Vorlesung Wirtschaftsmathematik für IMB PDF
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Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
2024
Dr Gregor Peltri
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This document is a lecture on economic mathematics for students of the IMB program at the Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. The document discusses nominal and real interest rates, and covers topics on determining the course and yield of different debt and investment scenarios.
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Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig Mathematisch-Naturwissenschaftliches Zentrum Dr Gregor Peltri Vorlesung: Wirtschaftsmathematik für IMB Wintersemester 2024/2025 2.4 Kurs und Rendite 2.4.1 Nominal- und Realzinssatz Wie schon erwähnt sind Gläubiger und Schuldner frei in der V...
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig Mathematisch-Naturwissenschaftliches Zentrum Dr Gregor Peltri Vorlesung: Wirtschaftsmathematik für IMB Wintersemester 2024/2025 2.4 Kurs und Rendite 2.4.1 Nominal- und Realzinssatz Wie schon erwähnt sind Gläubiger und Schuldner frei in der Vereinbarung zur Schuldentilgung. Insbe- sondere können sie auch einen Zinssatz i vereinbaren, der von dem marktüblichen Zinssatz abweicht. Dafür gibt es verschiedene Gründe, so könnte beispielsweise ein erhöhtes Ausfallrisiko eines Schuld- ners (schlechte Bonität) zu erhöhten Zinsen führen. Sollen nun derartige Schuldverhältnisse am Markt verkauft werden, so steht die Frage nach ihrer Bewertung, um einen fairen Preis angeben zu können. Wir treen zunächst wieder einige Vereinbarungen für Kurs und Rendite: K1 Die Verzinsung erfolgt mit Zinseszinsen zu konstanten positiven Zinssätzen. K2 Die Zinsperiode ist ein Jahr. K3 Die Zahlungen erfolgen ebenfalls jährlich. Den zwischen Schuldner und Gläubiger vereinbarten Zinssatz i > 0 bezeichnen wir als Nominalzinssatz. Wir setzen wie immer als Aufzinsungsfaktor q = 1 + i. Demgegenüber nennen wir den marktüblichen Zinssatz, zu dem Investoren Kapital mit gleicher Laufzeit anlegen können, den Realzinssatz oder Marktzinssatz i∗. Im Bankenwesen könnte dies beispielsweise der Leitzinssatz einer Zentralbank sein, zu dem sich Banken Geld leihen können (Renanzierung). Auch hier denieren wir einen Aufzinsungsfaktor q ∗ = 1 + i∗. Nehmen wir nun an, der Schuldner erhält bei t = 0 ein Kapital K vom Gläubiger und leistet einen Zahlungsstrom (At )t=1,2,...,n als Rückzahlungen (Annuitäten eines Tilgungsprozesses). Der bisher stets berechnete Nominalbarwert des Rückzahlungsstroms n X At K0 = qt t=1 gibt nun nicht mehr den Barwert der Schuld aus Sicht des Marktes wieder. Dazu muÿ man vielmehr den Realbarwert n X At K0∗ = (q ∗ )t t=1 heranziehen. Dieser hängt natürlich vom Realzinssatz ab, man kann also schreiben K0∗ = K0∗ (i∗ ). Beispiel: Eine Anleihe mit 6jähriger Restlaufzeit über 1 000 ¿ liefert ihrem Besitzer jährlich 5 % Zinsen. Welche Realbarwerte ergeben sich bei Marktzinssätzen von 4 % bzw 6 %? Die Zinszahlungen lauten A1 = A2 =... = A5 = 1 000 ¿ · 5 % = 50 ¿. Im 6. Jahr kommt die Rückzahlung der Anleihe hinzu: A6 = 1 050 ¿. Also ist 50 ¿ 1 050 ¿ 6 5 = 1 052,42 ¿ bzw X At X K0∗ (4 %) = t = t + 1,04 1,04 1,046 t=1 t=1 50 ¿ 1 050 ¿ 6 5 = 950,83 ¿ X At X K0∗ (6 %) = = + 1,06t 1,06t 1,066 t=1 t=1 Der nominelle Barwert wäre natürlich 50 ¿ 1 050 ¿ 6 5 = 1 000 ¿ X At X K0 = = + 1,05t 1,05t 1,056 t=1 t=1 denn es handelt sich um eine Zinsschuld mit vollständiger Tilgung. Rückzahlungsstrom und Barwert sind daher äquivalent. Im Falle von Wertpapieren wie im Beispiel heiÿt der Nominalbarwert auch Nennwert K (des Wertpa- piers). 2.4.2 Der Zusammenhang von Kurs und Rendite Denition: Man bezeichnet das Verhältnis von Real- und Nominalbarwert K0∗ (i∗ ) C0 = C0 (i∗ ) = K als Kurs des Zahlungsstroms zum (konstanten) Realzinssatz i∗. Bemerkung: Während Barwerte (Währungs-)Einheiten besitzen, ist der Kurs ohne Einheit. Er wird in der Regel als Prozentwert angegeben. Gelegentlich wird auch der Prozentfuÿ 100C0 als Kurs angegeben. Beispiel: (Fortsetzung) Der Kurs der Anleihe beträgt K0∗ (4 %) 1 052,42 ¿ = 105,242 % bzw 1 000 ¿ C0 (4 %) = = K K ∗ (6 %) 950,83 ¿ C0 (6 %) = 0 1 000 ¿ = = 95,083 % K Weitere Begrie: Agio Dierenz K0∗ − K zwischen Realbarwert und Nennwert, sofern positiv K∗ − K K∗ Agiosatz Verhältnis von Agio zum Nennwert: 0 = 0 − 1 = C0 − 1 K K Disagio Dierenz K − K0∗ zwischen Nennwert und Realbarwert, sofern positiv K − K0∗ K∗ Disagiosatz Verhältnis von Disagio zum Nennwert: = 1 − 0 = 1 − C0 K K Beispiel: (Fortsetzung) Bei i∗ = 4 % ergibt sich ein Agio von 52,42 ¿ und ein Agiosatz von 5,242 %. Bei i∗ = 6 % ergibt sich ein Disagio von 49,17 ¿ und ein Disagiosatz von 4,917 %. Wir wollen eine weitere Vereinbarung treen: K4 Die Zahlungen des Schuldners bilden einen nichtnegativen Zahlungsstrom, At ≥ 0, t = 1, 2,... , n Im Beispiel haben wir den Kurs für zwei konkrete Marktzinssätze berechnet. Untersuchen wir nun den Kurs als Funktion in Abhängigkeit vom Realzinssatz. Man kann allgemein nachweisen: Unter den gestellten Voraussetzungen ist der Kurs C0 = C0 (i∗ ) eine positive, stetige, streng monoton fallende und streng konvexe Funktion. Der Denitionsbereich besteht aus dem Intervall (−1, ∞). Man könnte also sogar negative Realzinssätze zulassen, allerdings nur bis −100 %. Oensichtlich ist n K0∗ (0) 1 X C0 (0) = = At ≥ 0 K K t=1 und K0∗ (i) K C0 (i) = = = 1 = 100 % K K Am linken Ende des Denitionsbereichs gilt asymptotisch n ∗ K0∗ (i∗ ) 1 X At lim C0 (i ) = ∗ lim = lim = +∞ i∗ →−1+0 i →−1+0 K K q ∗ →+0 (q ∗ )t t=1 und am rechten Ende n ∗ K0∗ (i∗ ) 1 X At lim C0 (i ) = ∗lim = lim =0 ∗ i →∞ i →∞ K K q →∞ (q ∗ )t ∗ t=1 Aufgrund der oben genannten Eigenschaften existiert die Umkehrfunktion (auch wenn wir sie im all- gemeinen nicht explizit angeben können), d h, zu jedem positiven Kurs C0 gibt es einen passenden Realzinssatz i∗ , so daÿ C0 der zugehörige Funktionswert ist. Denition: Zu einem gegebenen Kurs C0 > 0 heiÿt der unter den Voraussetzungen K1K4 eindeutig bestimmte Realzinssatz i∗ mit C0 = C0 (i∗ ) Rendite zum Kurs C0. 2.4.3 Kurse spezieller Tilgungsprozesse Wir wollen abschlieÿend den Kurs für die unter 2.3.4 erläuterten speziellen Tilgungsprozesse angeben. 1. Zinsschuld Der Kurs errechnet sich gemäÿ 1 i ∗ n ((q ) − 1) + 1 falls i∗ = ̸ 0 C0 = (q ∗ )n i∗ ni + 1 falls i∗ = 0 Eine Auflösung der polynomialen Gleichung nach i∗ ist für gröÿere n ∈ N nicht geschlossen möglich. Zur Bestimmung der Rendite bei gegebenem Kurs nden deshalb numerische Iterati- onsverfahren ihre Anwendung. Beispiel: Aus einer Kuponanleihe (englisch: bond ) mit einer Restlaufzeit von 8 Jahren erhält der Gläubiger jährlich 5,5 % Zinsen; am Ende wird der Nennwert zurückgezahlt. Der Marktzinssatz beträgt 6,2 % p a. Zu welchem Kurs kann die Anleihe gekauft werden? 1 0,055 8 C0 = (1,062 − 1) + 1 ≈ 95,6873 % 1,0628 0,062 2. Gesamtfällige Schuld mit Zinsansammlung Es ist n q C0 = q∗ In diesem Fall kann man auch nach der Rendite auflösen: q i∗ = √ n −1 C0 Beispiel: Eine Nullkuponanleihe (englisch: zero bond, keine Auszahlung während der Anlage- dauer) über 7 Jahre wird mit einem Zinssatz von 4,2 % p a verzinst. Wie lautet der Kurs bei einer Rendite von 6 %? 1,042 7 C0 = ≈ 88,7019 % 1,06 Wie hoch ist die Rendite bei einem Kurs von 107 %? 1,042 i∗ = √ 7 − 1 ≈ 3,1977 % 1,07 3. Ratenschuld Es ist (i∗ − i)((q ∗ )n − 1) i + ∗ falls i∗ ̸= 0 C0 = i n(q ∗ )n (i∗ )2 1 + i n + 1 falls i∗ = 0 2 Beispiel: Ein Darlehen über 60 000 ¿ wird als Ratenschuld über 10 Jahre zum Zinssatz von 8 % p a getilgt. Bei einer Restlaufzeit von 3 Jahren besteht noch eine Restschuld von 18 000 ¿. Mit welcher sofortigen Zahlung kann der Schuldner das Darlehen zu diesem Zeitpunkt ablösen, wenn der gegenwärtige Marktzinssatz 6,5 % beträgt? 0,08 (0,065 − 0,08)(1,0653 − 1) C0 = + ≈ 102,704 % 0,065 3 · 1,0653 · 0,0652 Nun kann man den Barwert der ausstehenden Zahlungen zum Realzinssatz 6,5 % aus der Deni- tion des Kurses bestimmen, indem man für K0 die Restschuld von 18 000 ¿ einsetzt: K0∗ = C0 · K0 = 1,02704 · 18 000 ¿ = 18 486,73 ¿ 4. Annuitätenschuld oder Annuitätentilgung Es ist n ∗ n i q (q ) − 1 ∗ ∗ falls i∗ ̸= 0 C0 = i q qn − 1 i n q n falls i∗ = 0 qn − 1 Beispiel: Eine Bank bietet Darlehen mit 6,39 % p a Verzinsung bei 10jähriger Zinsbindung und einem Disagiosatz von 5 % an. Es kommt also nicht die gesamte Darlehenssumme K zur Aus- zahlung, sondern nur 0,95 K ; Zinsen werden allerdings auf die volle Darlehenssumme K erhoben. Welche Rendite erzielt die Bank mit diesem Angebot? K0∗ = (1 − d)K ist der Auszahlungsbetrag zur Darlehenssumme K. Daraus ergibt sich n ∗ n n ∗ n ∗ i q (q ) − 1 i q (q ) − 1 (1 − d)K = K0 = K ∗ ∗ n ⇔ 1−d= ∗ ∗ i q q −1 i q qn − 1 Gesucht ist nun die Rendite i∗. Mit i∗ = q ∗ − 1 ergibt sich folgende polynomiale Gleichung in q ∗ : (1 − d)(q ∗ − 1)(q ∗ )n (q n − 1) = i q n ((q ∗ )n − 1) ⇔ (1 − d)(q n − 1)(q ∗ )n+1 − [(1 − d)(q n − 1) + i q n ] (q ∗ )n + i q n = 0 Die Gleichung ist im allgemeinen nicht explizit nach q ∗ auflösbar, so daÿ ein Näherungsverfahren zur Bestimmung von q ∗ eingesetzt werden muÿ. Man erhält nach Einsetzen von i = 0,0639, q = 1,0639 , n = 10 sowie d = 0,05 im Ergebnis q ∗ ≈ 1,07498, also i∗ ≈ 7,498 % als Rendite der Bank. Welchen Nominalzinssatz müÿte die Bank bei einem Darlehen verlangen, das unter sonst gleichen Bedingungen einen Disagiosatz von 10 % enthält, jedoch die gleiche Rendite wie eben erzielt? Diesmal ist die Rendite i∗ = 7,498 % vorgegeben, der Nominalzinssatz i hingegen gesucht. Man stellt dazu obige Gleichung als polynomiale Gleichung in q = 1 + i dar: (1 − d)i∗ (q ∗ )n (q n − 1) = (q − 1)q n ((q ∗ )n − 1) ⇔ ((q ∗ )n − 1)q n+1 − [(1 + (1 − d)i∗ )(q ∗ )n − 1] q n + (1 − d)i∗ (q ∗ )n = 0 Hieraus ergibt sich (wieder über ein Näherungsverfahren) q ≈ 1,05254, also i ≈ 5,254 % als Nominalzinssatz bei 10 % Disagiosatz.