VL_8_HS24_Angststoerungen+im+Alter_HANDOUT_c PDF
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PD Dr. Myriam V. Thoma
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This document is a lecture handout on anxiety and somatoform disorders in older adults. The document covers topics such as lecture outlines, learning objectives, and references. It seems to be a handout for a university course or seminar on this topic.
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Bildquelle: https://theplaidzebra.com/why-i-love- my-anxiety-disorder/ Angst und somatoforme Störungen im Alter Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 1 Gliederung der Vorlesung 04.11.2024 Angst und somatoforme Störungen im Alter (Präsenzformat) 11.11.2024 Traumafolgestörungen im Alter (via Zoom) 18.11.2024 Resilienz im Alter (Präsenzformat) 25.11.2024 Healthy Aging* 02.12.2024 Innovationen und Interventionen im Alter (Präsenzformat) 09.12.2024 Wiederholung und Prüfungsvorschau (via Zoom) 16.12.2024 Prüfung (à 20.12.2024) * Keine Live Veranstaltung à Video auf OLAT hochgeschaltet Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 2 Lernziele der Veranstaltung Nach dem regelmässigen Besuch der Vorlesung und nach dem Studium des vorgegebenen Lernstoffes …... kenne ich mich bezüglich der Prävalenz von Angststörungen (insbesondere bezüglich der Generalisierten Angststörung) im Alter gut aus.... kenne ich die kritischen Aspekte bezüglich der Diagnostik von Angststörungen und kann ein Screening-Instrument (à Angstfragebogen) beschreiben. … kenne ich spezielle Formen von Angststörungen im Alter. … kann ich konkrete Aussagen zu den somatoformen Störungen (gemäss ICD-11) und deren psychotherapeutischen Ansätze machen. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 3 Angststörungen im Alter Bildquelle: https://www.pinterest.de/pin/368521 182018212880/ Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 4 Häufigkeit von Angststörungen im Alter (I) (Klöppel & Jessen, 2020; Logé & Salzer, 2021) (Graphik aus: Klöppel & Jessen, 2020, Praxishandbuch Gerontopsychiatrie und-psychotherapie) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 5 Häufigkeit von Angststörungen im Alter (II) (Lenze & Loebach Wetherell, 2011) (Graphik aus: Lenze & Loebach Wetherell , Dialogue s in Clinical Neurosci ence, 2011) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 6 Häufigkeit von Angststörungen im Alter (III) (Andreas et al., 2017; Lenze & Loebach Wetherell, 2011; Logé & Salzer, 2021) Grosse Unterschiede in Prävalenzschätzungen: Je nach Studie / Literatur sehr unterschiedliche Prävalenzzahlen für Angststörungen im Alter Angststörungen Gesamtprävalenz für Angststörungen Allgemeinpopulation: 1.2–15 % im höheren Erwachsenenalter Medizinische Settings: 1–28 % niedriger als bei Jüngeren. Dennoch: Angststörungen bei über 65- Klinisch bedeutsame Angstsymptome jährigen à vorherrschende Störungs- Allgemeinpopulation: 15–52 % gruppe mit einer 12-Monats-Prävalenz Medizinische Settings: 15–56 % von 17.2 % (in Europa). Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 7 Diagnose Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 8 Diagnose von Angststörungen im Alter (I) (Risch & Wilz, 2015) Diagnose ist schwierig – Angststörungen im Alter werden in 50 % der Fälle „übersehen“ Angststörungen überlagert von komorbiden körperlichen Erkrankungen und Zuständen sowie funktionellen Einschränkungen (sowie deren Folgen, z.B. wenn vermieden wird, das Haus zu verlassen) Normale vs. pathologische Sorgen à Abgrenzung? Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 9 Diagnose von Angststörungen im Alter (II) (Risch & Wilz, 2015) Weniger subjektive Selbstberichte von Ängsten und häufigere Einnahme / Verschreibung von Medikamenten verglichen zu jüngeren Patient*innen Komorbide körperliche Erkrankungen, Funktionsstatus und Medikamentenanamnese für die Diagnosestellung zentral Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 10 Diagnose von Angststörungen (im Alter) (III) (Marks & Mathews, 1979; dt.: Hank, Klann & Hahlweg, 1990) Angstfragebogen (altersunspezifisch) Verdacht auf Panikstörung: Gleichzeitiges Auftreten von mindestens 4 Symptomen aus 1.-14. (davon 1 Symptom aus 1.-4.) Verdacht auf GAS Mindestens 4 Symptome aus 1.-22. (davon ein Symptom aus 1.- 4.) Verdacht auf Agoraphobie Mindestens 2 Symptome aus 1.-14. (davon 1 Symptom aus 1.-4.) Verdacht auf soziale Phobie Mindestens 2 Symptome aus 1.-14. & mindestens 1 Symptom aus 23.-25. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 11 Generalisierte Angststörungen (GAS) im Alter Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 12 Generalisierte Angststörung im Alter (I) (Logé & Salzer, 2021) GAS: häufigste Angststörung des höheren Erwachsenenalters (à 3.4 %) Tritt bei älteren Menschen genauso häufig oder sogar häufiger auf als bei Jüngeren Assoziiert mit einem hohen Leidensdruck Verläuft unbehandelt häufig chronisch Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 13 Generalisierte Angststörung im Alter (II) Grund dafür, dass (Logé & Salzer, 2021) GAS im Alter schwieriger zu erkennen und diagnostizieren ist Altersspezifische Besonderheiten der GAS im Alter Ausprägung (weniger Sorgen u. weniger Strategien, Sorgen zu kontrollieren) und Inhalt der Sorgen (bei Jüngeren: eigene Leistungsfähigkeit, finanzielle und familiäre Fragen; bei Älteren: körperliche Gesundheit von sich oder anderen, Familienangelegenheiten / Wohlergehen der Familie) Körperliche Symptome: mit Alter zunehmend grösseren Stellenwert (bei Älteren häufiger: Schwindel, Benommenheit, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Muskelverspannungen) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 14 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 15 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (I) (Kessler, Tempel & Wahl, 2014) Aging Anxiety / Altersangst Aging Anxiety Questionnaire „ Die Altersangst wurde definiert als die Sorgen oder Ängste der Menschen vor dem Älterwerden, einschließlich der Sorgen über den Rückgang der Gesundheit und der körperlichen Leistungsfähigkeit, des finanziellen Wohlbefindens, der kognitiven Fähigkeiten, der Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes und der sozialen Verluste.“ (Kessler, Tempel & Wahl, 2014, S. 81) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 16 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (II) (Kessler, Tempel & Wahl, 2014) Dementia Anxiety (a) Anticipatory Dementia (Cutler & Hodgson, 1996) Fear of Alzheimer‘s Disease (French et al., 2012) Dementia Anxiety (Alberts et al., 2011) Dementia Worry (Kessler et al., 2012) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 17 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (II) (Kessler, Tempel & Wahl, 2014) Dementia Anxiety (b) Steigende Besorgnis in Gesellschaft, an Alzheimer-Demenz (AD) zu erkranken (2006: 20 %; 2010: 31 %) Geringer Einfluss von Alter(!), Geschlecht, Ausbildung, sozio-ökonomischem Status Geringer Einfluss von Wissen über AD / Demenz Kinder von Eltern mit AD: höhere AD-bezogene Ängste (92 % vs. 47 %) Genereller, informeller persönlicher Kontakt mit AD assoziiert mit höheren AD-bezogenen Ängsten Assoziiert mit depressiven Symptomen, Angst und Hypochondrie in älteren Patient*innen Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 18 Spezielle Formen von Angststörungen (im Alter) Progredienzangst Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 19 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIIa) (Berg & Dinkel, 2023; Kessler, Tempel & Wahl, 2014) Progredienzangst (PA) Furcht vor dem Fortschreiten einer bestehenden körperlichen Erkrankung und den damit verbundenen negativen Konsequenzen (z.B. persönlich, familiär, sozial) Die PA stellt eine der häufigsten und stärksten psychischen Belastungen von Patient*innen mit chronischen Krankheiten dar. Anders als bei den für Angststörungen sonst typischen irrationalen Ängsten hat PA einen realen Grund (à PA = Realangst) Eine PA kann funktional sein à Hinweis auf reale Bedrohung; Motivation, im Sinne der Selbstführsorge aktiv zu werden. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 20 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIIb) (Berg & Dinkel, 2023; Kessler, Tempel & Wahl, 2014) Progredienzangst (PA) Eine PA ist dann behandlungsbedürftig, wenn die Lebensqualität der Betroffenen erheblich eingeschränkt wird, sie sich kaum noch auf die reale Bedrohung bezieht und die Selbstfürsorge hemmt (z.B. Vermeidung von Arztbesuchen). Man unterscheidet zwei Typen der PA: 1. Ängstlich-vermeidender, depressiver Subtyp (vermeidet die wirkliche Auseinandersetzung und Konfrontation mit der möglichen Bedrohung) 2. Zwanghafter Typ (übertriebene, zwanghafte Selbstfürsorge) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 21 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIIc) (Berg & Dinkel, 2023) Progredienzangst (PA) – Angstkonfrontation Empirisch bewährter Behandlungsansatz à Exposition in sensu (u. Angsttagebuch) à Anleitung: Befürchtungen und Sorgen nicht mehr (immer) vermeiden, sondern zu konkretisieren und zu überlegen, was schlimmstenfalls geschehen könnte. à Entscheidend ist, Befürchtungen zu Ende zu denken, Verhaltensoptionen für den „schlimmsten Fall“ zu erarbeiten, zu akzeptieren, dass ein Rest an Angst bleiben wird. à Neben Konfrontation auch wichtig: sich abzulenken oder (ab und zu) verdrängen. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 22 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIId) (Berg & Dinkel, 2023) Progredienzangst (PA) – Angstkonfrontation Altersspezifische Aspekte, welche zu berücksichtigen sind: Ältere brauchen prinzipiell keine anderen Behandlungstechniken als Jüngere Fokussierung auf aktuelle Gesprächsinhalte, Anpassung des Tempos, Inhalte wiederholen, Pausen einlegen Grundsätzliche medizinische Kenntnisse über relevante chronische Krankheiten Empfehlung: Sterben und eigenes Begräbnis nicht als Expositionsinhalt wählen Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 23 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIIe) (Berg & Dinkel, 2023) Progredienzangst (PA) Fallbeispiel aus Berg und Dinkel, Psychotherapie im Alter, 2023, S. 53–54 Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 24 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIIf) (Berg & Dinkel, 2023) Progredienzangst (PA) Fallbeispiel aus Berg und Dinkel, Psychotherapie im Alter, 2023, S. 53–54 Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 25 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IIIg) (Berg & Dinkel, 2023) Progredienzangst (PA) Fallbeispiel aus Berg und Dinkel, Psychotherapie im Alter, 2023, S. 53–54 Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 26 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter Fallangst Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 27 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IV) Fallangst (a) à Angst, erneut zu stürzen https://www.youtube.com/watch?v=LPxbKH3M7_8 Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 28 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IV) Fallangst (b) Beträchtlicher Anteil an Krankheits- und Sterberate und funktionale Verluste Frühzeitige Einweisung in Pflegeeinrichtungen für Senior*innen Zuhause lebende über 65-jährige: 30–40 % stürzen 1x / Jahr Zuhause lebende über 80-jährige: 50 % stürzen 1 x / Jahr 10 % der Stürze à behandlungsbedürftige Verletzungen 1–2 % der Stürze à Oberschenkelhalsbrüche Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 29 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IV) Fallangst (c) – Risikofaktoren Pflegeheimbewohner*innen à Besonders hohes Risiko Alter à Steigendes Risiko mit zunehmendem Alter Geschlecht à Frauen höheres Risiko als Männer Weitere Risikofaktoren à Visuelle Beeinträchtigung, Gleichgewichtssinn, Muskelschwund, (Nebenwirkungen von) Medikamenten, Alkoholkonsum, Demenz Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 30 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IV) (Risch & Wilz, 2015) Fallangst (d) – Fallbeispiel (i) Frau G., 80 Jahre, berichtet, dass sie sich seit einem Sturz auf der Strasse vor einem Jahr nicht mehr traue, ohne Begleitung ihr Haus zu verlassen. Sie habe sich damals eine Hüftfraktur zugezogen, die eine langwierige Krankenhausbehandlung nach sich gezogen habe. Nur, weil sie sich sehr dagegen gesträubt habe, sei sie danach nicht in ein Altersheim gesteckt worden. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 31 Spezielle Formen von Angststörungen im Alter (IV) (Risch & Wilz, 2015) Fallangst (d) – Fallbeispiel (ii) Nun habe sie grosse Angst, erneut zu stürzen, sich wieder zu verletzen und dann womöglich wirklich pflegebedürftig zu sein. Sie wisse auch von einer Bekannten, deren Mann an den Folgen eines Sturzes verstorben sei. Sie sei früher sozial und sportlich aktiv gewesen – diese Aktivitäten habe sie nun aufgegeben. Kontakte zu ihren Bekannten halte sie nun nur noch über das Telefon. Sie fühle sich häufig erschöpft und antriebslos und habe zahlreiche körperliche Beschwerden. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 32 Fallangst – Abwärtsspirale (I) Sturzangst 2) Nun habe sie grosse (Risch & Wilz, 2015) Angst, erneut, zu Verlust von Selbstvertrauen, stürzen, sich wieder zu 1) Frau G., 80 Jahre, berichtet, dass sie Risikoüberschätzung, verletzen und dann sich seit einem Sturz auf der Strasse Katastrophisierung womöglich wirklich vor einem Jahr nicht mehr traue, ohne pflegebedürftig zu sein. Begleitung ihr Haus zu verlassen. Vermeidung von körperlichen und Sie wisse auch von einer sozialen Aktivitäten Bekannten, deren Mann 3) Sie sei früher sozial und sportlich an den Folgen eines aktive gewesen – diese Aktivitäten habe Sturzes verstorben sei. Verminderung der Muskelkraft sie nun aufgegeben. Kontakte zu ihren Bekannten halte sie 4) Sie fühle sich häufig Reduktion der Mobilität, nun nur noch über das Telefon. erschöpft und Absinken der Lebensqualität antriebslos und habe zahlreiche körperliche Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam Depressive V. Thoma Symptomatik Beschwerden. Seite 33 Fallangst – Abwärtsspirale (II) Sturzangst (Kendrick et al., 2014) Verlust von Selbstvertrauen, Aufbau von Selbstvertrauen Risikoüberschätzung, Katastrophisieren Abbau dysfunktionaler Überzeugungen (z.B. Risikoüberschätzung, Katastrophisieren) Vermeidung von körperlichen und Aktivitätsaufbau sozialen Aktivitäten Körperliche Übungen zum Aufbau der Muskelkraft Verminderung der Muskelkraft und Balance (z.B. Gleichgewichtstraining, Kraftübungen, Tanzen) Reduktion der Mobilität, Absinken der Lebensqualität Modifikation der Umwelt (z.B. rutschfeste Teppiche, ausreichende Beleuchtung) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Depressive Symptomatik Seite 34 Bildquelle: https://www.pinterest.de/pin/190347521731140920/ „Somatoforme Störungen“ ICD-11: Störungen der körperlichen Belastung oder der körperlichen Erfahrung im Alter Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 35 „Somatoforme Störungen“ (Gaebel & Kerst, 2019; Herpertz-Dahlmann, 2020; Jakob, 2018; Reed et al., 2019; https://icd.who.int/browse11/l-m/en) Englisch: Disorders of bodily distress or bodily experience ICD-10 ICD-11 F45 Somatoforme Störungen der körperlichen Belastung oder der körperlichen Störungen Erfahrung F45.2 6B23 Hypochondrie Hypochondrische à neu unter Störung Zwangsstörung (Textquelle: Herpertz-Dahlmann, 2020, S.4) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 36 „Somatoforme Störungen“ (Gaebel & Kerst, 2019; Herpertz-Dahlmann, 2020; Jakob, 2018; Reed et al., 2019; https://icd.who.int/browse11/l-m/en) Beinhaltet: Körperliche Belastungsstörung / Störung der körperlichen Belastung Körperintegritätsstörung https://www.youtube.com/watch?v=UW5raC7nt9U Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 37 Klinische Kriterien: Körperliche Belastungsstörung (I) (https://icd.who.int/browse11/l-m/en) Vorhandensein von körperlichen Symptomen, die für die Betroffenen belastend sind; i.d.R. mehrere körperliche Symptome, die im Laufe der Zeit variieren können. Gelegentlich beschränkt sich die Aufmerksamkeit auf ein einziges Symptom (à Schmerz, Müdigkeit). Den Symptomen wird übermässig viel Aufmerksamkeit gewidmet: Anhaltende Beschäftigung mit der Schwere der Symptome oder ihren negativen Folgen Bei etablierter Erkrankung, die möglicherweise die Symptome verursacht oder zu ihnen beiträgt, ist der Grad der Aufmerksamkeit in Bezug auf die Symptome eindeutig übermässig im Verhältnis zur Art und Schwere der Erkrankung. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 38 Klinische Kriterien: Körperliche Belastungsstörung (II) (https://icd.who.int/browse11/l-m/en) Wiederholte Kontakte mit Gesundheitswesen im Zusammenhang mit den körperlichen Symptomen, die deutlich über das hinausgehen, was als medizinisch notwendig erachtet wird. Die übermässige Aufmerksamkeit für Symptome hält trotz angemessener klinischer Untersuchung / Beruhigung durch Gesundheitsdienstleister an. Die körperlichen Symptome sind anhaltend. Die körperlichen Symptome und die damit verbundenen Ängste und Sorgen führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereiche. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 39 Klinische Kriterien: Körperliche Belastungsstörung (III) (https://icd.who.int/browse11/l-m/en) Neu: Schweregrad Einteilung in leicht, mittelgradig und schwer Sollte auf der Grundlage des Ausmasses der Belastung oder der Beschäftigung mit körperlichen Symptomen, der Persistenz der Störung und des Grades der Beeinträchtigung eingestuft werden. Die Kliniker*innen sollte auf der Grundlage des klinischen Gesamtbildes und unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Dimensionen eine Gesamtbewertung des Schweregrades vornehmen: 6C20.0 Leichte Störung 6C20.1 Mittelgradige Störung 6C20.2 Schwere Störung Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 40 Altersspezifische Besonderheiten der körperlichen Belastungsstörung (https://icd.who.int/browse11/l-m/en) Ältere Erwachsene haben häufiger als jüngere Erwachsene: mehrere körperliche Symptome Symptome sind eher anhaltend Die Diagnose einer körperlichen Belastungsstörung bei älteren Erwachsenen kann aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen, die für die Symptome verantwortlich sein können oder mit der körperlichen Belastungsstörung komorbid sind, schwierig sein. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 41 Epidemiologie von Somatoformen Störungen (Hilderink et al., 2013) Studien- übergreifend: Rückgang Häufigkeitsrate der somato- formen Störungen in der Alters- gruppe 65+ Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 42 Mögliche Gründe für altersbezogene Abnahme somatoformer Störungen (Hilderink et al., 2013) Unspezifische körperliche Beschwerden: Interpretation als Alterserscheinung Frage nach Symptomursache für ältere (i.V.z. jüngeren) Personen geringere Bedeutung Häufigeres Auftreten von organischen Erkrankungen à Intensivere medizinische Diagnostik à Mehr medizinische Befunde à Möglichkeit, einzelne körperliche Symptome medizinischen Befunden zuzuordnen Mit Alter grössere innere Distanz gegenüber körperlichen Einschränkungen Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma 43 Altersunspezifische Risikofaktoren (Hiller, 2015) Veränderte Körperwahrnehmung Starke Stigmatisierung aufgrund früherer psychischer Erkrankungen im Umfeld schwerer Erkrankung Alexithymie Niedriger Kulturell bedingte somatische Ausrichtung der Medizin sozialer Status Chronisch Frühere Genetische Belastungen / Traumata kranke Angehörige Geringes Faktoren (à Modelle für Bildungsniveau Krankheitsverhalten) Interozeptiver Mit Vorteilen verbundene Krankenrolle Wahrnehmungsstil Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 44 Aufrechterhaltendes Störungsmodell für somatoforme Störungen (Hiller, 2015; Körber & Hiller, 2012; Rief und Hiller, 1998) Entscheidend für die Entwicklung einer somatoformen Störung scheint zu sein, dass die wahrgenommenen körperlichen Veränderungen im Sinne eines gravierenden Problems fehlinterpretiert werden. (Modifiziert nach Rief und Hiller, 1998) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 45 Psychotherapeutische Ansätze (I) (Hiller, 2015) Grundprinzip: Normalisierende Erklärungen für Symptome (weg von rein organmedizinischen Interpretationen) Evidenzbasierte Therapien: KVT und psychodynamische Therapie Voraussetzung für Therapie: Bereitschaft und Motivation der Patient*innen Bei Therapiebeginn: Heranführen an bio-psycho-soziale Sicht auf Krankheiten Therapieziele: Aktive Einflussnahme auf die Symptombelastung, Erlernen von Bewältigungsstrategien (Psychoedukation) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 46 Psychotherapeutische Ansätze (II) (Hiller, 2015) KVT-Interventionen Wahrnehmung u. Bewertung der körperlichen Beschwerden, Abbau von Angst / übermässiger Anspannung, angemessener Umgang mit den körperlichen Beeinträchtigungen und Verringerung von Krankheits- und Vermeidungsverhalten Symptomtagebücher Stärke und Unannehmlichkeit der Beschwerden, inkl. Stimmung, Zuversicht, Kontrollerleben, Auslösesituationen, Reaktion auf akute Verschlimmerung Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 47 Psychotherapeutische Ansätze (III) (Hiller, 2015) Verhaltensexperimente Zusammenhang zwischen psychischen und körperlichen Prozessen Kognitive Reattribuierung verzerrter Krankheitsüberzeugungen „Gefahr der Symptome“ Bearbeitung von Krankheits- und Vermeidungsverhalten Steigerung Lebensqualität Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 48 Zusammenfassung Angststörungen im Alter häufig, v.a. Generalisierte Angststörungen Wenig erkannt und adäquat therapiert Altersspezifische Störungen (à Altersangst, Demenzangst) sind nicht in Diagnosemanualen aufgeführt Fallangst, Progredienzangst als wichtige spezifische und therapierbare Ängste im Alter Somatische Belastungsstörung im Alter seltener als in jüngeren Jahren (?) Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 49 Referenzen (I) Alberts, N. M., Hadjistavropoulos, H. D., Pugh, N. E., & Jones, S. L. (2011). Dementia anxiety among older adult caregivers: An exploratory study of older adult caregivers in Canada. International Psychogeriatrics, 23(6), 880–886. Berg, P. & Dinkel, A. (2023). Angstkonfrontation bei Progredienzangst. Psychotherapie im Alter, 20(1), 45–56. Cutler, S. J. & Hodgson, L. G. (1996). Anticipatory dementia: A link between memory appraisals and concerns about developing Alzheimer's disease. The Gerontologist, 36(5), 657–664. French, S. L., Floyd, M., Wilkins, S., & Osato, S. (2012). The fear of Alzheimer's disease scale: A new measure designed to assess anticipatory dementia in older adults. International Journal of Geriatric Psychiatry, 27(5), 521–528. Gaebel, W. & Kerst, A. (2019). ICD-11 Mental, behavioural or neurodevelopmental disorders: innovations and managing implementation. Archives of Psychiatry and Psychotherapy, 21(3), 7–12. Angst und somatoforme Störungen im Alter, PD Dr. Myriam V. Thoma Seite 50 Referenzen (II) Hank, G., Klann, N., & Hahlweg, K. (1990). Diagnostische Verfahren für Berater: Materialien zur Diagnostik und Therapie in Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Weinheim: Beltz Test. Herpertz-Dahlmann, B. (2020). Klassifikation der dissoziativen Störungen und der Störung der körperlichen Belastung – ein Vergleich zwischen ICD-10 und ICD-11. Zeitschrift für Kinder-und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 49, 417–420. Hilderink, P. H., Collard, R., Rosmalen, J. G. M., & Voshaar, R. O. (2013). Prevalence of somatoform disorders and medically unexplained symptoms in old age populations in comparison with younger age groups: A systematic review. Ageing Research Reviews, 12(1), 151–156. Hiller, W. (2015). Somatoforme Störungen und Schmerzstörungen. In A. Maercker (Hrsg.), Alterspsychotherapie und klinische Gerontopsychologie (2. Aufl., S. 207–229). Berlin Heidelberg: Springer Verlag. Jakob, R. (2018). 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