Besucher*innen an den Zu- gangspforten der Erstaufnahmeeinrichtung Zur Koordinierung besonderer Vorkommnisse verfügt die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen außerdem über standardisierte Interventionen. Dazu zählt unter anderen eine feste Mel- dekette mit klaren Kommunikationsstrukturen. Dieses Schema ist eine Handlungsleitlinie unter anderem für Brände, schwere Unfälle, Suizidandrohungen, -versuche oder vollendeten Suizid sowie körperliche Auseinandersetzungen. Die Handlungsanweisung ist allen hauptamtlich tätigen Mitarbeiter*innen bekannt. Sie zeigt auf, in welchen Fällen ein Notruf getätigt und ob für den vorliegenden Fall die Polizei, die Feuerwehr und/oder der Rettungsdienst alarmiert werden muss. Des Weiteren sind die fünf W-Fragen auf- geführt, um das Gespräch mit den von der Situation betroffenen Personen zu erleichtern. Die Berichterstattung wird durch Vorgaben in Form eines Ausfüllformulars klar definiert, sodass das weitere interne Vorgehen transparent ist und die Meldung besonderer Vorkommnisse vorab ohne großen administrativen und zeitlichen Aufwand erfolgen kann. – 16 – Die Anwendung dieses Meldeschemas dient somit, neben dem Schutz der Betroffenen, auch der reaktiven Sicherheit. Indem in Notfallsituationen eine möglichst große Handlungssicherheit bei den Mitarbeiter*innen und dem Sicherheitsdienst besteht, kann effizient gehandelt werden. Bei jeglichem Verdacht straffälligen Verhaltens sind umgehend die örtlich zuständige Polizei- dienststelle, der Lage- und Meldedienst der Abteilung VII und die Verantwortlichen zu infor- mieren. Täter und Opfer sind zu trennen, und es ist auf das Eintreffen der Polizei zu warten. Bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt ist zum Opferschutz außerdem direkt oder über die Verant- wortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung die Landessozialarbeit und/oder der medizinische Dienst zu kontaktieren. 3. Personal und Personalmanagement 3.1 Anforderungen an die Mitarbeiter*innen Neben den beschriebenen Zielgruppen mit besonderem Schutzbedarf sind alle Mitarbeiter*in- nen und Dienstleister der Erstaufnahmeeinrichtung sowie des Ankunftszentrums in die Imple- mentierung und Umsetzung des Schutzkonzepts einbezogen. Auf alle Arbeitsbereiche kommen Aufgaben zu, für die sie sensibilisiert werden. Zu diesem Zweck erhalten diese, neben der Über- tragung bestimmter Aufgaben, Schulungsmaßnahmen und Handlungsleitlinien, die sowohl (Handlungs-)Sicherheit im Arbeitsalltag schaffen, als auch die bereits vorhandenen Kompeten- zen im Umgang mit schutzbedürftigen Personen stabilisieren. hh Verantwortliche der Erstaufnahmeeinrichtung und deren Stellvertretung Die Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung sind für alle Aspekte der Unterkunft zuständig und Hauptansprechpartner*innen für Fragen, die sich aus diesem Zusammen- hang ergeben. Im Rahmen der Strukturierung kommunikativer Prozesse ist es deren Auf- gabe, Möglichkeiten des Austauschs zwischen Mitarbeiter*innen des Regierungspräsidi- ums Gießen und den Dienstleister*innen zu schaffen. Der Verhaltenskodex ist aktiv mitzutragen und dessen Einhaltung durch alle haupt- sowie ehrenamtlich tätigen Personen zu gewährleisten. Alle Mitarbeiter*innen sind entsprechend zu sensibilisieren und angehalten, zum Schutz der Bewohner*innen beizutragen. hh Landessozialarbeit Zu den Aufgabenbereichen der Landessozialarbeit im Rahmen des Schutzkonzepts zäh- len: Überprüfung der Einhaltung aller Schutzstandards Mitarbeit bei der Umsetzung des Beschwerdemanagements – 17 – Ansprechpartner*in für alle Bewohner*innen sowie Mitarbeiter*innen bei Fragen, die sich im Rahmen der Umsetzung des Schutzkonzepts ergeben Begleitung und Unterstützung bei der Umsetzung der regelmäßig stattfindenden partizipativen Bedarfsanalyse mit den Bewohner*innen Überprüfung der Gestaltung der kinderfreundlichen Orte und die Erfassung der indi- viduellen Angebote aller Zielgruppen Einberufen von Fallbesprechungen und Nachbereitung konkreter Vorfälle Organisatorische Vorbereitung von Inhouse-Schulungen sowie die Pflege des Kon- takts zu Netzwerkpartnern Für die Betreuung und Versorgung besonders traumatisierter Personen arbeitet die Landessozialarbeit eng mit den psychosozialen Zentren zusammen. hh Dienstleister*innen der Sozialbetreuung Die Grundlage für die Ausschreibung und Vergabe der Umsetzung der Dienstleistung der Sozialbetreuung bildet das Sozialkonzept. In diesem werden die Rahmenbedingun- gen für die Sozialbetreuung in der Erstaufnahmeeinrichtung festgelegt. Folgende Anforderungen werden konkret an den Dienstleister*innen der Sozialbetreu- ung zur Umsetzung des Schutzkonzeptes gestellt: Aktive Unterstützung und Mitwirkung bei der Umsetzung der geforderten Standards Identifikation vulnerabler Personen im Sinne der EU-Richtlinie 2013/33 Unterstützung bei der Umsetzung des Beschwerdemanagements Niedrigschwelliger, barrierefreier Zugang zu festen Ansprechpartner*innen Mitwirkung bei Bewohner*innen-Informationsveranstaltungen Enge Zusammenarbeit mit der Landessozialarbeit bei der Schaffung neuer Angebo- te hh Medizinischer Dienst Die medizinische Versorgung ist in der Erstaufnahmeeinrichtung in zwei Bereiche unter- teilt: Die medizinische Untersuchungs- und Versorgungspassage (MUVP) im Ankunfts- zentrum: Dieser Arbeitsbereich ist für die Erstuntersuchung der Asylsuchenden zuständig. Die- se erfolgt nach Registrierung im Ankunftszentrum und vor Verlegung in die Unter- kunft. In der MUVP werden alle ankommenden Asylsuchenden erstuntersucht (unter anderem auf Anzeichen von Infektionserkrankungen und andere akut behandlungs- bedürftige Erkrankungen). Darüber hinaus werden Asylsuchende anhand von Bera- tungsgesprächen, im Beisein von Dolmetscher*innen und Ärzt*innen, über die vom Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlenen Impfungen aufgeklärt. – 18 – Da die medizinische Erstuntersuchung grundsätzlich am Ende des ersten Tages des Aufnahmeprozesses stattfindet, können besondere Bedarfe vulnerabler Personen frühzeitig erkannt und die weitere Betreuung, Versorgung und Unterbringung in en- ger Abstimmung mit der Landessozialarbeit koordiniert werden. Die Medizinische Ambulanz Zur medizinischen Versorgung während der Unterbringung steht in der Erstaufnah- meeinrichtung eine medizinische Ambulanz zur Verfügung. Hier wird die ambulan- te Versorgung durch regelmäßige ärztliche Sprechstunden gewährleistet. Ein rund um die Uhr präsenter Sanitätsdienst vervollständigt das Angebot. Bei Bedarf stehen unterstützend Sprachmittler*innen zur Verfügung. Durch ein niederschwelliges und spezifisch angepasstes Angebot kann somit gezielt auf die Gesundheitsbedürfnisse eingegangen werden. Durch die Nähe zu den Bewohner*innen werden die Mitarbeiter*innen des medizini- schen Dienstes häufig auch bei individuellen Sorgen und Ängsten angesprochen oder um Rat gefragt. Das Personal ist somit angehalten, die jeweiligen Ansprechpartner*in- nen zu kennen und Bewohner*innen bei Bedarf gezielt dorthin weiterzuleiten. Auch die Mitarbeiter*innen der medizinischen Ambulanz sind mit der EU-Richtlinie 2013/33 zur Registrierung vulnerabler Personen vertraut und in der Lage diese zu identifizieren und medizinische Bedarfe festzustellen. Durch die enge Zusammenarbeit der medizinischen Ambulanz, der Landessozialarbeit, der psychosozialen Zentren sowie den Dienstleistern der Sozialbetreuung kann die Betreuung, Versorgung und Unterbringung vulnerabler Personen individuell gestaltet und auf die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden. hh Sicherheitsmitarbeiter*innen Der Sicherheitsdienst in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen wird durch Dienstleister*innen gewährleistet. Der Auftrag des Sicherheitspersonals ist in Dienst- leistungsverträgen sowie der objektbezogenen Dienstanweisung definiert. Sowohl der personelle Bedarf, wie auch die zu bewachenden Bereiche sind aufgrund einer standort- bezogenen allgemeinen Gefährdungsanalyse begründet und werden zentral koordiniert und überwacht. Das Sicherheitspersonal ist, aufgrund der 24/7 Anwesenheit im Zweischichtsystem zu je 12 Stunden, Ansprechpartner*in für alle Bewohner*innen und damit auch für die unter- gebrachten vulnerablen Gruppen. Durch die auffällige Arbeitskleidung, die geringeren Sprachbarrieren sowie die örtliche Ansprechbarkeit sind die Mitarbeiter*innen in der Lage, den Bewohner*innen ein hohes Maß an Orientierungshilfen zur Verfügung zu stel- len. Eingesetzt werden aus diesem Grund nach Möglichkeit sowohl männliche wie auch weibliche Sicherheitsmitarbeiter*innen. Sofern weibliche Mitarbeiterinnen für diesen Ar- – 19 – beitsbereich nur begrenzt verfügbar sind, sind diese in den besonders geschützten Be- reichen für Frauen einzusetzen. Im Rahmen des Schutzkonzepts werden die Sicherheitsmitarbeiter*innen besonders sen- sibilisiert und haben folgende Aufgaben: Beobachtung und Dokumentation von Diskriminierungen und sozialer Ausgrenzung von Personen insb. vulnerablen Personen Dokumentation von Anhaltspunkten bei drohender Kindeswohlgefährdung Hinweise auf den Konsum illegaler Suchtmittel oder Alkoholkonsum in der Erstauf- nahmeeinrichtung Deeskalation in (verbalen) Konfliktmomenten und Weitergabe der dazugehörigen Informationen Meldung von Personen bei Vorliegen von selbst- oder fremdaggressivem Verhalten Die Weitergabe der Informationen zu o.g. Vorkommnissen muss generell schriftlich an die Verantwortlichen erfolgen. Zur Gewährleistung der Umsetzbarkeit der Aufgaben werden dem Sicherheitspersonal entsprechende Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen3 auferlegt. hh Andere Arbeitsbereiche und Dienstleistungen Die Anzahl der behördeneigenen Mitarbeiter*innen und der eingesetzten Dienstleis- ter*innen in Reinigung, Hausmeisterservice sowie Catering ist unterschiedlich. Auch diese Personengruppe wird über den Verhaltenskodex informiert und ist angehal- ten, diesen aktiv mitzutragen. Obgleich sie mit der Betreuung der schutzsuchenden Men- schen nicht originär betraut ist, spielt sie durch die Begegnungen im Alltag eine wichtige Rolle. Sofern eine der im Schutzkonzept nicht näher benannten Professionen durch Be- wohner*innen um Unterstützung in persönlichen Angelegenheiten gebeten wird, sind diese angehalten, die Informationen an die Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrich- tung, die Landessozialarbeiter*innen oder an den medizinischen Dienst weiterzugeben. Auch Beobachtungen oder Vermutungen besonders in Fällen von drohender Kindes- wohlgefährdung, sexualisierter oder häuslicher Gewalt sind an die entsprechenden Stel- len zu übermitteln, um schnellstmöglich Hilfestrukturen zu aktivieren. Darüber hinaus werden diese Mitarbeiter*innen für die Maßnahmen zum Schutz der Be- wohner*innen informiert und sensibilisiert. hh Mitarbeiter*innen und Dienstleister*innen des Ankunftszentrums (AZ) Die Registrierung vulnerabler Personen spielt im Ankunftszentrum eine elementare Rolle. Aus diesem Grund sind alle Mitarbeiter*innen im Umgang besonders mit vulnerablen Personen sensibilisiert und in der Lage, die dazugehörigen Informationen an ihre An- 3 Siehe dazu Kapitel 3.2 Sensibilisierungsmaßnahmen – 20 – sprechpartner*innen weiterzuleiten. Darüber hinaus verfügt das AZ zusätzlich über bau- liche Schutzmaßnahmen. Dazu zählen: Geschützte Gesprächsräume zur Schaffung einer sicheren Atmosphäre Spielecken für Kinder in den Wartebereichen sowie Wickel- und Stillräume sowie barrierefreie Zugänge Ein besonderes Augenmerk liegt im Rahmen der Umsetzung des Schutzkonzepts auch auf der Bereitstellung der psychosozialen Versorgung der Asylsuchenden durch die Landessozialarbeit. Diese unterstützen die Betroffenen persönlich bei besonderen Pro- blemlagen, wie familiären Konflikten, schwierigen Lebenslagen, Gewalterfahrungen oder Suchtproblematiken. Die während der Registrierung festgestellten vulnerablen Personen werden durch die Mitarbeiter*innen gezielt auf die Angebote der Landessozialarbeit auf- merksam gemacht und bekommen die Möglichkeit, deren Unterstützung im Rahmen der individuellen Einzelfallhilfe zu erhalten. 3.2 Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen und Dienstleister*in- nen Um besondere Schutzbedarfe zu erkennen, darauf zu reagieren und Handlungssicherheit bei allen Mitarbeiter*innen inklusive Dienstleister*innen gewährleisten zu können, werden regelmä- ßig unterschiedliche Sensibilisierungsmaßnahmen und Schulungen zu verschiedenen Themen- feldern angeboten. Die Teilnahme ist verpflichtend. Folgende Themenschwerpunkte werden regelmäßig abgedeckt:4 Sensibilisierung zur Erfassung besonderer Schutzbedarfe Sensibilisierung im Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen Sensibilisierung im Umgang und mit der Betreuung LSBTTI*-Geflüchteter Erkennen von Kindeswohlgefährdung Umgang mit suizidgefährdeten Personen Deeskalationstraining und Umgang mit schwierigen Situationen im Arbeitsalltag Sensibilisierung im Umgang mit geflüchteten Kindern Sensibilisierung im Umgang mit traumatisierten Geflüchteten Vermittlung der Meldeketten bei besonderen Vorkommnissen Salafismusprävention des Regierungspräsidiums Gießen in Zusammenarbeit mit 4 Diese Aufstellung ist nicht abschließend – 21 – dem Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE), dem Landesamt für Verfassungsschutz Hessen sowie Violence Prevention Network (VPN) Die Vorgesetzten tragen die Verantwortung für die Erfassung der individuellen Schulungsbedar- fe und geben diese an die entsprechenden Dezernate weiter. Eine Teilnahme an den Schulun- gen ist grundsätzlich unter Berücksichtigung der Aufrechterhaltung des alltäglichen Betriebs zu gewährleisten. 4. Belegungsmanagement Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen verfügt über ein Standortbelegungskonzept, das an die Vorgaben des Schutzkonzepts angepasst wurde. Das Standortbelegungskonzept ist als Schwerpunktkonzept zu verstehen, in dem auch Erfah- rungen in der Unterbringung von vulnerablen Personen Berücksichtigung finden. Im Rahmen der praktischen Umsetzung werden bereits im Ankunftszentrum besondere Unterbringungsbe- darfe erfasst und die Belegung in der Unterkunft entsprechend koordiniert. Dabei stehen unter anderem Versorgungsmöglichkeiten für chronisch Kranke und Menschen mit einem erhöhten medizinischen Bedarf zur Verfügung. Grundsätzlich wird eine heterogene Unterbringung angestrebt, um Konflikte und Spannungen zu reduzieren und individuelle Bedarfe berücksichtigen zu können. Um individuelle Schutzbedarfe berücksichtigen zu können, verfügt die Erstaufnahmeeinrich- tung über Unterbringungsmöglichkeiten, die in einem separierten Bereich vorgehalten werden. 4.1 Separierte Unterbringungsmöglichkeiten hh Separierte Unterbringung für (alleinreisende) Frauen mit und ohne Kinder inkl. Clearingplätze: Um ganzheitlich Sicherheit zu gewährleisten, haben männliche Bewohner zu diesen Be- reichen keinen Zugang. Auch dann nicht, wenn die Bewohnerinnen dies selbst wünschen. Dies wird durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet. Die Zimmerbelegung erfolgt, sofern es die Belegungskapazität zulässt, in homogenen Sprachgruppen. Dies ermöglicht vor allem alleinreisenden Frauen die Knüpfung neuer – 22 – sozialer Kontakte. Zudem wird darauf Rücksicht genommen, ob Frauen mit oder ohne Kinder nach Deutschland eingereist oder Frauen zum Einreisezeitpunkt schwanger sind. Es wurden positive Erfahrungen damit gemacht, Schwangere und/oder alleinreisende Frauen mit Kindern einer Sprachgruppe gemeinsam unterzubringen. Durch die sich ent- wickelnde gegenseitige Unterstützung kann Überforderung vermieden werden und ein unterstützendes Netzwerk entstehen. Innerhalb der Belegung werden jedoch die eigenen Wünsche der Frauen, sofern Selbst- und Fremdgefährdung ausgeschlossen werden kann, berücksichtigt. In Fällen, in denen sich alleinreisende Frauen einem Familienverbund angeschlossen haben, wird die Unter- bringung einzelfallbezogen geprüft. Das neu entstandene soziale Netzwerk kann Stabili- tät und ein schützendes Umfeld im Unterbringungsalltag bieten, sodass eine Trennung in diesen Fällen nicht anzustreben ist. Zusätzlich dazu werden im separierten Unterbringungsbereich für Frauen sogenannte Clearingplätze vorgehalten. Die Anzahl ist dabei abhängig vom jeweils gültigen Bele- gungskonzept. Die Clearingplätze sind ausschließlich Frauen vorbehalten, bei denen es innerhalb der Unterbringung zu partnerschaftlichen Konflikten kommt. Weitere unterstützende Netz- werke durch die Landessozialarbeit und die Sozialbetreuung stehen betroffenen Frauen bei Konflikten innerhalb der Partnerschaft zur Verfügung. Zur Schaffung einer schützenden Unterbringung werden in diesem Bereich weibliche Si- cherheitsmitarbeiterinnen eingesetzt. hh Separierte Unterbringung von Familien Familien werden innerhalb der Einrichtung in einem separaten Wohnbereich unterge- bracht. Der Zugang zu den Wohnräumen wird gesondert beaufsichtigt. Grundsätzlich steht Familien, sofern möglich, eine Wohneinheit (Familienzimmer) zur Ver- fügung. Die Sanitäreinrichtungen im Familienbereich sind mit Wickelmöglichkeiten ausgestattet. Die Einrichtung von Spielzimmern im Familienbereich wird individuell geprüft und um- gesetzt. hh Separierte Unterbringung LSBTTI*-Geflüchtete Für LSBTTI*-Personen besteht die Möglichkeit, in Einzelzimmern oder aber gemeinschaft- lich mit einer nahestehenden Person untergebracht zu werden. Die für die Personengrup- – 23 – pe vorgehaltenen Zimmer werden, um einer Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung präventiv entgegenzuwirken, nicht für alle Personen transparent gemacht. Bei einer Ein- zelbelegung ist die betroffene Person in jedem Fall einzubeziehen und das Gespräch mit dieser zu suchen. Die Bedürfnisse der Person sollten berücksichtigt werden und die Un- terbringung daran angepasst sein. hh Schutzstandards im Innen- und Freigelände Neben separierten Unterbringungsmöglichkeiten für besonders schutzbedürftige Per- sonengruppen verfügt die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen über weitere Schutzstandards im Innen- und Freigelände. Dazu zählen: Dazu zählen: Separierter Unterbringungsbereich für alleinreisende Männer – Frauen und Kindern ist der Zugang untersagt Individuelles Beleuchtungskonzept zur Vermeidung dunkler Bereiche im Außenge- lände Sicherung der einzelnen Unterbringungsgebäude zur Gewährleistung des Zutritts ausschließlich durch Befugte Piktogramme zur Kennzeichnung der separierten Unterbringungsbereiche sowie Hinweise auf das Verbot des Konsums illegaler Suchtmittel und/oder des Alkohol- konsums Freigelände auf abgegrenzten Grün- und Asphaltplätzen für Sportmöglichkeiten Freigelände mit Spielmöglichkeiten für Kinder aller Altersstufen Abgeschlossene Keller und Dachgeschosse Gewährleistung der Zugangserlaubnis zu geschlechtsspezifischen Angeboten und Bereichen ausschließlich durch Befugte Das Sicherheitspersonal ist zur Gewährleistung der baulichen Sicherheitsstandards au- ßerdem für Bereiche sensibilisiert, die für besonders schutzbedürftige Bewohner*innen oder vulnerable Personengruppen vorgehalten werden. 4.2 Geschützte Gemeinschaftsräume für bedarfsorientierte Ange- bote Neben der Schaffung getrennter Unterbringungsmöglichkeiten sollen geschützte Gemein- schaftsräume die baulichen und organisatorischen Schutzmaßnahmen in der Erstaufnahmeein- richtung des Landes Hessen ergänzen. – 24 – Die Bewohner*innen sollen durch Gespräche neue soziale Kontakte knüpfen und die Möglich- keit erhalten, Freizeitangebote wahrzunehmen. Folgende Räume sind installiert: Frauencafé Männercafé Gemeinschaftsraum für Familien Kinderfreundliche Orte Die Räume sind so zu gestalten, dass sich auch mehrere Personengruppen Kapazitäten teilen und feste Nutzungszeiten durch die Sozialbetreuung in Absprache mit den Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung festgelegt werden können. Wichtig ist, dass in diesen Fällen die Regelungen transparent gemacht und über Aushänge Informationen bekannt gegeben werden. Besonders die Angebote im Frauen- und Männercafé müssen so strukturiert werden, dass eine Betreuung der Kinder durch den anderen Elternteil oder die intern angebotene Kinderbetreu- ung parallel gewährleistet wird. Die unterschiedlichen Angebote in den Gemeinschaftsräumen sind an die Interessen und Be- darfe der Bewohner*innen anzupassen und deren Anregungen und Wünsche entsprechend einzubeziehen. Außerdem werden diese durch die Sozialbetreuung beworben und es wird zu einer Teilnahme motiviert. Auch ehrenamtliche Mitarbeiter*innen können sich hier aktiv einbringen und Aktivitäten anbie- ten. Je nach Interessen oder aktuellen Anlässen sollen die Räumlichkeiten auch genutzt werden, um externe (Hilfs-) Angebote vorzustellen und Ansprechpartner*innen einzuladen. Insbesondere im Frauencafé ist eine ungestörte und angstfreie Atmosphäre zu gewährleisten. Um Barrieren im sozialen Miteinander abzubauen und ein vertrauensvolles Miteinander zu schaf- fen, sind die Angebote und deren Inhalte offen zu kommunizieren. In allen Angeboten sind das soziale Miteinander und der Austausch zu fördern. Bei der Installierung geschützter Gemeinschaftsräume ist das Raumkonzept in den Liegenschaf- ten zu berücksichtigen. 5. Netzwerke und Kooperationspartner Für die individuelle Betreuung und Versorgung der geflüchteten Menschen verfügt die Erstauf- nahmeeinrichtung des Landes Hessen über stabile Netzwerke und Kooperationspartner. Neben der Förderung der Integration der Bewohner*innen durch Nutzung der Angebote im Gemein- wesen werden unter anderem auch Kontakte zu externen Beratungsstellen für die individuelle – 25 – Einzelfallhilfe hergestellt. Unterstützungsmaßnahmen können einzelfallbezogen nach Abspra- che mit der Landessozialarbeit auch in der Unterkunft erfolgen. Für Netzwerkpartner gelten, zum Schutz der Bewohner*innen, die gleichen Zugangsvoraussetzungen wie für haupt- und ehren- amtliche Mitarbeiter*innen. Die Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung erweitern und pflegen das Netzwerk und halten die Kontakte zu den wichtigen Kooperationspartnern. Dazu zählen unter anderem auch niedergelassene Arzt- und Facharztpraxen, Krankenhäuser sowie die örtlich zuständige Polizei- dienststelle. Zusätzlich sind die Verantwortlichen dazu angehalten, an den in der Kommune statt- findenden Runden Tischen sowie Netzwerktreffen teilzunehmen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Vernetzung mit Organisationen zu legen, die sich aktiv dem Gewalt- und Opfer- schutz sowie dem Schutz vulnerabler Personen widmen. Weitere wichtige Kooperationspartner für die Erstaufnahmeeinrichtung sind die Kommunalver- waltungen, externe Beratungsstellen, das BAMF, die Jugendämter, das Landesamt für Verfas- sungsschutz, der Ausländerbeirat, die Ehrenamtsagenturen und Kirchengemeinden, die Univer- sitäten und Hochschulen, die Bildungsträger sowie die Verkehrsbetriebe. 5.1 Die Psychosozialen Zentren (PSZ) Das Land Hessen verfolgt das Ziel, die psychosoziale Versorgung geflüchteter Menschen weiter zu verbessern und fördert daher vier Beratungszentren, die sich in Hessen um die Trauma-Ver- sorgung von Geflüchteten kümmern. Die Psychosozialen Zentren befinden sich in: Nordhessen (Kassel) Mittelhessen (Gießen) Rhein-Main (Frankfurt) Südhessen (Darmstadt) Die vornehmliche Aufgabe der vier Psychosozialen Zentren besteht darin, für die Bewohnerin- nen und Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes strukturierende Angebote und Sprechzeiten anzubieten und in der Folge geeignete Schritte zur Stabilisierung und Weiterver- mittlung der traumatisierten Menschen in die örtlichen Regelstrukturen vorzunehmen. Die Psychosozialen Zentren ermöglichen die Beratung und Betreuung von geflüchteten Men- schen und den im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung tätigen Mitarbeiter*innen. – 26 – Zu den Angeboten zählen insbesondere: Niedrigschwellige psychosoziale Betreuung und Beratung Erstgespräche bei akuten Belastungen Durchführung von Gesprächsrunden mit Betroffenen Organisation von Angeboten zur Alltagsgestaltung in den Erstaufnahmeeinrichtun- gen Weiterleitung behandlungsbedürftiger Personen in das vernetzte Versorgungssys- tem Vermittlung weiterführender Hilfen sowie Mitorganisation der Weiterversorgung Zusammenarbeit und Schnittstelle zwischen Ärzt*innen, Therapeut*innen, Sozial- diensten, Behörden und Unterkünften Ansprechpartner*innen in Fragen der psychosozialen Betreuung Fallbesprechungen, fachliche Information und Beratung der im Rahmen der Flücht- lingsbetreuung Tätigen vor Ort – 27 – Impressum: Regierungspräsidium Gießen Abteilung VII Dezernat 74 Lilienthalstraße 2 35394 Gießen Tel.: (0641) 7961-0 Fax: (0641) 303-2197 E-Mail: [email protected] www.rp-giessen.de www.facebook.com/rp.giessen Stand: Februar 2019

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