Zusammenfassung "Grundlagen der Politik" WS 2018/19 PDF
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This document is a summary of political concepts and processes. It explains politics as the process of addressing collective problems, and the role of power in the society.
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Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Themenblock I – Politikbegriffe Was ist „Politik“? → es gibt keine klare, korrekte und richtige Definition von Politik, sie ist mehr eine Mischung aus vielen einzelnen Bereichen Politik ist das Spiegelbild von Werten und Normen → organisiert das Z...
Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Themenblock I – Politikbegriffe Was ist „Politik“? → es gibt keine klare, korrekte und richtige Definition von Politik, sie ist mehr eine Mischung aus vielen einzelnen Bereichen Politik ist das Spiegelbild von Werten und Normen → organisiert das Zusammenleben - regelt wie es zu verbindlichen Entscheidungen kommen soll - dabei sind Konflikte unausweichlich, weil die Ressourcen auf der Welt knapp sind! Politik bedeutet die verbindliche Regelung gesellschaftlicher Konflikte 1. Suche nach Kompromiss 2. Herrschaft 3. Ausübung von Macht 4. Manipulation 1. Politik als Suche nach Kompromiss Staat = höchste Form der menschlichen Gemeinschaft, sein Zweck ist Gemeinwohl → ethische Ideal von Politik! → Politik als Prozess der Lösung kollektiver Probleme, Suche nach gesellschaftlichen Kompro- missen – in der Realität oft Interessensstreit, Manipulation und Gewaltanwendung 2. Politik als Herrschaft Herrschaft basiert auf Legitimität – geht diese verloren, entstehen Revolutionen! Herrschaft: bezeichnet das Recht einer Person oder Institution verbindliche Entscheidungen zu treffen, die einen größeren Personenkreis betreffen! M. Weber: Herrschaft bezeichnet die Chance, für einen Befehl bei anderen Personen Gehor- sam zu finden; Herrschaft im politischen Sinn = Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten – wird rechtmäßig anerkannt, auf Dauer angelegt und ist gewissen Regeln unterworfen Legitimität der modernen Demokratie beruht auf: - Grundsätzen der Souveränität des Volkes - Rechtsstaatlichkeit - (Sozialer) Gerechtigkeit Formen von Herrschaft nach M. Weber: a) Legale/rationale Herrschaft: beruht auf Glauben an die Legalität gesetzter Ordnung (z.B. Gesetze) – mit allen Gerichtshöfen, Institutionen und politischen Einrichtungen → Wahlen (Mitspracherecht) b) Traditionelle Herrschaft: beruht auf Alltagsglauben, an die Gültigkeit von Traditionen, z.B. Patriarchat, Feudalismus, Erbschaftsfolge c) Charismatische Herrschaft: beruht auf Hingabe an Heiligkeit, Heldenkraft oder Vorbildlichkeit, z.B. Prophet, Volkstribun → in der Realität – Mischform dieser drei Typen! Staatslehre, Regierungslehre = Grundgerüst der Politik, bzw. Anfänge der Politik 3. Politik als Ausübung von Macht Macht: ist die Fähigkeit von Individuen, das Verhalten und Denken anderer in ihrem Sinne bestimmen zu können (Max Weber) → Macht kann auf Legitimität beruhen, aber auch auf Merkmalen wie Reichtum, physischer Stärke und der Anwendung von Gewalt! Entscheidungsarenen → hier kommen jene Akteure zusammen, die um politische Entscheid- ungen ringen (z.B. beratenden Ausschüsse für Minister auf EU-Ebene) – offene, für das Publikum sichtbare Auseinandersetzung 1 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 4 Gesichter der Macht: 1) „offene Macht“ Konfliktaustragung (in einer Entscheidungsarena) = offene Machtausübung → Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen – gekennzeichnet durch Wahrnehmbarkeit und Interessengegensätze 2) „verdeckte, subjektive Macht“ = latente Macht mächtige Akteure schaffen es ein Thema gar nicht auf die Entscheidungs-Agenda kommen zu lassen (Eingrenzung des Problembereichs) → status-quo wird nicht verändert = „non-decision-making“ Politischen Diskurs gezielt auf andere Themen verlagern Muss sich dadurch gewissen Problemfragen nicht erst stellen! Macht durch „Agenda Setting“ 3) „falsches Bewusstsein“ = strukturelle Macht ohne offenen Konflikt, hier taucht der Interessenkonflikt nicht einmal mehr bewusst auf! Z.B. durch Kontrolle der Medien/Werbung, politische Propaganda, staatliche Monopole, oder gesellschaftlicher Normen → Wahrnehmungen werden gestört, Dritte machen scheinbar freiwillig das von ihnen gewollte! 4) Macht ist nicht an einen Akteur gebunden → sondern ist wie Dienstgrad z.B. weißer Kittel von Ärzten („der Arzt“) → komplexe, strategische Gesellschaftssituation, die die Interaktion von Individuen prägt auch stark beeinflusst durch/von gesellschaftlichen Normen Prägung von Machtgefühl 4. Politik als Manipulation Positionen zu persönlichem, individuellem Vorteil missbrauchen Korruption Politik wird hier allgemein als negativ gesehen → negatives Image Persönliche Motive hinter Gemeinwohlargumenten verbergen („Machiavellismus“) → solange es aber Behörden, Einrichtungen und kritische Medien gibt, ist diese Form von Politik sehr selten (Kontrolle durch Gerichtshöfe, Medien, Opposition, etc.) Drei Dimensionen des Politischen: kann nur durch englische Begriffe wirklich definiert werden! Polity (statische Seite) = Ordnung/Struktur des politischen Systems – institutionellen, organisatorischen und normativen Rahmenbedingungen der Politik, die darauf beruht → Verfassung, Kammern, etc. Politics (dynamische Seite) = Prozesse von Konfliktaustragung → alles was letztlich zu politischen Entscheidungen führen kann und soll – Konsensbildung, Grundlage konkurrierender Interessen Policy = Inhalte, Ziele, Programme und Instrumente der Politikfelder (z.B. wie des Umweltschutzes) → Art und Substanz von Sachentscheidungen 2 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Politisches System Systema (griechisch) – „das Gebilde, Verbundene“ System ist die Gesamtheit von Elementen, die aufeinander bezogen sind und so wechselwirken, dass sie zweckgebundene Einheiten bilden und sich gegenüber der Umwelt abgrenzen lassen; → Systeme organisieren und erhalten sich durch Strukturen; Struktur = Muster der System- elemente und ihrer Beziehungen Prinzipien für Systeme: bestehen aus Elementen, die in Beziehungen stehen lassen sich durch Systemgrenzen von Umwelt abgrenzen Makroebene: System als Ganzes Mikroebene: Systemelemente Beziehungen zwischen Elementen sind Austauschprozesse System ist Teil von vielen Systemen und bestimmt die Eigenschaften eines übergeord- neten Systems mit Politische Systemtheorie Systemansatz entstand in den 40er und 50er Jahren in den USA (T. Parsons, D. Easton) als Versuch der zunehmenden Spezialisierung der Wissenschaft entgegenzuwirken; Idee: zur Aufrechterhaltung des Systems müssen bestimmte Leistungen (Funktionen) erbracht werden, dazu müssen Systemelemente (=politische Strukturen) in Beziehung stehen Das politische System - Grundannahmen und Begriffe: bildet neben anderen Systemen (z.B. Wirtschaft) ein abgrenzbares Teilsystem zeichnet sich durch Strukturen, Funktionen & Wechselwirkungen zwischen Elementen aus nimmt autoritative Wertzuweisungen vor → trifft für alle verbindliche Entscheidungen steht in Austauschbeziehungen mit der Umwelt Talcott Parsons: Erster Versuch einer Universaltheorie der Soziologie Sobald ein Phänomen eine zeitlich stabile Struktur zeigt = System Austauschprozesse mit der Umwelt = „umwelt-offene Systeme“ Input/Output-Systeme Systeme müssen Grenzen zu Umwelten nachzeichnen = „boundary-maintaining systems“ System muss vier Funktionen erfüllen, um seine Existenz zu sichern (AGIL-Schema): 1. Adaptation (Anpassung) = muss sich an äußere Bedingungen anpassen 2. Goal Attainment (Zielverfolgung) = muss Ziele definieren und verfolgen 3. Integration (Eingliederung) = muss Kohäsion (Zusammenhalt) und Inklusion (Einschluss) herstellen und absichern 4. Latency (Aufrechterhaltung) = muss grundlegende Strukturen und Wert- muster aufrechterhalten → innerhalb jedes Systems müssen die Strukturen diese Funktionen übernehmen! David Easton: → schließt an Parsons Überlegungen an; Politisches System = ausdifferenziertes Teilsystem der Gesellschaft Kritik an der politischen Wissenschaft: Historicism (Geschichte der politischen Ideen): politische Theorie sei keine autonome Theorie und könne auf Fragen der Gesellschaft keine verbindlichen Antworten geben Hyperfactualism: theorielose Sammlung von Daten deren Relevanz nicht nachvollziehbar ist 3 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Zentrales Problem der politischen Theorie = Untersuchung der Prozesse (fundamentale Funktionen + typische Reaktionsweisen durch die Systeme Prozesse in Gang halten) und Beschaffenheit sowie die Bedingungen dieser Reaktionen Grundlegende Entscheidungen: Analyseeinheit = ‚politisches System‘ („system of behavior“) Identifikation der politischen Interaktionen Funktion des PS: Herstellung & Durchsetzung von allgemein verbindlichen Entscheidungen Interaktionen zur Verteilung von Werten = politische Interaktionen Handelnde werden als Rollenträger aufgefasst, sie handeln nicht als Individuen, sondern als Vertreter bestimmter Institutionen PS ist offen und adaptiv (steht mit seiner Umwelt in Austauschbeziehungen) Gesellschaft bildet wichtigste Umwelt: o Intra-societal environment = ökonomisches und ökologisches System o Extra-societal environment z.B. internationales politisches System Grenzerhaltendes System → differenziert sich aus der Gesellschaft heraus und bewahrt gegenüber seiner Umwelt eine Grenze Grad der Differenzierung kann bspw. erfolgen durch: - Unterscheidung politscher Rollen von anderen Rollen - Inwiefern Inhaber politischer Rollen eine eigene Gruppe bilden - Inwieweit politische Rollen in Hierarchie stehen - Ob eigener Selektionsmechanismus für Besetzung politischer Rollen vorhanden ist Persistenz (Beharrlichkeit, Fortdauer) des PS: → PS sind dynamisch → Einflüsse/Forderungen der Gesellschaft sind unvermeidbar und notwendig → Entscheidungsträger benötigen Feedback, um Entscheidungen & Handlungen setzen zu können Input-Kategorien „ demands“ & „supports“: Erwartungen, Interessen, Präferenzen etc. der Umwelt Inputs können sowohl Forderungen (demands) als auch Unterstützungen (supports) sein Materielle wie immaterielle Unterstützungsleistungen (Steuer, Wehrdienst, etc.) Forderungen als Impulse für das Handeln des PS Nur als Forderung nach bindenden Entscheidungen für das PS relevant Begrenzte Kapazität zur Verarbeitung → selektiert zu regelnde Probleme Specific support: Bürger überprüfen, ob ihre Forderungen in Form von Outputs realisiert wurden; falls ja → support Diffuse support: unabhängig vom Output (kurzfristig); ausreichend diffuse support notwendig für Fortbestehen (Vertrauen, Akzeptanz); entsteht lt. Easton von Kindheit an im Weg der Sozialisation Output des PS: PS verwandelt Inputs in Output , d.h. in Entscheidungen und Maßnahmen, die Verhalten verbind- lich regeln und steuern; → wirken sich in Form weiterer Inputs aus (zumindest ist Feedback zu erwarten) Regelkreislauf ist geschlossen, Authorities (Entscheidungsträger) reagieren auf neue Inputs durch Gesetzesreform, neue Instrumente, „aussitzen“, …. Politische System überlebt solange es die Grundfunktionen erfüllen kann: Entscheidungen treffen und Akzeptanz schaffen! Kritik an Easton‘s Systemtheorie: + universal anwendbar + Aufschlüsselung von Struktur und Funktion eines PS + erklärend und nicht wertend (nicht normativ) - interner Willensbildungsprozess bleibt offen (black box) 4 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Gabriel A. Almond Weiterentwicklung des Systems von Easton – Vergleich von Regionen und Staaten nach Funktionen und Institutionen Input-Funktionen des PS: - Politische Sozialisierung und Rekrutierung - Interessensartikulation - Interessensaggregation - Politische Kommunikation Output-Funktionen des PS: - Rulemaking - Rule-application - Rule adjucation → die Output-Funktionen entsprechen im Wesentlichen den traditionellen drei Staatsgewalten: Legislative, Exekutive und Judikative Themenblock II – Politische Akteure Akteurszentrierter Institutionalismus (Renate Mayntz, Fritz W. Scharpf) Zentrale Annahmen: - Politik als Produkt von Interaktionen auf rationaler Basis - zwischen intentional handelnden Akteuren - durch institutionellen Kontext (vor-)strukturiert und damit beeinflusst Elemente des Erklärungsansatzes: 1. Akteure 2. Konstellationen 3. Interaktionsformen 4. Das alles in: Institutionellem Kontext 1. Akteure: sind durch bestimmte Fähigkeiten, Wahrnehmungen und Präferenzen charakterisiert o Fähigkeiten (Handlungsressourcen) ▪ Persönlich: „physische Stärke“ (z.B. Mitgliederzahl), Intelligenz, Expertise ▪ Materielle Ressourcen: Geld, Land, militärische Macht, Streikmacht, etc. ▪ Privilegierter Informationszugang (vgl. Kammern vs. NGOs) ▪ Institutionelle Regeln: Kompetenzen, Partizipationsrechte, … o Wahrnehmungen und Präferenzen (Handlungsorientierungen) ▪ Bewertung des Status quo und möglicher Änderungen ▪ Einschätzung der Problemursachen ▪ Wünschbarkeit möglicher Ergebnisse / Alternativen im Vergleich ▪ Eignung vorhandener Maßnahmen (Instrumentenwahl) 2. Akteurskonstellation: o Staatliche Programme sind normalerweise nicht von einem Akteur allein „produziert“ (d.h. zu beschließen) o → ein Produkt mit strategischen Interaktionen zwischen Vielzahl politischer Akteure mit eigenen Handlungsorientierungen und -ressourcen (=Akteurs- konstellationen) 5 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 3. Interaktionsformen: Vier idealtypische Steuerungsmechanismen („Interaktionsformen“) nach Scharpf: 1) Einseitiges Handeln (Markt oder Anarchie) 2) Verhandlung 3) Mehrheitsentscheidung 4) Hierarchische Steuerung Hierarchie wird dabei verstanden als Situation, wo untergeordnete Akteure der Kontrolle von übergeordneten Akteuren unterliegen; übergeordnete Instanzen definieren Ziele; Vorteile: eindeutige Streitentscheidung, klare Zuordnung von Verantwortung auf Stellen, Spezialisierung, Entscheidung nicht auf (langwierigen) Interessenausgleich angewiesen; Mischform von Interaktion: „Verhandlungen im Schatten der Hierarchie“ (nach Scharpf) ‚Negative Koordination‘: betroffene Akteure erhalten nur die Gelegenheit, zu Entschei- dungen Stellungnahmen abzugeben oder Einwände gegen sie zu erheben; Konflikte werden in bilateralen Verhandlungen zwischen zuständigen Verwaltungseinheiten und betroffenen Akteuren einzeln ausgeräumt; ‚Positive Koordination‘: multilaterale Verhandlungen; Akteure an Ausarbeitung von Entscheidungen unmittelbar beteiligt; Verfahren nur in kleinen Gruppen effektiv! 4. Institutioneller Kontext: Verhalten von Akteuren, Formierung von Konstellationen und deren Interaktionsformen sind stets von institutionellem Kontext geprägt Institutionen: ▪ Regelsysteme, die Verhalten von Akteuren strukturieren (von Verfassung über Wahlrecht, Geschäftsordnung von Parlamenten, etc.) ▪ sowohl formale, rechtliche Regeln als auch soziale Normen Formal: Verfassung, Gesetze, Verträge, … Informal: Umgangsformen, Sitten, … ▪ Regelverletzung führt zu Reputationsverlust, sozialer Missbilligung oder Ächtung Institutionen ≠ Organisationen! ▪ Organisationen definieren sich über formelle Mitgliedschaft, gemeinsames Ziel, Abläufe und Prozesse ▪ Institutionen = handlungsleitende Regelsysteme Institution und Organisation: z.B. Kirche, Universität Institution ohne Organisation: z.B. bilaterale Abkommen Einflussmechanismen bzw. -wege: o Institutionen – als sanktionierte Regeln – schränken Handlungsmöglichkeiten ein → wirken als Filter o Bestimmen Kompetenzen und Handlungsressourcen und geben z.T. Ziele vor o Beeinflussen Präferenzen und Wahrnehmungen von Akteuren und somit ihre Bewertung von möglichen Handlungsergebnissen Akteurstypologie Typologie als Mittel der Vereinfachung; beschreibt Idealtypen, die in Praxis kaum anzutreffen sind Individuen und komplexe Akteure: Es können nur Individuen zweckgerichtet handeln → sie handeln häufig aber nicht nur für sich, sondern im Namen und Interesse anderer Personen, Gruppen oder Organisationen Analytisch sinnvoll → Ansammlung von Individuen als komplexe Akteure a) Kollektive Akteure: von Präferenzen ihrer Mitglieder abhängig und von diesen weitgehend kontrolliert b) Korporative Akteure: verfügen über hohes Maß an Unabhängigkeit von Nutznießern ihres Handelns 6 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Typologie kollektiver Akteure: 1. Koalition: Verfolgen getrennte, aber +/- vereinbare Ziele Setzen separate Handlungsressourcen im Rahmen koordinierter Strategien ein Handeln meist auf Grundlage von Vereinbarungen Können sich nur auf Strategien einigen, die den separaten Eigeninteressen aller Mitglieder förderlich sind Implementation von Entscheidungen erfolgt durch einzelne Mitglieder 2. Club: Mitglieder sind durch individuelles Eigeninteresse motiviert Mitgliedschaft verpflichtet dazu, Beiträge zu kollektiven Ressourcen zu leisten → Bereitstellung gemeinsamer Güter und Leistungen möglich Formalisierte Entscheidungsstrukturen und meist Mitarbeiterstab 3. Soziale Bewegung: Auf freiwillige Kooperation ihrer Mitglieder angewiesen Mitgliedschaft normalerweise groß und verstreut → Koordination durch Verhandlun- gen oder Abstimmungen möglich Mitglieder verfolgen gemeinsame Ziele aufgrund moralischen oder ideologischen Engagements Keine institutionalisierte Führungsstruktur Können sich auf einfache, klar definierte Strategien einigen, sind aber gegenüber Gegnern mit höherer strategischer Flexibilität benachteiligt 4. Verband: Handlungsressourcen unter kollektiver Kontrolle Präferenzen werden auf Ebene des kollektiven Akteurs definiert Mitgliedschaft freiwillig oder obligatorisch (z.B. Kammern, Vereine) Sollen Interessen ihrer Mitglieder dienen („Bottom-up“) Faktische Kontrolle in Händen der Führung Korporative Akteure (z.B. Unternehmen): Werden von „Eigentümer“ oder hierarchischer Führung kontrolliert („Top-down“) Mitglieder wirken nicht aktiv an Festlegung der Handlungsoptionen mit → haben höchstens Macht, Führungspersonal aus-/abzuwählen Strategieentscheidungen sind von Präferenzen der Mitglieder abgekoppelt o Vorteil: hoher Grad an Effizienz und Effektivität o Nachteil: ‚anonymisierte‘ Herrschaft durch große, mächtige und niemandem gegenüber verantwortliche korporative Akteure Typologie der Interessenslagen in der Umweltpolitik (Volker von Prittwitz) Verursacherinteressen - zielen auf Aufrechterhaltung umweltbelastender Tätigkeit zwecks Kostenminimierung → Abwehrinteressen gegenüber umweltpolitischen Aktionen Betroffeneninteressen - zielen auf Abbau von Umweltbelastungen → in grundsätzlichem Konflikt mit Verursacherinteressen Helferinteressen - versuchen möglichst großen Nutzen aus umweltpolitischer Problembewältigung zu ziehen In Praxis fast alle umweltpolitischen Akteure durch Ambivalenz ihrer Interessen gekennzeichnet 7 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Im folgenden Teil: Beschreibung der Handlungslogiken von ausgewählten Akteurstypen (Bürger, Politiker, Beamten, Parlament, Regierung, Verwaltung, Parteien, Verbände, Medien, Wissenschaft) Rolle(n) der Bürger: sollen sich aktiv an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen → als eigentliche Träger demokratischer Staatsgewalt müssen Entscheidungen des Staates akzeptieren, selbst wenn diese ihren persönlichen Interessen widersprechen Bourgeois(e): - Privatperson ohne öffentliches Amt - verwirklicht individuelle, private Interessen selbstständig - begreifen sich als individ., selbstständige Angehörige der Gesellschaft - sucht Freiheit im und Sicherheit vor Ein-/Übergriffen des Staates Citoyen(ne): - Mitglied eines politischen Verbands (i.d.R. des Staates) - wirkt an politischer Willens-/Entscheidungsbildung mit - Teilnehmer an politischer Öffentlichkeit (Publikum) - engagiert sich für gemeinsame Erfüllung öffentlicher Aufgaben Kunde: - handelt mit dem Staat Verträge aus und kooperiert mit ihm - nimmt Leistungen in Anspruch, auf die Rechtsanspruch besteht oder für die bezahlt wird Ko-Produzent: - arbeitet an der Erstellung staatlicher Leistungen mit - engagiert sich für die gemeinschaftliche Erfüllung von Aufgaben (auch) im öffentlichen Interesse Adressat: - ist Staatsgewalt unterworfen, hat aber berechtigte individuelle Interessen und verfügt über eigene Rechte im Verwaltungsverfahren - befolgt staatliche Entscheidungen freiwillig oder aufgrund von Sanktionsandrohungen Untertan: - Betroffene/r staatlicher Entscheidungen - Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen hoheitlich handelndem Staat und BürgerInnen als Untertanen Bürger: immer ein Rollen-Bündel gemeint, das sich mit Entwicklung staatl. Institutionen wandelt Amtsinhaber Personen, die mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Positionen innerhalb der Staatsorganisa- tion wahrnehmen verfügen über „Staatsgewalt“ fungieren als Repräsentanten: des Staatsvolks und der staatl. Institutionen Zwei Gruppen: 1) vom Volk direkt oder indirekt gewählt: Politiker 2) ernannt: Beamten 8 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Politiker agieren zwischen Verwirklichung inhaltlicher Politikziele (policies) und Stimmenmaximierung Machtorientierte Politiker → um möglichst große Zustimmung bei Wahlen bemüht Egoistische Handlungsorientierungen → nicht negativ zu bewerten – tragen zur Verwirklichung des Gemeinwohls bei Bei Wahlen setzen sich jene Politiker durch, die den Bürgerwillen am besten vertreten Typen von Politikern: a) Parteipolitiker: nicht individuelle Politiker, sondern Vertreter von Parteien werben um Gunst der Wähler → handeln im Interesse der Partei, verzichtet in Konflikt auf individuelle Ziele b) Demagoge: versucht, diffuse Ängste und Vorurteile der Bürger für sich zu nutzen und Wähler mit Werbetechniken zu manipulieren c) Ideologe: versucht, Zustimmung zu einer Idee zu mobilisieren und ein kohärentes politisches Programm unabhängig von politischer Machbarkeit zu verwirklichen d) Staatsmann: berücksichtigt realpolitische Restriktionen – bemüht sich um erfolgreiche Durchsetzung von Programmen; handelt im Interesse des Allgemeinwohls e) Politische Unternehmer: vorrangig an Durchsetzung neuer, ambitionierter Programme interessiert; → erhofft sich dadurch Stärkung eigener politscher Karriere Politiker in der politischen Realität: Politiker sind sowohl an Macht und Einfluss als auch an Politikzielen interessiert i.d.R. weniger Verbreitung von Ideologie als Lösung von Problemen im Vordergrund Mischung aus Parteilichkeit und Gemeinwohlorientierung, Konfrontation und Kooperation, Machtstreben und sozialem Engagement, Ideologie und Pragmatismus = Voraussetzung für Stabilität des demokratischen Staates! Beamten wirken bei Vorbereitung von Gesetzen und Programmen sowie bei deren Ausführung in dienender Funktion mit Modell des klassischen Beamten (nach M. Weber): erfüllt Aufgaben ohne Rücksicht auf eigene Interessen,ist fachlich kompetent beachtet gesetzte Regeln sowie Weisungen der Vorgesetzten arbeitet in hierarchischen Strukturen Typen von Beamten in der ökonomischen Theorie der Bürokratie: Verhalten der Beamten durch Eigeninteressen bestimmt o Budgetmaximierer: wollen über zusätzl. Mitarbeiter mehr Macht/Einkommen/Prestige gewinnen → steigende Staatsausgaben und ineffiziente Verwendung öffentlicher Mittel o Bureau shapers: wollen Reform der Verwaltung zur Verbesserung ihrer Arbeitssituation o Climbers (Aufsteiger): durch egoistische Motive geleitete Aufsteiger, versuchen Prestige und Einkommen durch Aufstieg maximieren o Conservers (Bewahrer): bevorzugen Sicherheit und Bequemlichkeit o Zealots (Eiferer): verfolgen egoistische wie soziale Interessen + streben nach Veränderung o Advocats (Anwälte): arbeiten für Interessen ihrer Klientel und wollen Mission verwirklichen o Statesmen (Staatsdiener): dienen der Allgemeinheit – erfüllen gesellschaftliche Aufgaben 9 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 „klassische Bürokraten“ → dienen dem Rechtsstaat und vollziehen dessen Gesetze „politische Bürokraten“ → erkennt, dass Gemeinwohl nicht aus abstrakter Rechtsordnung ableitbar, sondern in pluralistischen Willensbildungsprozessen Beamten in der politischen Realität: Beamten als Generalisten → haben oft juristische Ausbildung; allgemeine Belange Moderne Verwaltung durch SpezialistInnen („technocrats“) geprägt → vertreten fachliche Interessen, engagieren sich für besondere gesellschaftliche Interessen Leistungsfähigkeit des Staates hängt vom Zusammenspiel zwischen Spezialisten und Generalisten ab Parlament Ist Organ der Gesetzgebung Versammlung der gewählten VertreterInnen des Volkes Entscheidungen nach Beratungen in nicht-öffentlichen Ausschüssen und öffentlichen Debatten nach Mehrheitsregel Politikstile im parlamentarischen Verfahren: - Deliberation („Beratschlagung“): Formulierung von Argumenten und Gegenargumenten - Aushandlung (bargaining): Verteidigung von Positionen und Einigung durch Tauschen - Konfrontation: Fraktionsstreit um Gestaltung von Gesetzen und Ringen um öffentliche Aufmerksamkeit → letztlich um Wählerstimmen! meist Zusammenspiel Deliberation + Aushandeln in Ausschüssen; Konfrontation im Plenum Österreichisches parlamentarisches System: → gilt für Nationalrat & Bundesrat, Landtage und Gemeinden Funktionen des Parlaments: Gesetzgebung Kontrolle Regierungsbildung Mitregieren Tribüne Regierung Ist Organ der Exekutive politische Programme und Gesetzgebungsprozesse werden i.d.R. von Regierungen (mit-)initiiert Organe der Exekutive im österr. Regierungssystem: Bundespräsident Bundesregierung als Kollegialorgan BundesministerInnen als monokratische Organe → Schwergewicht der Vollziehung liegt bei Bundesministern (Ministerialsystem) Österreichisches Regierungssystem: Bundesregierung: besteht aus Bundeskanzler, Vizekanzler, Ministern und Staatssekretären → handelt als Kollektivorgan (Ministerrat) – darin gilt Prinzip der Einstimmigkeit Bundesminister: agieren im eigenen Zuständigkeitsbereich (Ressortprinzip); haben Personal- hoheit und einen eigenen Stab persönlicher Mitarbeiter (Kabinette, Ministerbüros) 10 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Verwaltung (Bürokratie) nimmt im Staat den Vollzug wahr – setzt politische Programme in konkrete Lösungen um! Ist als Institution stark untergliedert – handlungsfähig sind einzelne Behörden Verwaltungseinheiten weisen gemeinsame Merkmale auf Bürokratiemodell von Max Weber (ca. 1920): = Idealtyp für bürokratische Organisation; hat österr. Verwaltungsorganisation stark beeinflusst! Bürokratie ist nach Prinzip der Zweck-Mittel-Rationalität organisiert: Verwaltung soll vom Gesetzgeber aufgetragene Aufgaben unparteiisch mit geeigneten Mitteln erfüllen Hauptmerkmale: o Festgelegte Autoritätshierarchie (Über-/Unterordnung) o Arbeitsteilung und festgelegte Kompetenzen o Regelgebundenheit o Hauptamtliche, unabhängige Fachbeamte (‚Berufsbeamtentum‘) o Inhaltsreiche Zielvorgaben Realweltliche Schwächen: o Politische Vorgaben enthalten oft unbestimmte Rechtsbegriffe und Leerformeln o Bürokratie bei gleichförmigen Aufgaben effektiv, stößt aber in neuen Fällen und Ausnahmen rasch an Grenze ihrer Leistungsfähigkeit o Verwaltungsstrukturen setzen stabiles Umfeld voraus – rasche Veränderungen führen zu suboptimalen Strukturen und Notwendigkeit der (langsamen) Anpassung Modell des „New Public Management“ (ca. 1990-2000): → versucht Mängel des alten Bürokratiekonzepts zu beheben! Nutzt Steuerungsinstrumente, die sich an Verfahren von privatwirtsch. Betrieben anlehnen Hauptmerkmale: o Klare politische Zielvorgaben o Kundenorientierung o Dezentrale Steuerung durch Verträge o Flexibilität und Leistungsanreize für die Einheiten o Märkte und Wettbewerb zur Leistungssteigerung o Qualitätssicherung durch Controlling Realweltliche Schwächen: o Marktwirtschaftliche Instrumente dort nicht einsetzbar, wo sich öffentliche Aufgaben von gewinnorientierter Produktion für Märkte grdlegend unterscheiden o Abneigung der Politiker gegen inhaltsreiche Zielvorgaben belastet die Umsetzung o Prinzip der zielorientierten Finalsteuerung der Verwaltung stellt zum Teil die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Kontrolle in Frage o NPM setzt Messbarkeit von Verwaltungsleistungen voraus – oft nicht herstellbar Informale Handlungspläne der Verwaltung: Formal handelt Verwaltung in Erfüllung ihres rechtsstaatlichen Auftrages Informal laufen in Verwaltung Handlungen ab, die in Selbstdarstellung und im Recht nicht normiert sind → widersprechen zumeist nicht den Gesetzen, werden dennoch in offiziellen Darstellungen meist nicht erwähnt Hauptaspekte informalen Handelns: o Informationsnetzwerke und selektive Informationsweitergabe o Macht: informal verfügen auch untergeordnete Dienststellen z.T. über Machtmittel o Informale Aufgabensicht: Beamte entwickeln persönliche Vorstellungen wie ihre Behörde Aufgaben lösen soll („behördeninterne Ideologie“) o Informale Organisationsziele: ▪ Ausdehnung ihrer Zuständigkeit (Territorialität) ▪ Gegen Selbstbindung und Kontrolle (Autonomie) ▪ Sicherung von Ressourcen (Konkurrenz) → Verhalten der Verwaltung ist ein Zusammenwirken von formaler und informaler Ebene! 11 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Politische Parteien Sind Gruppen kollektiver Akteure bzw. Zusammenschlüsse politisch aktiver BürgerInnen; = Vermittlung zwischen Gruppen des Volkes und dem Staat → Konkurrenz untereinander! Funktionen: Schaffung von Legitimation: gewinnen von Vertrauen und Unter- stützung für Institutionen der Politik Mobilisierung von Beteiligung: durch Aktivierung möglichst breiter Anhängerschaften Wettbewerb der Politikinhalte: Parteiprogramme formulieren politi- sche Ziele und bieten Alternativen – aber Programme auch oft wenig inhaltsreich und konkret Rekrutierung politischer Eliten: Aufstellen von Kandidaten zu Wahlen – Gefahr der Patronanz Repräsentation der Bürgerinteressen: bündeln gesellschaftliche Interessen und bringen diese in den politischen Prozess Transmissionsfunktion: Herstellung von Öffentlichkeit für Kontrolle von Abgeordneten und Regierung Typen von Parteien: Weltanschauungsparteien: - Mobilisierung von BürgerInnen zugunsten einer Ideologie; agieren stark kompetitiv - versuchen WählerInnen in spezifischen sozialen Milieus anzusprechen („Klassenparteien“) Volksparteien: - beanspruchen für Gemeinwohl einzutreten - konkurrieren um Wählerschaften in allen Bereichen der Gesellschaft („Mitte-Orientierung“) - formulieren pragmatischere und allgemeinere Programme → verzichten auf klare Zielaussagen („catch-all“-Parteien) Protestparteien: - bewegen sich eher außerhalb des Staates - wollen Unterstützung für ihre Oppositionsinteressen Klientelparteien: - treten für Interessen definierter Bevölkerungsgruppen ein - Konzentration auf Rekrutierungs- & Aggregationsfunktion Politische Parteien waren in der österreichischen Verfassung lange Zeit nicht formal verankert → verfassungsrechtliche Basis erst durch Parteiengesetz 1975! Staatstragende Funktionen: Ausrufung der 1. und 2. Republik Aufstellen von Kandidaten für Wahlen Inhaltliche Arbeit im Parlament durch Klubs Gesellschaftsbeherrschende Funktionen: „gate-keeper“-Funktion durch Verflechtung von Parteien mit Wirtschaft/ Gesellschaft z.B. Zugang zu Behörden und Organisationen Besetzung von Führungspositionen in öffentlicher Verwaltung und staatsnaher Industrie nach Proportionalitätsprinzip Patronageleistungen für Mitglieder 12 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Verbände Synonym auch Interessensvertretungen – mitunter NROs/NGOs = intermediäre Organisationen der Interessensvermittlung zwischen Staat und Gesellschaft Hauptziel: Wahrnehmung der wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Interessen der Mitglieder durch Einflussnahme auf staatliche Politik vertreten Mittel: mobilisieren Mitglieder, die Verbandsarbeit finanziell und ideell zu unterstützen Organisation von Verbänden: → Personen schließen sich zu Gruppen zusammen – können Interessen stärker und effektiver vertreten! Theorie kollektiven Handelns (M. Olson): Ergebnis einer erfolgreichen Interessensvertretung, z.B. Gesetzesänderung, ist dann ein öffentliches Gut, es kann niemandem verwehrt werden → auch Nicht-Mitglieder können „zugreifen“; Trittbrettfahrerlogik → es lohnt sich nicht Mitglied zu bleiben oder zu werden, einzelnes Mitglied hat praktisch keinen Einfluss auf Verbandserfolg Einfluss der Gruppengröße: je größer die Gruppe, desto weniger erkennt jeder Einzelne die Notwendigkeit dem Verband beizutreten! - große Gruppen = „latente“ Gruppen (nach M. Olson) in kleinen Gruppen erkennt Einzelner eher die Wirkung des eigenen Beitrages - kleine Gruppen = „privilegierte“ Gruppen (nach M. Olson) Mechanismen um Mitglieder zu gewinnen: Gesetzliche Beitrittsverpflichtung wie z.B. ÖH, WKO etc.: große Zahl an Mitgliedern = große Ressourcen → können politisches Gewicht erlangen Ideelle Bindung: Betroffene durch ideelle Verpflichtungen zu Mitgliedschaft drängen Angebot an Dienstleistungen: zusätzliche DL für Mitglieder (Versicherung, etc.) Typen von Verbänden: Unternehmungs- und Personalverbände Freie Verbände und Zwangsverbände (Kammern) a.) Kammern (z.B. Wirtschaftskammern, LW-Kammer, Ingenieurkammer, Arbeiterkammer): - Gesetzliche, berufliche Interessensvertretungen - Körperschaften des öffentlichen Rechts - Prinzip der Zwangsmitgliedschaft mit Umlagepflicht - eigener Wirkungsbereich: Vertretung der Interessen in der Politik (z.B. G-Begutachtung) - übertragener Wirkungsbereich: unterstützen administrative Arbeit der Regierung b.) Freie Verbände (z.B. WWF, Alpenverein, Naturfreunde, ÖAMTC, ÖGB, IV): - beruhen auf privatrechtlichen Vereinbarungen (meist Vereine) - Beitritt/Mitgliedschaft freiwillig - nicht weniger einflussreich als Kammern – z.B. ÖGB - Durchsetzung der Mitgliederinteressen durch institutionalisierte Einflussnahme auf Parlament/ Regierung/Verwaltung oder persönliche Verbindungen Funktionen von Verbänden in Staat und Politik: Vermittlung und Durchsetzung der Interessen gegenüber dem Staat Initiierung von Politik (z.B. durch öffentliche Thematisierung) Ausarbeitung von Entscheidungsalternativen (z.B. Vorbereitung von G-Entwürfen) Unterstützung im Vollzug von Programmen und Gesetzen (z.B. durch Expertise) Beziehungen zum Staat: Konflikte: Verbände konkurrieren mit staatl. Akteuren um Einfluss auf Entscheidungen Kooperation: Staat und Verbände verfolgen gemeinsame Ziele od. sind aufein. angewiesen Gefahren: Vorwurf von Vereinnahmung von staatlichen Akteuren durch Verbände („capturing“): → Funktionäre bilden neue politische Elite – Macht ist groß, demokratische Legitimation gering! Relativierung: Verbände vom Staat oft für Gemeinwohlbelange eingesetzt 13 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Medien → spielen in der Politik eine zunehmend wichtigere Rolle! Positive Wirkungen (in der Umweltpolitik): Schaffung von Umweltbewusstsein Legitimitäts- und Mehrheitsbeschaffung für Entscheidungen Transportieren ökologisch relevante Informationen in Entscheidungszentren Negative Wirkung: Dramatisierung statt zu informieren und aufzuklären Besetzung der ‚falschen‘ Themen Verzerrte Wirklichkeit der Medien: Medien bilden Wirklichkeit nicht einfach ab, sondern „konstruieren“ sie Medienberichte liefern oft ungenaue, verzerrte, ideologisch eingefärbte Weltsichten Ursachen dafür: o Stereotype, Vorurteile, politische Einstellungen von Journalisten o Ökonomische Zwänge der Medienproduktion o Erfordernisse medialer Darstellung Nachrichtenwert-Theorie: Nachricht hat best. Faktoren, die sie beachtenswert, interessant und „schmackhaft“ machen: ▪ Nähe: räumliche, politische, kulturelle Nähe der Leser zum Ereignisort ▪ Prominenz: Bekanntheitsgrad von Personen ▪ Überraschungswert ▪ Konflikt: Grad der Aggressivität politischer Ereignisse ▪ Kriminalität ▪ Relevanz: Grad der Betroffenheit und existenzielle Bedeutung ▪ Regionale und nationale Zentralität ▪ Schaden, Spektakel „Inszenierte Realität“ – 3 Typen von Ereignissen (nach M. Kepplinger): Genuine Ereignisse: Vorfälle, die auch dann so geschehen, wenn es keine Medien gäbe Mediatisierte Ereignisse: wären auch ohne Existenz der Medien passiert – erhalten aber mediengerechten Charakter (z.B. Präsentation eines Berichts in Pressekonferenz) Inszenierte oder Medienereignisse: zum Zweck der Berichterstattung inszeniert (z.B. Anketten an zu fällende Bäume) → politische Akteure passen sich an Medien an und produzieren zunehmend Ereignisse eigens für die Medien! Rollenwechsel in Richtung einer ‚Mediokratie‘: ▪ In einer Parteiendemokratie beobachten Medien die Politik, damit sich die Bürger eine Meinung bilden ▪ In einer Mediokratie beobachten politische Akteure das Mediengeschehen, um zu lernen, was sie und wie sie sich wann präsentieren müssen Kritik: Politik wird zum ‚Politainment‘, Synthese aus instrumentellem Handeln und populärer Kommunikationskultur 14 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Wissenschaft → Abhängigkeit von Wissenschaft und Politik erst in den letzten Jahren intensiver diskutiert; vor allem im Bereich Umwelt- und Ressourcenpolitik ist Wissenschaft wichtiger Faktor! Herausforderungen der Interaktion zwischen Wissenschaft und Politik: - Effektivität: wissenschaftliche Expertise + politische Entscheidungsprozesse möglichst effektiv gekoppelt; „evidence-based policy-making“ = Form der Politikgestaltung → Politik sollte auf solide Wissensbasis gestellt werden, dzt. oft mangelnde Effektivität - Soziale Robustheit: Validität und soziale Nützlichkeit von Expertise gefragt, da oft Unsicherheit durch Wissenschaft sogar gesteigert (bei Expertise und Gegenexpertise); → wissenschaftliches Wissen muss Zuverlässigkeit und soziale Robustheit aufweisen - Demokratische Legitimation: Problemdefinition und -lösung wird oft der Wissenschaft überantwortet → Gefahr der ‚Verwissenschaftlichung‘ der Politik: politische Probleme oft als „technische“ (=wissenschaftliche) Probleme dargestellt Lö sungsansatz: „ pragm atisches Mo dell“ (Habermas): → kritisches Wechselverhältnis zwischen Wissenschaft und Politik + wechselseitige Kommunikation → wissenschaftliche Experten sollen Politik beraten, Politiker die Wissenschaft beauftragen Modelle der Interaktion von Wissenschaft und Politik: 1. „lineares Modell des Wissenstransfers“: Erwartungen der Verwendbarkeit wissenschaftlicher Expertisen sind hier hoch gesteckt; Annahmen im Modell dafür: - räumliche Trennung von Wissenserzeugung und Wissensverwendung - wissenschaftliche Politikberatung als Übertragung ‚gebrauchsfertiger‘ Ergebnisse - Trennung zwischen wissenschaftlichen Fakten und politischen Werten 2. Funktionsmodell: wirft politischeren Blick auf Rolle von Wissenschaft, betont symbolisch- instrumentelle Funktion von Wissenschaft in der Politik; wissenschaftliche Expertise ist Ressource, auf die politische Akteure zurückgreifen können Funktionen der Wissenschaft im Funktionsmodell: Problemerkennungs- und Frühwarnfunktion → Probleme frühzeitig zu erkennen Entscheidungsunterstützungsfunktion → Beschaffung/Aufbereitung/Analyse von Informationen zur Vorbereitung von Policy-Entscheidungen Argumentations- und Realisierungsfunktion → Politik nutzt Wissenschaft als Instrument der Überredung in politischen Verhandlungen und Debatten; Politik geht bei der Auswahl von Argumenten selektiv vor Rechtfertigungs- und Feigenblattfunktion → politische Entscheidungen werden mit wissenschaftlichen Argumenten gerechtfertigt, um sich gegen Kritik abzusichern Verschiebungs- und Entlastungsfunktion → Verwendung von Expertise um politische Handlungen zu verhindern oder zu verzögern (z.B. Studie in Auftrag geben) Neutralisierungs- und Sündenbockfunktion → Verweis auf „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ ermöglicht Politik bisherige Meinung zu ändern, ohne das Gesicht zu verlieren oder Fehler zugeben zu müssen Institutionelle Autonomisierungsfunktion → Expertise soll eigene politische Position und Souveränität stärken und Verhandlungsspielraum anderer einschränken Prestige- und Dekorfunktion → kein inhaltlicher Problemlösungsbeitrag erwartet, staatliche Instanzen „schmücken“ sich nur mit wissenschaftlichen Expertisen Zusammenfassend: Wissenschaftl. Expertise erfüllt im politischen Alltag ein breites Spektrum an Funktionen Funktionen schließen sich gegenseitig nicht oder nur teilweise aus oft ist wissenschaftliche Politikberatung multifunktional 15 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Themenblock III – Politischer Prozess Politik als Prozess der Problemverarbeitung „policy-making“ = lösungsbedürftige Probleme bezeichnen → politische Ziele formulieren → alternative Handlungsmöglichk. entwickeln → verbindliche Festlegung wählen → Durchführung Zentrale Basiskonzepte a) Laswell’s Konzept der „Phasen der Problemverarbeitung“ in 7 Phasen: 1. Intelligence: Sammlung, Verarbeitung und Verbreitung von relevantem Wissen 2. Promotion: Unterstützung ausgewählter Alternativen 3. Prescription: verbindliche Festlegung der gewählten Entscheidung 4. Invocation: Durchsetzung der Policy 5. Application: Anwendung und Umsetzung durch Verwaltung oder Gerichte 6. Termination: Beendigung der Policy 7. Appraisal: Bewertung gegenüber ursprünglichen Zielen Ist bis heute Grundlage aller weiteren Phasenmodelle! Phasenmodell = logisches Problemlösungsmodell 1. Analyse der Probleme und Ziele 2. Informationsbeschaffung 3. Suche nach möglichen Alternativen der Zielerreichung 4. Analyse: Kosten, Nutzen, Effektivität, Wahrscheinlichkeit der untersch. Alternativen 5. Auswahl der besten Alternative 6. Umsetzung in die Tat 7. Kontrolle der Umsetzung & Gegensteuerung bei Abweichungen = Idealbild rationaler, schrittweiser und lösungsorientierter Planung und Entscheidung; bietet ein theoriefundiertes Erklärungsmodell für politische Prozesse b) Easton’s Konzept „Policy -Output“: → hat Phasenbetrachtung politischer Prozesse entscheidend beeinflusst Kombination aus den Modellen von Easton & von Lasswell: Programme: Ergebnisse der Politikformulierung (z.B. Gesetze, Verordnungen, Budgets, Pläne) Outputs: Ergebnis der Politikdurchführung (z.B. Bereitstellung von Ressourcen, Normenanwendg) Impact: Ergebnis der Reaktion der Adressaten (z.B. Anpassungsstrategien, Widerstand) Outcome: Reaktion des Gesamtsystems – wurden Probleme gelöst? Haben Policies Ziele erreicht? Phasen des Policy-Cycle: Policy als nie endender Prozess – weil Policies fast immer auf schon bestehende Policies treffen, sich ergänzen, konkurrieren, modifi- zieren, … → Politische Prozesse weisen daher i.d.R. keine eindeutigen Anfänge und Abschlüsse auf; sie dienen u.a. der Lösung von Interessenkonflikten 16 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Problemwahrnehmung und Agenda-Setting Wahrnehmung und Setzung auf die Agenda sind zutiefst politische Prozesse → zentrale Vorent- scheidungen (Thema auf Tagesordnung oder nicht) werden getroffen! Agenden-Arten: öffentliche / politische / informale / formale Agenda Agenda-Setting = Filter, durch den (auch wichtige) Probleme von politischer Tagesordnung ausge- schlossen werden → Ignorieren gesellschaftlicher Probleme als Ergebnis der Machtverteilung! Auch begrenzte Problemwahrnehmungs- & Problembearbeitungskapazität führt zu Selektion der Probleme → objektiver Problemdruck ist oft nicht entscheidender Faktor für die Intensität der Problembearbeitung (‚Katastrophenparadoxon‘) Selektion = nicht-rationale Auswahl von Problemen, aber verschiedene Faktoren können Durch- setzungschancen im Agenda-Setting begünstigen: Wirkung des Problems Ähnlichkeit zu Problemen, die bereits auf der Agenda stehen Verfügbarkeit von Instrumenten zur Problemlösung Öffentliche Thematisierung des Problems → Interessenskonstellationen der Akteure → Handlungskapazitäten der Institutionen → Konjunkturen der öffentlichen Problemwahrnehmung Ergebnis des Agenda-Setting hängt von Interessen, Präferenzen und Problemlösungsansätzen mächtiger Akteure ab Politikformulierung und Entscheidung aus artikulierten Problemen/Forderungen werden auf Basis von alternativen Vorschlägen staatliche Programme (in Form von Gesetzen, Budgets, Plänen) formuliert und entschieden; Endgültige Entscheidung über Programm erfolgt durch formales Verfahren → zuvor informeller Austausch- und Verhandlungsprozess von Ministerialverwaltung und Interessensgruppen; Politikformulierung ist also Verhandlungsprozess zwischen Akteuren in Politiknetzwerken Durchsetzbarkeit von Handlungsoptionen hängt ab von: - Materiellen Ressourcen (grundsätzliche Ressourcenkapazität) - Knappheit der Ressource „politische Unterstützung“ - Einfluss- bzw. Machtverteilung zwischen Akteuren Alternatives Beispiel der Politikformulierung: „Garbage Can Theory“ (James March, 1988) - Entscheidungsprozesse laufen NICHT so ab, wie es normative Entscheidungstheorien und der Policy-Cycle unterstellen; widerspricht also explizit dem Idealbild rationaler Planung und Entscheidung; bestehen aus vier weitgehend unabhängigen Strömen: 1. Lösungen, die nach Problemen suchen 2. Akteure, die Gelegenheit suchen, eine wichtige Rolle zu spielen 3. Situationen, die es erlauben/erfordern, Entscheidungen zu treffen 4. Probleme, die darauf warten, bearbeitet zu werden Interaktionen dieser unabhängigen Ströme sind situationsabhängig und damit schwer vorhersehbar Implementation und Durchführung Verabschiedung eines politischen Programmes garantiert noch kein praktisches Handeln → Programme können verzögert/verändert/vereitelt werden Elemente der Implementationsphase: - Programmkonkretisierung: wie und durch wen erfolgt die Ausführung - Ressourcenbereitstellung: Finanzen, Personal, betraute Organisationseinheiten - Entscheidung: Einzelfallentscheidungen Implementation ist durch die angewendeten politischen Instrumente geprägt: - Regulative Instrumente (Gebote, Verbote, Genehmigungspflichten) - Finanzielle Instrumente (positive und negative Anreize) - Informationelle Instrumente Verschiedene Instrumente haben spezifische Implementationsprobleme (z.B. Kontrollprobleme bei Regulativen sowie Mitnahmeeffekte bei Finanzanreizen) 17 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Evaluierung und Terminierung (1) Evaluierung = Bewertung der Wirkungen, der Kosten-Nutzen-Relation, der Nebenwirkun- gen und der Zielerreichung polit. Programme → findet als Teil des polit. Prozess immer statt; zusätzlich klassische Elemente politischer Kontrolle durch Gerichte/Rechnungshöfe, parlamentarische Kontrolle, Regierungsberichte, Wähler, ….. Evaluierung ist eng mit Rationalität politischer Prozesse verbunden: o Interessensgefärbte Interpretation der Maßnahmen und ihrer Wirkungen o Evaluierung wird durch unklare Zieldefinitionen eingeschränkt, da zu genaue Ziel- definition Risiko des Scheiterns birgt; deshalb oft nur Einigung auf vage Ziele (2) Terminierung = Beendigung eines politischen Programms Probleme gelöst → unwahrscheinliche Variante der Terminierung, eher Einstellung des Programms durch z.B. finanzielle Engpässe, Machtverschiebung etc. → oder einflussreiche Akteure bringen Terminierung zum Scheitern, weil Interesse an Fortbestand (Förderungen); ggf. Reformulierung → neue Schleife des Policy Cycle Themenblock IV – Politische Steuerungselemente Staat hat Palette von Steuerungsinstrumenten, sind historisch gewachsen – Zielerreichung ohne Steuerungsinstrumente nicht möglich; Problem dabei: welches Instrument für welches Ziel? 2 Steuerungsfunktionen: - Verteilung von gesellschaftlichen Ressourcen - Koordination individuellen geschäftlichen Handelns Erfüllung der Funktionen durch: Verteilung nach Plan oder durch marktförmige Verteilungsmechanismen Erreichung gesellschaftlicher Koordination durch: Vertikale, staatliche Koordination und horizontale, gesellschaftliche Selbstorganisation → Wechsel vom interventionistischen Staat zu einem einerseits neoliberalen, andererseits auch kooperativen Staat → Verwendung der Steuerungsinstrumente hängt vom „Governance-Typus“ ab der akzeptiert wird Typen von Steuerungsinstrumenten: 1. Sicherstellung wichtiger öffentlicher Güter und Ressourcen o Staatliche Hoheitsrechte o Der Staat als Anbieter von Gütern und Dienstleistungen 2. Zur Beeinflussung gesellschaftlichen Handelns = externe Steuerungsinstrumente o Direkte Steuerungsinstrumente: Zwang & Regulierung, Gebote & Verbote o Indirekte Steuerungsinstrumente: Anreize wie Überzeugung & Information / Finanzielle Anreize / Strukturierung → Steuerungsinstrumente können das gesellschaftliche Handeln direkt (Zwang) oder indirekt (Anreize) beeinflussen! Direkte Lenkung über Zwang: Staat hat das exklusive Recht auf Anwendung legitimer Gewalt – über Gebote und Verbote (regulative Politik) inkl. Sanktionsandrohung Indirekte Lenkung über Anreize: Staatliche, finanzielle Anreize für gewünschte Handlungen (Steuerpolitik, Förderung, …), setzen an materiellen Eigeninteressen der Adressaten an Strukturierung & prozedurale Steuerung: Steuerung per Verhaltensangebot - setzt nicht an materiellen Anreizen an, sondern an „Handlungsumwelt“ (Bereitstellung von Infrastruktur) Information (Überzeugungsinstrumente) Hinweis auf Schwierigkeitsgrad der Willensbildung: bei staatlichem Zwang meist Widerstand; Freiwilligkeit über Information und finanzielle Anreize meist sinnvoller 18 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Umweltpolitisches Instrumentarium (nach Jänicke et al. 1999): Systematisierung nach dem Grad staatlicher Einflussnahme (Zwang vs. Freiwilligkeit) - siehe nachfolgende Tabellen Ad 1) a. Staatliche Hoheitsrechte → Staat erfüllt eine Vielzahl an Policy-Zielen selbst, z.B. Polizei, Justiz, Steuer- und Finanz- rechte; machen staatliches Handeln überhaupt möglich – von staatlichen Verwaltungen vollzogen, unter politischer Kontrolle b. Staatliche Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen Staat greift in Politikfelder ein, die von privaten Akteuren nicht (genügend) wahrgenommen werden – z.B. Bildung, Kultur, Forschung, Umweltschutz → Eingreifen für Wirtschaft wichtig! Möglichkeiten der Wahrnehmung durch Staat: Staat produziert Güter zum eigenen Gebrauch (z.B. Ressortforschung) Staat schützt Zugang zu Märkten und betreibt Staatsunternehmen (Energie- & Wasserversorgung, Telekommunikation, …) → mit Vorbildfunktion für Privatunternehmen – Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz 19 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Ad 2) Externe Steuerungsinstrumente: = direkte oder indirekte Einflussnahme auf das Verhalten von gesellschaftlichen Akteuren a. Direkte Steuerungsinstrumente = Regulierung → über Ge- & Verbote mit Androhung von Sanktionen → regulative Politik mit Zwang; zentrales Instrument des Umweltschutzes, unverzichtbar wo: - unmittelbare Umweltbeeinträchtigungen zu vermeiden sind - klare Vorgaben gemacht und realisiert werden können (Grenzwerte) Schwächen: - starke Abwehrreaktionen der betroffenen Industrien - Maßnahmen oft verspätet oder stark „verwässert“ durchgesetzt - i.d.R. hohe Kontrollkosten - stimuliert wenig technischen Fortschritt b. Indirekte Steuerungsinstrumente Überzeugung und Information Informationen bestimmen umweltpolitische „Wahrnehmung“ – sind Voraussetzung für die wirksame Wahrnehmung von Beteiligungsrechten durch Betroffene Umweltinformation als Instrument für Aufklärungseffekte oder Verhaltensänderungen Informationen oft als Begleitmaßnahmen einer staatlichen Aktivität „weiche Form“: erzielt oft bessere Ergebnisse als gesetzlich geregelter Zwang Oft in Kombination mit regulativen Instrumenten oder Verhaltensangeboten Befund: Info & wissenschaftl. Expertise in Steuerungsprogrammen immer bedeutender Wirkung der Umwelt-/Produktinformation: oft rasch und wirksam, speziell wenn von nichtstaatlichen Akteuren eingesetzt – Staat hat geringere Wirkungsgeschwindigkeit durch die Länge der Entscheidungswege! Finanzielle Anreize Steuerung durch finanzielle Anreize basiert teils auf Hoheitsrechten (Steuer, Abgabe) Setzen an materiellen Interessen der Adressaten an → Adressat hat aber freie Wahl entsprechend zu handeln oder eben nicht z.B. Verbrauchersteuern auf Zigaretten & Alkohol, Mineralölsteuer, … System der Kofinanzierung (föderale Staaten, EU): EU/Bund bindet Mittelvergabe an Kofinanzierung durch Mitgliedstaat/Bundesländer → nimmt somit Einfluss auf deren Förderziele! Schwächen: mögliche Mitnahmeeffekte, d.h. Aktivitäten hätten ggf. auch ohne staatlichen ‚Zuschuss‘ stattgefunden Ökonomische Instrumente: Öffentliche Einnahmen o Umweltsteuern/-abgaben o Gebühren o Lizenzen, Zertifikate Öffentliche Ausgaben o Steuervergünstigungen o Subventionen o Umweltbewusste Beschaffung Andere o z.B. Umwelthaftung Konzept der ökologischen Steuerreform → steuerliche Entlastung von ‚Arbeit‘ bei gleichzeitiger Belastung umweltbeeinträchtigender Produktionsweisen und Produkte Exkurs - externe (Umwelt-)Kosten: Preis von umweltbeeinträchtigend produzierten Gütern zu niedrig, werden im Übermaß konsumiert → Belastungen werden Betroffenen aufgebür- det (z.B. Autolärm) → Ziel: Internalisierung der externen Effekte, d.h. bisher durch die Allgemeinheit getragene Kosten werden zu einzelwirtschaftlichen Kosten der Verursacher gemacht, z.B. durch Einheben von Emissionsabgaben 20 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Implementation von ökonomischen Instrumenten: o Distributive Maßnahmen (Steuern, Subventionen): sind relativ einfach durchzu- setzen; Gefahr von Mitnahmeeffekten; verstoßen gegen Verursacherprinzip o Abgaben (auf umweltbelastende Produkte): stimulieren den technischen Wandel; sind aber schwer gegen politisch einflussreiche Akteure durchzusetzen Strukturierung & prozedurale Steuerung Bemühen des Staates, Adressaten über Bereitstellung von Verhaltensangeboten zu beeinflussen z.B. Selbsthilfeeinrichtungen, Bereitstellung von Infrastruktur; Adressaten können Angebote nutzen oder es sein lassen; Einsatz von Info-Instrumenten, um Angebote bekannt zu machen; tw. auch finanzielle Anreize Strukturierung i.e.S.: Regelung der Selbstorganisation gesellschaftlicher Akteure; Gremien & Prozesse müssen festgelegten Regeln entsprechen → dadurch Entlastung des Staates und partieller (nicht definitiver) Rückzug von der Regulierung Kooperative Instrumente: formale oder informale Absprachen, Verhandlungen; bedeutsam, wenn zw. Umwelt- und Industrieinteressen ‚Waffengleichheit‘ besteht; Absprachen & Verhand- lungen als Ansatz, um ordnungsrechtliche Maßnahmen zu vermeiden Erklärungsansätze zur Instrumentenwahl: „Naiver Instrumentalismus“: o Annahme: ‚Instrumentenkasten‘, aus dem bestes Instrument gewählt wird o Disziplin: (neo-)klassische Umweltökonomie o Kritik: ignoriert Faktoren politischer Rationalität (Eigennutz, Macht, limit. Information) „Public choice-Ansätze“: o Annahme: polit. Akteure sind Nutzenmaximierer und wählen Instrument danach aus o Disziplin: politische Ökonomie, „rational choice“ o Kritik: liefert nur Erklärung für Präferenzen einzelner Akteure „Diffusionsansätze“: o Annahme: Instrumentenwandel Resultat horizontaler und vertikaler Diffusionsprozesse o Disziplin: Politikwissenschaften, insb. ‚learning‘-Ansätze o Kritik: Diffusionsbegriff unterstellt Zwangsläufigkeit, unterschätzt nation. Unterschiede Neue Steuerungsinstrumente – Environmental Governance Neue Herausforderungen der Umweltpolitik: 1. Neue Qualität zu lösender Umweltprobleme o Hartnäckig bestehende, „persistente“ Umweltprobleme (z.B. THG-Emissionen, globale Waldzerstörung, Biodiversitätsverlust, Bodenversiegelung) 2. Neue Lösungsstrategien und Akteure o Kontinuierliche Ausweitung des umweltpolitischen Steuerrepertoires o Ergänzung traditioneller Formen hierarchischer Intervention durch neuere Formen des kooperativen Regierens Ad 1) Ursachen persistenter (=dauerhafter) Umweltprobleme: - Ursachen liegen z.T. außerhalb des „üblichen“ Kompetenzbereiche der U-Politik: Intensive Umweltbeanspruchung stellt Grundlage für manche Sektoren dar (Landwirtschaft, Bergbau) - Problemlagen sind hochgradig komplex → langsame, schleichende Verschlechterung, oft viele unterschiedliche Akteure beteiligt – bedarf vorsorgende Strategien! - Begrenzte Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen, da Probleme oft nicht direkt wahrnehmbar sind; Notwendigkeit medialer Vermittlung - Probleme haben globalen Charakter, effektive Lösungen nur international möglich → Koordination auf internationaler Ebene oft sehr schwierig! 21 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Umweltpolitische Instrumente in Österreich Seit den 70ern starke Dominanz regulativer Instrumente (command and control); ergänzend: finanzielle Förderungen für umweltschonende Produkte/Produktionswege; zögerliche Aufnahme von Instrumenten wie Umweltsteuern, handelbare Verschmutzungs- rechte, freiwillige Vereinbarungen, Umweltzeichen, Strategieprozesse Begriff ‚Governance‘: Überbegriff für vielfältige Formen politischer Steuerung, die - nicht auf den Staat beschränkt sind und andere Akteure mit hereinholen - auf unterschiedlichen politischen Handlungsebenen verortet sind - besonders in der Umweltpolitik stark verbreitet sind – environmental governance Analytische und normative Verwendung des Governance-Begriffes: o Analytisch → neutrale Beschreibung beobachteter Veränderungen des Regierens o Normativ → steht für eine Vielzahl teils konträrer wertbesetzter Visionen Mehrebenensteuerung: - zunehmend wechselseitige Beeinflussung verschiedener Politikebenen - inter-/supranationale Politikebenen gewinnen kontinuierlich an Bedeutung - starke Vernetzung mit sub-nationalen und lokalen Politikebenen - wechselseitige Abhängigkeit der Politikebenen (multi-level-governance) Steuerungskonzept der Agenda 21 Agenda 21: auf der UN-Konferenz in Rio (1992) entworfenes, strategisches Steuerungskonzept zum Problembereich „Umwelt und Entwicklung“ Zentrale Merkmale des Modells: - Strategischer Ansatz: langfristige Ziel- und Strategieformulierung auf breiter Basis - Politikintegration: Integration von Umweltbelangen in andere Politikfelder - Partizipation: Beteiligung von Verbänden und BürgerInnen - Kooperation: Zusammenwirken staatlicher und privater Akteure - Monitoring: Erfolgskontrolle mit Berichtspflichten und Indikatoren - Mehrebenen-Steuerung: global bis lokal Ziel- und Ergebnisorientierung - Ziele entweder verbindlich oder „indikativ“ (=nicht-verbindlich) - Qualitätsziele/Zustandsziele/Handlungsziele Funktionen von Zielen: - Orientierung für politische Akteure - Triebfeder für Verwaltungsreform - Erhöhung der Handlungsbereitschaft & Verringerung von Widerstand von Adressaten - Bessere Kalkulierbarkeit für Investitoren - Anregung für frühere Anpassungsprozesse und Innovationen Voraussetzungen effektiver Zielbildung: - Professionelles Management des Aushandlungsprozesses - Problemorientierung - Wissensinput – konfrontiert Beteiligte mit langfristigen Problemtendenzen - Aufbau auf Interessenslagen der beteiligten Akteure - Verlässliche Zielvorgaben als Basis für F&E-Prozesse und Investentscheidungen Hemmnisse effektiver Zielbildung: - Zielorientierte Umweltpolitik: greift in Interessenslagen ein und ist mit Kontroll- anspruch verbunden - starke Politiksektoren & Umfeld versuchen sich zu entziehen - Ausweichreaktionen: Ablehnung von Zielvorgaben Verzicht auf klare Zeitvorgaben Formulierung irrelevanter & anspruchsloser Umweltziele → Ziele als Legitimation für ‚Normalbetrieb‘ 22 Zusammenfassung „Grundlagen der Politik“ WS 2018/19 Umweltpolitikintegration Problemlage: Umwelt ist Produktionsgrundlage ganzer Wirtschaftszweige; traditioneller Umweltschutz aber auf „Symptombekämpfung“ und „periphere Eingriffe“ beschränkt; - Lösungsansatz: Integration von Umweltbelangen in ‚Verursacherbereiche‘ Umweltbezogene Sektorstrategien von ‚Verursacher‘-Sektoren Sektorbezogene Umweltfolgenprüfung Sektorbezogene Umweltindikatoren Berücksichtigung von Umweltzielen in Staatstätigkeit (z.B. Beschaffung) Hemmnisse von Umweltpolitikintegration: - betrifft massiv Interessenslagen von Sektoren die Umwelt stark in Anspruch nehmen - Integrationsprinzip widerspricht Eigenlogik von spezialisierter Staatsverwaltung und ihres wirtschaftlichen Interessensumfeldes - Folgen: Tendenz zu ‚negativer‘ Koordination, wichtige Interessen der beteiligten Sektoren bleiben möglichst unberührt Technikbasierte Lösungen (end of pipe) anstatt entlastendem Strukturwandel Kooperation Problemlage: Hierarchische Regelsteuerung stößt bei komplexen Problemen an ihre Grenzen → Lösung: kooperative Steuerungsformen, wobei staatliche Akteure und private Zielgruppen als gleichrangige Partner agieren Vorteile kooperativer Steuerung: - Treffsicherheit durch direktes Zusammengehen von Verwaltung & Zielgruppen - Konsensuale Willensbildung verringert Widerstände bei Umsetzung von Maßnahmen - Abkürzung des langwierigen, parlamentarischen Entscheidungsprozesses - Stimulierung früherer Anpassungsreaktionen (z.B. in Form von Innovationen) - Kommunikative, stärker akzeptierte Steuerungsinstrumente Hemmnisse kooperativer Steuerung: - Zugeständnisse im umweltpolitischen Anspruchsniveau - Notwendigkeit absichernder staatlicher Regelungen mit glaubhaften Sanktionen bei Nichterreichung von Zielen (stick behind the door) - Staatsentlastender Charakter zweifelhaft, da ressourcenintensive Verhandlungen - Akzeptanzprobleme (bei jenen Gruppen, die geringe Einflusschancen haben) Partizipation und Selbstregulation Ziel: umfassender Nutzung von Handlungspotentialen der Akteure durch deren Beteiligung! Voraussetzungen: - Staat hat ausreichend Ressourcen und Qualifikationen für Management von Beteiligungsprozessen - Anreizsystem und Infrastruktur an Rechten und Informationen für Bürger - Minimum an sachgerechter und problemorientierter Berichterstattung in Medien Beispiele für Corporate Governance in Ö: - Selbstverpflichtungserklärung des österreichischen Holzhandels - Österreichische Nachhaltigkeitsstrategie - Österreichische Biodiversitätsstrategie - Österreichische Klimastrategie Legende: Textteile in rot sind Aspekte aus der Prüfungsfragensammlung! 23