Allgemeine Wirtschaftsgeographie - Sitzung 2: Neoklassische Standorttheorien PDF
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Universität Heidelberg
Dr. Thomas Neise
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This document presents lecture notes on general economic geography, focusing on neoclassical location theories. It includes maps and diagrams illustrating the concepts discussed. The document appears to be part of a university course.
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Allgemeine Wirtschaftsgeographie – Sitzung 2: Neoklassische Standorttheorien Dr. Thomas Neise Geographisches Institut Universität Heidelberg 1 Regionale Unterschiede in der landwirtschaftlic...
Allgemeine Wirtschaftsgeographie – Sitzung 2: Neoklassische Standorttheorien Dr. Thomas Neise Geographisches Institut Universität Heidelberg 1 Regionale Unterschiede in der landwirtschaftlichen Nutzung 2 (Diercke 2023: 100) Regionale Verteilung des Bergbaus Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise (Diercke 1996: 121)3 Regionale Differenzen in den wirtschaftlichen Nutzungen Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 4 (Diercke 2023: 102) Regionale Unterschiede in der landwirtschaftlichen Nutzung (Diercke 2023: 100) 5 Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise (VisitDenmark 2023) 6 Regionale Unterschiede in der landwirtschaftlichen Nutzung Nutzungsmuster lassen sich nicht allein aus der Naturraumausstattung erklären: Absatzmärkte, Infrastruktur, Erbrecht … , (Diercke 2023: 100) 7 Neoklassische Standorttheorien Bedeutende Wissenschaftler Johann Heinrich Alfred Weber Walter Christaller August Lösch von Thünen Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 8 Neoklassische Standorttheorien Generelle Annahmen: ▪ Methodologischer Individualismus ▪ Vollkommene Märkte ▪ Vorstellung rein rational handelnder und perfekt informierter Wirtschaftssubjekte (homo oeconomicus) Isolierende Abstraktion = stark vereinfachende, abstrakte Modelle Vielfältigkeit menschlicher Verhaltensweisen und Komplexität des realen Raumes (Braun 2021) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 9 Neoklassische Standorttheorien Ausgangsziel Wirtschafts- Theorien Standort- sektor unternehmerischer strukturtheorien Standortwahl Land- und Theorie der Landnutzung Forstwirtschaft (vom Thünen 1826/1875) Industrie Industriestandorttheorie Theorie der Marktnetze (Weber 1909), (Lösch 1940), Weiterentwicklung Location and Land Use (Smith 1971/1981) (Alonso 1964) Dienst- Theorie der Standortwahl Theorie der zentralen Orte leistungen unter Konkurrenz- von (Christaller 1933), bedingungen Location and Land Use (Hotelling 1929) (Alonso 1964) (Braun & Schulz 2012:30) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 10 Theorie der landwirtschaftlichen Bodennutzung http://media.m-vp.de/assets/4529/thuenenbueste_normal.jpg Johann Heinrich von Thünen (1783-1850) ▪ Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler, Gutsbesitzer ▪ Beobachtung der Entstehung und Entwicklung von Boden- und Getreide- preisen auf seinem Gut bei Teterow Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 11 Theorie der landwirtschaftlichen Bodennutzung ▪ Wie sieht eine optimale Nutzung landwirtschaftlicher Flächen aus? ▪ Welche ökonomischen Gesetz- mäßigkeiten bestimmen die Muster der Landnutzung? Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 12 Theorie der landwirtschaftlichen Bodennutzung restriktive Annahmen: ▪ Natürliche Gegebenheiten: isolierter Staat mit einer kreisrunden, homogenen Fläche ▪ Technische Gegebenheiten: Gleichheit der Bewirtschaftungs- und Verkehrstechnologien ▪ Ökonomisch-räumliche Abstraktion: Stadt im Zentrum des isolierten Staates als Markt ▪ Transportkosten: Transportkosten sind direkt proportional zur Entfernung des landwirtschaftlichen Produktionsstandortes vom Markt Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 13 Theorie der landwirtschaftlichen Bodennutzung Lagerente Transportkosten wachsen mit zunehmender Entfernung und sind von Volumen & Gewicht der Ware abhängig a Rendite ergibt sich aus Gemüse Marktpreis abzüglich Arbeits- und Transport- kosten b Kartoffeln c Roggen Stadt III Entfernung A II B C Thünenschen Ringe (angelehnt an Liefner & 14 Schätzl 2017:44) Dreifelder- Stadt wirtschaft Wildnis: Jagd (verändert nach Henke 2012: o.S.) Theorie der landwirtschaftlichen Bodennutzung (Braun 2021:378) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 16 Kritik ▪ Unrealistische Homogenitätsannahmen ▪ Durchbrechung der Thünenschen Ringe durch soziale Prozesse ▪ Statischer Charakter Heute: ▪ Teilweise Umkehrung der Ringfolge ▪ Transportkosten spielen heute eher untergeordnete Rolle ▪ Haltbarkeit der Produkte (Gemüse) hat zugenommen ▪ Konkurrenz auf dem Bodenmarkt ▪ Politik nimmt Einfluss Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 17 Würdigung ▪ Thünen hat als erster eine in sich geschlossene wirtschaftsräumliche Theorie formuliert ▪ Begründer des modellhaften Denkens in der Ökonomie ▪ Grundlage für weitere Theorien ▪ Erklärungswert für historisch-bedingte Landnutzungsmuster ▪ Erklärungswert in Räumen mit ausgeprägten Transportkosten bzw. Transporthindernissen ▪ Grundlage für komplexere Modelle und Simulationen Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 18 Landnutzung im städtischen Raum ▪ Übertragung des Konzepts der Lagerente auf städtischen Bodenmarkt ▪ Unter Konkurrenzbedingungen orientiert sich der Pachtpreis, den potentielle Nutzer:innen für Land zu zahlen bereit sind, an erzielbarer Lagerente William Alonso 1933-1999 ▪ Ability to pay: Zahlungsbereitschaft der entsprechenden Akteur:innen für den Grundstückskauf oder die Pacht von Immobilien ▪ Bid rent functions: Rentenangebotskurve Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 19 Landnutzung im städtischen Raum ▪ Verschiedene in der Stadt vorkommende Bodennutzungen haben jeweils eigene Rentenangebotskurven ▪ Rentenangebotskurve richten sich nach jeweils erwarteten Nutzen der Käufer:innen oder Pächter:innen ▪ Central Business District (CBD) im Zentrum: Arbeitsplätze, Versorgungseinrichtungen, Verkehrsinfrastruktur Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 20 Landnutzung im städtischen Raum auf Laufkundschaft angewiesen und/oder besondere Vorteile aus innerstädtischer Lage = steile Rentenangebotskurve Rentenangebotskurven Handel & Dienstleistung Industrie & Gewerbe Landwirtschaft CBD Entfernung (verändert nach Braun Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise & Schulz 2012: 40) 21 Wohnstandortwahl privater Haushalte ▪ Wohnzufriedenheit als entscheidende Kriterium ▪ Pendelkosten versus geringerer Bodenpreise und größerer Grundstücke am Stadtrand Beobachtung in US-amerikanischen Städten (1960er Jahre): weniger wohlhabende Bevölkerung wohnte innenstadtnah & wohlhabendere Bevölkerung am Stadtrand mit niedrigeren Bodenpreisen lebten wohlhabende Bevölkerung hat Präferenz für größere Grundstücksflächen Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 22 Wohnstandortwahl privater Haushalte ▪ Preisunterschiede zwischen Zentrum & Peripherie wegen geringerer Flächenansprüche für ärmere Bevölkerung weniger bedeutend: Vorteile geringerer Pendelkosten überwiegen Rentenangebotskurven Statusniedrige Bevölkerung Statushohe Bevölkerung Entfernung Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 23 hohe Boden- & Pachtpreise in zentralen Lagen = Anreiz Bodennutzung zu intensivieren (mehr Geschossfläche auf einem Grundstück) Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 24 hohe Boden- & Pachtpreise in zentralen Lagen = Anreiz Bodennutzung zu intensivieren (mehr Geschossfläche auf einem Grundstück) Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 25 Wohnen hohe Boden- & Pachtpreise in zentralen Lagen = Anreiz Bodennutzung zu intensivieren (mehr Büros Geschossfläche Wohnen auf einem Grundstück) Wohnen Dienstleistung Büros Dienstleistung Einzelhandel Gastronomie Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 26 Voraussetzungen für Alonso-Modell ▪ Modellvoraussetzungen: ▪ Vollständige Nutzungskonkurrenz ▪ Freier Bodenmarkt, der nicht durch Politik oder Planung beeinflusst wird ▪ Akteure, die zweckrational Profit und Nutzen maximieren ▪ Monozentrische Stadtstruktur ▪ Auf das Zentrum ausgerichtete Verkehrsinfrastruktur ▪ Landschaftlich homogene Attraktivität Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 27 System der zentralen Orte System der zentralen Orte in Süddeutschland (Christaller 1933): optimale Funktionsverteilung im Raum in einer geordneten Hierarchie Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 28 System der zentralen Orte System der zentralen Orte in Süddeutschland (Christaller 1933): optimale Funktionsverteilung im Raum in einer geordneten Hierarchie Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 29 System der zentralen Orte Maximale in Kauf genommene Entfernung = äußere Reichweite Mindesteinzugsgebiet = innere Reichweite (verändert nach Braun & Schulz 2012: 44) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 30 System der zentralen Orte Unvollständige Raumabdeckung (verändert nach Braun & Schulz 2012: 44) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 31 System der zentralen Orte Zu starke Überlappung der Marktgebiete (verändert nach Braun & Schulz 2012: 44) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 32 System der zentralen Orte Optimale Raumabdeckung Hexagonalstruktur (verändert nach Braun & Schulz 2012: 44) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 33 Oberzentren in Baden-Württemberg: Freiburg im Breisgau, Friedrichshafen / Ravensburg / Weingarten, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Lörrach / Weil am Rhein, Mannheim (/ Ludwigshafen am Rhein), Offenburg, Pforzheim, Reutlingen / Tübingen, Stuttgart, Ulm (/ Neu-Ulm), Villingen- Schwenningen Mittelzentren in Baden-Würrtemberg: Aalen, Achern, Albstadt, Backnang, Bad Krozingen / Staufen im Breisgau, Bad Mergentheim, Bad Säckingen, Bad Saulgau, Bad Waldsee, Bad Wildbad, Balingen, Biberach an der Riß, Bietigheim-Bissingen / Besigheim, Blaubeuren / Laichingen, Böblingen / Sindelfingen, Breisach am Rhein, Bretten, Bruchsal, Buchen (Odenwald), Bühl, Calw, Crailsheim, Donaueschingen, Eberbach, Ehingen (Donau), Ellwangen (Jagst), Emmendingen, Esslingen am Neckar, Ettlingen, Freudenstadt, Gaggenau / Gernsbach, Geislingen an der Steige, Göppingen, Haslach / Hausach / Wolfach, Hechingen, usw. Geographisches Institut / AG Wirtschafts- und Sozialgeographie / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 34 (Diercke o.J.: o.S.) Kritik am System der zentralen Orte ▪ Unrealistischen Modellannahmen ▪ Vernachlässigung von ▪ Topographischen Gegebenheiten und naturräumlichen Aspekten ▪ Sozioökonomische und politische Rahmenbedingungen ▪ Historische Entwicklungspfade ▪ Versorgungsverhalten weicht auch aufgrund sozialer Beziehungen ab ▪ Modell statisch Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 35 performatives Konzept – die Wirklichkeit wird dem Modell angepasst Räumliche Struktur Anpassung der Raum- Analyse struktur an Normen Definition Ableitung von Normen von Gesetz- mäßigkeiten Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 36 Neoklassische Standorttheorien Ausgangsziel Wirtschafts- Theorien Standort- sektor unternehmerischer strukturtheorien Standortwahl Land- und Theorie der Landnutzung Forstwirtschaft (vom Thünen 1826/1875) Industrie Industriestandorttheorie Theorie der Marktnetze (Weber 1909), (Lösch 1940), Weiterentwicklung Location and Land Use (Smith 1971/1981) (Alonso 1964) Dienst- Theorie der Standortwahl Theorie der zentralen Orte leistungen unter Konkurrenz- von (Christaller 1933), bedingungen Location and Land Use (Hotelling 1929) (Alonso 1964) (Braun & Schulz 2012:30) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 37 Industriestandortlehre nach Weber ▪ Industriestandorttheorie 1909 ▪ transportoptimaler Standort für ein individuelles Unternehmen bzw. einen Betrieb ▪ Methodisch ähnliches Vorgehen wie Thünen, Christaller und Lösch ▪ Prämissen: ▪ Transportkosten sind proportional zu Gewicht und Entfernung Alfred Weber (1868-1958) ▪ Homo Oeconomicus ▪ Standorte der notwendigen Rohstoffe und Absatzmärkte gegeben und bekannt ▪ Preise für Industrieprodukte und Produktionskosten sind im Raum konstant Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 38 Industriestandortlehre nach Weber Tonnenkilometrischer Minimalpunkt = Standort, der ermöglicht, dass zwischen den Abbauorten der Rohmaterialien, dem Produktionsort und dem Konsumort die wenigsten Tonnenkilometer zurückgelegt werden müssen = optimaler Unternehmensstandort Tonnenkilometer = Produkt aus Entfernung und Gewicht Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 39 Industriestandortlehre nach Weber ▪ Lokalisierte Materialien sind an bestimmte Abbauorte gebunden, z. B. Kohle, Erze, Öl… ▪ Reingewichtsmaterialien, z. B. Edelmetalle wie Gold, gehen mit dem gesamten Gewicht in das Endprodukt ein ▪ Gewichtsverlustmaterialien, z. B. Kohle oder Eisenerz, sind nur zum Teil im Endprodukt enthalten ▪ Ubiquitäre Materialien sind nicht an bestimmte Standorte gebunden, z. B. Luft, Wasser (mit Einschränkungen) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 40 Industriestandortlehre nach Weber Wenn alle Materialien, die gebraucht werden, überall verfügbar sind, dann ist der ideale Produktionsort (P) gleichzeitig der Konsumort (K). K=P (verändert nach Braun & Schulz 2012: 52) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 41 Industriestandortlehre nach Weber Wenn beide Materialien lokalisiert und Reingewichts- materialien sind, ist K der tonnenkilometrische Minimal- punkt. Dann müssen die Strecken von M1 und M2 jeweils zum Konsumort zurückgelegt werden. M1 K=P M2 (verändert nach Braun & Schulz 2012: 52) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 42 Industriestandortlehre nach Weber Unterschiedliche Kombinationen von Ubiquitäten, Rein- gewichts- und Gewichtsmaterialien: Meist spannt sich zwischen M1, M2 und K Standortdreieck auf, M1 auf dessen Fläche der tonnenkilometrische Minimalpunkt liegt. P K (verändert nach Braun M2 & Schulz 2012: 52) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 43 Industriestandortlehre nach Weber Der optimale Produktionsstandort entfernt sich vom tonnenkilometrischen Minimalpunkt, wenn an anderem Ort die Lohnkostenersparnisse höher ausfallen als die zusätzlichen Transportaufwendungen oder wenn es an anderem Ort Agglomerationsvorteile gibt. M1 Gebiet mit sehr günstigen Arbeitskräften und / oder Agglomerationsvorteilen P K (verändert nach Braun M2 & Schulz 2012: 52) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 44 Industriestandortlehre nach Weber Kritik: ▪ Starke Vereinfachung ▪ Teilweise realitätsferne Annahmen ▪ Vernachlässigung der Absatz- bzw. Erlösseite ▪ Annahme der Transportkosten als lineare Funktion der kilometrischen Entfernung ▪ Unzureichende Abbildung der Produktionsprozesse und Agglomerationseffekte ▪ Isolierte Betrachtung der Standortwahl von anderen unternehmerischen Entscheidungen Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 45 Rational-ökonomische Standortwahl ▪ Erweiterung des Ansatzes von Weber durch David M. Smith (1971): ▪ Beachtung variabler Erlöse ▪ Unternehmen streben nicht unbedingt Gewinnmaximierung an ▪ Standortzonen statt Standortpunkten O1 O2 Linie gleichen Standortbereich Gewinns mit Gewinn Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 46 Rational-ökonomische Standortwahl Gesamt- Gesamt- kosten erlöse Kostenelemente ▪ Grundkosten Gewinn Gewinn (standortunabhängig) ▪ Lagekosten Lagekosten (z.B. je nach Löhnen, Grundpreisen…) Grundkosten Erlöselemente Ma O1 Mb Mc O2 Md Entfer- ▪ Die nach Lage unters. nung Erlöse lassen sich z.B. anhand von Kaufkraft und O1 O2 Nachfrage erklären Linie gleichen Standortbereich 47 Gewinns mit Gewinn Modell der interdependenten Standortwahl Harold Hotelling 1929: unternehmerische Standortwahl in Abhängigkeit von markt- strategischen Entscheidungen gleichartiger Unternehmen derselben Branche 48 Modell der interdependenten Standortwahl ▪ Standortwahl abhängig von den rationalen Entscheidungen anderer Anbieter ▪ Voraussetzungen: homogenes Gut, lineares Absatzgebiet ▪ Entfernungsunelastische Nachfrage (auch wesentlicher Kritikpunkt) ▪ Keine Kooperation (Kommunikation) Harold Hotelling (1895 –1973) zwischen Anbietern (auch wesentlicher Kritikpunkt) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 49 Modell der interdependenten Standortwahl A 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 A 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 B A 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 B A 4 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 B A B S 1 2 3 4 5 6 7 8 9 (verändert 10 11 12 nach 13 Braun 14 15 &16 Schulz 17 182012: 19 58) 20 50 Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise Neoklassische Standorttheorien Ausgangsziel Wirtschafts- Theorien Standort- sektor unternehmerischer strukturtheorien Standortwahl Land- und Theorie der Landnutzung Forstwirtschaft (vom Thünen 1826/1875) Industrie Industriestandorttheorie Theorie der Marktnetze (Weber 1909), (Lösch 1940), Weiterentwicklung Location and Land Use (Smith 1971/1981) (Alonso 1964) Dienst- Theorie der Standortwahl Theorie der zentralen Orte leistungen unter Konkurrenz- von (Christaller 1933), bedingungen Location and Land Use (Hotelling 1929) (Alonso 1964) Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 51 Lernfragen ▪ Welche Wissenschaftler haben bedeutend zur traditionellen Standortlehre beigetragen? ▪ Was sind die Grundannahmen neoklassischer Standorttheorien? ▪ Was sind die „Thünenschen Ringe“? ▪ Welche Bedeutung haben Rentenangebotskurven für die Bodennutzung in städtischen Räumen? ▪ Welche Rolle spielt die Theorie der Zentralen Orte für die deutsche Raumordnungspolitik? ▪ Was drückt der tonnenkilometrische Minimalpunkt aus? Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 52 Literatur zur Sitzung Braun, B. (2021): Standorttheorien und Modelle regionaler Wirtschafts- entwicklung. In: Schneider-Silwa, R.; Braun, B.; Helbrecht, I.; Wehrhan, R. (Hrsg.): Humangeographie. Braunschweig: Westermann, S. 376-381. Braun, B.; Schulz, C. (2012): Wirtschaftsgeographie. Stuttgart, S. 27-61. Liefner, I. & L. Schätzl (2017): Theorien der Wirtschaftsgeographie. Paderborn [u.a.]: Ferdinand Schöningh, S. 19-56. Weiterführend: Farhauer, O.; Kröll, A. (2014): Standorttheorien. Regional- und Stadtökonomik in Theorie und Praxis. (2. Aufl.). Wiesbaden. Maier, G.; Tödtling, F. (2006): Regional- und Stadtökonomik 1. Standorttheorie und Raumstruktur. (4. Aufl.). Wien. Geographisches Institut / Allgemeine Wirtschaftsgeographie / Dr. Thomas Neise 53