Neuropsychologie Lecture Notes PDF
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Universität zu Lübeck
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These lecture notes cover neuropsychology, focusing on the relationship between brain functions and behavior. The document details various topics, including language disorders (aphasia), agnosia, attention problems, memory, emotions, and more. Specific neurological syndromes and associated symptoms are also discussed.
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NEUROPSYCHOLOGIE = Beschreibung der Beziehung zwischen Gehirnfunktionen & Verhalten mit Untersuchungs- & Auswertungsmethoden experimenteller Psychologie VL 1: Einführung.......................................................................................................................... 1 VL 2:...
NEUROPSYCHOLOGIE = Beschreibung der Beziehung zwischen Gehirnfunktionen & Verhalten mit Untersuchungs- & Auswertungsmethoden experimenteller Psychologie VL 1: Einführung.......................................................................................................................... 1 VL 2: Sprache & Aphasien............................................................................................................. 3 VL 3: Agnosie............................................................................................................................... 8 VL 4: Aufmerksamkeitsstörungen & Neglect..................................................................................12 VL 5: Gedächtnis........................................................................................................................15 VL 6: Emotionen.........................................................................................................................22 VL 7: Frontalhirnsyndrome..........................................................................................................26 VL 8: Diskonnektionssyndrome / Callossale Syndrome..................................................................30 VL 9: Kleinhirnerkrankungen........................................................................................................35 VL 10: Alexie, Agraphie, Apraxie....................................................................................................39 VL 11: Musikverarbeitung & Amusie..............................................................................................44 VL 12: Neuropsychologie des Kindes- & Jugendalters....................................................................49 VL 13: Gerontoneuropsychologie.................................................................................................52 VL 14: Funktionelle neurologische Störungen...............................................................................59 VL 1: Einführung Lernziele: - Prinzip der Doppeldissoziation - Bedeutung der Neuronendoktrin - Topografische Organisation sensorischer & motorischer Funktionen - Äquipotentialismus vs. Lokalisationismus - Phrenologie Lokalisationstheorie Häufigkeitsabhängiger Zusammenhang zwischen Funktionsausmaß & Strukturgröße (Vorläufer des Prinzips der Neuroplastizität) Wachstum führt zu Ausbeulung Schädelknochen - Theodor Meynert (1833-1898) Relevanz von Kommunikation zwischen Hirnregionen (Beschreibung Assoziationssysteme & Kommissurenbahnen) Schlussfolgerung: neuropsychologische Ausfälle durch Läsion der Verbindung - Sergej Korsakoff Korsakow-Syndrom: Mammilarkörper-Nekrose als Ursache für Gedächtnisstörung - Charcot Hysterie, Kinderlähmung, MS-Symptomatik Charcot Trias: Symptomkomplex aus Nystagmus, Intentionstremor, abgehackte (skandierende) Sprache = Ausdruck von Kleinhirnstörung - Eduard Brissaud (1852-1909) Hemiplegie, Innervation des Gesichts, Dissoziation zwischen mimischer & Willkürmotorik - Fritsch & Hitzig Prinzip der elektrischen Stimulation: Reizung spezifischer Strukturen führt zu Aktivierung korrespondierender Muskelgruppen Äquipotentialismus Lokalisationismus (Goltz, Flourens) (Broca, Wernicke) - Gehirn als ein einheitliches - Lokalisation spezifischer System, in dem verschiedene Funktionen in spezifischen Bereiche ähnliche Funktionen Hirnarealen erfüllen können - Zuordnung bestimmter kognitiver - Kompensation Schädigung in Fähigkeiten (Sprache, Gedächtnis) bestimmtem Bereich durch andere zu bestimmten Regionen des Bereiche Gehirns - Betonung Plastizität des Gehirns & - Schäden in spezifischen Fähigkeit zur Anpassung & Bereichen führen zu klaren und Reorganisation nach vorhersehbaren Schädigungen Funktionsverlusten - Topografische Organisation des Kortex Räumliche Lagebeziehung einzelner Strukturen zueinander; Zuordnung kortikaler Areale & Funktion (z.B. Steuerung von Hand & Fuß) Beruhend auf Beobachtungen an Epilepsiepatienten & Verlauf unwillkürlicher Bewegungen während Anfall - Neuronendoktrin Anfänge: Frijdhof Nansen „Keine direkte Verbindung“ Neuronen sind diskrete Einheiten (eigenständige Zellen) Kommunikation untereinander an Kontaktstellen (Signalübertragung) Nervensystem besteht aus der Summe von Neuronen - Diaschisis Beschädigung eines Areals erweckt Eindruck, als wenn funktionell verbundenes Areal auch beschädigt wäre -> funktioneller Input fehlt - Doppeldissoziation (2 Funktionen, 2 Läsionsorte) Ungerleider & Mishkin (1982) Single dissociation nicht ausreichend Was, wenn parietale & temporale Läsionen spatiale, aber nicht Objektidentifikation einschränken? Beide Regionen tragen zu spatialer Verarbeitung bei Aufgaben in Schwierigkeit schwankend - Zielsetzung neuropsychologischer Diagnostik Qualifizierung & Quantifizierung von Störungen Beurteilung individueller Ressourcen & Kompensationsleistungen Beurteilung Verlauf neuropsychologischer Defizite Differentialdiagnostik Planung neuropsychologischer Therapie (Rehabilitationsplanung) VL 2: Sprache & Aphasien Lernziele - Definition Aphasie (Global, Broca, Wernicke, Anamnestisch, Leitungsaphasie) - Läsionsorte - Kernsymptome - Untersuchung am Krankenbett a) Aphasie - Ursachen Schlaganfall (ischämischer Insult): 3. Häufigste Todesursache + meiste Folgekosten Tumoren, Blutungen, Schädel-Hirn-Verletzungen, primär progressive Aphasie - Syndromansatz (vs. Netzwerkansatz) Klar voneinander abgrenzbare Muster von Sprachstörungen -> Syndrome Neuroanatomisch voneinander unterscheidbar Erleichterung: Kommunikation, Prognose, systematische therapeutische Forschung Kritik: simplifiziert, Kategorisierung individueller Störungsmuster (20-50% keine typische Aphasie), erschwerte Forschung durch nicht sinnvolle Gruppierung - Definition = zentrale Sprachstörung, linguistisch: Beeinträchtigung in verschiedenen Komponenten des Sprachsystems (Phonologie, Lexikon, Syntax, Semantik) Aphasische Störungen umfassen alle expressiven/rezeptiven sprachlichen Modalitäten, Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben Immer multi- & supramodal = instrumentelle sprachliche Störung -> führt zu Störung im Kommunikationsverhalten (allgemeine kommunikative Fähigkeiten meist nicht gestört) b) Neurolinguistische Termini - Sprachanstrengung: Schwierigkeit, Gedanken (a.G. v. Wortfindungsstörungen & Störungen bei Wort-/Satzbildung) sprachlich auszudrücken - Sprechanstrengung: sprechmotorische Schwierigkeiten a.G. v. Beeinträchtigung von Artikulation/Phonation & Sprechrhythmus - Sprechgeschwindigkeit: 90W/min; 50-90W/min langsam, hauptsächliches Medium menschlicher Kommunikation - Relevanz für Form & Art von Informationsspeicherung - Bedeutung für Denken & Problemlösen - Beeinflussung Wahrnehmung d) Dysarthrie - Erworbene Sprechstörung - Ursache: Schädigung neuronaler Strukturen peripheren/zentralen NS - Klassifikation nach Lokalisation Zerebelläre Dysarthrie (Kleinhirn) Pseudobulbäre Dysarthrie (beidseitige Schädigung Verbindung Hirnstamm- Kortex/Basalganglien) - Klassifikation nach Symptomkomplex Ataktische Dysarthrie (langsam, abgehackt, Lautstärke-/Tonhöhenschwankungen) Hypotone Dysarthrie (langsam, monoton, kurze Sätze, Einatemgeräusche, „gehauchte Stimme“) e) Klassifikation der Aphasien - Grobeinteilung: unmittelbar nach Apoplex sinnvoll f) Anatomie - Globale Aphasie (schwerste Form) Läsion gesamte perysylvische Region umfassend Meist Hauptstamm A. cerebri media Ausdrucksmöglichkeiten stark reduziert, einzelne Wörter, Sprachautomatismen, Perseverationen - Broca-Aphasie Läsion im suprasylvischen, prärolandischen Bereich (typischerweise große Läsion) A. praerolandica Broca-Gebiet Beteiligung möglich/nicht notwendig Sprech-/Sprachanstrengung, nicht flüssig, langsam stockend Häufig phonematische Paraphrasierung Telegrammstil Beeinträchtigung morphologischer Sprachaspekte Gut erhaltenes Verständnis Apraktische & dysarthrische Probleme (Nivellierung Sprachmelodie, skandierendes Sprechen, Phonationsprobleme, verwaschene Artikulation) - Wernicke-Aphasie Läsion im Temporallappen, hinteres Drittel Gyrus temporalis superior (Wernicke-Gebiet) A. temporalis posterior Flüssig bis logorrhoeisch Phonematische & semantische Paraphasien, Neologismen, Jargon, Paragrammatismus Verstehen: große Schwierigkeiten bei Wortsemantik, Beeinträchtigung bei Inhaltswörtern - Anamnestische Aphasie Unklare Zuordnung zu bestimmter Stelle Retrorolandisch (hinterer Bereich Temporallappen, unterer Parietallapen temporoparietale Grenzgebiete), Gyrus angularis Flüssige Sprache, relativ intakter Satzbau Wortfindungsstörungen, Umwegleistungen, Ersatzstrategien, Satzabbrüche, semantische Paraphasie Anlauthilfen wirksam - Leitungsaphasie Gyrus supramarginalis, weiße Substanz darunter Fasciculus arcuatus (Verbindung Wernicke & Broca) Flüssig Phonematische Paraphasien, unverhältnismäßig schwere Störung des Nachsprechens - Transkortikal-motorische Aphasie 2 typische Läsionsorte: Frontallappen, supplementär-motorischer Kortex Pat. Sprechen kaum/gar nicht Nachsprechen mit guter Artikulation & intakter Syntax möglich Gutes Verständnis, lautes Lesen möglich - Transkortikal-sensorische Aphasie Hinterer temporoparietaler Bereich, Wernicke ausgespart Sprache ähnlich Wernicke Viele semantische Paraphasien Echolalie in Spontansprache Gut erhaltene Nachsprechleistung, aber ohne Erfassung des Inhalts g) Untersuchung am Krankenbett - Spontansprache Kommunikationsfähigkeit Sprechgeschwindigkeit Semantik: Paraphasien, Wortfindungsstörungen - Phonologie: Paraphasien - Prosodie - Syntax Telegrammstil Paragrammatismus Agrammatismus Funktionswörter Inhaltswörter - Morphologie - Nachsprechen: Silben, einfache Wörter, Lehnwörter mit unregelmäßiger Aussprache, zusammengesetzte Wörter, Sätze - Benennen: einfache Gegenstände, zusammengesetzte Namen, einzelne Szenen - Verständnis Einfache Kommandos Zweischrittkommandos Syntaxverständnis - Lesen/Schreiben h) Aachener Aphasie Test (ca. 60min bei kooperativen Pat.) - Ziele Auslese, Differenzierung Standardsyndrome Identifizierung: Nicht-Standard-Aphasien, modalitätsspezifische Sprachstörungen, nicht klassifizierbare Störungen Erfassung & Beschreibung aphasischer Störungen in einzelnen sprachlichen Modalitäten (Phonologie, Lexikon, Syntax, Semantik) Bestimmung Schweregrad - Untertests: Spontansprache, Token-Test, Nachsprechen, Schriftsprache, Benennen, Sprachverständnis i) Instrumente zur Aphasiediagnostik - Impairment AABT, AAT, Aachener Aphasie Bedside Test, LEMO/PHONO Überbetont, aber etabliert - Activity ANELT (Amsterdam Nijmegen Everyday Language Test) Wichtig, tendenziell zu wenig Beachtung Eher wenig standardisiert untersucht Beobachtung wichtig (Gruppenverhalten) - Participation ALQI (Aachener Lebensqualitäts Inventar) Oberstes Ziel, nur mit Angehörigen möglich Gut erhebbar über Fremdurteile (besser als ihr Ruf) VL 3: Agnosie Lernziele - Funktionsweise Objekterkennung - Definition & Arten von Agnosie - Auswirkende Störungen von Hirnarealen auf Agnosie - Prosopagnosie a) Agnosie = Nichterkennen von Objekten - Erkennungsstörung trotz intakter Sinneswahrnehmung - Unterschiedliche Sinneskanäle betreffend: visuell, akustisch, taktil, olfaktorisch - Kombination betroffener Sinneskanäle möglich b) Schritte Objektwahrnehmung - Sensation: evozierte Hirnaktivität in sensiblen Regionen - Perzeption: Prozess zur Organisation sensorischer Infos in komplexere, realweltliche Einheiten - Rekognition: Abgleich Perzeption mit vorhandenem Wissen - Repräsentation Objekte auf neuronaler Ebene: Einzelzellableitung inferior-temporaler Kortex Makake Fast keine Reaktion Zellen auf einzelne Stimuli/Lichtpunkte Stärkere Reaktion auf komplexe Objekte Neuronale Reaktion geringer bei Fehlen wichtiger Detail-Infos - 3D-Modell-Repräsentation nach Marr & Nishihara 1978 2D (Verfügbarkeit): leichtes Erkennen grundlegender Eigenschaften (Intensität, Helligkeitsänderung, Ränder)? 2,5D (Bereich & Einzigartigkeit): Objekteigenschaften von Standpunkt des Betrachters erkennbar? 3D (Stabilität): Objekt aus verschiedenen Perspektiven immer noch gleich? -> Objekteigenschaften in objektzentrierten Bezugsrahmen gestellt Rosenberg et al. 2013: Caudale intraparietale Area (CIP) verantwortlich für 3D- Repräsentation c) Typen visuo-perzeptueller Störungen - Störungen Stimuliidentifikation = Agnosie (häufigste Variante): Objekte, Farben, Gesichter - Komplexe perzeptuelle Störungen: Figur-Hintergrund-Störungen (figure-ground), Gruppierungsstörungen (grouping) - Räumliche Störungen - Konstruktive Störungen d) Agnosie-Typen Apperzeptive Agnosie Assoziative Agnosie Keine Objekterkennung + Objektbenennung Keine Objekterkennung + Objektbenennung Keine Kopie nicht erkannter Objekte Kopie nicht erkannter Objekte möglich Rückführbar auf sensorisch-perzeptuelle Keine Erklärung durch sensorisch-perzeptuelle Störung Störung D.F.: keine Formerkennung, nach Greifen Psychotherapeut: keine Objektbenennung, identifizierbar richtige Bewegungserkennung, aber nicht bei Darstellung auf Bildern -> visuo-verbale Diskonnektion Links-hemisphärale Läsion + li Area V1 Hemianopsie Splenium -> Infos können nicht von re Area V1 zur li Hemisphäre gelangen (Diskonnektion) Tests: Unusual views + Shadows test Tests: Poppelreuters überlappende Figuren (v.a. bei rechter Hemisphäre + posteriorer Läsion schlechte Ergebnisse) - Formen der Agnosie Fehlbenennen durch Erkennungsstörung von Formen Apperzeptive Agnosie: Erkennung einzelner Formen – Integration lokaler Details & globaler Umrisse nicht möglich Formagnosie: Erkennung lokaler Kontraste/Farben/Bewegungen – keine Verfolgung zusammenhängender Linien & Konturen Modalitätsspezifisches visuelles Fehlbenennen Assoziative Agnosie: Störung in semantischer Phase Optische Agnosie: selektive Störung lexikalischer Phase visuellen Benennens (Abgrenzung zu assoziativer Agnosie diskutiert) e) Diagnostik - Warum modell-gestützt? Agnostische Störungen selten -> Diagnostik zeitaufwändig Ausschluss anderer Defizite Generalisierte Demenz, Korsakov-Syndrom, Amnesie Aphasie Sensorische Defizite: Blindheit, Makula-Degeneration, Sehschärfen-Reduktion, Farbsehschwäche Wichtig: Exploration Screening (Probleme bei Erkennung realer Objekte/Zeichnungen) - Ausgangs-Repräsentation Unterscheidung elementarer geometrischer Formen durch Helligkeit, Farbe, … Formagnosie: keine Erkennung geschlossener Formen, Krümmungen, Unterbrechungen in Linien - Betrachter-zentrierte Repräsentation Erkennung Infos über Konturen (auch Tiefeninfos/Oberflächenbeschaffenheit) Defizite bei Integration geometrischer Figuren zu komplexem Muster - Objekt-zentrierte Repräsentation Mentale Rotation von Gegenständen + Objekterkennung aus verschiedenen Perspektiven Keine Erkennung 2 Gegenstände aus unterschiedlichen Blickwinkeln als „gleiches Objekt“ - Objekt-Erkennungseinheiten Erkennung Objekte als bekannt/vertraut, aber kein Kennen der Funktion Verhinderung Vertrautheits-Gefühl durch Läsionen/Deafferenzierung der Objekt- Erkennungseinheiten Keine Unterscheidung realer vs. Irrealer Objekte möglich - Semantisches System Zuordnung Funktion & Charakteristika zu Objekt – Gedächtnis einbezogen Objekte vertraut, aber keine Funktions-Erkennung - Namens-Generierung Zuordnung Name zu Objekt Bei anamnestischer Aphasie Objektbenennung nicht möglich f) Prosopagnosie = Unfähigkeit, Personen am Gesicht zu erkennen - Einzelteile des Gesichts erkennbar (Haare, Gesichtsform, Brille, …) -> viele Details müssen zu Gesicht zusammengefasst werden - Gesichter-Erkennung Relativ robust gegen Veränderung: Mimik, Altern, zusätzliche Objekte (Brille, Schmuck), Blickwinkel Unterscheidung Gesichter selten an einem Merkmal Erkennung Menschen anhand Nicht-Gesichts-Eigenschaften (Körpergröße/-form, Geruch) - Läsionsorte: oft bilateral oder re Hemisphäre, selten li; temporal/occipital - Arten - Gestörte vs. Erhaltene Fähigkeiten + - Altersdifferenzierung Erkennung Individuen Geschlechtsidentifikation Beschreibung „Gesichtsinhaber“ Emotionserkennung Fühlen von Vertrautheit bei Gesichtsanblick Erkennung Gesichter als solche Vergleich von Gesichtern Indirektes Wissen über Gesichter - Tests für Gesichtserkennung Bekannte/berühmte Gesichter: Albert Remote Battery Test, President’s Test, Bielefelder Famous Faces Test Gesichtsunterscheidung: Benton Test of Facial Recognition g) Zusammenfassung - Entstehung Agnosien durch Störungen auf unterschiedlichen Ebenen Apperzeptive Agnosien: durch Störungen primärer Objektwahrnehmung Assoziative Agnosien: häufig Folgen einer Diskonnektion perzeptiver Erkennung & semantischer Zuordnung - Prosopagnosien: in unterschiedlichen Formen auftretend - auch ohne Schädigung - Diagnostik ist aufwändig VL 4: Aufmerksamkeitsstörungen & Neglect Lernziele: - Was ist Aufmerksamkeit? - Arten von Aufmerksamkeit - Aufmerksamkeitsfunktionen mit welchen Hirnareale verbunden - Auszeichnung Neglect aus? - Untersuchung Neglect - Welche Hirnareale für Neglect verantwortlich? a) Aufmerksamkeit = klare & lebhafte Inbesitznahme des Verstandes von einem Objekt/Gedanken aus Menge gleichzeitig anderer möglicher Objekte/Gedanken -> Ausrichtung Konzentration & Bewusstsein -> Abwendung von 1 Sache für Hinwendung zu anderer - Formen Intensität Alertness (Aufmerksamkeitsaktivierung, Reaktionsbereitschaft) o Tonisch: physiologische Aktivierung des Organismus o Phasisch: Zunahme Aufmerksamkeit durch Warnhinweis -> Verkürzung Reaktionszeit Daueraufmerksamkeit: langandauernde Aufmerksamkeit, hoher Anteil relevanter Stimuli Vigilanz: langandauernd (über Stunden), relevanter Stimulus unregelmäßig/selten auftretend (z.B. Qualitätskontrolle Fließband) Lokalisation: Alertness & Daueraufmerksamkeit o Nach Schädigung Formatio Reticularis, rechts präfrontaler & parietaler Cortex, Cerebellum o FR: Strukturnetz mit Kerngebieten von Mittelhirn (Medulla oblongata) bis Hirnstamm o Aktivierung -> aktionsfördernder Einfluss auf somato-/viszeromotorische Systeme o Weitere Systeme zuschaltbar: “Aufsteigendes Retikuläres Aktivierungs System” Selektivität Selektive Aufmerksamkeit: Fähigkeit, Aufmerksamkeit auf bestimmte Aufgabenmerkmale zu fokussieren & Unterdrückung Reaktion auf irrelevante Reize (Untersuchung Wahlreaktionsaufgaben) Aufmerksamkeitswechsel-/zuwendung: kurzzeitige aktive Hinwendung zu Aufgabe (Orientierung) + Erfassung wichtiger Aufgabenmerkmale bei gleichzeitiger Unterdrückung unwichtiger Aspekte (Filterung) Lokalisation: geteilte Aufmerksamkeit: PFC bilateral, anteriores Cingulum - Beteiligte Hirnregionen - Aufmerksamkeitslenkung: Helmholtz‘ Visual attention experiment Fokussierung Kreuz in Tafelmitte -> kurzzeitige Darbietung Stimulus -> Aufmerksamkeit kann auf beliebigen Punkt verschoben werden & lesen Buchstaben neben Kreuz nicht lesbar -> laterale Inhibition - Posners Modell der Aufmerksamkeitssteuerung - Diagnostik Aufmerksamkeit Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP, Zimmermann & Fimm 1993) Aufmerksamkeitsbelastungstest d2 (Brickenkamp 1994) Trail-Making-Test (Reittan 1992, in CERAD Testbatterie) Farb-Wort-Interferenz-Test/Stroop-Paradigma (1935/dt. Bäumler 1985) b) Aufmerksamkeitsstörungen - Sehr häufig: 84% aller Hirnschädigungen - Betreffend: Reaktionsschnelligkeit/-sicherheit, Ablenkbarkeit bei irrelevanten Reizen - Relevanz für Alltag! z.B. Fahrtauglichkeit - Läsionsausmaß erlaubt keine Aussage über Schwere Aufmerksamkeitsstörung - Nicht speziell 1 Hirnareal zuzuordnen - Umfangreiche Diagnostik! c) Neglect - Nach Apoplex: Neglect-Symptome bei 2/3 Pat. mit rechtsseitigem Apoplex (starke Variation über Anteil Neglect nach linksseitigem Apoplex 10-73%), 30% Chronifizierung - Anosognosie: keine Erkennung eigenen Krankheitszustandes (auch bei Angehörigen mgl.) -> erschwerte Rehabilitation + dauerhafte Unterstützung/Pflege - Anatomie Strukturelle Schädigung verschiedener sub-/kortikaler Hirnregionen & Fasertrakte, die funktionelles Netzwerk für räumliche Aufmerksamkeit bilden - Verlauf Starke Remission in ersten Tagen Persistierender Neglect = stärkster unabhängiger prognostischer Faktor für negatives Outcome Intensive Behandlung Physio + kognitive Therapie über längeren Zeitraum Phasenmodell der Awareness - Formen Visuell Auditorisch Taktil Kombinationen Abhängig von Stimulus-Lokalisation in visuellem Feld Abhängig von Stimulus-Lokalisation relativ zum Körper Egozentrische vs. Allozentrische Inattention - Diagnostik Verhaltensbeobachtung Quantifizierung Neglect-Verhaltens (Beobachtung Alltagsfunktionen): Catherine- Bergego Skala (auch durch Angehörige ausfüllbar) Neuropsychologische Testung: Paper-Pencil, computerisierte Diagnostik Linienhalbierungs-Test: hilfreich bei Differenzierung Neglect vs. Homonymer Hemianopsie im Schlaganfall-Akutstadium Abzeichnen z.B. Odgen-Szene Freies Zeichnen Ausstreichtests: sensitivste & stabilste Bedside-Methode (Bell´s Test, Star Cancellation Test) Computergestützte Verfahren: Eye-tracking, Visuelle Orientierung Allozentrischer (innerhalb des Objekts nach rechts verschoben) vs. Egozentrischer Neglect: Hearts-Test - Neglect-Alexie Lesestörung durch egozentrischen Neglect: Pat. Nicht am linken Zeilenrand beginnend Lesestörung durch allozentrischen Neglect: Pat. Liest nur rechte Hälfte des Wortes - Sensorischer Neglect & Extinktion Pat. Mit weniger ausgedehnten Läsion werden oft besser Umwandlung sensorischer Neglect in Extinktion Extinktion Unilaterale Stimulation -> Erkennung kontra- & ipsilateraler Stimuli Bilaterale Stimulation -> Erkennung nur ipsilaterale Stimuli Uni-/multimodale Extinktion Untersuchung Taktil: Berührung Extremitäten Auditorisch: Fingerschnippen Visuell: Konfrontations-Testung mit Fingern d) Zusammenfassung - Neglect = multimodales Multikomponenten-Syndrom - Vernachlässigung linker Raumhälfte infolge Schädigung rechter Hirnhälfte (seltener umgekehrt) - Patienten haben Schwierigkeiten: I. Aufmerksamkeit aktiv in vernachlässigte Raumhälfte zu wenden II. auf dort auftretende Reize zu reagieren - Hinweisreize (cueing) lindern kurzzeitig Neglect-Verhalten - Verschiedene Sinnesmodalitäten betroffen (Sehen, Hören, Tastsinn), außerdem Motorik und sogar mentale Vorstellung von Raum VL 5: Gedächtnis Lernziele - Anlegung menschlichen Gedächtnisses - Informationsspeicherung: Funktionsweise & Ort - Gedächtnismodelle - Gedächtnisstörungen: Arten & Ursachen - Untersuchung Gedächtnisstörungen a) Aufbau menschliches Gedächtnis & Begriffe - Gedächtnis & Zeit Sensorisches Gedächtnis: Schnittstelle Wahrnehmung & Gedächtnis - Infospeicherung nur wenige ms (unbewusster Prozess) Kurzzeit-/Arbeitsgedächtnis: kurzfristige Speicherung & Bearbeitung von Infos – sec-min (beschränkte Kapazität - vermutlich 7) Langzeitgedächtnis: Speicherung Infos über lange Zeit (bewusst/unbewusst) - Tage-Jahre (Kapazität theoretisch unbegrenzt) Neugedächtnis: nach Hirnschädigung aufgenommene Infos Altgedächtnis: vor längerer Zeit/vor Hirnschädigung ins Gedächtnis aufgenommene Infos (bereits lange gespeichert) Prospektives Gedächtnis: Fähigkeit, Aufgaben/Termine zu bestimmtem Zeitpunkt/Eintreffen bestimmten Ereignisses in Zukunft zu erinnern & auszuführen (Erforderung von Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- & Exekutivfunktionen) - Gedächtnis & Lernen 2-Stufen-Modell von Diekelmann & Born (2011) Enkodierung = Prozess zur Transformation zu erinnernder Info in speicher- & abrufbare Form I: unterschiedliche Verarbeitungstiefe II: Umsetzung von Verarbeitung (I) in Gedächtnisspur Relevanz: levels-of-processing Erklärungen (Gedächtnisspur als Nebenprodukt von Infoverarbeitung) Klinische Manifestation: schlechter unmittelbarer Abruf (superspan) Konsolidierung = Prozess zur Permanentmachung von Gedächtnisinhalten Basis: anatomische & physiologische Veränderungen auf zellulärer Ebene (hippocampales System!) Zeitpunkt: während Enkodier-Abruf-Intervall Dauer: Stunden -> Tage -> Jahre Klinische Manifestation: verzögerter Abruf < unmittelbarer Abruf (Vergessen) Abruf = Lokalisierung, Selektierung, Aktivierung Gedächtnisspur Basis: Wiederholung der Erregungsmuster während Enkodierung Zeitpunkt: Testzeitpunkt Klinische Manifestation: Abruf < Wiedererkennung b) Anatomie – Wo Speicherung von Infos? - Papez-Kreis (1937) = medialer limbischer Kreis Projektionen vom Hippocampus -> Fornix -> Mamillarkörper -> anteriorer Thalamus -> Cingulum -> Hippocampus Erst Emotionsspeicher – dann Grundlage für Infospeicherung (Gedächtnis) - Limbisches System (MacLean 1949) = basolateraler limbischer Kreis Projektionen von Amygdala -> mediodorsaler Thalamus -> anteriorer Thalamus Emotionsspeicher - Idee: Infos müssen gewisse Zeit “kreisen” für Speicherung - Gedächtnis ausschließlich Hippocampus? NEIN Verbindung zu frontalen & parietalen Arealen c) Gedächtnismodelle - Taxonomie des Gedächtnis nach Squire & Zola (1996) - lang akzeptiert - Taxonomie des Gedächtnis nach Henke (2010) - basierend auf Infoverarbeitung Lernen Lernformen mit hohem Trainingsanteil: Klassische Konditionierung, motorische Fertigkeiten, Verhalten Lernformen mit niedrigem Trainingsanteil: episodisches Gedächtnis, Priming Kognitive Komplexität & involvierte Verarbeitungsarten Gering: episodisches Gedächtnis, Priming Hoch: episodisches Gedächtnis -> viele sensorische, emotionale, zeitliche, räumliche Infos/Konzepte Art mentaler Repräsentation Episodische Gedächtnisinhalte o Flexibilität: Benutzung unterschiedlicher Erfahrungen bei Einspeicherung neuer Erfahrungen o Komposition: Zusammenfügen Erfahrungselemente aus gesamten Gedächtnisfunktionen & Einzelelementen Nicht-deklarative Gedächtnisinhalte: bestehend aus multiplen Elementen & vermischte Verarbeitung dieser -> Rigid Memories, Wiederabruf nur in gleicher Modalität wie bei Erlernen d) Gedächtnisstörungen - Fehlleistungen des Gedächtnis Transienz (Transience): verringerte Verfügbarkeit von Gedächtnisinhalten über Zeit Bsp.: einfaches Vergessen länger zurückliegender Ereignisse Geistesabwesenheit (Absentmindedness): zu Gedächtnisschwäche führende Aufmerksamkeitsstörung -> Bsp.: Vergessen, wo Schlüssel hingelegt Blockierung (Blocking): Info vorhanden, aber temporär nicht abrufbar -> Bsp.: Name auf Zunge liegend Fehlattribution (Misattribution): falsche Zuordnung von Erinnerung zu Quelle -> Bsp.: Verwechslung Traum & Erinnerung Suggestibilität (Suggestibility): Erinnerungen an nie passierte Ereignisse -> Bsp.: falsche Erinnerungen durch Suggestivfragen Verzerrung (Bias): Verzerrung Gedächtnis für vergangene Ereignisse durch aktuelles Wissen -> Bsp.: Abrufen vergangener Ereignisse in Abhängigkeit vom aktuellen Wissen Persistenz (Persistence): Erinnerung an nicht vergessbare Erinnerungen -> Bsp.: traumatische Erinnerungen - Amnesieformen Anterograd: nichts neues erlernbar Retrograd: keine Erinnerung vor der Amnesie Fokal-retrograd: retrograd ohne/gering ausgeprägte anterograde Amnesie Posttraumatisch (PTA): Erinnerungsstörung für unmittelbare Zeit nach SHT (Dauer operationalisiert über Wiedererlangen von “Tag-zu-Tag-Gedächtnis”) Modalitätsspezifisches Defizit: meist nach unilateraler Läsion - Störung Gedächtnisinhalte betroffener Hemisphäre (z.B. verbal/figural) bei normgerechter Leistung für Material gesunder Hemisphäre Transiente globale Amnesie (TGA): kurzzeitig schwere anterograde & retrograde Gedächtnisstörung Störung örtlich-geografischer & zeitlich- kalendarischer Orientierung -> eindringliches, wiederholtes Fragen Personale Orientierung i.d.R. erhalten Meist spontan rückläufig nach einigen Stunden (bleibende Gedächtniseinbußen möglich) Amnestisches Syndrom: schwere modalitätsübergreifende Gedächtnisstörung mit anterograder & meist auch retrograder Amnesie -> Kurzzeit- /Arbeitsgedächtnis, andere kognitive Leistungen (Sprache, Intelligenz, Aufmerksamkeit) meist normgerecht e) Ätiologie - Schädel-Hirn-Trauma Führt zu kognitiven, emotionalen & Verhaltensänderungen Zusammenhang zwischen SHT-Schwere & Beeinträchtigungsausmaß -> wichtig für Diagnostik Dauer posttraumatischer Amnesie Indikator für Schwere zugrunde liegender neuronaler Störung Zusammenhang mit Schwere kognitiver Defizite Überprüfung mit Tag-zu-Tag-Gedächtnis Zusätzliche Störungen bei SHT Kognitive Störungen (Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen) Somatische Beschwerden (Kopfschmerz, Schwindel, Schlafstörungen) Neuropsychiatrische Veränderungen (Reizbarkeit, Stressintoleranz, Depression, Angst) - Cerebrovaskuläre Erkrankungen Arten Ischämische Infarkte (Durchblutungsstörungen) Hämatome: intracerebral/subdural Subarachnoidalblutung (SAB): häufig geplatztes Aneurysma Vaskulitiden: rheumatische Gefäßentzündungen -> Durchblutungsstörungen -> Infarkt Läsionsorte Hippocampus, Thalamus Basales Vorderhirn, medio-frontaler Cortex TGA = Sonderform cerebrovaskulärer Erkrankungen - Entzündliche Erkrankungen MS Kognitive Defizite in allen Stadien & Subtypen Große individuelle Unterschiede in Leistungsprofil - Gedächtnisdefizite möglich/nicht zwingend Kognitive Defizite bei Fatigue/Depression Herpes-Simplex-Enzephalitis Betroffene Strukturen oft medialer/inferiorer Temporallappen -> führen zu Gedächtnisdefiziten v.a. bei bilateralen Verläufen Antikörper-vermittelte Enzephalitis (z.B. Anti-NMDA-Enzephalitis) Chronischer Alkohol-Missbrauch: Remission bei Abstinenz möglich (Korsakow-Syndrom irreversibel) Epilepsien: Gedächtnisverlust als Begleitstörung Weitere: z.B. Tumore - Degenerative Erkrankungen – Demenzen Demenz = Syndrom in Folge chronisch fortschreitender Gehirnerkrankungen mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen – Symptome min. 6M Alzheimer-Krankheit Typische Alzheimer-Krankheit o Langsam fortschreitende episodische Gedächtnisstörung isoliert/mit Beeinträchtigung anderer kognitiver/Verhaltensdomänen - min. 6M o Gedächtnisstörung vom hippocampalen Typ: Dokumentation durch für Hippocampusfunktionen spezifischen episodischen Gedächtnistest (z.B. cued recall) Atypische Alzheimer-Krankheit: posteriore, logopenische, frontale Variante, Down- Syndrom Ausschlusskriterien o Plötzlicher Symptomatikbeginn o Frühe Störung episodischen Gedächtnisses o Andere kognitive Störung erklärende Erkrankungen Vaskuläre Demenz Ergebnis von Gehirn-Infarzierung durch vaskuläre Krankheit (z.B. cerebrovaskuläre Hypertonie) - meist kleine, kumulierende Infarkte – Beginn im späteren Lebensalter Fronto-temporale Demenz Demenz bei Pick-Krankheit mit Beginn im mittleren Lebensalter Charakterisiert durch langsam fortschreitende Persönlichkeitsänderung & Verlust sozialer Fähigkeiten - dann Intellekt, Gedächtnis, Sprachfunktionen Dominanz kognitiver, sprachlicher & Verhaltensauffälligkeiten Gemischte Demenz: Kombination Alzheimer-Demenz mit weiteren pathologischen Veränderungen (häufig vaskuläre Demenz) Lewy-Körperchen-Demenz: gut erhaltene Gedächtnisfunktionen, Aufmerksamkeitsstörungen, Beeinträchtigung exekutiver & visuoperzeptiver Funktionen f) Neuropsychologische Diagnostik - Anamnese - Kognitiver Kurztest Speziell für Demenz: MMST, MoCa, DemTect, Test zur Früherkennung von Demenzen (TFDD) Meist Unterschätzung von Gedächtnis-Störungen Erhöhung diagnostischer Aussagekraft in Verbindung mit Uhrentest - Testbatterien - Einzeltests - Erfassung Arbeitsgedächtnis Reproduktion Zahlenspannen vor-/rückwärts WMS-R, Corsi-Block Test, Zahlenordnungstest (Digital Ordering Task DOT, Werheid et al. 2002) PASAT: auditive Darbietung einstelliger Ziffern in festgelegtem Tempo-> Proband soll fortlaufend jeweils letzte beiden Ziffern addieren & nennen (Schellig et al. 2005) Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP): kontinuierlich am Bildschirm gezeigte Ziffern überprüfen, ob mit vorletzter Ziffer übereinstimmend (2-back Task, Zimmermann & Flimm 1994) Figurales Material Benton Test (Sivan & Spreen 2009) - Altgedächtnis Anamnese Altgedächtnisinterview (AGI): autobiografisches Gedächtnis semantisch & episodisch (Kopelman 1990) Kieler Altgedächtnistest: Weltwissen zu berühmten Ereignissen mit Multiple-Choice- Format (Leplow 1993) Wechsler-Intelligenz-Test, Subtest Allgemeines Wissen g) Fazit - Speicherung Gedächtnis-Inhalte in multiplen Hirnarealen - Empfehlung S2e-Leitlinie zu Gedächtnisstörungen Klagen Patienten/Angehörige über relevante Gedächtnisstörungen im Alltag, sollte i. unabhängig davon, ob neurologische Erkrankung erkennbar ist, eine orientierende Untersuchung kognitiver Leistungsfähigkeit mit standardisierten psychometrischen Verfahren erfolgen ii. Zeigen sich dabei Auffälligkeiten, ist Ursache der Defizite zu ergründen - Gedächtnisstörungen treten häufig kombiniert mit anderen Erkrankungen auf. Wechselwirkungen beachten! VL 6: Emotionen Lernziele - an Emotionsregulation beteiligte Strukturen - Zwangslachen & Zwangsweinen - Bedeutung der Amygdala – Urbach Whiete Syndrom - Klüver-Bucy Syndrom - Parkinson & Depression - Chorea Huntington a) Emotion - Komponenten I. Physiologische Reaktion auf Stimulus (ANS + ZNS) II. Verhaltensantwort III. Gefühl/Affekt (Emotion vs. Stimmung) - Theorien James-Lange-Theorie: Wahrnehmung körperlicher Reaktion -> Erleben von Emotion Facial Feedback Hypothese Appraisaltheorien (z.B. Lazarus): Emotionsentstehung aus Evaluation externer Reize hinsichtlich individuellen Wohlbefindens (kognitive Evaluation vor emotionalem Erleben) Schacter-Singer Theorie: Erregungsübertragungshypothese Evolutionsbiologische Hypothesen: Emotionsentwicklung aus Notwendigkeit Entkopplung von Reiz-Reaktions- Assoziationen Panksepps Theorie: basale Emotionen - anger, fear, sadness, enjoyment, disgust, surprise LeDoux: high & low road emotionaler Verarbeitung - Limbisches System - Peripherphysiologische Angstreaktion - Gesichtsmuskel M. zygomaticus major: Aktivität bei angenehmen Emotionen, keine Aktivität bei unangenehmen M. corrugator supercilii (Stirnrunzler): Aktivität bei unangenehmen Emotionen, keine Aktivität bei angenehmen b) Einfluss von Botulinumtoxin auf Emotionswahrnehmung - Funktionseinschränkung für Emotionsausdruck relevanter Gesichtsmuskulatur -> Veränderung Wahrnehmung eigener Emotionen + Emotionsausdruck anderer c) Veränderungen emotionalen Erlebens bei neurologischen Erkrankungen - Ältere Literatur Rechtshemisphärische Läsionen: unangemessen indifferente/euphorische Stimmung Linkshemisphärische Läsion: ängstlich agitierte, traurige Befindlichkeit - Tränenausbrüche - Aggressive Tendenzen - Nachvollziehbare Antwort auf wahrgenommene Behinderung?? - Folge verminderten emotionalen Arousal? - Längerfristige Veränderungen: häufig depressive Verstimmungen Major Depression bei 30% aller Apoplex Pat. Minor Depression noch höherer Prozentsatz Signifikante Problematik bei Rehabilitation d) Zwangslachen/Zwangsweinen = zwanghaftes Weinen/Lachen ohne situativen Anlass & ohne Entsprechung innerer Stimmung - Dissoziation von emotionalem Erleben & stimmlich-mimischen Verhalten - Pseudobulbärparalyse als Grund für pathologisches/nicht an Situation angepasstes Lachen - Schädigung Capsula interna (+ Thalamus + Hypothalamus) -> Enthemmung pontiner & mesenzephaler Kontrollzentren emotionaler Vokalisation - Vorkommen: Infarkte, Pseudo-/Bulbärparalyse, ALS e) Urbach-Wiethe-Syndrom = autosomal rezessiv vererbte Multisystemerkrankung - Beginn: Kindesalter, Verdickung Haut & Schleimhautmembranen - Charakterisierung durch dermatologische (Kardinalsymptome) & neurologische Pathologien - Neurologie Genetisch bedingte Ablagerungen -> Beeinträchtigung Funktionalität medialer Temporallappen Epilepsien, mentale Retardierung, Depression, Angst/Panikattacken, Probleme Entscheidungsprozesse, abnorme soziale Interaktion - Doppeldissoziation impliziten Lernens bei Amygdala-/Hippocampusläsion Bedeutung Amygdala für emotionales Erleben: v.a. Furchtkonditionierung f) Klüver-Bucy-Syndrom - = Beidseitige Läsion vorderer Temporallappen - Rhesusaffen: bilaterale Entfernung medialer Temporallappen Zahmheit, psychische Blindheit, repetitive/überdauernde Reaktion auf kleine visuelle Stimuli, orale Tendenz, Hypersexualität Amygdala-Entfernung führt zu Zahmheit - Menschen Neigung, alle Gegenstände in Mund zu stecken (oral tendency) Exzessives Sexual-/Fressverhalten Beeinträchtigung Furchtreaktion - In Folge von Mb. Pick: Degeneration fronto-temporaler Areale -> fronto-temporale Demenz -> bei bilateraler Degeneration Klüver-Bucy-Syndrom - In Folge von Herpes-Simplex-Enzephalitis: Hirnentzündung a.G. Herpes-Simplex-Virus Infektion Letalität: früher = 50% (schwere Defektheilungen), heute = 20% (Defektheilungen seltener) g) Degenerative Erkrankungen der Basalganglien - Parkinson Trias: Akinese, Rigor, Tremor Schwache Korrelation zwischen affektiven & motorischen Symptomen Organisch begründete Depression (gut medikamentös behandelbar) Degenerative Prozesse: subkortikale Nuclei PFC, Schleifen striatal-thalamisch- präfrontaler Kortex, basotemporal-limbische Schleifen, Projektionsbahnen Monoamine (z.B. Dopamin) & Indolamine (z.B. Serotonin) Beeinträchtigung emotionalen Erlebens bei Parkinson Psychoedukation Verständliche Aufklärung (Biochemie, Anatomie, Verlauf, Medikation) Möglichkeiten positiver Lebensbewältigung Notwendigkeit Freizeitbeschäftigung Möglichkeiten Stressbewältigung Hinweise Selbsthilfegruppen Hinweise zu Erhalt Selbstständigkeit Einbeziehung Angehörige - Chorea Huntigton = langsam fortschreitende, vererbbare Hirnerkrankung, verursacht Veränderungen bei Bewegungen, Denken, Verhalten Autosomal-dominant vererbt: CAG Repeats (> 38 – kumulierend in Generationen), Chromosom 4, Huntingtin Hohe Penetranz: jeder Genträger wird HD krank Antizipation: früher Beginn bei Kindern mit HD-kranken Vätern Symptome: Motorisch (Chorea) Demenz Persönlichkeitsveränderungen Diagnosestellung typischerweise bei Beginn Bewegungsstörungen Stadium 0: präsymptomatisch 1: eingeschränkte Leistung bei Arbeit, selbstständig 2: noch begrenzt arbeitsfähig, relativ selbstständig 3: nicht mehr arbeitsfähig, Hilfe bei Finanzen & Haushalt 4: arbeitsunfähig, viel Hilfestellung 5: Komplettpflege Prämanifeste Veränderungen im Emotionserleben Relativ selektiv keine Erkennung Ekel -> Problematik im Bereich Inselrinde Psychiatrische Symptome Depression 40-80% o Vor/bei Diagnosestellung/im Verlauf o Häufig Suizidgedanken: im Kontext Diagnosestellung, über 25% Pat. Min. 1 Suizidversuch – 3-13% vollendet Ängste 30-40% Apathie 20% Zwangssymptome 10-20% Psychotische Symptome 5% Irritabilität & episodische Wut häufig Behandlung emotionaler Symptome Medikation ähnlich psychiatrischer Pat. - i.d.R. niedriger dosiert VL 7: Frontalhirnsyndrome Lernziele - Organisation PFC - Schleifensysteme - Exekutive Funktionen - Schädigende Ereignisse - Lobotomie - Störungsbilder a) Frontallappen - Aspekte PFC Phylogenetisch neuester Kortex-Teil Extensive Konnektivität basierend auf Feedbackschleifen Reflektiv – nicht reflexiv Stark vorverarbeitete, konvergente Projektionen Einzige neokortikale Repräsentation limbischen Systems (motivationale & emotionale Eingänge für Verhaltenssteuerung) - Frontal-subkortikale Loops I. Frontalkortex II. Striatum III. Globus Pallidus IV. Thalamus - Neurotransmitter PFC: Glutamat, GABA, Dopamin - Direkte & indirekte Basalganglienschleife Direkt: Cortex -> Striatum -> Globus Pallidus Substantia Nigra pars compacta - > Thalamus Indirekt: Cortex -> Striatum -> Globus Pallidus externus -> Subthalamischer Nucleus -> Globus Pallidus internus (SNr) -> Thalamus b) Schleifensysteme - Motorische Funktionsschleife - Assoziative Funktionsschleife - Limbische Funktionsschleife c) Funktionen - Exekutiv “executive”: Zielsetzung, Pläne machen, Ressourcenverwaltung, Resultatüberwachung: Ziele erreicht? Motorisches Lernen, Sequenzieren, Koordinieren Aufmerksamkeit, Working memory, Set-shifting, Antwortauswahl & -inhibition, Planung & Organisation, Problemlösen, Entscheiden Persönlichkeit, Emotion, soziale Funktion - Anatomische/kortikale Verbindungen Von sensorischen Assoziationsarealen: visuell, auditorisch, somatosensibel Vom Olfaktorischen Kortex Zum temporalen Kortex Zum posterioren sensorischen Kortex Zum limbischen Kortex Innerhalb Frontallappen d) Läsionen - Probleme bei neuropsychologischer Evaluation Annahme einheitlichen Frontalhirnsyndroms Vernachlässigung zahlreicher Ausprägungsformen Faktoren: Seite, Ort, Tiefe, Größe, zeitliche Entwicklung, Art der Läsion, Primärpersönlichkeit - Ort der Läsion: Kleist (Schusswunden 1. Weltkrieg) Frontoorbitalhirnsyndrom: Enthemmung, Distanzlosigkeit, läppisch, affektiv verflacht Frontokonvexitätssyndrom: Hemmung, Akinese, Mutismus, Perseveration - Vaskuläre Läsionen Einseitige Infarkte von A. cerebri media Beidseitige Infarkte von A. cerebri anterior Beide führen zu großer Schädigung PFC Subarachnoidalblutung (Hypodensität im CT) Gefäßspasmen -> Frontalhirnschädigung Massiver Verlust Eigenantrieb möglich - Tumore Extrinsisch wachsende Tumore: Meningeome Extrinsisch wachsend, nicht in gesundes Gewebe eindringend Druck von außen auf Gehirn -> Verdrängung Gehirn Intrinsisch wachsende Tumore: Glioblastome, anaplastische Astrozytome, Schmetterlingsgliom Infiltrierendes Wachstum + Zerstörung Gehirngewebe - Entzündliche Hirnerkrankungen: MS “frontales neuropsychologisches Muster” bei Befall frontalen Marklagers Interindividuell hochvariables Auftreten entzündlicher Prozesse Frontalhirnsyndrom nicht bei jeder Patient:in - Operative Läsionen zur Behandlung psychischer Störungen (Moniz, 1936) Präfrontale Leukotomie = Schädigung weißer Substanz/Faserverbindungen des PFC Präfrontale Lobotomie = operative, funktionelle Abtrennung von PFC-Teilen Schizophrenie & Zwangserkrankungen: Implementation falsch erlernter kognitiver Operationen im Frontallappen -> Verbesserung durch Operation Anekdotische Evidenz: trotz massiver Eingriffe kognitiv intakte Patienten e) Frontalschädigungen - Symptome: Arousal & Orientierungsreaktion, abnormale, primitive Reflexe, abnormaler Muskeltonus, Gang-/Haltungsstörungen, Kontrolle von Augenbewegungen - Medialer Frontallappen Auslösen komplexer Bewegungen Hierarchie motorischer Funktionen: Motorkortex = einfach, prämotorisch = komplex, medial-frontal = nochmals komplexer Ausdruck von Emotionen Konfliktmonitoring Antwortselektion Symptome Akinesie = unzureichende Bewegungsinitiation o Akinetischer Mutismus: sprachlos, verarmte Gliedmaßenbewegungen, keine Kommunikationsversuche Abulia/Apathie = keine selbstinitiierten Aktionen o Reduktion emotionaler Ausdruck o Reduktion Bewegung, Essen/Trinken o Reduktion soziale Aktivitäten o Reduktion Sprache (li Hemisphäre) - Orbitofrontaler Kortex Verarbeitung Belohnungswert von Stimuli Enge Verbindung mit limbischem System (Amygdala) Gibt Infos emotionalen Wert Regulation (Inhibition/Erleichterung) von durch Triebe angeschobenen Aktionen -> Impulskontrolle Regulation Sozialverhalten -> Aggression, sexuelle Aktivität Konsequenzen bei Schädigung Reduktion von Nutzung interner Stimuli zur Verhaltenssteuerung o Reduzierte Entscheidungsprozesse o Schlechte Sozialfunktionen: Witzelsucht, Moria (Euphorie), unangemessene sexuelle Avancen, schlechte Impulskontrolle o Schlechte Selbsteinschätzung Pseudopsychopathie/erworbene Psychopathie (beschreibender, nicht formal definierter Begriff) o Ähnlich, aber inhaltlich nur teilweise Überlappung mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung o Ursprünglich zur Beschreibung modernen Phineas Gage Beeinträchtigung von Entscheidungsprozessen o Kontrollen zeigen antizipatorische ANS-Aktivierung – Patienten nicht o Hypersensitivität gegenüber Belohnung, Insensitivität gegenüber Bestrafung - Lateraler Präfrontalkortex Benutzung Umweltreize für Aktions-Organisation & -Planung basierend auf inneren Kriterien Multiple Verbindungen mit posterioren sensorischen & supramodalen Assoziationsarealen zur “on-line” Verarbeitung von Infos Working memory: macht Assoziationen möglich & unabhängig von Umweltreizen Konsequenzen Zunehmende Abhängigkeit von externen Stimuli o Utilization behavior = angemessenes Nutzen von Gegenständen in unangemessener Situation (durch externen Stimulus ausgesendete Handlungsaufforderung wird ausgeführt) Eingeschränktes Arbeitsgedächtnis Schwierigkeiten mit Set-shifting Schlechte Planung Perseveration = Haftenbleiben an vorherigen Worten/Handlungen/Aufgaben o Perseverationsfehler bei dorsolateraler Schädigung Reduzierte Wortflüssigkeit - Prämotorischer Kortex Integration motorischer Fertigkeiten & erlernte Aktionssequenzen Aktionsvorbereitung: vorbewusstes Stadium von Bewegungsgenerierung Imitation schneller Bewegungen: Handbewegungen, Wortgenerierung Konsequenzen bei Schädigung Bewegungsfähigkeit erhalten Schlechte Integration motorischer Komponenten komplexer Bewegungsakte: diskontinuierliche/unkoordinierte Bewegung Gestörte Bewegungsinitiation Links: Sprachstörungen - rechts: Motorische Impersistenz (Handlung initiierbar, aber nicht aufrecht erhaltbar), Planungsstörungen f) Zusammenfassung - Frontalschäden: viele verschiedene Symptome! - Medialfrontaler Kortex: Verbindungen mit motorischem & limbischem System Initiation von Bewegungen emotionaler Ausdruck - Orbitofrontalkortex: Verbindungen mit Limbischen System (interner input) Reward Bewertung & Impulskontrolle Sozialverhalten - Lateraler präfrontaler Kortex: Verbindungen mit posteriorem Kortex (externer Input) Organisation, working memory, Zielsetzung, set-shifting... Erlaubt Manipulationen über Raum & Zeit hinweg: Kognitive Planung Überwachung Resultate mit Hinblick auf Ergebnisse - Prämotor. Kortex: Verbindungen mit motorischem Kortex Integration komplexer motorischer Aktionen VL 8: Diskonnektionssyndrome / Callossale Syndrome Lernziele - Funktion Corpus Callosum - Schädigungen kommissuraler Faserverbindungen - Unterschiede vollständige vs. Partielle Dissektion - CC schädigende Erkrankungen - Untersuchung Callossaler Symptome a) Anatomie cerebraler Faserverbindungen - Assoziationsfaser Lange Faserbündel, Verbindung weit entfernter kortikaler Areale: Fasciculus uncinatus, Cingulum, Fasciculus longitudinalis superior/inferior, Fasciculus fronto-occipitalis inferior Kurze, subkortikale Verbindungen (U-Fasern), Verbindung benachbarter neokortikaler Areale - Projektionsfasern Aufsteigende Faser aus subkortikalen Arealen zum Neokortex: z.B. Projektionen aus Thalamus Absteigende Fasern von Neokortex zu Hirnstamm/Rückenmark - Kommissurale Faserverbindungen Anteriore Kommissur Ca. 5000 Axone!, an Basis des Fornix liegend Verbindungen beider Temporallappen Ursprungskoordinate für strukturelle Bildgebung [0,0,0] b) Corpus Callosum - Ca. 200-300 Mio. Axone - Meiste Areale der Hirnhälften miteinander verbunden V1: topografische Organisation & überwiegend keine Verbindung Körpermittellinie repräsentierende Areale (visuell, auditorisch, sensorisch, motorische Felder) = höchste Verbindungsdichte - Geschichte De la Peyronie (1741): Sinnesempfinden erhalten bei Schädigung CC McCulloch & Garol (1941): kaum Beeinträchtigungen bei CC-Läsionen, außer bei komplizierten Aktivitäten Experiment Downer (1961): abladierte Amygdala + CC-Läsion Normale Reaktion bei Annäherung, Berührung, Zeigen von Objekten Nicht bei Abdeckung Auge contralateral zur abladierten Amygdala - Verhaltenseinschränkungen durch CC-Läsion? Wenicke (1874): Durchtrennung Faserverbindung anteriore & posteriore Sprachzone -> aphasisches Syndrom (Leitungsaphasie) Liepmann (1900) Verbale Aufforderung: Pat. Kann rechte Hand korrekt bewegen – linke nicht (nicht explizite Handbewegungen möglich) Vorhersage: keine Läsion rechter Motorkortex, sondern motorischer CC-Teil - Bestätigung durch Autopsie c) Erkrankungen des Corpus Callosum - Callosotomie / Split-Brain Ultima ratio bei Epilepsie-Behandlung: CC-Durchtrennung soll Ausbreitung Anfälle von einer auf andere Hirnhälfte verhindern -> Risikoreduktion für Stürze & Verletzungen Inkomplette Callosotomien (z.B. ohne posterioren CC-Teil): ähnliche Krampanfall- Reduktion bei reduzierten neuropsychologischen Defiziten Auf rechter Netzhauthälfte gezeigte Objekte: nicht benennbar Objekte in linker Hand: nicht ertastbar, nicht benennbar, aber greifbar Haploskopische Untersuchung Split-Brain Patienten (Sperry & Gazzaniga) Objekte auf linker Seite: nicht benennbar, aber mit linker Hand schreibbar, unter anderen Objekten heraussuchbar/antippbar Pat. Wissen nicht, welches Wort sie geschrieben haben Jede Hirnhälfte eigene Wahrnehmung, Lernprozesse, Gedächtnis Nicht bei CC-Agenesie - Agenesie des Corpus Callosum = Nicht-Entwicklung Auswirkungen: i.d.R. keine Symptome, bei manchen Störungen in Verarbeitung emotionaler Inhalte - Läsionen CC-Teile betreffend Bsp.: Schmetterlingsgliom (sehr limitierte Lebensprognose) Auf kontralaterale Hemisphäre ausbreitendes Gliom Keine signifikante Lebensqualitätsveränderung bei chirurgischer Dekompression (im Vgl. Zu Biopsie) - Degeneration: Marchiafava-Bignami-Syndrom/Corpus-Callosum-Atrophie Häufig Folge von chronischem Alkoholismus + Mangelernährung -> Vit B12 (in Einzelfällen Degeneration ohne Alkohol-Abusus) DTI-Untersuchungen: korrelative Veränderungen fraktionaler Anisotropie & Alter Negative Zusammenhänge in Genu, rostraler Körper, Isthmus – Alter hoch -> Verbindungen weniger - Psychiatrische Erkrankungen Viele Publikationen - ältere Zusammenhang nahelegend Bildgebung: schwache/keine Unterschiede zwischen Patient:innen & Proband:innen Aktuelle Studien: reduzierte fraktionale Anisotropie in Verbindungen mit reduzierter funktioneller Konnektivität kortikaler Strukturen d) Diskonnektion funktionaler Systeme - je nach funktioneller Organisation sensorischen Systems unterschiedliche Auswirkungen - Riechen Organisation olfaktorischen Systems: ungekreuzt Verbindung olfaktorischer Regionen über anteriore Kommissur AC-Durchtrennung bei ausschließlicher Benutzung rechten Nasenlochs -> Duft nicht benennbar Aber entsprechend riechendes Objekt mit linker Hand auswählbar - Sehen Verbales Material in linker Gesichtshälfte: nicht lesbar/Fragen beantwortbar – rechts ok Komplexe Figur in rechter Gesichtshälfte: rechte Hand kann Figur nicht abzeichnen – linke schon - Fühlen Organisation somatosensorischen Systems: gekreuzt! Aufgaben für diskonnektierte Pat.: Gegenstand mit geschlossenen Augen mit linker Hand ertasten - anschließend ertastende Auswahl Gegenstand aus anderen Gegenständen o Rechte Hand: Objekt nicht identifizierbar o Linke Hand: sofortiges Auffinden des Objekts Einnehmen bestimmter Form mit einer Hand (z.B. Faust) -> andere Hand kann nicht nachahmen Wichtigstes diagnostisches Zeichen! - Hören Organisation auditorischen Systems: gekreuzte & ungekreuzte Verbindungen Normal: vorwiegende Signale auditorischen Kortex aus rechtem Ohr (obwohl auch vom linken Bestand direkter Bahnen) -> Bevorzugung kontralateraler Infos Diskonnektierte Pat.: akustische Infowahrnehmung im Alltag, vollständige Unterdrückung von Info von linkem Ohr bei dichotischem Hören - Bewegung Organisation motorischer Kortex: gekreuzt! Diskonnektierte Pat.: Verbale Aufforderung für linke Hand: Apraxie/Agraphie Aufforderung zum Abzeichnen geometrischer Figur für rechte Hand Rivalität von Aktionen bei bimanualen Tätigkeiten möglich (Hemd zuknöpfen mit rechter Hand – linke knöpft sofort wieder auf) e) Neuinterpretation von Läsionsauswirkungen als Diskonnektionssyndom: Apraxie - Bedeutsame Zusammenstellung Geschwind: Fehlfunktionen nicht notwendigerweise durch Läsion - auch von inter-/intrahemisphärischen Diskonnektionen - Erklärungsmodell für bilaterale Apraxie: Balken-Dissektion + Schädigung linker Motor-Kortex - Aber: direkter Zugang posterioren Kortex zu subkortikalen Strukturen -> bei CC-Dissektion anfängliche Apraxie -> später Erholung - Annahme: Agnosie & Alexie durch Linksseitige Diskonnektion visueller Assoziationskortizes vom Sprachareal Trennung rechter visueller Assoziationskortizes vom linksseitigen Sprachareal - Experimenteller Nachweis Diskonnektionseffekte (Mishkin 1979) Keine anatomische Verbindung von V1 zwischen Hemisphären (vermutlich wegen retinotoper/spatiotoper Organisation) V2 -> Formerkennung, TE -> Objekterkennung Schädigung rechts V1 + links TE -> keine Leistungseinschränkung Zusätzliche Durchtrennung V2-Verbindungen -> keine Formerkennung mehr möglich Schädigung rechts TE + links Amygdala -> Formerkennung funktioniert Zusätzlich Trennung Verbindung zwischen Amygdalas über CC -> keine Objekterkennung - Störungsausprägungen Syndrom Läsionsort Beschreibung Alien hand syndrom / Genu / anteriorer Body Intermanueller Konflikt -> eine Hand Anarchic hand syndrom unterbricht korrekte Bewegung anderer Taktile Anomie Posteriorer Body Erfühlen Gegenstände mit linker Hand -> keine Benennung möglich Alexie ohne Agraphie Splenium Lesenunfähigkeit bei erhaltener Schreibfähigkeit f) Chronisches Diskonnektionssyndrom - Motorische Effekte Linksseitige Hemiapraxie -> später rückläufig (vermehrte ipsilaterale Kontrolle linker Hand) - Somatosensorische Effekte Verbale Erkennung Objekte in rechter Hand Keine verbale Erkennung Objekte in linker Hand Wiederholung Gesten mit kontralateraler Hand möglich, nicht mit ipsilateraler Hand - Rechtshemisphärische Sprachkompetenz Lese- & auditorisches Verständnis kurzer, hochfrequenter Wörter Vokabular rechter Hemisphäre größer über Jahre (max. Niveau 10-jähriges Kind) g) Klinische Testung - Dissoziative Phänomene Unterschied Gesichtsausdruck vs. Verbale Äußerungen Unterschied Tätigkeit linke Hand vs. Verbale Äußerungen - Intermanueller Konflikt - Alien Hand Syndrom: Gefühl von Fremdheit/Unkooperativität linker Hand - Autokritizismus: Erstaunen über Handlungen linker Hand - Unilaterale verbale Anosmie Keine Benennung rechten Nasenlochs präsentierter Gerüche Aber Zeigen entsprechender Gegenstände - Bilaterale Hemianopsie: nur auf Stimuli im jeweils kontralateralen Gesichtsfeld zeigend - Hemialexie/Alexie ohne Agraphie: kein Lesen von in linkem Gesichtsfeld gezeigter Info – gut kontrollieren! - Unilaterale ideomotorische Apraxie: keine Ausführung gewünschter Bewegungen linker Hand auf verbale Kommandos - Unilaterale taktile Benennstörung: keine Benennung in linke Hand gelegter Gegenstände -> wichtigstes Zeichen!! h) Fazit - Verdeutlichung Interaktion beider Hemisphären durch Callosale Syndrome - Klinische Symptome evt. Mehr als nur strukturelle Schädigungen grauer Substanz - Hinweise auf Mitbeteiligung von geschädigten Faserstrukturen durch einfache klinische Tests VL 9: Kleinhirnerkrankungen Lernziele - Beschreibung wichtigster anatomischer Strukturen Cerebellums - Funktionale Anatomie - Symptome cerebellären kognitiv-affektiven Syndroms - Arten & Störungsbilder von Kleinhirnerkrankungen - Zusammenhang Kleinhirnerkrankungen & kognitive Funktionen a) Forschungsstand - Früher: Cerebellum = motorische Funktionen Verbindungsbahnen: Cortex -> Cerebellum -> M1 Schwerpunkt von Studien: Gang, Stand, koordinierte Körperbewegungen - Neue Erkenntnisse: Involvierung in viele kognitive Funktionen Lernen, Sprache, Emotion Reziproke Verbindungen zu an höheren Funktionen beteiligten, cerebralen Assoziationskortizes Lokalisation kognitiver Funktionen nicht im Kleinhirn -> aber Modulation spezifischer Funktionen durch verschiedene Areale b) Anatomie - Ipsilaterale Organisation! Spinocerebellum: Kontrolle Körper-, Augen-, Extremitätenbewegungen Input: Somatosensorische Rezeptoren, M1, auditorische/visuelle Info Output: Motor-/Interneurone (Hirnstamm & Rückenmark) Cerebrocerebellum/Neocerebellum: Planung Handlungen, kognitive Funktionen, Emotionen Input: Assoziationskortizes Vestibulocerebellum: Kontrolle Gleichgewicht Input: Somatosensorische Rezeptoren (Nacken), Bogengänge, visuelle Info Output: Vestibuläre Nuclei Output insgesamt M1, PFC, prämotorischer & parietaler Kortex Interneurone Rückenmark, inferiore Olive, Hirnstammkerne Motor-/Interneurone (Rückenmark, Hirnstamm) Vestibuläre Nuclei - Cerebelläre Anatomie & kognitive Funktionen Motorik, Somatosensorik Sprache Verbales Arbeitsgedächtnis, räumliche Aufgaben Exekutive Funktionen Emotionsverarbeitung - Cerebelläre Aktivität bei kognitiven Funktionen Multi-Domain Task Battery 4 MRT Sessions mit je 17 Tasks (insgesamt 26 Tasks aus Kognition, Motor, Affekt, Sozial) - Blutversorgung Kleinhirn Arteria inferior posterior cerebelli = PICA: aus Vertebralarterie Versorgung hintere, untere Kleinhirnanteile Arteria inferior anterior cereblli = AICA: aus Basilararterie Versorgung mittlerer Anteile Arteria superior cerebelli = SCA: aus Basilararterie Versorgung oberer Anteile Verbindung über Anastomosen (zur teilweisen Sicherstellung Blutversorgung bei Verschlüssen) Kleinhirninfarkte häufig durch Gefäßverschlüsse/Blutgerinnsel c) Kleinhirnerkrankungen - Kleinhirn-Schlaganfall Allgemeine Symptome: Nacken-/Kopfschmerz, Schwindel Bewegungsstörungen Gangataxie: unsicher, Schlangenlinien, wie betrunken/auf schwankendem Schiff Rumpfataxie: kein stabiler, aufrechter Sitz – nach hinten/Seite kippend Koordinationsstörungen Extremitäten Sprechstörungen: Feinabstimmung Sprechmotorik (verwaschen, nuschelnd, undeutlich – Dysarthrie) Gleichgewichtsstörungen: Gangunsicherheit, Drehschwindel, Übelkeit/Erbrechen Sehstörungen: Blickmotorik/-koordination/-stabilisierung – Nystagmus Neuropsychologische Defizite: Wortflüssigkeit, Handlungsstrukturierung, Unorganisiertheit, geistige Flexibilität, Aufmerksamkeitswechsel - Arten Erbliche Formen Meist autosomal-dominante degenerative Formen (ADCA) - unter spinocerebellärer Ataxie subsummiert Autosomal-rezessive Formen mit frühem Krankheitsbeginn Erworbene Formen Schlaganfälle/Blutungen, Tumore, Abszesse, Demyelinisierung, Entzündungen Alkoholabusus, Medikamenteneinnahme (Antiepileptika, Lithium) Hypothyreoidismus Nicht-erblich degenerative Formen: idiopathische wie “Downbeat-Nystagmus” - Störungsbilder Motorische Störungen Dyssynergie: muskuläre Koordinationsstörungen Dysmetrie: zu große/starke Bewegungen Ataxie: inkorrekte Abstimmung Muskelgruppen Intentionstremor Rebound-Phänomen: zu später Anagonisten-Einsatz Hypotonie: Muskeltonus zu gering z.B. starkes Armschlenkern bei Bewegungen, Absinken im Positionsversuch) Blickstörungen: Nystagmus, Sakkaden-Hypermetrie, Adaptationsstörungen Sprechstörungen: meist Sprech- & Stimmstörungen (Dysarthrie & Dysarthrophonie – Broca-ähnliche Symptome) Höhere sprachliche Leistungen: bisher nur Einzelfallbefunden mit Agrammatismus, semantischen Defiziten, verringerter Wortflüssigkeit - Cerebelläres kognitiv-affektives Syndrom Verlauf Patientin Symptomverbesserung innerhalb 2-3 Wochen, aber kindliches Verhalten lange andauernd Nach mehreren Monaten Verbesserung kognitiver & Persönlichkeitsfunktionen Nach 2 Jahren Wiederaufnahme Studium Untersuchung Patient:innen mit fokalen cerebellären Störungen Test-Batterie neuropsychologischer Tests + MRT/CT zwischen 1 Woche & 6 Jahre post- Schädigung Ergebnisse o Defizite in exekutiven Funktionen: Planung, Schlussfolgern, Arbeitsgedächtnis, Wortflüssigkeit o Defizite in räumlichen Kognitionsaufgaben o Persönlichkeitsveränderungen (unangemessenes Verhalten) o Flacher Affekt o Keine Apraxie, Aphasie, Agnosie o Keine Defizite Gedächtnisfunktionen, aber Lernbeeinträchtigung Update Anfänglich Übersehen/Nicht-Erkennung von Symptomen bei CCAS Heute 4 wichtige Einschränkungsbereiche: exekutive Funktionen, visuell-räumliche Funktionen, Sprache, Persönlichkeitsveränderungen Entstehung durch Infarkte/Blutungen, degenerative Erkrankungen (spinocerebelläre Ataxie Typ 6) d) Modifikation motorischer Adaptation durch tDCS - Veränderung Hirnfunktion durch transcraniale Gleichstromstimulation Anodale Stimulation -> Erhöhung neuronaler Exzitabilität Kathodale Stimulation -> Senkung neuronaler Exzitabilität - Aufgabe: auf Grafik-Tableau Durchführung Bewegung mit Stift zu peripherem Ziel - Modifikation: Versetzung Zielreiz während Bewegung - Anodale Cerebellum-Stimulation -> bessere Lernkurve verglichen mit M1- /Sham-Stimulation e) Einschränkungen durch cerebelläre Läsionen in visuell-kognitiven Aufgaben - Visuelle Informationsverarbeitung: verlängerte Dauer visuellen Prozessierens (Colour < Conjunction < Form) Erhöhung Refixationsrate bei Patienten Verlängerung mittlerer Fixationsdauer Kein Unterschied in Suchstrategien Controls vs. Patienten f) Motorisches Lernen & cerebelläre Funktionen - Cerebellum-Hauptfunktionen: Fehlerkorrektur, motorisches Lernen, sensomotorische Adaptation, Prädiktions-/Antizipationsmodelle (Forward-Modelle) - Prismen-Adaptation Controls vs. Patient:innen Pat.: Treffer ohne Prisma eher rechts vom Ziel – mit Prisma keine Adaptation Möglicherweise mehr Zeit & Übung - Sakkaden-Adaptation bei PD & SCA Controls: Lernen + Speichern Anpassung PD: motorisches Lernen möglich, aber keine Speicherung SCA: deutlich länger zur Speicherung motorischer Anpassungsprozesse - Lernen motorischer Sequenzen bei PD & SCA Beide Gruppen: Beeinträchtigungen beim Lernen impliziter Regel - Motorisches Lernen & effektive Konnektivität Strukturelle Konnektivität: White Matter Tractographie – anatomisches Layout Axone/Synapsen - Interaktion von Hirnregionen Funktionelle Konnektivität: Korrelation von Hirnaktivität (datengetrieben) Effektive Konnektivität: kausale Interaktionen zwischen Hirnregionen (a-priori Hypothesen erforderlich) 2 Hauptannahmen o Effektive Konnektivität = dynamisch -> aktivitäts-/zeitabhängig o Beinhaltet nicht-lineare Interaktionen zwischen neuronalen Systemen Konnektivitätsmodelle sollten biologisch plausible Konnektivitäten aufbauen: Kenntnisse auf tierexperimentellen & humanexperimentellen Studien Methoden o Strukturgleichungsmodelle: multivariate Analysen auf Einflüssen interagierender Variablen o Zeitreihenanalysen o Lineare Regressionsmodelle (Psycho-Physische Interaktion PPI) o Nicht-lineare, kausale dynamische Modelle Motorisches Lernen Lernen motorischer Sequenzen benutzt Netzwerk kortikaler, striataler, cerebellärer Funktionen Verbindungen von Cerebrum zu Cerebellum = erhöhte Konnektivität -> evt. Ursache für tonisch-klonische Epilepsieanfälle g) Zusammenfassung - Cerebellum = mehr als nur Fein-Tuning - Auslösung unterschiedlicher affektiver, kognitiver, motorischer Störungen durch cerebelläre Läsionen - TDCS: Verbesserung cerebellärer Funktionen/Verhinderung überschießender Funktionen (neue therapeutische Möglichkeiten) - Interaktion vieler cerebraler kognitiver Funktionen mit cerebellären Regionen - Nachweis cerebro-cerebellärer Verbindungen durch neue Bildgebungsverfahren VL 10: Alexie, Agraphie, Apraxie Lernziele: - Unterschiedliche Formen erworbener Alexie - Primary systems Hypothese - Dual route Lesemodell - Unterschiedliche Formen Agraphie - Apraxie-Testung a) Dyslexie - Konstitutionell: Legasthenie, Lese-Rechtschreibschwäche - Erworben (Alexie = Unfähigkeit, Geschriebenes zu lesen) Aufmerksamkeits-Alexie (attentional alexie) Neglect-Alexie Pure Alexie Oberflächen-Alexie (surface orthographic alexie) Phonologische Alexie (phonological) Semantische Alexie (semantic alexie, Alexia of Alzheimer’s disease) Tiefen-Alexie (deep dyslexia) - Anatomische Betrachtung Primärer auditorischer Input A1 = Heschl Gyrus Posterior davon: heteromodaler Kortex = Wernicke Areal (semantic lexical pole) Verbindung Wernicke Areal mit Broca über Fasciculus arcuatus Posterior von Wernicke-Areal: Gyrus angularis Gyrus angularis: Input von sekundären visuellen Arealen (visual word form area) Integration für Lesen wichtiger visueller & somästhetischer Info Wernicke + Broca + Gyrus angularis = Sprachnetzwerk dominanter Hemisphäre Broca-Areal als zentrale Netzwerkkomponente - Primary systems Hypothese Lesen phylogenetisch & ontogenetisch spät erworbene Fähigkeit -> Lesefähigkeit unterstützende Mechanismen müssen sich auf grundlegendere Repräsentationssysteme stützen - Aufmerksamkeits-Alexie Eigentliches Problem = selektive Aufmerksamkeit! Nicht spezifisch für orthografisches Material Einzelne Wörter lesbar, aber nicht Multi-Wort-Displays Buchstaben wandern zwischen Wörtern: POT BIG HUT -> BUT BIG HUT (ähnliches Phänomen bei normalen Lesern unter tachistokopischen Bedingungen) - Neglect-Alexie Probleme von Aufmerksamkeitssteuerung beim Lesen: Beweis -> bei Spiegelschriftlesen Enden nun links liegender Wörter weggelassen Ursachen: Motorische Programmierung okülären Scannings Räumliche Verteilung von Aufmerksamkeit Konstruktion abstrakter visuospatialer Repräsentationen Bei Pat. Mit rechts-parietalen Läsionen & linksseitigem Neglect Neglect für linke Hälfte einer Seite Auslassen/Deletionen von Wörtern auf linker Seitenhälfte (relativ häufig) -> Giraffe -> Affe Substitution für linke Hälfte von Wörtern (häufig): Garage -> Blamage Additionen (seltener): Ball -> Fußball - Dual route Lesemodell - Pure Alexie Infoverarbeitungsproblem zwischen visuellem & linguistischem System Orthographische & linguistische Verarbeitung intakt Keine Agraphie & Aphasie! Basale visuelle Infoverarbeitung intakt -> akkurate Wahrnehmung geschriebenen Wortes Keine Aktivierung zugehöriger orthographischer Detektoren durch visuellen Input möglich Kompensationsstrategie: letter-by-letter reading Je länger Wort -> länger braucht Pat. & häufigere Lesefehler Problemlose Erkennung laut buchstabierter Wörter Läsionen Gyrus angularis von seinem Input isolierende Läsionen: Pat. Schreiben gut, aber letter-by-letter reading (auch für selbstgeschriebenes) Läsionen Gyrus angularis selbst: keine pure Alexie -> sondern Alexie mit Agraphie (hier werden orthographische Wortformen prozessiert) - Oberflächen-Alexie Aktivierung Eintrag im orthographischen Lexikon durch geschriebenes Wort Lexikon kompromittiert -> Regularisierungseffekt resultierend Reguläre Wörter & Pseudowörter lesbar – Regularisierung von irregulär ausgesprochenen Wörtern Effekt gravierender in Sprachen mit wenig transparenter Graphem zu Phonem- Konversion (Französisch, Englisch) Besseres Lesen regulärer & Pseudowörter als irreguläre Wörter Häufig Homophon-Verwechselungen (ganz – Gans) Pseudohomophone häufig als Wörter akzeptiert (PHOCKS – FOX) - Phonologische Alexie (Spiegelbild zu Oberflächen- Alexie) Lesen nach Ganzwortmethode möglich, vertraute Wörter lesbar Probleme mit lautem Vorlesen, Schwierigkeiten mit unbekannten Wörtern Grapheme nicht entsprechend Graphem-Phonem-Regeln konvertierbar b) Agraphien - Lichtheim: Schreibfähigkeit auf allgemeine Sprachfähigkeit aufgepfropft -> Klassifikation Agraphien = Aphasien - Goldstein: Assoziation oft/nicht immer Agraphien & Aphasien Primäre Agraphie: Schädigung motorischen Aspekts Schreibens I. Kein Impuls zu Schreiben II. Schädigung abstrakter Repräsentation von Schriftsprache III. Ideatorische Agraphie (Verlust Buchstabenrepräsentationen) IV. Motorische Agraphie (Produktion inkorrekter Buchstaben) V. Agraphie + Apraxie nicht dominanter Hand Sekundäre Agraphie: aus allgemeiner Sprachstörung resultierend - Heutige Klassifikation Pure Agraphie Fehlen signifikanter sprachbezogener Symptome Buchstabierfehler bei wohlgeformten Buchstaben Läsionen: Exners Area (= Verbindung Orthographie & für Schreiben notwendige motorische Programme), oberer Parietallappen, posteriore perisylvische Region, linker Ncl. Caudatus Aphasische Agraphie Globale Aphasie, Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie, Leitungsaphasie, transkortikal sensorische Aphasie Schwierigkeiten bei Graphem-Produktion Und/oder agrammatisches Schreiben Wernicke-Aphasie: schwere Buchstabierfehler Agraphie mit Alexie/parietale Agraphie Schlecht/nicht erkennbare Buchstaben beim Schreiben Schwierigkeiten beim Buchstabieren Apraktische Agraphie Schwierigkeiten bei Buchstabenformung, spontanen Schreiben, Schreiben nach Diktat Läsion meist linker parietaler Kortex (wie häufig bei Apraxien) Spatiale Agraphie: Läsionen im nicht-dominanten Parietallappen - Kognitiv-neuropsychologische Klassifikation Einteilung Verarbeitungsmodule in nicht-/linguistische Komponenten Lexikalische Agraphie Phonologische Agraphie Tiefe Agraphie Semantische Agraphie c) Apraxie = Störung zielgerichteter Bewegungen – nicht erklärbar durch: Schwäche, Akinese, Deafferentierung, abnormen Tonus, abnorme Haltung, Bewegungsstörung, intellektuellen Abbau, schlechtes Sprachverständnis, mangelnde Kooperation (Definition über Exklusion) - Untersuchung Gesten auf verbales Kommando, Gesten auf Imitation, Pantomime nach Anblick Werkzeug (Hammer), Pantomime nach Anblick Objekt (Nagel), Werkzeug-Gebrauch Unterscheidung korrekter vs. Nicht korrekter Werkzeug-Gebrauch Verständnis von Gesten Serielle Handlungen - Tests Intransitive Gesten Extremitäten: Auf Wiedersehen/Winken, Trampen, Grüßen, Komm-Her- Geste, Stopp Transitive Gesten Extremitäten: Tür mit Schlüssel öffnen, Münze werfen, Flasche öffnen, Schraubenzieher/Hammer/Schere benutzen Intransitive buccofaciale Gesten: Zunge herausstrecken, Küsschen geben Transitive buccofaciale Gesten: Streichholz ausblasen, Strohhalm saugen Serielle Handlungen: Brief falten – in Umschlag stecken – zukleben – Briefmarke rauf, Wasser in Kaffeemaschine - Filtertüte in Filter – Kaffeepulver in Filter – Schalter drücken - Ideomotorische Apraxie: gestörte Umsetzung Bewegungsplan Normale Geschicklichkeit Größte Probleme bei transitiven Bewegungen Leichte Verbesserung bei Imitation Verbesserung auch, wenn Objekt benutzt werden darf Typische Fehler Body part as object Perseverationen Sequenzierungsfehler Spatiale Fehler (am häufigsten) o Posturale Fehler: falsche Handhaltung o Räumliche Orientierungsfehler: Handbewegungen, die Werkzeug nicht zu vorgestelltem Objekt bewegen o Räumliche Bewegungsfehler: Aktivierung Bewegung falscher Gelenke - Anatomie Apraxie durch Diskonnektion Bei callosaler Durchtrennung Störung motorischer Assoziationsareale Störung Sprachareale - Repräsentationshypothese: Was spricht für Repräsentation von Bewegungen? Motorische Formeln Praxicons Geschwind’s Theorie sagt nichts über Repräsentationen von Bewegungen aus Motorische Programme gelernt -> bessere Durchführung zukünftiger motorischer Aufgaben Ausführung pantomimisch gelernter Bewegungen möglich Spricht für Repräsentation von Bewegungen Speicherung Bewegungsformeln im dominanten parietalen Kortex Vorhersage: Pat. Mit zerstörten Praxicons -> keine Unterscheidung zwischen korrekten vs. Inkorrekten Bewegungen, die vorgemacht werden, möglich Heilmann & Rothi: 2 Formen von Apraxie Dominanter Parietallappen: Zerstörung Praxicons Anterior davon: Zerstörung Verbindungen VL 11: Musikverarbeitung & Amusie Lernziele - Hirnareale für Erleben & Erkennen von Musik - Modell von Peretz & Coltheart zur Musikverarbeitung - Phänomen auditorischer Agnosie a) Funktionen Hörbahn - Kreuzende Fasern: 90% der Infos - 3D-Höreindruck benötigt Infos aus beiden Ohren: Verrechnung mit Lautstärke- & Laufzeit-Differenzen - Akustisches Signal zu inhaltlicher Bedeutung - Kognitive Prozesse der Musikverarbeitung: Wahrnehmung, Gedächtnis, Lernen, Gefühle, Motorikfähigkeiten, Lesen, Schreiben b) Hirnareale - Primärer akustischer Kortex Heschl’s Gyrus Unterschiedliche Orte im Heschl Gyrus: Intensität, verschiedene temporale Muster Individuelle Variabilität des Heschl-Gyrus - Planum polare (non-primärer AK) - Planum temporale - Rechter Gyrus superior temporalis: Melodie-Erkennung - Rechtes fronto-operculares Areal: Gedächtnisleistung zur Erinnerung erster/letzter Note einer Melodie - Emotionen Veränderung zerebralen Blutflusses a.G. affektiver Antwort auf Musik Melodien unterscheidend in Dissonanz -> Grad der Dissonanz angenehm vs. Unangenehm Dissonanzsteigerung + Aktivität rechter Gyrus parahippocampalis & rechter Praecuneus Konsonanzsteigerung + Aktivität orbitofrontaler bilateraler Kortex, Subcallosales Cingulum, rechte fronto-polare Areale Zunahme unangenehmer Reize: Aktivität rechter Gyrus parahippocampalis, linkes posteriores Cingulum Zunahme angenehmer Reize: Aktivität rechter orbitofrontaler Kortex, Subcallosales Cingulum - Musikalische Grammatik Inkongruente Harmonik aktiviert “early right-anterior negativity” ERAN Lokalisation Quelle von mERAN-Aktivität im Broca-Areal & homologen Areal in rechter Hemisphäre - Sprache & Musik Nähe von Semantik & Musik - Aufgaben von Hirnstrukturen bei Musikverarbeitung Temporal superior: Wahrnehmung Opercular/frontal: Gedächtnis Paralimbisch: Emotion/Gefühle Broca: Syntax Posteriorer Teil G. temporal m.: semantische Prozesse Frontal/Cerebellum: Mototikfähigkeiten Dominante Hemisphäre: Lesen & Schreiben ? c) Beeinträchtigungen Musikhörens - Modularität der Musikverarbeitung Musikalität keine monolithische Eigenschaft -> Zusammensetzung aus isolierbaren Eigenschaften – Ausfall getrennt möglich Traditionell: Musikalität keine genuine Eigenschaft kognitiven Systems – Entstehung als Epiphänomen Peretz & Coltheart (2003): distinktes Modul mit eigenem Satz von Verarbeitungsroutinen & Regeln Eigenschaften von Modulen nach C.F. Fodor: Schnelligkeit, Automatisierung, domänenspezifisch, neurale Spezifität, angeboren, hermetische Abgeschlossenheit Eigenschaften sind typisch, aber nicht notwendig Notwendig: Domänenspezifität & Abgeschlossenheit These: Existenz spezialisierten Musikverarbeitungssystems (evt. Aus weiteren Submodulen zusammengesetzt) Bei Existenz Musikverarbeitungsmodul evt. Keine neurale Spezifität → nur Pat. mit Musikverarbeitungsstörung + andere Verarbeitungsstörungen komplexer auditorischer Reize Bei Vorhandensein neuraler Spezifität → Pat. mit selektiven Musikverarbeitungsstörungen -> existieren!! - Ursachen der Amusie Erworben: Fähigkeitsverlust zur Erkennung von Melodien, Lieder an Texten erkennbar Angeboren: gleiche Störung Gegenargument: Menschen = Amateure bei Musikerkennung, aber Experten bei Sprach- /Worterkennung -> Effekt mangelnder Übung? - Schädigungsmuster Sprechen für Existenz mindestens 2 distinkter Verarbeitungsmodule: Musik & gesprochene Sprache (müsste auch Modul für Geräuschverarbeitung geben) - Messung Musikalität: The Montreal Battery of Evaluation of Amusia Dimensionen der Musik Melodisch: sequentielle Tonhöhen-Veränderung Rhtythmisch: sequentielle Veränderung in Dauer d) Modell von Peretz & Coltheart - Parallele Abarbeitung musikalischen Inputs: Tonhöhendimension & Rhythmusdimension - Pitchorganization/Tonhöhenverarbeitung Hierarchische Organisation von Basiston bis Terz/Quinte führt zu musikalischer Erwartung Automatische Benutzung Tonhöheninformation durch Hörer Bildgebung: rostromedialer PFC könnte Sitz für Tonhöhenverarbeitungssystem sein - Rhythmus-Dimension Zeitliche Struktur des Inputs: Metrum (zeitliche Regularität Walzer vs. Marsch) & Rhythmus (zeitliche Mikrostruktur) - Musikalisches Lexikon Alle im Lebensverlauf gehörten/gelernten Repräsentationen von Musikstücken enthaltendes System Erfolgreiches Erkennen Musikstück beruhend auf Auswahlprozedur innerhalb musikalischen Lexikons Zum Singen: Assoziation Melodie mit im phonologischen Lexikon gespeicherten Text & Weiterleitung an Produktionssystem Zum Abruf nicht-musikalischer Info (z.B. Musiktitel): Herstellung Kontakt mit assoziativem Gedächtnis - Emotionsanalyse (essentieller Teil) Input = bestimmte Eigentschaften: Tonart (Dur/Moll), Geschwindigkeit Unklarheit ob auf Musik spezialisiertes oder generelles Emotionssystem e) Auditorische Agnosie = Probleme in Erkennung akustischer Ereignisse (Sprache, Musik, Geräusche (nicht erklärbar durch Taubheit & Beschränkung auf auditorische Modalität) - Häufig global: verbale Info, Geräusche, Musik betreffend - Vorkommen selektiver Ausfälle mgl. - Perzeptuell-melodisch Schwierigkeit, melodische Info zu enkodieren (sequentielle Veränderung Tonhöhe) Im Gedächtnis keine Identifikation fehlerhaft enkodierter Stücke möglich - Assoziativ/gedächtnisbedingt Isolierter Verlust von Gedächtnisinhalten für Musik - Beispiele H.V.: perzeptueller Defekt – kann aus Gedächtnis singen C.N.: kein perzeptueller Defekt – kann nicht singen, keine bekannte Melodie benennen - Schädigung in rechter Hemisphäre mit Amusie-Ausmaß assoziiert f) Zusammenfassung - Musikwahrnehmung benötigt auditive Verarbeitung - Evidenz für modulares, spezifisches Musikverarbeitungssystem - Musik-Agnosien - Erworbene Amusien: Relevanz des dorsalen Pfades! VL 12: Neuropsychologie des Kindes- & Jugendalters Lernziele - Unterschiede in NP Kinder vs. Erwachsene - Hirnentwicklung & Hirnreifung - Klassifikation Hirnfunktionsstörungen bei Kindern - Ursachen von Hirnschädigungen - Neuropsychologische Diagnostik bei Kindern a) Unterschied Kinder/Jugendliche vs. Erwachsene - Äquivalente Verhaltensweisen & Testergebnisse -> nicht notwendigerweise identische Verarbeitungsmechanismen - Berücksichtigung umweltabhängiger Einflussfaktoren auf Hirnentwicklung -> erhebliche Variation zwischen Kindern mit typischen vs. Atypischen Entwicklungsverläufen - Komplexe Beziehung zwischen maximaler funktioneller Plastizität & minimaler kortikaler Präspezifizierung -> Hirnentwicklung lange postnatal, viele externe/interne Faktoren b) Hirnentwicklung & Hirnreifung i. Neuronale Proliferation = Bildung von Neuronen durch Zellteilung ii. Migration = Wanderung Neurone zu bestimmter Lokalisation iii. Differenzierung/Reifung = Ausreifung Dendriten, Axone, Synapsen iv. Zelltod + Synapsenreduktion = Einsetzen Apoptose bereits während Zellproliferation -> Untergang ¼-1/3 ursprünglicher Neuronen; hinsichtlich Synapsenbildung: Überproduktionsphase -> selektiven Elimination synaptischer Verbindungen (Pruning) - Verlauf Myelinisierung: inferior -> superior & posterior -> anterior - Bis Kindesalter Volumenzunahme grauer Substanz, durch Ausdifferenzierung Abnahme in Adoleszenz - Vermutlich zuerst Reifung von an basalen sensorischen & motorischen Prozessen beteiligten Hirnregionen c) Klassifikation Hirnfunktionsstörungen - Störung pränataler Entwicklung: Embryopathien, Maturationsstörungen, genetische Syndrome, andere schädigende Ereignisse 1./2. Trimester: Fehlbildungen durch genetische, infektiöse, toxische Einwirkungen Frühes 3. Trimester: Schädigungen weißer Substanz durch hypoxisch-ischämische, infektiöse, thrombo-embolische Ereignisse Spätes 3. Trimester: selbe Ereignisse in Schädigung grauer Substanz resultierend (Basalganglien, Kortex) Fetales Alkoholsyndrom/Fetale Alkoholspektrumstörung Auffällige Gesichtsmerkmale: glatte Oberlippe ohne Nasolabialfalte, verbreiterte Stupsnase, schmale & weit auseinanderstehende Augen Veränderung Hirnmorphologie Konsequenzen: Kognition (min. 2 SD unter Norm) o Sprache o Fein-/Grafomotorik o Lern-/Merkfähigkeit, Rechenfertigkeiten o Räumlich-visuelle Wahrnehmung o Exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit o Soziale Fertigkeiten/Verhalten Genetische Syndrome Häufig Assoziation mit prototypischen kognitiven Verhaltensprofilen Unterschiedliche Vererbungsmuster: dominant-rezessiv, geschlechtsgebunden, polygenetisch, Chromosomenanomalien, Genanomalien,... Trisomie 21 (häufigste Chromosomenaberration) o 1:800 – steigend mit steigendem Alter Mutter o Reduzierte Lebenserwartung (heute regelhaft bis 60J) o Kognition: hohe Variabilität im kognitiven Leistungsprofil (IQ, Sprache, Aufmerksamkeit, Gedächtnis) → Häufiger Depression & Angststörungen, Autismus-Spektrum-Störung, ADHS → Beeinträchtigung sprachlicher Ausdruck, verbales Arbeitsgedächtnis, episodisches Gedächtnis → Gute visuelle Lernfähigkeiten - Störung perinataler Entwicklung: Asphyxie, Frühgeburt Frühgeburt: vor 32. SSW &/oder < 750g 9,2% in DE vor 37. SSW Erhöhtes Risiko für kognitive, behaviorale, psychosoziale Probleme (< 50% Frühgeborener können Regelschule besuchen) Konsequenzen für Hirnreifung: signifikant reduziertes Hirnvolumen in total, weißer & grauer Substanz (temporaler Kortex & PFC: Thalamus, Basalganglien, Cerebellum, Hippocampus, Amygdala) - Störung postnataler Entwicklung: Hirntumore, SHT, entzündliche Hirnerkrankungen, Stoffwechselstörungen Epilepsie Eine häufigster Erkrankungen im KJ-Alter (5% 1x/Kindheit) Beginn: 75% vor 20. LJ – abnehmend mit steigendem Alter – zunehmend ab 60. LJ (monogenetisch bedingte Epilepsien mit frühkindlicher Manifestation (CDKL5)) Kognitive Entwicklung: kein typisches Profil! o Positiver Verlauf kognitiver & psychosozialer Entwicklung bei guter medikamentöser Einstellung o Therapierefraktäre/-schwierige Epilepsien: Verhaltensauffälligkeiten, kognitive Defizite, schwere Entwicklungsbehinderung/Retardierung, Demenz, milde-keine Beeinträchtigungen (Absence-Epilepsie) Frühe Erstmanifestation & hohe Anfallsfrequenz -> meist schwere neuropsychologische Defizite SHT Doppelte stationäre Behandlungsrate – aber Überlebensrate & Erholung (motorischer/sensorischer Fähigkeiten) besser als bei Erwachsenen Leicht 90-95%, mittelschwer 3-5%, schwer 2% Mögliche Konsequenz schweren SHTs: sekundäres Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (SADHD), v.a. Veränderungen in allgemeiner Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit & Gedächtnisleistung, Beeinträchtigung Problemlösefähigkeit, verbale Flüssigkeit, abstraktes Denken Beeinträchtigung abhängig von Läsionsort Ungenauere Vorhersage als bei Erwachsenen Hirntumore Lokalisation Einfluss auf funktionelle Bedeutung von Netzwerken Infiltrierend vs. Verdrängend Neurokognitive Veränderungen durch Erkrankung oder Behandlungsform möglich (auch langfristig) Entzündliche Erkrankungen Enzephalitis (Gehirn), Meningitis (Hirnhäute) Durch Bakterien, Pilze, Viren: Masernvirus, Herpes-Simplex-Virus, virusinfizierte Zecke, HIV-Infektionen Strukturelle Veränderungen nach Maservirus-Enzephalitis: verminderte graue Substanz im medialen temporalen Kortex + Amygdala, rechter inferiorer frontaler Gyrus, cingulärer Kortex d) Kinder- & jugendpsychiatrische Erkrankungen - Oft einhergehend mit typischem neuropsychologischen Defizitmuster - ADH/ADHS: Kontrolle unerwünschter/unangemessener Handlungsimpulse defizitär (erworben/SHT vs. Unklare Ätiologie - Autismus: stereotype Verhaltensmuster, Perseverationen - Gilles-de-la-Tourette-Syndrom: mangelnde Kontrolle einfacher/komplexer Bewegungen/Lautäußerungen (vermutetes Funktionsdefizit in Basalganglien) - Angeborene Dyslexie/Legasthenie Häufigste Vorstellungen im ambulanten NP-Bereich - 5-10% in Europa (Annahme erblichen Anteils) Ursache: Probleme phonologischer Bewusstheit o Stützen auf phonologische Repräsentation bei Leselern-Beginn -> Abnahme mit zunehmender Lesefähigkeit o Verminderte Aktivität in linkem IFG & linkem inferioren parietalen Kortex -> Assoziation mit phonologischer Verarbeitung geschriebener Wörter Diagnostik über Diskrepanz-/Regressionskriterium e) Diagnostik - Besonderheiten Altersabhängige Varianz von Retest-Reliabilitäten Problematik Schätzung prämorbiden Niveaus Häufiger Wiederholungseffekt Normierungslücke 14-18J Größere Bedeutung motivationaler Prozesse - Potentielle Testverfahren. Normierungen für Kinder bei vielen Tests vorhanden Kinder-TAP, Trail-Making-Test für Kinder, Turm-von-Hanoi,.. VL 13: Gerontoneuropsychologie Lernziele - Modelle kognitiver Kapazität der Hirnentwicklung - Veränderung kognitiver Prozesse über Lebenszeit - Moderierende Einflussgrößen - Alzheimer Demenz a) Einstieg - Risikofaktoren für Demenz Schätzungsweise 40% aller Demenzen durch Elimination 12 Risikofaktoren verhinderbar - Risikofaktoren für Volumenveränderung des Gehirns Darstellung: Effektgröße ausgedrückt in %- Abweichung von erwartetem Volumen - Generalfaktor für kognitives Altern? (a): Untersuchung mit Faktoren Alter & experimenteller Bedingungsvariation (Itemanzahl) (b): Ergebnisse als Alt-Jung-Funktion: Erklärung Unterschiede zwischen Alt vs. Jung durch linearen Faktor b) Gehirn & Kognition - Veränderung über Lebenszeit - Modell der Hirnreserve (A) - Modell des Erhalts der Hirnfunktion (B) - Modell des Aufholens der Entwicklung (C) - Mathew-Prinzip (D): Vorteil zu Entwicklungsbeginn -> größer über Lebenszeit; Nachteil zu Entwicklungsbeginn -> auch größer - Altersbedingte Veränderungen variieren über kognitive Domänen hinweg Geringe Verlangsamung: semantisches Gedächtnis Starke Verlangsamung: episodisches Gedächtnis & exekutive Kontrollfunktionen - Altersbedingte Volumenänderung Variation des Grads altersabhängiger Volumenabnahme grauer Substanz in Abhängigkeit von Lokalisation (Korrelation Strukturvolumen/Alter) c) Kognitiv-amnestische Änderungen im Alter - Intelligenz 2-Faktoren-Modell (Cattell & Horn) Fluide Intelligenz: intellektuelles Potential zum Neuerwerb von Wissen & Lösen neuartiger Probleme Kristalline Intelligenz: Anwendung zuvor erworbenen Wissens auf aktuelles Problem Theoretische Überlegung: Abnahme fluider Intelligenz ab 20J über Lebenszeit, kristallin zunehmend bis asymptotisch Multidimensionales Intelligenzkonzept (Thurstone) Verbales Verständnis (verbal meaning), Raumvorstellung (spatial orientation), induktives Denken (inductive reasoning), rechnerisches Denken (number), Wortflüssigkeit (word fluency) Seattle Longitudinal Study (Schaie 1994) Bis 40/Ende 3. Lebensjahrzeit Zunahme in allen Dimensionen 53-60: beginnende Leistungsminderung in rechnerischem Denken & Wortflüssigkeit Ab 60: sukzessiver Leistungsverlust in allen Dim