Wege zur Bekämpfung der Armut PDF

Summary

This document discusses different approaches to tackling poverty. It examines various solutions implemented during the 19th and early 20th centuries, including social reforms, economic strategies of industrialists, and communal efforts. It also notes the continuing disparity between wealth classes.

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Wege zur Bekämpfung der Armut Fünf grundverschiedene Lösungsansätze lassen sich unterscheiden: 1) kirchliche Gruppen wollten durch religiöse Erziehung die Kinder verarmter Familien zu fleißigeren Menschen machen; 2) Arbeiterführer stachelten die Arbeiterinnen und Arbeiter zu Streiks und Protesten...

Wege zur Bekämpfung der Armut Fünf grundverschiedene Lösungsansätze lassen sich unterscheiden: 1) kirchliche Gruppen wollten durch religiöse Erziehung die Kinder verarmter Familien zu fleißigeren Menschen machen; 2) Arbeiterführer stachelten die Arbeiterinnen und Arbeiter zu Streiks und Protesten für höhere Löhne an; 3\) manche Unternehmer versorgten ihre Arbeiterinnen und Arbeiter mit Sozialleistungen, verlangten dafür aber strikten Gehorsam; 4) andere unternehmerisch denkende Menschen sahen die Lösung in Zusammenschlüssen (Genossenschaften) von kleinen Handwerksbetrieben und Bauern, damit diese sich gegenseitig mit Nothilfen versorgen und durch Kredite zum Aufbau eines eigenen Geschäfts verhelfen konnten; 5) die Regierung des Deutschen Kaiserreichs unter Reichskanzler Bismarck führte die Anfänge eines Sozialversicherungssystems ein. Dieses System aus Sozialversicherungen wurde im Laufe der letzten 125 Jahren immer weiter ausgebaut, in seinen Grundzügen besteht es bis heute: Für verschiedene Risikofälle des Lebens (Krankheit, Unfall, Alter) wurden Kassen gebildet, in die Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzahlten. Wer krank wurde, einen Unfall hatte oder zu alt zum Arbeiten wurde, konnte aus diesen Kassen versorgt werden. Deutschland war das erste Land der Welt, das in den 1880er Jahren diese ersten Formen der Sozialversicherung einrichtete. Zwar blieb die Lage der Armen auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts schwierig, aber es gab eindeutige Verbesserungen: Die bismarcksche Sozialgesetzgebung erreichte immerhin etwa 10 % der Gesamtbevölkerung, der politische Druck der Arbeiterpartei (SPD) und der Gewerkschaften sorgte für höhere Löhne, sodass das Realeinkommen der Arbeiterinnen und Arbeiter von 1870 bis 1900 um 50 % stieg. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sank zwischen 1860 und 1910 von 85 auf 55 Stunden. Die landwirtschaftliche Produktivität stieg, sodass Hungerkatastrophen, wie sie Europa noch bis Mitte des 19. Jahrhundert gekannt hatte, endgültig der Vergangenheit angehören -- jedenfalls in Friedenszeiten. Die Genossenschaftsbanken halfen vor allem in ländlichen Regionen, Armut zurückzudrängen. Es waren also mehrere Lösungsansätze, die zur Bekämpfung der Armut wesentlich beitrugen. Dennoch blieb die Gesellschaft in allen europäischen Ländern deutlich in Arm und Reich gespalten. Für die Kinder ärmerer Menschen gab kaum Möglichkeiten aufzusteigen, schon weil man nach der 8\. Klasse Schulgeld bezahlen musste und nur die Kinder der Wohlhabenden das Gymnasium besuchen konnten. Und die Sozialversicherungen waren zwar eine wichtige Neuerung, sie schützten aber nur die Arbeiterinnen und Arbeiter -- die große Masse der Landbevölkerung war vom neuen Sozialsystem ausgeschlossen. Die Höhe der Leistungen war ebenfalls sehr gering: Ein Rentner etwa bezog 155 Reichsmark im Jahr, das entsprach etwa einem Viertel des Lohns eines einfachen Arbeiters. Und eine ganz wichtige Versicherung fehlte: die gegen Arbeitslosigkeit.

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