Vorlesung VIII - Sprachentwicklung PDF
Document Details
Uploaded by FreedBlackHole
Charlotte Fresenius Hochschule
Tags
Summary
Diese Vorlesung behandelt die Sprachentwicklung, wobei verschiedene Aspekte wie die menschlichen Spracheigenschaften, Komponenten der Sprachentwicklung, die Beziehung von Sprache und Gehirn sowie die Rolle der menschlichen Umwelt und Förderfaktoren erläutert werden. Die Vorlesung untersucht auch die Theorien der Sprachentwicklung und die Bedeutung von Sprache, inkl. der Bereiche Sprachproduktion und Sprachwahrnehmung.
Full Transcript
VORLESUNG ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE Vorlesung VIII - Sprachentwicklung 1 AGENDA 1 SPEZIFIKA MENSCHLICHER SPRACHE 2 KOMPONENTEN DER SPRACHENTWICKLUNG 3 SPRACHE UND GEHIRN 4 MENSCHLICHE UMWELT UND SPRACHE...
VORLESUNG ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE Vorlesung VIII - Sprachentwicklung 1 AGENDA 1 SPEZIFIKA MENSCHLICHER SPRACHE 2 KOMPONENTEN DER SPRACHENTWICKLUNG 3 SPRACHE UND GEHIRN 4 MENSCHLICHE UMWELT UND SPRACHE 5 SPRACHWAHRNHEMUNG UND SPRACHPRODUKTION 6 EINFLUSSFAKTOREN UND FÖRDERUNG DER SPRACHENTWICKLUNG 2 BEDEUTUNG DER SPRACHE Ausdruck eigener Ideen und Wünsche Steuerung von Interaktionen Formen Lautsprache Schriftsprache Körpersprache https://ejbweimar.de/image/gross/img/bilder/fotolia_99188730_sprechblasen_vladgrin.jpg.3115579-1616754864.jpg 3 SPEZIFIKA DER MENSCHLICHEN SPRACHE Generativität: Die Tatsache, dass wir beim Gebrauch der endlichen Anzahl an Wörtern und Morphemen unseres Wortschatzes eine unbegrenzte Anzahl an Sätzen zusammenfügen und eine unbegrenzte Anzahl an Gedanken ausdrücken können. Kreativität und flexible Verwendung von Symbolen: Fähigkeit zum Symbolgebrauch befreit uns von der Gegenwart und versetzt uns in die Lage, von früheren Generationen zu lernen und über die Zukunft nachzudenken Artspezifisches Verhalten: Nur Menschen erwerben während ihres normalen Entwicklungsverlaufes Sprache Universalität: Weltweit erlernen praktisch alle Menschen in der Kindheit Sprache. Nur das menschliche Gehirn erreicht ein Kommunikationssystem, das die Komplexität, Struktur und Generativität von Sprache aufweist (Umgekehrt sind wir Menschen notorisch schlecht beim Lernen der Kommunikationssysteme von Tieren) https://uncagedfhs.org/wp-content/uploads/2023/02/Languages.png 4 SPRACHE ÜBERBLICK Sprache an sich ist nicht angeboren, sondern muss erworben werden Angeboren ist die Sprachfähigkeit, d.h. die Fähigkeit jede beliebige Sprache zu erwerben Kinder werden mit großer Bereitschaft zum Erlernen von Sprache(n) geboren Eltern brauchen Kindern die Sprache nicht beizubringen: sinnbezogene Erfahrungen reichen aus Sprachverständnis: Das Verstehen dessen, was andere sagen (oder gebärden oder schreiben) Sprachproduktion: Das tatsächliche Sprechen, Gebärden oder Schreiben. https://www.mpg.de/11626601/original-1555594161.webp? Verständnis eilt Produktion voraus t=eyJ3aWR0aCI6MTY5NiwiZmlsZV9leHRlbnNpb24iOiJ3ZWJwIiwib2JqX2lkIjoxMTYyNjYwMX0%3D-- 1316036452cb06373a8e5e895405e2eefcd89c3b 5 GRUNDKOMPONENTEN DER SPRACHENTWICKLUNG Morpheme = Die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache, die aus einem oder mehreren Phonemen zusammengesetzt sind Phoneme = elementare lautliche Einheiten einer Sprache, deren Veränderung mit Bedeutungsunterschieden einhergeht Phonologie = Lautsystem einer Sprache Syntax = Regelsystem der Sprache bezeichnet, das die jeweilige Sprachgrammatik definiert Pragmatik = Wissen über die Verwendung von Sprache zur Kommunikation Semantik = Bedeutung der Sprache, also auf die Inhalte, die mit einem Wort bzw. einem Satz ausgedrückt werden 6 GRUNDKOMPONENTEN DER SPRACHE 7 8 EBENEN DER SPRACHENTWICKLUNG Entwicklung der Sprache verläuft auf unterschiedlichen Ebenen Die phonetisch-phonologische Ebene bezeichnet die Bildung der Sprachlaute und ihre Position im Wort. Beispiel: das Aussprechen von "pf" oder "ts". Die semantisch-lexikalische Ebene bezieht sich auf das Sprachverständnis und den gesprochenen Wortschatz. Beispiel: Kind lernt, was das Wort "Auto" genau bedeutet. Die syntaktisch-morphologische Ebene bezieht sich auf die Fähigkeit, grammatische Strukturen und Regeln anzuwenden. Beispiel: Kind lernt, wie man das Verb "spielen" konjugiert und richtig in einen Satz einbaut. Die pragmatisch-kommunikative Ebene zeigt, wie Sprache in der zwischenmenschlichen Kommunikation angewendet wird. Beispiel: Wunsch nach einem Glas Wasser konkret ausdrücken Von "Kann ich ein Glas Wasser haben?" zu "Ich habe Durst". 9 THEORIEN DER SPRACHENTWICKLUNG Nativisten (Chomsky): Spracherwerb durch angeborenes System mit universeller Grammatik Kinder werden mit einer angeborenen Fähigkeit zur Erkennung und zum Lernen dieser Strukturen geboren Interaktionisten: Wechselwirkungen zwischen inneren Kapazitäten und Umwelteinflüssen Informationsverarbeitungsperspektive Sozialinteraktionistische Perspektive 10 SPRACHE UND GEHIRN Angeborene Bereitschaft zum Spracherwerb Sprache als spezifisch menschliche Fähigkeit, keine andere Tierart entwickelt auf natürliche Weise irgendeine Kompetenz, die der Komplexität oder Generativität der menschlichen Sprache nahekäme! (Nicht-menschliche Primaten, die unterrichtet wurden: sehr limitierte sprachliche Fähigkeiten) Sprachähnliche Lautäußerungen auch bei Gehörlosen 11 SPRACHE UND GEHIRN LATERALISIERUNG DER SPRACHE Bei 90% der Rechtshänder ist Sprachfunktion überwiegend in der linken Hirnhälfte des cerebralen Cortex repräsentiert Schon pränatal finden sich Hinweise auf eine Spezialisierung der Hirnhälften, die sich in den Folgejahren fortsetzt (Stärke der Lateralisierung steigt mit dem Alter an) Bereits bei Kindern: Linkshemisphärische Aktivierung bei gesprochener Sprache. Rechtshemisphärische Aktivierung bei nichtmenschlichen Geräuschen. Linke Hemisphäre scheint nicht nur auf Lautsprache spezialisiert, sondern auch für Gebärdensprache 12 SPRACHE UND GEHIRN SPRACHPRODUKTION: BROCA-AREAL Patient „Monsieur Tan“ Konnte nach Schlaganfall gesprochene und geschriebene Sprache verstehen, sie aber nicht mehr sprechen. Broca-Aphasie: Defizite in der Sprachproduktion, einzelne Wörter, fehlende grammatische Struktur Lokalisation: Broca-Areal Motorisches Sprachzentrum 13 SPRACHE UND GEHIRN SPRACHPERZEPTION: WERNICKE-AREAL Betroffene nicht in der Lage, Gesagtes zu verstehen. Produzieren daher ein „Kauderwelsch“, welches weder dem Zuhörenden, noch ihnen selbst verständlich ist. Wernicke-Aphasie: Beeinträchtigung im Sprachverstehen, Defizite in der Semantik Lokalisation: Wernicke-Areal Sensorisches Sprachzentrum 14 SPRACHE UND GEHIRN PLASTIZITÄT Befunde zeigen, dass andere Hirnregionen Funktionen der Sprache übernehmen können, wenn die Hirnregionen, die typischerweise für die Sprachentwicklung zuständig sind, in den ersten Lebensjahren verletzt werden Besonders in ersten Lebensjahren zeigt Gehirn hohe Plastizität! wird als Grundlage für die besonderen Sprachfähigkeiten bei Kindern verantwortlich gemacht Hirnverletzungen hinterlassen im Erwachsenenalter mit größerer Wahrscheinlichkeit permanentere Schäden als in der Kindheit https://st3.depositphotos.com/1803840/17287/v/450/ depositphotos_172878512-stock-illustration-illustration-of-brain- plasticity.jpg 15 SPRACHE UND GEHIRN SENSIBLE PHASE DES SPRACHERWERBS Hinweise für sensible Phase/Periode des Spracherwerbs bis zum Alter von fünf Jahren (Mir Abschluss der Hirnlateralisation), später erschwerter und weniger erfolgreich Erwerb einer Primärsprache nach Eintritt der Pubertät nur noch eingeschränkt möglich Beispiele sind Deprivationsfälle (nur eingeschränkt aussagekräftig): Wolfskind Victor, Genie Wolfskind Victor: Kind war anscheinend von seinen Eltern ausgesetzt worden und lebte viele Jahre lang in den Wäldern in der Nähe von Aveyron in Frankreich (ohne menschlichen Kontakt), bis er im Jahr 1800 entdeckt wurde (ca. 10 Jahre alt) Trotz intensivem Sprachtraining lernte Victor nur einige Worte Etwas mehr Erfolg bei lesen und schreiben https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/ 1/14/Victor%2C_the_salvage_of_Aveyron%2C_end_XVIIIe.jpg/ Verstarb im Alter von 38 Jahren (nach wie vor praktisch stumm) 695px-Victor%2C_the_salvage_of_Aveyron%2C_end_XVIIIe.jpg 16 SPRACHE UND GEHIRN SENSIBLE PHASE DES SPRACHERWERBS https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lernen/sprache/ pwiewolfskinder100.html https://media1.faz.net/ppmedia/w340/aktuell/ 1042299709/1.7065227/1x1/der-faszinierendste-mensch- den.jpg.webp 17 SPRACHE UND GEHIRN Auch die Sprachkompetenzen von Immigranten unterschiedlichen Alters belegen, dass sich insbesondere bei frühem Wechsel in einen anderen Sprachraum kaum Sprachprobleme zeigen Beleg für sensible Phase die aktivierten Hirnareale beim Erlernen der neuen Sprache sind bei Kindern und Erwachsenen unterschiedlich eine linkshemisphärische Verarbeitung verstärkt bei Kindern im Erwachsenenalter zusätzlich eine rechtshemisphärische Verarbeitung 18 SPRACHE UND GEHIRN Erwachsene, die im Alter von 1 bis 3 Jahren eine zweite Sprache gelernt haben: stärkere Aktivierung der linken Hemisphäre in einem Grammatiktest. Diejenigen, die die Sprache später gelernt haben: erhöhte Aktivierung der rechten Hemisphäre. (Aus Nevill & Bavelier, 1999) 19 SPRACHE UND GEHIRN BILINGUALISMUS In frühen Entwicklungsabschnitten fällt es Kindern leicht, auch mehrere Sprachen parallel zu erwerben Studien zum Zweitspracherwerb legen ein kritisches Zeitfenster für den Zweitspracherwerb nahe: Vor Erreichen des Schulalters ist der Zweitspracherwerb wesentlich einfacher und erfolgreicher. Kinder, die bilingual aufwachsen, schaffen es in der Regel, beide Sprachsysteme parallel zu erwerben Dieses mühelose und eher beiläufige Erlernen einer weiteren Sprache in der Kindheit, das ohne bewusstes Sprachlernen erfolgt, zeigt die besondere Lernbereitschaft für Sprachen während der Kindheit Ebenfalls Hinweise dafür, dass Zweisprachigkeit einige kognitive Funktionen in der Kindheit und darüber hinaus verbessert 20 SPRACHE UND GEHIRN BILINGUALISMUS Bilingualismus kann bereits im Mutterleib beginnen: Neugeborene, die pränatal nur einer Muttersprache ausgesetzt waren, bevorzugen diese Sprache gegenüber allen anderen Sprachen. Und Neugeborene, deren Mütter während der Schwangerschaft in zwei Sprachen redeten, zeigten jeweils gleiche Präferenzen für diese beiden Sprachen (Byers-Heinlein et al. 2010). 21 MENSCHLICHE UMWELT UND SPRACHE Bedeutung der menschlichen Umwelt für den Spracherwerb Genetische universelle Ausstattung des Menschen kann nicht ausreichend sein – spezifische Sprachen müssen erlernt werden Spracherwerb erfordert soziale Interaktion mit sprechender Umgebung Erwachsene und Geschwister beginnen praktisch von Geburt an, mit Babys sprachlich zu kommunizieren Bereits Neugeborene schenken Sprachlauten länger Aufmerksamkeit als anderen Geräuschen (Vouloumanos et al. 2010) 22 MENSCHLICHE UMWELT UND SPRACHE Kindzentrierte Sprache (infant-directed talk, Baby-talk): Der besondere Sprachmodus, den Erwachsene annehmen, wenn sie zu Babys und Kleinkindern sprechen (Teil der intuitiven elterlichen Didaktik) Kulturübergreifender; charakteristischer Sprechstil; Hohe Tonlage, emotionaler Tonfall/ Übertreibungen, extreme Schwankungen im Intonationsmuster (geht ebenso mit übertriebenen Gesichtsausdrücken einher) Verlangsamt, deutliche Pausen, Wiederholungen Ausdruck emotionaler Botschaften (von Babys „gelesen“ ab etwa 8 Monaten) Präferenz der Babys für baby-talk gegenüber Erwachsenensprache, selbst wenn er nicht an sie gerichtet ist Ist kindzentrierte Sprache notwendig für den Spracherwerb? Nicht universell (Kwarae, Kaluli) Förderlich, aber nicht https://news.stanford.edu/__data/assets/image/0017/52343/varieties/705w.jpeg notwendig 23 MENSCHLICHE UMWELT UND SPRACHE Kwara’ae auf den Salomon-Inseln im Südpazifik, Kaluli in Neuguinea, Ifalok in Mikronesien und Kaluli in Papua-Neuguinea: Erwachsene glauben, dass den Kindern jegliche Fähigkeit zum Sprachverstehen fehlt, sodass es keinen Grund gibt, mit ihnen zu sprechen Kinder der Kaluli werden so getragen, dass ihr Gesicht der Umgebung zugewandt ist und sie mit anderen Menschen Blickkontakt aufnehmen können, aber nicht mit der Person, die sie gerade trägt; und wenn sie von älteren Geschwistern angesprochen werden, antwortet die Mutter für sie (Schieffelin und Ochs 1987). Tsimane in Bolivien (einer ländlichen, bäuerlichen Gesellschaft): Erwachsene sprechen Kinder nur selten an; Babys hören seltener als eine Minute pro Stunde Sprache, die an sie gerichtet ist (Cristia et al. 2017) 24 SPRACHWAHRNEHMUNG Rezeptive Fähigkeiten laufen beim Spracherwerb generell den produktiven voraus. Babys sind sensitiv für die Prosodie der Sprache, die sie hören (Prosodie: charakteristischer Rhythmus, Tonfall, Melodie, Tempo, Intonation) Prosodische Unterscheidung zwischen Muttersprache und Fremdsprachen bereits bei Neugeborenen. Sprachwahrnehmungskompetenzen: Babys müssen lernen, Phoneme zu erkennen. Phonetische Differenzierungsfähigkeit scheint angeboren und unabhängig von Erfahrung zu sein. Kategoriale Wahrnehmung von Sprachlauten: Kind muss in der Lage sein, Sprachlaute voneinander zu unterscheiden (Wahrnehmung von Sprachlauten als Repräsentanten distinkter Kategorien (bei Erwachsenen und Babys)) Im ersten Lebensjahr größere Differenzierungsfähigkeit bei Lautkategorien bei Babys als bei den Erwachsenen (Rückgang ab 8 bis 12 Monaten) 25 SPRACHWAHRNEHMUNG Entwicklungsveränderungen in der Sprachwahrnehmung Bis ca. 10 Monate sind Kinder „universelle Sprachversteher“: Sie treffen auch kategoriale Lautunterscheidungen, die nicht spezifisch für ihre Muttersprache sind. Danach wird diese phonologische Differenzierungsfähigkeit auf die Muttersprache eingeengt. Mit etwa einem Jahr hat sich die Sprachwahrnehmung der Babys auf ihre eigene Sprache spezialisiert. Die phonemische Differenzierungsfähigkeit nähert sich der Erwachsener an. Babys erkennen zusammen vorkommende Lautmuster und präferieren Wörter ihrer Sprache gegenüber Nicht-Wörtern gleicher Länge. Unterscheidung zwischen Betonungsmustern auch auf neurophysiologischer Ebene (EEG). 26 SPRACHWAHRNEHMUNG Breits innerhalb des ersten Lebensjahres achten Kinder auf Regelhaftigkeiten in der Sprache - Prosodische Regelmäßigkeiten: Kinder schenken Wortlisten mit muttersprachlichem Betonungsmuster mehr Aufmerksamkeit. - Beachtung der Verteilungscharakteristika von Lauten im Sprachfluss (Welche Laute folgen oft/weniger oft auf andere?). 27 SPRACHPRODUKTION Vorbereitung auf die Sprachproduktion Bevor Kinder in der Lage sind, verbal zu kommunizieren, können sie Gesten nutzen, um sich zu verständigen In den ersten 2 Monaten: Schreien, Nießen, Seufzen, Rülpsen Zwischen 6 – 8 Wochen: Gurren (cooing) verbesserte motorische Kontrolle für Vokalisation 6 – 10 Monate: Blabbern/Plappern, wiederholen von Konsonant – Vokal Eingeschränktes Lautrepertoire beim Plappern Rückmeldung auf Plappern durch Umgebung Gehörlose Kinder produzieren bis 5 – 6 Monate ähnliche Vokalisation wie hörende, aber vokales Plappern (sehr spät und sehr begrenzt) Gehörlose Babys, mit denen gebärdet wird, plappern manuell mit ca. 8 Monaten 28 WORTSCHATZERWERB (REZEPTIV) DIE ERSTEN WORTE Babys erkennen Worte, bevor sie sie verstehen Mit 4 Monaten: Erkennen des eigenen Namens Mit 7 bis 8 Monaten: erkennen neuer Wörter, die sie nach Wochen wiedererkennen Ab etwa 6 Monaten: erste Referenzfixierung (schauen z.B. auf Mami oder Papi, wenn jemand diese benennt) 29 SPRACHPRODUKTION Frühe Wortproduktion Verständnis vor Produktion (10-monatige verstehen 11 bis 154 Wörter) Erste Wortproduktionen zwischen 10 und 25 Monaten Frühe Wortproduktion limitiert durch Laute, die das Baby aussprechen kann Benennung von vertrauten Personen, Haustieren, wichtigen Gegenständen, häufige Ereignisse und Routinen; hoher Anteil von Substantiven im frühen Produktionswortschatz Bei ersten Worten: Überspezifizierung: eine Phase wird durch ein einziges Wort ausgedrückt Überdehnung/Übergeneralisierung: Verwendung eines Wortes in einem weiteren Kontext als in der Erwachsenensprache (z.B. wau-wau für alle Vierbeiner; ebenfalls: Unterextensionen) 30 WORTSCHATZERWERB Bis zum Alter von etwa 18 Monaten: Langsamer Fortschritt Mit 18 Monaten sollte der Wortschatz etwa 50 Worte umfassen (Late-Talkers: Kinder, die mit 24 Monaten die 50-Wort-Grenze nicht erreicht haben)Danach: „Wortschatzexplosion“ Ab 18 Monaten: Wortschatzexplosion Zwischen 18 Monaten und 5 – 6 Jahren: Kinder lernen durchschnittlich 5 bis 10 neue Wörter pro Tag Ein zweijähriges Kind hat einen Wortschatz von ca. 200 Worten. 31 SPRACHPRODUKTION 32 WORTSCHATZERWERB Wie ist schneller Wortschatzerwerb möglich? Schnelle Bedeutungsbildung (Fast mapping): Kinder lernen Wörter oft durch ein einziges Benennungsereignis aus dem Kontext, v.a. durch kontrastive Benennungen Prinzipien (Constraints): schränken die möglichen Bedeutungen für ein neues Wort ein: Ganzes Objekt, wechselseitige Exklusivität Pragmatische Hinweise: Hinweise aus dem sozialen Kontext der Sprachverwendung: Kinder nutzen den Aufmerksamkeitsfokus eines Erwachsenen als Hinweis auf die Wortbedeutung (18 M) Intentionalitätshinweise: neues Wort bezieht sich auf absichtlich ausgeführte Handlungen (14 – 18 M) Hinweise aus dem sprachlichen Kontext (3-4 Jährige) 33 ERSTE SÄTZE Verständnis läuft Produktion voraus Mit 13 bis 15 Monaten: Evidenz für syntaktisches Wissen Präferenzmethode: Kinder bevorzugen Szene, die zum gesprochenen Satz passt Wissen, das über die Kenntnis der Wortbedeutungen hinausgeht Gegen Ende des 2. Lebensjahres: Produktion von Zwei-Wort-Sätzen Telegrammstil: nicht essentielle Elemente fehlen Beibehaltung korrekter Wortfolge 24-26 Monaten: Drei- und Mehrwortsätze Anwendung der wichtigsten grammatischen Regeln (aber Verwendung noch nicht richtig) Verwendung der Ich-Form und Wortneuschöpfung 34 ERSTE SÄTZE 35 KINDGERECHTE SPRACHE Besteht aus: Kurze Sätze Hoher, übertriebener Ausdruck Klare Aussprache Deutliche Pausen zwischen Sprachsegmenten Klare Gesten zur Unterstützung der verbalen Bedeutung Wiederholung Der Einsatz von kindgerechte Sprache und Eltern-Kind-Konversation schaffen einen Bereich der proximalen Entwicklung für den Spracherwerb 36 FÖRDERUNG DER FRÜHEN SPRACHLICHEN ENTWICKLUNG Mit Säuglingen: Auf Gurren und Brabbeln reagieren Gemeinsame Aufmerksamkeit schaffen Kindgerechte Sprache verwenden Mit Kleinkindern Häufig Gespräche führen Viel lesen und über Bücher reden Gesellschaftsspiele spielen 37 STÖRUNGEN DER SPRACHENTWICKLUNG 18-24 Monate: Benennungsexplosion /Wortschatzexplosion (von 50 auf ca. 200 Worte) Kinder, die mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter aktiv benutzen und/oder keine Zwei-Wort-Sätze bilden können, gelten als Late Talker. Dieser Umstand kann ein Indiz für eine Sprachentwicklungsstörung sein. Ca. 40 50% der Late Talker entwickeln eine SSES (Spezifische-Sprach-Entwicklungs-Störung) Bis zu 50% dieser Spätsprecher holen den Rückstand bis zum 30. Monat auf. Diese Kinder werden dann als Late Bloomer (Spätblüher) bezeichnet. Hier zeigen sich später keine weiteren Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung https://www.kita.de/wissen/wp-content/uploads/dyslalie-662x331.jpeg 38 STÖRUNGEN DER SPRACHENTWICKLUNG Prävalenz: Prävalenz 5-8% (Jungs ca. 2-3 mal häufiger betroffen als Mädchen) Artikulationsstörungen (IDC 10) Die Artikulation des Kindes liegt unterhalb des seinem Intelligenzalter angemessenen Niveaus, die sprachlichen Fähigkeiten sind jedoch im Normbereich. z.B: Störungen beim Gebrauch bestimmter Laute oder Lautkombinationen Expressive Sprachentwicklungsstörungen (ICD 10) Probleme beim Verwenden gesprochener Sprache, z.B: Mit 2 Jahren noch geringer Wortschatz, mit 3 Jahren noch keine Zweiwortsätze, auch später noch eingeengter Wortschatz und Grammatikfehler. Rezeptive Sprachentwicklungsstörungen (ICD 10) Probleme beim Verständnis gesprochener Sprache, tritt oft gemeinsam mit expressiven Störungen auf. https://www.kita.de/wissen/wp-content/uploads/dyslalie-662x331.jpeg 39 STÖRUNGEN DER SPRACHENTWICKLUNG Artikulationsstörungen haben deutlich bessere Prognose als Expressive oder rezeptive Sprachentwicklungsstörungen. Störungen der Sprachentwicklung oft Vorläufer für Lese-Rechtschreibstörung. Hohe Komorbidität von Sprachstörungen mit anderen Störungen: V.a.: Hyperkinetische Störungen, Störungen des Sozialverhaltens., Emotionale Störungen Auffälligkeiten in der Motorik (Sprachmotorik, aber auch Fein und Grobmotorik allg.), sowie weitere psychische Begleitsymptome z.B. Unruhe, trotzig- oppositionelles Verhalten v.a. bei Jungs, soz. Rückzug, Überempfindlichkeit v.a. bei Mädchen https://www.kita.de/wissen/wp-content/uploads/dyslalie-662x331.jpeg 40