Summary

Dieses Dokument enthält Skripte für Vorlesungen über verschiedene neuropsychologische Themen, einschließlich Sprache, Aphasien und Agnosie. Es beschreibt die Beziehung zwischen Gehirnfunktionen und Verhalten sowie die zugehörigen Untersuchung- und Auswertungsmethoden aus Sicht der experimentellen Psychologie.

Full Transcript

**NEUROPSYCHOLOGIE** = Beschreibung der Beziehung zwischen Gehirnfunktionen & Verhalten mit Untersuchungs- & Auswertungsmethoden experimenteller Psychologie [VL 1: Einführung 1](#vl-1-einf%C3%BChrung) [VL 2: Sprache & Aphasien 3](#vl-2-sprache-aphasien) [VL 3: Agnosie 8](#vl-3-agnosie) [VL 4: A...

**NEUROPSYCHOLOGIE** = Beschreibung der Beziehung zwischen Gehirnfunktionen & Verhalten mit Untersuchungs- & Auswertungsmethoden experimenteller Psychologie [VL 1: Einführung 1](#vl-1-einf%C3%BChrung) [VL 2: Sprache & Aphasien 3](#vl-2-sprache-aphasien) [VL 3: Agnosie 8](#vl-3-agnosie) [VL 4: Aufmerksamkeitsstörungen & Neglect 11](#vl-4-aufmerksamkeitsst%C3%B6rungen-neglect) [VL 5: Gedächtnis 16](#vl-5-ged%C3%A4chtnis) [VL 6: Emotionen 24](#_Toc252095410) [VL 7: Frontalhirnsyndrome 29](#vl-7-frontalhirnsyndrome) [VL 8: Diskonnektionssyndrome / Callossale Syndrome 36](#vl-8-diskonnektionssyndrome-callossale-syndrome) [VL 9: Kleinhirnerkrankungen 41](#vl-9-kleinhirnerkrankungen) [VL 10: Alexie, Agraphie, Apraxie 47](#vl-10-alexie-agraphie-apraxie) [VL 11: Musikverarbeitung & Amusie 53](#vl-11-musikverarbeitung-amusie) [VL 12: Neuropsychologie des Kindes- & Jugendalters 59](#vl-12-neuropsychologie-des-kindes--jugendalters) VL 1: Einführung ================ **Lernziele:** - Prinzip der Doppeldissoziation - Bedeutung der Neuronendoktrin - Topografische Organisation sensorischer & motorischer Funktionen - Äquipotentialismus vs. Lokalisationismus - Phrenologie - Lokalisationstheorie - Häufigkeitsabhängiger Zusammenhang zwischen Funktionsausmaß & Strukturgröße (Vorläufer des Prinzips der Neuroplastizität) - Wachstum führt zu Ausbeulung Schädelknochen - Theodor Meynert (1833-1898) - Relevanz von Kommunikation zwischen Hirnregionen (Beschreibung Assoziationssysteme & Kommissurenbahnen) - Schlussfolgerung: neuropsychologische Ausfälle durch Läsion der Verbindung - Sergej Korsakoff - Korsakow-Syndrom: Mammilarkörper-Nekrose als Ursache für Gedächtnisstörung - Charcot - Hysterie, Kinderlähmung, MS-Symptomatik - Charcot Trias: Symptomkomplex aus Nystagmus, Intentionstremor, abgehackte (skandierende) Sprache = Ausdruck von Kleinhirnstörung - Eduard Brissaud (1852-1909) - Hemiplegie, Innervation des Gesichts, Dissoziation zwischen mimischer & Willkürmotorik - Fritsch & Hitzig - Prinzip der elektrischen Stimulation: Reizung spezifischer Strukturen führt zu Aktivierung korrespondierender Muskelgruppen +-----------------------------------+-----------------------------------+ | *Äquipotentialismus* | *Lokalisationismus* | +===================================+===================================+ | (Goltz, Flourens) | (Broca, Wernicke) | +-----------------------------------+-----------------------------------+ | - Gehirn als ein einheitliches | - Lokalisation spezifischer | | System, in dem verschiedene | Funktionen in spezifischen | | Bereiche ähnliche Funktionen | Hirnarealen | | erfüllen können | | | | - Zuordnung bestimmter | | - Kompensation Schädigung in | kognitiver Fähigkeiten | | bestimmtem Bereich durch | (Sprache, Gedächtnis) zu | | andere Bereiche | bestimmten Regionen des | | | Gehirns | | - Betonung Plastizität des | | | Gehirns & Fähigkeit zur | - Schäden in spezifischen | | Anpassung & Reorganisation | Bereichen führen zu klaren | | nach Schädigungen | und vorhersehbaren | | | Funktionsverlusten | +-----------------------------------+-----------------------------------+ - *Topografische Organisation des Kortex* - Räumliche Lagebeziehung einzelner Strukturen zueinander; Zuordnung kortikaler Areale & Funktion (z.B. Steuerung von Hand & Fuß) - Beruhend auf Beobachtungen an Epilepsiepatienten & Verlauf unwillkürlicher Bewegungen während Anfall - *Neuronendoktrin* - Anfänge: Frijdhof Nansen „Keine direkte Verbindung" - Neuronen sind diskrete Einheiten (eigenständige Zellen) - Kommunikation untereinander an Kontaktstellen (Signalübertragung) - Nervensystem besteht aus der Summe von Neuronen - *Diaschisis* - Beschädigung eines Areals erweckt Eindruck, als wenn funktionell verbundenes Areal auch beschädigt wäre -\> funktioneller Input fehlt - *Doppeldissoziation (2 Funktionen, 2 Läsionsorte)* - ![](media/image2.png)Ungerleider & Mishkin (1982) - Single dissociation nicht ausreichend - ![](media/image4.png)Was, wenn parietale & temporale Läsionen spatiale, aber nicht Objektidentifikation einschränken? - Beide Regionen tragen zu spatialer Verarbeitung bei - Aufgaben in Schwierigkeit schwankend - Zielsetzung neuropsychologischer Diagnostik - Qualifizierung & Quantifizierung von Störungen - Beurteilung individueller Ressourcen & Kompensationsleistungen - Beurteilung Verlauf neuropsychologischer Defizite - Differentialdiagnostik - Planung neuropsychologischer Therapie (Rehabilitationsplanung) VL 2: Sprache & Aphasien ======================== **Lernziele** - Definition Aphasie (Global, Broca, Wernicke, Anamnestisch, Leitungsaphasie) - Läsionsorte - Kernsymptome - Untersuchung am Krankenbett a. **Aphasie** - Ursachen - Schlaganfall (ischämischer Insult): 3. Häufigste Todesursache + meiste Folgekosten - Tumoren, Blutungen, Schädel-Hirn-Verletzungen, primär progressive Aphasie - Syndromansatz (vs. Netzwerkansatz) - Klar voneinander abgrenzbare Muster von Sprachstörungen -\> Syndrome - Neuroanatomisch voneinander unterscheidbar - Erleichterung: Kommunikation, Prognose, systematische therapeutische Forschung - Kritik: simplifiziert, Kategorisierung individueller Störungsmuster (20-50% keine typische Aphasie), erschwerte Forschung durch nicht sinnvolle Gruppierung - Definition - = zentrale Sprachstörung, linguistisch: Beeinträchtigung in verschiedenen Komponenten des Sprachsystems (Phonologie, Lexikon, Syntax, Semantik) - Aphasische Störungen umfassen alle expressiven/rezeptiven sprachlichen Modalitäten, Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben - Immer multi- & supramodal - = instrumentelle sprachliche Störung -\> führt zu Störung im Kommunikationsverhalten (allgemeine kommunikative Fähigkeiten meist nicht gestört) b. **Neurolinguistische Termini** - Sprachanstrengung: Schwierigkeit, Gedanken (a.G. v. Wortfindungsstörungen & Störungen bei Wort-/Satzbildung) sprachlich auszudrücken - Sprechanstrengung: sprechmotorische Schwierigkeiten a.G. v. Beeinträchtigung von Artikulation/Phonation & Sprechrhythmus - Sprechgeschwindigkeit: 90W/min; 50-90W/min langsam, \ hauptsächliches Medium menschlicher Kommunikation - Relevanz für Form & Art von Informationsspeicherung - Bedeutung für Denken & Problemlösen - Beeinflussung Wahrnehmung d. **Dysarthrie** - Erworbene Sprechstörung - Ursache: Schädigung neuronaler Strukturen peripheren/zentralen NS - Klassifikation nach Lokalisation - Zerebelläre Dysarthrie (Kleinhirn) - Pseudobulbäre Dysarthrie (beidseitige Schädigung Verbindung Hirnstamm-Kortex/Basalganglien) - Klassifikation nach Symptomkomplex - Ataktische Dysarthrie (langsam, abgehackt, Lautstärke-/Tonhöhenschwankungen) - Hypotone Dysarthrie (langsam, monoton, kurze Sätze, Einatemgeräusche, „gehauchte Stimme") e. **Klassifikation der Aphasien** - Grobeinteilung: unmittelbar nach Apoplex sinnvoll ![](media/image6.png) f. **Anatomie** - Globale Aphasie (schwerste Form) - Läsion gesamte perysylvische Region umfassend - Meist Hauptstamm A. cerebri media - Ausdrucksmöglichkeiten stark reduziert, einzelne Wörter, Sprachautomatismen, Perseverationen - Broca-Aphasie - Läsion im suprasylvischen, prärolandischen Bereich (typischerweise große Läsion) - ![](media/image8.png)A. praerolandica - Broca-Gebiet Beteiligung möglich/nicht notwendig - Sprech-/Sprachanstrengung, nicht flüssig, langsam stockend - Häufig phonematische Paraphrasierung - Telegrammstil - Beeinträchtigung morphologischer Sprachaspekte - Gut erhaltenes Verständnis - Apraktische & dysarthrische Probleme (Nivellierung Sprachmelodie, skandierendes Sprechen, Phonationsprobleme, verwaschene Artikulation) - Wernicke-Aphasie - Läsion im Temporallappen, hinteres Drittel Gyrus temporalis superior (Wernicke-Gebiet) - A. temporalis posterior - Flüssig bis logorrhoeisch - Phonematische & semantische Paraphasien, Neologismen, Jargon, Paragrammatismus - Verstehen: große Schwierigkeiten bei Wortsemantik, Beeinträchtigung bei Inhaltswörtern - Anamnestische Aphasie - Unklare Zuordnung zu bestimmter Stelle - ![](media/image10.png)Retrorolandisch (hinterer Bereich Temporallappen, unterer Parietallapen temporoparietale Grenzgebiete), Gyrus angularis - Flüssige Sprache, relativ intakter Satzbau - Wortfindungsstörungen, Umwegleistungen, Ersatzstrategien, Satzabbrüche, semantische Paraphasie - Anlauthilfen wirksam - Leitungsaphasie - Gyrus supramarginalis, weiße Substanz darunter - Fasciculus arcuatus (Verbindung Wernicke & Broca) - Flüssig - Phonematische Paraphasien, unverhältnismäßig schwere Störung des Nachsprechens - Transkortikal-motorische Aphasie - 2 typische Läsionsorte: Frontallappen, supplementär-motorischer Kortex - Pat. Sprechen kaum/gar nicht - ![](media/image12.png)Nachsprechen mit guter Artikulation & intakter Syntax möglich - Gutes Verständnis, lautes Lesen möglich - Transkortikal-sensorische Aphasie - Hinterer temporoparietaler Bereich, Wernicke ausgespart - Sprache ähnlich Wernicke - Viele semantische Paraphasien - Echolalie in Spontansprache - Gut erhaltene Nachsprechleistung, aber ohne Erfassung des Inhalts g. **Untersuchung am Krankenbett** - Spontansprache - Kommunikationsfähigkeit - Sprechgeschwindigkeit - Semantik: Paraphasien, Wortfindungsstörungen - Phonologie: Paraphasien - Prosodie - Syntax - Telegrammstil - Paragrammatismus - Agrammatismus - Funktionswörter - Inhaltswörter - Morphologie - Nachsprechen: Silben, einfache Wörter, Lehnwörter mit unregelmäßiger Aussprache, zusammengesetzte Wörter, Sätze - Benennen: einfache Gegenstände, zusammengesetzte Namen, einzelne Szenen - Verständnis - Einfache Kommandos - Zweischrittkommandos - Syntaxverständnis - Lesen/Schreiben h. **Aachener Aphasie Test** (ca. 60min bei kooperativen Pat.) - Ziele - Auslese, Differenzierung Standardsyndrome - Identifizierung: Nicht-Standard-Aphasien, modalitätsspezifische Sprachstörungen, nicht klassifizierbare Störungen - Erfassung & Beschreibung aphasischer Störungen in einzelnen sprachlichen Modalitäten (Phonologie, Lexikon, Syntax, Semantik) - Bestimmung Schweregrad - Untertests: Spontansprache, Token-Test, Nachsprechen, Schriftsprache, Benennen, Sprachverständnis i. **Instrumente zur Aphasiediagnostik** - Impairment - AABT, AAT, Aachener Aphasie Bedside Test, LEMO/PHONO - Überbetont, aber etabliert - Activity - ANELT (Amsterdam Nijmegen Everyday Language Test) - Wichtig, tendenziell zu wenig Beachtung - Eher wenig standardisiert untersucht - Beobachtung wichtig (Gruppenverhalten) - Participation - ALQI (Aachener Lebensqualitäts Inventar) - Oberstes Ziel, nur mit Angehörigen möglich - Gut erhebbar über Fremdurteile (besser als ihr Ruf) VL 3: Agnosie ============= **Lernziele** - Funktionsweise Objekterkennung - Definition & Arten von Agnosie - Auswirkende Störungen von Hirnarealen auf Agnosie - Prosopagnosie a. **Agnosie = Nichterkennen von Objekten** - Erkennungsstörung trotz intakter Sinneswahrnehmung - Unterschiedliche Sinneskanäle betreffend: visuell, akustisch, taktil, olfaktorisch - Kombination betroffener Sinneskanäle möglich b. **Schritte Objektwahrnehmung** - Sensation: evozierte Hirnaktivität in sensiblen Regionen ![](media/image14.png) - Perzeption: Prozess zur Organisation sensorischer Infos in komplexere, realweltliche Einheiten - Rekognition: Abgleich Perzeption mit vorhandenem Wissen - Repräsentation Objekte auf neuronaler Ebene: Einzelzellableitung inferior-temporaler Kortex Makake - Fast keine Reaktion Zellen auf einzelne Stimuli/Lichtpunkte - Stärkere Reaktion auf komplexe Objekte - Neuronale Reaktion geringer bei Fehlen wichtiger Detail-Infos - 3D-Modell-Repräsentation nach Marr & Nishihara 1978 - 2D (Verfügbarkeit): leichtes Erkennen grundlegender Eigenschaften (Intensität, Helligkeitsänderung, Ränder)? - 2,5D (Bereich & Einzigartigkeit): Objekteigenschaften von Standpunkt des Betrachters erkennbar? - 3D (Stabilität): Objekt aus verschiedenen Perspektiven immer noch gleich? -\> Objekteigenschaften in objektzentrierten Bezugsrahmen gestellt - Rosenberg et al. 2013: Caudale intraparietale Area (CIP) verantwortlich für 3D-Repräsentation c. **Typen visuo-perzeptueller Störungen** - Störungen Stimuliidentifikation = Agnosie (häufigste Variante): Objekte, Farben, Gesichter - Komplexe perzeptuelle Störungen: Figur-Hintergrund-Störungen (figure-ground), Gruppierungsstörungen (grouping) - Räumliche Störungen - Konstruktive Störungen d. **Agnosie-Typen** +-----------------------------------+-----------------------------------+ | Apperzeptive Agnosie | Assoziative Agnosie | +===================================+===================================+ | Keine Objekterkennung + | Keine Objekterkennung + | | Objektbenennung | Objektbenennung | +-----------------------------------+-----------------------------------+ | Keine Kopie nicht erkannter | Kopie nicht erkannter Objekte | | Objekte | möglich | +-----------------------------------+-----------------------------------+ | Rückführbar auf | Keine Erklärung durch | | sensorisch-perzeptuelle Störung | sensorisch-perzeptuelle Störung | +-----------------------------------+-----------------------------------+ | D.F.: keine Formerkennung, nach | Psychotherapeut: keine | | Greifen identifizierbar | Objektbenennung, richtige | | | Bewegungserkennung, aber nicht | | | bei Darstellung auf Bildern -\> | | | visuo-verbale Diskonnektion | | | | | | - Links-hemisphärale Läsion + | | | li Area V1 Hemianopsie | | | | | | - Splenium -\> Infos können | | | nicht von re Area V1 zur li | | | Hemisphäre gelangen | | | (Diskonnektion) | +-----------------------------------+-----------------------------------+ | Tests: Unusual views + Shadows | Tests: Poppelreuters überlappende | | test | Figuren | | | | | (v.a. bei rechter Hemisphäre + | | | posteriorer Läsion schlechte | | | Ergebnisse) | | +-----------------------------------+-----------------------------------+ - Formen der Agnosie - Fehlbenennen durch Erkennungsstörung von Formen - Apperzeptive Agnosie: Erkennung einzelner Formen -- Integration lokaler Details & globaler Umrisse nicht möglich - Formagnosie: Erkennung lokaler Kontraste/Farben/Bewegungen -- keine Verfolgung zusammenhängender Linien & Konturen - Modalitätsspezifisches visuelles Fehlbenennen - Assoziative Agnosie: Störung in semantischer Phase - Optische Agnosie: selektive Störung lexikalischer Phase visuellen Benennens (Abgrenzung zu assoziativer Agnosie diskutiert) e. ![](media/image16.png)**Diagnostik** - Warum modell-gestützt? - Agnostische Störungen selten -\> Diagnostik zeitaufwändig - Ausschluss anderer Defizite - Generalisierte Demenz, Korsakov-Syndrom, Amnesie - Aphasie - Sensorische Defizite: Blindheit, Makula-Degeneration, Sehschärfen-Reduktion, Farbsehschwäche - Wichtig: Exploration - Screening (Probleme bei Erkennung realer Objekte/Zeichnungen) - ![](media/image18.png)Ausgangs-Repräsentation - Unterscheidung elementarer geometrischer Formen durch Helligkeit, Farbe,... - Formagnosie: keine Erkennung geschlossener Formen, Krümmungen, Unterbrechungen in Linien - Betrachter-zentrierte Repräsentation - Erkennung Infos über Konturen (auch Tiefeninfos/Oberflächenbeschaffenheit) - Defizite bei Integration geometrischer Figuren zu komplexem Muster - Objekt-zentrierte Repräsentation - ![](media/image20.jpeg)Mentale Rotation von Gegenständen + Objekterkennung aus verschiedenen Perspektiven - Keine Erkennung 2 Gegenstände aus unterschiedlichen Blickwinkeln als „gleiches Objekt" - Objekt-Erkennungseinheiten - Erkennung Objekte als bekannt/vertraut, aber kein Kennen der Funktion - Verhinderung Vertrautheits-Gefühl durch Läsionen/Deafferenzierung der Objekt-Erkennungseinheiten - Keine Unterscheidung realer vs. Irrealer Objekte möglich - Semantisches System - Zuordnung Funktion & Charakteristika zu Objekt -- Gedächtnis einbezogen - Objekte vertraut, aber keine Funktions-Erkennung - Namens-Generierung - Zuordnung Name zu Objekt - Bei anamnestischer Aphasie Objektbenennung nicht möglich f. **Prosopagnosie** = Unfähigkeit, Personen am Gesicht zu erkennen - Einzelteile des Gesichts erkennbar (Haare, Gesichtsform, Brille,...) -\> viele Details müssen zu Gesicht zusammengefasst werden - Gesichter-Erkennung - Relativ robust gegen Veränderung: Mimik, Altern, zusätzliche Objekte (Brille, Schmuck), Blickwinkel - Unterscheidung Gesichter selten an einem Merkmal - Erkennung Menschen anhand Nicht-Gesichts-Eigenschaften (Körpergröße/-form, Geruch) - Läsionsorte: oft bilateral oder re Hemisphäre, selten li; temporal/occipital - Arten ![](media/image22.png) - Gestörte vs. Erhaltene Fähigkeiten \+ \- ---------------------------------- --------------------------------------------- Altersdifferenzierung Erkennung Individuen Geschlechtsidentifikation Beschreibung „Gesichtsinhaber" Emotionserkennung Fühlen von Vertrautheit bei Gesichtsanblick Erkennung Gesichter als solche Vergleich von Gesichtern Indirektes Wissen über Gesichter - Tests für Gesichtserkennung - Bekannte/berühmte Gesichter: Albert Remote Battery Test, President's Test, Bielefelder Famous Faces Test - Gesichtsunterscheidung: Benton Test of Facial Recognition g. **Zusammenfassung** - Entstehung Agnosien durch Störungen auf unterschiedlichen Ebenen - Apperzeptive Agnosien: durch Störungen primärer Objektwahrnehmung - Assoziative Agnosien: häufig Folgen einer Diskonnektion perzeptiver Erkennung & semantischer Zuordnung - Prosopagnosien: in unterschiedlichen Formen auftretend - auch ohne Schädigung - Diagnostik ist aufwändig VL 4: Aufmerksamkeitsstörungen & Neglect ======================================== **Lernziele:** - Was ist Aufmerksamkeit? - Arten von Aufmerksamkeit - Aufmerksamkeitsfunktionen mit welchen Hirnareale verbunden - Auszeichnung Neglect aus? - Untersuchung Neglect - Welche Hirnareale für Neglect verantwortlich? a. **Aufmerksamkeit** = klare & lebhafte Inbesitznahme des Verstandes von einem Objekt/Gedanken aus Menge gleichzeitig anderer möglicher Objekte/Gedanken -\> Ausrichtung Konzentration & Bewusstsein -\> Abwendung von 1 Sache für Hinwendung zu anderer - Formen - Intensität - Alertness (Aufmerksamkeitsaktivierung, Reaktionsbereitschaft) - Tonisch: physiologische Aktivierung des Organismus - Phasisch: Zunahme Aufmerksamkeit durch Warnhinweis -\> Verkürzung Reaktionszeit - Daueraufmerksamkeit: langandauernde Aufmerksamkeit, hoher Anteil relevanter Stimuli - Vigilanz: langandauernd (über Stunden), relevanter Stimulus unregelmäßig/selten auftretend (z.B. Qualitätskontrolle Fließband) - Lokalisation: Alertness & Daueraufmerksamkeit - Nach Schädigung Formatio Reticularis, rechts präfrontaler & parietaler Cortex, Cerebellum - FR: Strukturnetz mit Kerngebieten von Mittelhirn (Medulla oblongata) bis Hirnstamm - Aktivierung -\> aktionsfördernder Einfluss auf somato-/viszeromotorische Systeme - Weitere Systeme zuschaltbar: "Aufsteigendes Retikuläres Aktivierungs System" - Selektivität - Selektive Aufmerksamkeit: Fähigkeit, Aufmerksamkeit auf bestimmte Aufgabenmerkmale zu fokussieren & Unterdrückung Reaktion auf irrelevante Reize (Untersuchung Wahlreaktionsaufgaben) - Aufmerksamkeitswechsel-/zuwendung: kurzzeitige aktive Hinwendung zu Aufgabe (Orientierung) + Erfassung wichtiger Aufgabenmerkmale bei gleichzeitiger Unterdrückung unwichtiger Aspekte (Filterung) - Lokalisation: geteilte Aufmerksamkeit: PFC bilateral, anteriores Cingulum - ![](media/image24.png)Beteiligte Hirnregionen - Aufmerksamkeitslenkung: Helmholtz' Visual attention experiment - Fokussierung Kreuz in Tafelmitte -\> kurzzeitige Darbietung Stimulus -\> Aufmerksamkeit kann auf beliebigen Punkt verschoben werden & lesen - Buchstaben neben Kreuz nicht lesbar -\> laterale Inhibition - Posners Modell der Aufmerksamkeitssteuerung ![](media/image26.png) - Diagnostik Aufmerksamkeit - Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP, Zimmermann & Fimm 1993) - Aufmerksamkeitsbelastungstest d2 (Brickenkamp 1994) - Trail-Making-Test (Reittan 1992, in CERAD Testbatterie) - Farb-Wort-Interferenz-Test/Stroop-Paradigma (1935/dt. Bäumler 1985) b. **Aufmerksamkeitsstörungen** - Sehr häufig: 84% aller Hirnschädigungen - Betreffend: Reaktionsschnelligkeit/-sicherheit, Ablenkbarkeit bei irrelevanten Reizen - Relevanz für Alltag! z.B. Fahrtauglichkeit - Läsionsausmaß erlaubt keine Aussage über Schwere Aufmerksamkeitsstörung - Nicht speziell 1 Hirnareal zuzuordnen - Umfangreiche Diagnostik! c. **Neglect** - Nach Apoplex: Neglect-Symptome bei 2/3 Pat. mit rechtsseitigem Apoplex (starke Variation über Anteil Neglect nach linksseitigem Apoplex 10-73%), 30% Chronifizierung - Anosognosie: keine Erkennung eigenen Krankheitszustandes (auch bei Angehörigen mgl.) -\> erschwerte Rehabilitation + dauerhafte Unterstützung/Pflege - ![](media/image28.png)Anatomie - Strukturelle Schädigung verschiedener sub-/kortikaler Hirnregionen & Fasertrakte, die funktionelles Netzwerk für räumliche Aufmerksamkeit bilden - Verlauf - Starke Remission in ersten Tagen - Persistierender Neglect = stärkster unabhängiger prognostischer Faktor für negatives Outcome - Intensive Behandlung Physio + kognitive Therapie über längeren Zeitraum - Phasenmodell der Awareness - Formen - Visuell - Auditorisch - Taktil - Kombinationen - Abhängig von Stimulus-Lokalisation in visuellem Feld - Abhängig von Stimulus-Lokalisation relativ zum Körper - Egozentrische vs. Allozentrische Inattention - Diagnostik - Verhaltensbeobachtung - Quantifizierung Neglect-Verhaltens (Beobachtung Alltagsfunktionen): Catherine-Bergego Skala (auch durch Angehörige ausfüllbar) - Neuropsychologische Testung: Paper-Pencil, computerisierte Diagnostik - Linienhalbierungs-Test: hilfreich bei Differenzierung Neglect vs. Homonymer Hemianopsie im Schlaganfall-Akutstadium - Abzeichnen z.B. Odgen-Szene - Freies Zeichnen - Ausstreichtests: sensitivste & stabilste Bedside-Methode (Bell´s Test, Star Cancellation Test) - Computergestützte Verfahren: Eye-tracking, Visuelle Orientierung - Allozentrischer (innerhalb des Objekts nach rechts verschoben) vs. Egozentrischer Neglect: Hearts-Test - Neglect-Alexie - Lesestörung durch egozentrischen Neglect: Pat. Nicht am linken Zeilenrand beginnend - Lesestörung durch allozentrischen Neglect: Pat. Liest nur rechte Hälfte des Wortes - Sensorischer Neglect & Extinktion - Pat. Mit weniger ausgedehnten Läsion werden oft besser - Umwandlung sensorischer Neglect in Extinktion - Extinktion - Unilaterale Stimulation -\> Erkennung kontra- & ipsilateraler Stimuli - Bilaterale Stimulation -\> Erkennung nur ipsilaterale Stimuli - Uni-/multimodale Extinktion - Untersuchung - Taktil: Berührung Extremitäten - Auditorisch: Fingerschnippen - Visuell: Konfrontations-Testung mit Fingern d. **Zusammenfassung** - Neglect = multimodales Multikomponenten-Syndrom - Vernachlässigung linker Raumhälfte infolge Schädigung rechter Hirnhälfte (seltener umgekehrt) - Patienten haben Schwierigkeiten: I. Aufmerksamkeit aktiv in vernachlässigte Raumhälfte zu wenden II. auf dort auftretende Reize zu reagieren - Hinweisreize (cueing) lindern kurzzeitig Neglect-Verhalten - Verschiedene Sinnesmodalitäten betroffen (Sehen, Hören, Tastsinn), außerdem Motorik und sogar mentale Vorstellung von Raum VL 5: Gedächtnis ================ **Lernziele** - Anlegung menschlichen Gedächtnisses - Informationsspeicherung: Funktionsweise & Ort - Gedächtnismodelle - Gedächtnisstörungen: Arten & Ursachen - Untersuchung Gedächtnisstörungen a. **Aufbau menschliches Gedächtnis & Begriffe** - Gedächtnis & Zeit - - - - - - - ![](media/image30.png)Gedächtnis & Lernen - 2-Stufen-Modell von Diekelmann & Born (2011) - Enkodierung = Prozess zur Transformation zu erinnernder Info in speicher- & abrufbare Form - I: unterschiedliche Verarbeitungstiefe - II: Umsetzung von Verarbeitung (I) in Gedächtnisspur - Relevanz: levels-of-processing Erklärungen (Gedächtnisspur als Nebenprodukt von Infoverarbeitung) - Klinische Manifestation: schlechter unmittelbarer Abruf (superspan) - Konsolidierung = Prozess zur Permanentmachung von Gedächtnisinhalten - Basis: anatomische & physiologische Veränderungen auf zellulärer Ebene (hippocampales System!) - Zeitpunkt: während Enkodier-Abruf-Intervall - Dauer: Stunden -\> Tage -\> Jahre - Klinische Manifestation: verzögerter Abruf \< unmittelbarer Abruf (Vergessen) - Abruf = Lokalisierung, Selektierung, Aktivierung Gedächtnisspur - Basis: Wiederholung der Erregungsmuster während Enkodierung - Zeitpunkt: Testzeitpunkt - Klinische Manifestation: Abruf \< Wiedererkennung b. **Anatomie -- Wo Speicherung von Infos?** - Papez-Kreis (1937) = medialer limbischer Kreis - Projektionen vom Hippocampus -\> Fornix -\> Mamillarkörper -\> anteriorer Thalamus -\> Cingulum -\> Hippocampus - Erst Emotionsspeicher -- dann Grundlage für Infospeicherung (Gedächtnis) - Limbisches System (MacLean 1949) = basolateraler limbischer Kreis - Projektionen von Amygdala -\> mediodorsaler Thalamus -\> anteriorer Thalamus - Emotionsspeicher - Idee: Infos müssen gewisse Zeit "kreisen" für Speicherung - Gedächtnis ausschließlich Hippocampus? NEIN - Verbindung zu frontalen & parietalen Arealen c. **Gedächtnismodelle** - Taxonomie des Gedächtnis nach Squire & Zola (1996) - lang akzeptiert ![](media/image32.png) - Taxonomie des Gedächtnis nach Henke (2010) - basierend auf Infoverarbeitung - Lernen - Lernformen mit hohem Trainingsanteil: Klassische Konditionierung, motorische Fertigkeiten, Verhalten - Lernformen mit niedrigem Trainingsanteil: episodisches Gedächtnis, Priming - Kognitive Komplexität & involvierte Verarbeitungsarten - Gering: episodisches Gedächtnis, Priming - Hoch: episodisches Gedächtnis -\> viele sensorische, emotionale, zeitliche, räumliche Infos/Konzepte - Art mentaler Repräsentation - Episodische Gedächtnisinhalte - Flexibilität: Benutzung unterschiedlicher Erfahrungen bei Einspeicherung neuer Erfahrungen - Komposition: Zusammenfügen Erfahrungselemente aus gesamten Gedächtnisfunktionen & Einzelelementen - Nicht-deklarative Gedächtnisinhalte: bestehend aus multiplen Elementen & vermischte Verarbeitung dieser -\> Rigid Memories, Wiederabruf nur in gleicher Modalität wie bei Erlernen d. **Gedächtnisstörungen** - Fehlleistungen des Gedächtnis - Transienz (Transience): verringerte Verfügbarkeit von Gedächtnisinhalten über Zeit - Bsp.: einfaches Vergessen länger zurückliegender Ereignisse - Geistesabwesenheit (Absentmindedness): zu Gedächtnisschwäche führende Aufmerksamkeitsstörung -\> Bsp.: Vergessen, wo Schlüssel hingelegt - Blockierung (Blocking): Info vorhanden, aber temporär nicht abrufbar -\> Bsp.: Name auf Zunge liegend - Fehlattribution (Misattribution): falsche Zuordnung von Erinnerung zu Quelle -\> Bsp.: Verwechslung Traum & Erinnerung - Suggestibilität (Suggestibility): Erinnerungen an nie passierte Ereignisse -\> Bsp.: falsche Erinnerungen durch Suggestivfragen - Verzerrung (Bias): Verzerrung Gedächtnis für vergangene Ereignisse durch aktuelles Wissen -\> Bsp.: Abrufen vergangener Ereignisse in Abhängigkeit vom aktuellen Wissen - Persistenz (Persistence): Erinnerung an nicht vergessbare Erinnerungen -\> Bsp.: traumatische Erinnerungen - Amnesieformen - Anterograd: nichts neues erlernbar - Retrograd: keine Erinnerung vor der Amnesie - Fokal-retrograd: retrograd ohne/gering ausgeprägte anterograde Amnesie - Posttraumatisch (PTA): Erinnerungsstörung für unmittelbare Zeit nach SHT (Dauer operationalisiert über Wiedererlangen von "Tag-zu-Tag-Gedächtnis") - Modalitätsspezifisches Defizit: meist nach unilateraler Läsion - Störung Gedächtnisinhalte betroffener Hemisphäre (z.B. verbal/figural) bei normgerechter Leistung für Material gesunder Hemisphäre - ![](media/image34.png)Transiente globale Amnesie (TGA): kurzzeitig schwere anterograde & retrograde Gedächtnisstörung - Störung örtlich-geografischer & zeitlich-kalendarischer Orientierung -\> eindringliches, wiederholtes Fragen - Personale Orientierung i.d.R. erhalten - Meist spontan rückläufig nach einigen Stunden (bleibende Gedächtniseinbußen möglich) - Amnestisches Syndrom: schwere modalitätsübergreifende Gedächtnisstörung mit anterograder & meist auch retrograder Amnesie -\> Kurzzeit-/Arbeitsgedächtnis, andere kognitive Leistungen (Sprache, Intelligenz, Aufmerksamkeit) meist normgerecht e. **Ätiologie** - Schädel-Hirn-Trauma - Führt zu kognitiven, emotionalen & Verhaltensänderungen - Zusammenhang zwischen SHT-Schwere & Beeinträchtigungsausmaß -\> wichtig für Diagnostik - Dauer posttraumatischer Amnesie - Indikator für Schwere zugrunde liegender neuronaler Störung - Zusammenhang mit Schwere kognitiver Defizite - Überprüfung mit Tag-zu-Tag-Gedächtnis - Zusätzliche Störungen bei SHT - Kognitive Störungen (Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen) - Somatische Beschwerden (Kopfschmerz, Schwindel, Schlafstörungen) - Neuropsychiatrische Veränderungen (Reizbarkeit, Stressintoleranz, Depression, Angst) - Cerebrovaskuläre Erkrankungen - Arten - Ischämische Infarkte (Durchblutungsstörungen) - Hämatome: intracerebral/subdural - Subarachnoidalblutung (SAB): häufig geplatztes Aneurysma - Vaskulitiden: rheumatische Gefäßentzündungen -\> Durchblutungsstörungen -\> Infarkt - Läsionsorte - Hippocampus, Thalamus - Basales Vorderhirn, medio-frontaler Cortex - TGA = Sonderform cerebrovaskulärer Erkrankungen - Entzündliche Erkrankungen - MS - Kognitive Defizite in allen Stadien & Subtypen - Große individuelle Unterschiede in Leistungsprofil - Gedächtnisdefizite möglich/nicht zwingend - Kognitive Defizite bei Fatigue/Depression - Herpes-Simplex-Enzephalitis - Betroffene Strukturen oft medialer/inferiorer Temporallappen -\> führen zu Gedächtnisdefiziten - v.a. bei bilateralen Verläufen - Antikörper-vermittelte Enzephalitis (z.B. Anti-NMDA-Enzephalitis) - Chronischer Alkohol-Missbrauch: Remission bei Abstinenz möglich (Korsakow-Syndrom irreversibel) - Epilepsien: Gedächtnisverlust als Begleitstörung - Weitere: z.B. Tumore - Degenerative Erkrankungen -- Demenzen - Demenz = Syndrom in Folge chronisch fortschreitender Gehirnerkrankungen mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen -- Symptome min. 6M - Alzheimer-Krankheit - Typische Alzheimer-Krankheit - Langsam fortschreitende episodische Gedächtnisstörung isoliert/mit Beeinträchtigung anderer kognitiver/Verhaltensdomänen - min. 6M - Gedächtnisstörung vom hippocampalen Typ: Dokumentation durch für Hippocampusfunktionen spezifischen episodischen Gedächtnistest (z.B. cued recall) - Atypische Alzheimer-Krankheit: posteriore, logopenische, frontale Variante, Down-Syndrom - Ausschlusskriterien - Plötzlicher Symptomatikbeginn - Frühe Störung episodischen Gedächtnisses - Andere kognitive Störung erklärende Erkrankungen - Vaskuläre Demenz - Ergebnis von Gehirn-Infarzierung durch vaskuläre Krankheit (z.B. cerebrovaskuläre Hypertonie) - meist kleine, kumulierende Infarkte -- Beginn im späteren Lebensalter - Fronto-temporale Demenz - Demenz bei Pick-Krankheit mit Beginn im mittleren Lebensalter - Charakterisiert durch langsam fortschreitende Persönlichkeitsänderung & Verlust sozialer Fähigkeiten - dann Intellekt, Gedächtnis, Sprachfunktionen - Dominanz kognitiver, sprachlicher & Verhaltensauffälligkeiten - Gemischte Demenz: Kombination Alzheimer-Demenz mit weiteren pathologischen Veränderungen (häufig vaskuläre Demenz) - Lewy-Körperchen-Demenz: gut erhaltene Gedächtnisfunktionen, Aufmerksamkeitsstörungen, Beeinträchtigung exekutiver & visuoperzeptiver Funktionen f. **Neuropsychologische Diagnostik** - Anamnese - Kognitiver Kurztest - Speziell für Demenz: MMST, MoCa, DemTect, Test zur Früherkennung von Demenzen (TFDD) - Meist Unterschätzung von Gedächtnis-Störungen - Erhöhung diagnostischer Aussagekraft in Verbindung mit Uhrentest - ![](media/image36.png)Testbatterien - Einzeltests - Erfassung Arbeitsgedächtnis - Reproduktion Zahlenspannen vor-/rückwärts - WMS-R, Corsi-Block Test, Zahlenordnungstest (Digital Ordering Task DOT, Werheid et al. 2002) - PASAT: auditive Darbietung einstelliger Ziffern in festgelegtem Tempo-\> Proband soll fortlaufend jeweils letzte beiden Ziffern addieren & nennen (Schellig et al. 2005) - Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP): kontinuierlich am Bildschirm gezeigte Ziffern überprüfen, ob mit vorletzter Ziffer übereinstimmend (2-back Task, Zimmermann & Flimm 1994) - Figurales Material - Benton Test (Sivan & Spreen 2009) - Altgedächtnis - Anamnese - Altgedächtnisinterview (AGI): autobiografisches Gedächtnis semantisch & episodisch (Kopelman 1990) - Kieler Altgedächtnistest: Weltwissen zu berühmten Ereignissen mit Multiple-Choice-Format (Leplow 1993) - Wechsler-Intelligenz-Test, Subtest Allgemeines Wissen g. **Fazit** - Speicherung Gedächtnis-Inhalte in multiplen Hirnarealen - Empfehlung S2e-Leitlinie zu Gedächtnisstörungen - Klagen Patienten/Angehörige über relevante Gedächtnisstörungen im Alltag, sollte i. unabhängig davon, ob neurologische Erkrankung erkennbar ist, eine orientierende Untersuchung kognitiver Leistungsfähigkeit mit standardisierten psychometrischen Verfahren erfolgen ii. Zeigen sich dabei Auffälligkeiten, ist Ursache der Defizite zu ergründen - Gedächtnisstörungen treten häufig kombiniert mit anderen Erkrankungen auf. Wechselwirkungen beachten! []{#_Toc252095410.anchor}VL 6: Emotionen **Lernziele** - an Emotionsregulation beteiligte Strukturen - Zwangslachen & Zwangsweinen - Bedeutung der Amygdala -- Urbach Whiete Syndrom - Klüver-Bucy Syndrom - Parkinson & Depression - Chorea Huntington a. **Emotion** - Komponenten I. Physiologische Reaktion auf Stimulus (ANS + ZNS) II. Verhaltensantwort III. Gefühl/Affekt (Emotion vs. Stimmung) - Theorien - James-Lange-Theorie: Wahrnehmung körperlicher Reaktion -\> Erleben von Emotion - Facial Feedback Hypothese - Appraisaltheorien (z.B. Lazarus): Emotionsentstehung aus Evaluation externer Reize hinsichtlich individuellen Wohlbefindens (kognitive Evaluation vor emotionalem Erleben) - Schacter-Singer Theorie: Erregungsübertragungshypothese - ![](media/image39.png)Evolutionsbiologische Hypothesen: Emotionsentwicklung aus Notwendigkeit Entkopplung von Reiz-Reaktions-Assoziationen - Panksepps Theorie: basale Emotionen - anger, fear, sadness, enjoyment, disgust, surprise - LeDoux: high & low road emotionaler Verarbeitung - Limbisches System ![](media/image41.png) - Peripherphysiologische Angstreaktion - Gesichtsmuskel - M. zygomaticus major: Aktivität bei angenehmen Emotionen, keine Aktivität bei unangenehmen - M. corrugator supercilii (Stirnrunzler): Aktivität bei unangenehmen Emotionen, keine Aktivität bei angenehmen b. **Einfluss von Botulinumtoxin auf Emotionswahrnehmung** - Funktionseinschränkung für Emotionsausdruck relevanter Gesichtsmuskulatur -\> Veränderung Wahrnehmung eigener Emotionen + Emotionsausdruck anderer c. **Veränderungen emotionalen Erlebens bei neurologischen Erkrankungen** - Ältere Literatur - Rechtshemisphärische Läsionen: unangemessen indifferente/euphorische Stimmung - Linkshemisphärische Läsion: ängstlich agitierte, traurige Befindlichkeit - Tränenausbrüche - Aggressive Tendenzen - Nachvollziehbare Antwort auf wahrgenommene Behinderung?? - Folge verminderten emotionalen Arousal? - Längerfristige Veränderungen: häufig depressive Verstimmungen - Major Depression bei 30% aller Apoplex Pat. - Minor Depression noch höherer Prozentsatz - Signifikante Problematik bei Rehabilitation d. **Zwangslachen/Zwangsweinen** = zwanghaftes Weinen/Lachen ohne situativen Anlass & ohne Entsprechung innerer Stimmung - Dissoziation von emotionalem Erleben & stimmlich-mimischen Verhalten - Pseudobulbärparalyse als Grund für pathologisches/nicht an Situation angepasstes Lachen - Schädigung Capsula interna (+ Thalamus + Hypothalamus) -\> Enthemmung pontiner & mesenzephaler Kontrollzentren emotionaler Vokalisation - Vorkommen: Infarkte, Pseudo-/Bulbärparalyse, ALS e. **Urbach-Wiethe-Syndrom** = autosomal rezessiv vererbte Multisystemerkrankung - Beginn: Kindesalter, Verdickung Haut & Schleimhautmembranen - Charakterisierung durch dermatologische (Kardinalsymptome) & neurologische Pathologien - Neurologie - Genetisch bedingte Ablagerungen -\> Beeinträchtigung Funktionalität medialer Temporallappen - Epilepsien, mentale Retardierung, Depression, Angst/Panikattacken, Probleme Entscheidungsprozesse, abnorme soziale Interaktion - Doppeldissoziation impliziten Lernens bei Amygdala-/Hippocampusläsion - Bedeutung Amygdala für emotionales Erleben: v.a. Furchtkonditionierung f. **Klüver-Bucy-Syndrom** - = Beidseitige Läsion vorderer Temporallappen - Rhesusaffen: bilaterale Entfernung medialer Temporallappen - Zahmheit, psychische Blindheit, repetitive/überdauernde Reaktion auf kleine visuelle Stimuli, orale Tendenz, Hypersexualität - Amygdala-Entfernung führt zu Zahmheit - Menschen - Neigung, alle Gegenstände in Mund zu stecken (oral tendency) - Exzessives Sexual-/Fressverhalten - Beeinträchtigung Furchtreaktion - In Folge von Mb. Pick: Degeneration fronto-temporaler Areale -\> fronto-temporale Demenz -\> bei bilateraler Degeneration Klüver-Bucy-Syndrom - In Folge von Herpes-Simplex-Enzephalitis: Hirnentzündung a.G. Herpes-Simplex-Virus Infektion - Letalität: früher = 50% (schwere Defektheilungen), heute = 20% (Defektheilungen seltener) g. **Degenerative Erkrankungen der Basalganglien** - Parkinson - Trias: Akinese, Rigor, Tremor - Schwache Korrelation zwischen affektiven & motorischen Symptomen - Organisch begründete Depression (gut medikamentös behandelbar) - Degenerative Prozesse: subkortikale Nuclei PFC, Schleifen striatal-thalamisch-präfrontaler Kortex, basotemporal-limbische Schleifen, Projektionsbahnen Monoamine (z.B. Dopamin) & Indolamine (z.B. Serotonin) - ![](media/image43.png)Beeinträchtigung emotionalen Erlebens bei Parkinson - Psychoedukation - Verständliche Aufklärung (Biochemie, Anatomie, Verlauf, Medikation) - Möglichkeiten positiver Lebensbewältigung - Notwendigkeit Freizeitbeschäftigung - Möglichkeiten Stressbewältigung - Hinweise Selbsthilfegruppen - Hinweise zu Erhalt Selbstständigkeit - Einbeziehung Angehörige - Chorea Huntigton = langsam fortschreitende, vererbbare Hirnerkrankung, verursacht Veränderungen bei Bewegungen, Denken, Verhalten - Autosomal-dominant vererbt: CAG Repeats (\> 38 -- kumulierend in Generationen), Chromosom 4, Huntingtin - Hohe Penetranz: jeder Genträger wird HD krank - Antizipation: früher Beginn bei Kindern mit HD-kranken Vätern - Symptome: - Motorisch (Chorea) - Demenz - Persönlichkeitsveränderungen - Diagnosestellung typischerweise bei Beginn Bewegungsstörungen - Stadium 0: präsymptomatisch - 1: eingeschränkte Leistung bei Arbeit, selbstständig - 2: noch begrenzt arbeitsfähig, relativ selbstständig - 3: nicht mehr arbeitsfähig, Hilfe bei Finanzen & Haushalt - 4: arbeitsunfähig, viel Hilfestellung - 5: Komplettpflege - Prämanifeste Veränderungen im Emotionserleben - Relativ selektiv keine Erkennung Ekel -\> Problematik im Bereich Inselrinde - Psychiatrische Symptome - Depression 40-80% - Vor/bei Diagnosestellung/im Verlauf - Häufig Suizidgedanken: im Kontext Diagnosestellung, über 25% Pat. Min. 1 Suizidversuch -- 3-13% vollendet - Ängste 30-40% - Apathie 20% - Zwangssymptome 10-20% - Psychotische Symptome 5% - Irritabilität & episodische Wut häufig - Behandlung emotionaler Symptome - Medikation ähnlich psychiatrischer Pat. - i.d.R. niedriger dosiert ![](media/image46.png)VL 7: Frontalhirnsyndrome =============================================== **Lernziele** - Organisation PFC - Schleifensysteme - Exekutive Funktionen - Schädigende Ereignisse - Lobotomie - Störungsbilder a. **Frontallappen** - Aspekte PFC - Phylogenetisch neuester Kortex-Teil - Extensive Konnektivität basierend auf Feedbackschleifen - Reflektiv -- nicht reflexiv - Stark vorverarbeitete, konvergente Projektionen - Einzige neokortikale Repräsentation limbischen Systems (motivationale & emotionale Eingänge für Verhaltenssteuerung) - Frontal-subkortikale Loops I. ![](media/image48.png)Frontalkortex II. Striatum III. Globus Pallidus IV. Thalamus - Neurotransmitter PFC: Glutamat, GABA, Dopamin - Direkte & indirekte Basalganglienschleife - Direkt: Cortex -\> Striatum -\> Globus Pallidus Substantia Nigra pars compacta -\> Thalamus - Indirekt: Cortex -\> Striatum -\> Globus Pallidus externus -\> Subthalamischer Nucleus -\> Globus Pallidus internus (SNr) -\> Thalamus b. **Schleifensysteme** - Motorische Funktionsschleife - Assoziative Funktionsschleife - Limbische Funktionsschleife c. **Funktionen** - Exekutiv - "executive": Zielsetzung, Pläne machen, Ressourcenverwaltung, Resultatüberwachung: Ziele erreicht? - Motorisches Lernen, Sequenzieren, Koordinieren - Aufmerksamkeit, Working memory, Set-shifting, Antwortauswahl & -inhibition, Planung & Organisation, Problemlösen, Entscheiden - Persönlichkeit, Emotion, soziale Funktion - Anatomische/kortikale Verbindungen - Von sensorischen Assoziationsarealen: visuell, auditorisch, somatosensibel - Vom Olfaktorischen Kortex - Zum temporalen Kortex - Zum posterioren sensorischen Kortex - Zum limbischen Kortex - Innerhalb Frontallappen d. **Läsionen** - Probleme bei neuropsychologischer Evaluation - Annahme einheitlichen Frontalhirnsyndroms - Vernachlässigung zahlreicher Ausprägungsformen - Faktoren: Seite, Ort, Tiefe, Größe, zeitliche Entwicklung, Art der Läsion, Primärpersönlichkeit - Ort der Läsion: Kleist (Schusswunden 1. Weltkrieg) - Frontoorbitalhirnsyndrom: Enthemmung, Distanzlosigkeit, läppisch, affektiv verflacht - Frontokonvexitätssyndrom: Hemmung, Akinese, Mutismus, Perseveration - Vaskuläre Läsionen - Einseitige Infarkte von A. cerebri media - Beidseitige Infarkte von A. cerebri anterior - Beide führen zu großer Schädigung PFC - Subarachnoidalblutung (Hypodensität im CT) - Gefäßspasmen -\> Frontalhirnschädigung - Massiver Verlust Eigenantrieb möglich - Tumore - Extrinsisch wachsende Tumore: Meningeome - Extrinsisch wachsend, nicht in gesundes Gewebe eindringend - Druck von außen auf Gehirn -\> Verdrängung Gehirn - Intrinsisch wachsende Tumore: Glioblastome, anaplastische Astrozytome, Schmetterlingsgliom - Infiltrierendes Wachstum + Zerstörung Gehirngewebe - Entzündliche Hirnerkrankungen: MS - "frontales neuropsychologisches Muster" bei Befall frontalen Marklagers - Interindividuell hochvariables Auftreten entzündlicher Prozesse - Frontalhirnsyndrom nicht bei jeder Patient:in - Operative Läsionen zur Behandlung psychischer Störungen (Moniz, 1936) - Präfrontale Leukotomie = Schädigung weißer Substanz/Faserverbindungen des PFC - Präfrontale Lobotomie = operative, funktionelle Abtrennung von PFC-Teilen - Schizophrenie & Zwangserkrankungen: Implementation falsch erlernter kognitiver Operationen im Frontallappen -\> Verbesserung durch Operation - Anekdotische Evidenz: trotz massiver Eingriffe kognitiv intakte Patienten e. **Frontalschädigungen** - Symptome: Arousal & Orientierungsreaktion, abnormale, primitive Reflexe, abnormaler Muskeltonus, Gang-/Haltungsstörungen, Kontrolle von Augenbewegungen - Medialer Frontallappen - Auslösen komplexer Bewegungen - Hierarchie motorischer Funktionen: Motorkortex = einfach, prämotorisch = komplex, medial-frontal = nochmals komplexer - Ausdruck von Emotionen - Konfliktmonitoring - Antwortselektion - Symptome - Akinesie = unzureichende Bewegungsinitiation - Akinetischer Mutismus: sprachlos, verarmte Gliedmaßenbewegungen, keine Kommunikationsversuche - Abulia/Apathie = keine selbstinitiierten Aktionen - Reduktion emotionaler Ausdruck - Reduktion Bewegung, Essen/Trinken - ![](media/image51.png)Reduktion soziale Aktivitäten - Reduktion Sprache (li Hemisphäre) - Orbitofrontaler Kortex - Verarbeitung Belohnungswert von Stimuli - Enge Verbindung mit limbischem System (Amygdala) - Gibt Infos emotionalen Wert - Regulation (Inhibition/Erleichterung) von durch Triebe angeschobenen Aktionen -\> Impulskontrolle - Regulation Sozialverhalten -\> Aggression, sexuelle Aktivität - Konsequenzen bei Schädigung - Reduktion von Nutzung interner Stimuli zur Verhaltenssteuerung - Reduzierte Entscheidungsprozesse - Schlechte Sozialfunktionen: Witzelsucht, Moria (Euphorie), unangemessene sexuelle Avancen, schlechte Impulskontrolle - Schlechte Selbsteinschätzung - Pseudopsychopathie/erworbene Psychopathie (beschreibender, nicht formal definierter Begriff) - Ähnlich, aber inhaltlich nur teilweise Überlappung mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung - Ursprünglich zur Beschreibung modernen Phineas Gage - Beeinträchtigung von Entscheidungsprozessen - Kontrollen zeigen antizipatorische ANS-Aktivierung -- Patienten nicht - Hypersensitivität gegenüber Belohnung, Insensitivität gegenüber Bestrafung - Lateraler Präfrontalkortex - ![](media/image53.png)Benutzung Umweltreize für Aktions-Organisation & -Planung basierend auf inneren Kriterien - Multiple Verbindungen mit posterioren sensorischen & supramodalen Assoziationsarealen zur "on-line" Verarbeitung von Infos - Working memory: macht Assoziationen möglich & unabhängig von Umweltreizen - Konsequenzen - Zunehmende Abhängigkeit von externen Stimuli - Utilization behavior = angemessenes Nutzen von Gegenständen in unangemessener Situation (durch externen Stimulus ausgesendete Handlungsaufforderung wird ausgeführt) - Eingeschränktes Arbeitsgedächtnis - Schwierigkeiten mit Set-shifting - Schlechte Planung - Perseveration = Haftenbleiben an vorherigen Worten/Handlungen/Aufgaben - Perseverationsfehler bei dorsolateraler Schädigung - Reduzierte Wortflüssigkeit - Prämotorischer Kortex Integration motorischer Fertigkeiten & erlernte Aktionssequenzen - Aktionsvorbereitung: vorbewusstes Stadium von Bewegungsgenerierung - Imitation schneller Bewegungen: Handbewegungen, Wortgenerierung - Konsequenzen bei Schädigung - Bewegungsfähigkeit erhalten - Schlechte Integration motorischer Komponenten komplexer Bewegungsakte: diskontinuierliche/unkoordinierte Bewegung - Gestörte Bewegungsinitiation - Links: Sprachstörungen - rechts: Motorische Impersistenz (Handlung initiierbar, aber nicht aufrecht erhaltbar), Planungsstörungen f. **Zusammenfassung** - Frontalschäden: viele verschiedene Symptome! - Medialfrontaler Kortex: Verbindungen mit motorischem & limbischem System - Initiation von Bewegungen - emotionaler Ausdruck - Orbitofrontalkortex: Verbindungen mit Limbischen System (interner input) - Reward Bewertung & Impulskontrolle - Sozialverhalten - Lateraler präfrontaler Kortex: Verbindungen mit posteriorem Kortex (externer Input) - Organisation, working memory, Zielsetzung, set-shifting\... - Erlaubt Manipulationen über Raum & Zeit hinweg: Kognitive Planung - Überwachung Resultate mit Hinblick auf Ergebnisse - Prämotor. Kortex: Verbindungen mit motorischem Kortex - Integration komplexer motorischer Aktionen VL 8: Diskonnektionssyndrome / Callossale Syndrome ================================================== **Lernziele** - Funktion Corpus Callosum - Schädigungen kommissuraler Faserverbindungen - Unterschiede vollständige vs. Partielle Dissektion - CC schädigende Erkrankungen - Untersuchung Callossaler Symptome a. **Anatomie cerebraler Faserverbindungen** - Assoziationsfaser - Lange Faserbündel, Verbindung weit entfernter kortikaler Areale: Fasciculus uncinatus, Cingulum, Fasciculus longitudinalis superior/inferior, Fasciculus fronto-occipitalis inferior - Kurze, subkortikale Verbindungen (U-Fasern), Verbindung benachbarter neokortikaler Areale - Projektionsfasern - Aufsteigende Faser aus subkortikalen Arealen zum Neokortex: z.B. Projektionen aus Thalamus - Absteigende Fasern von Neokortex zu Hirnstamm/Rückenmark - Kommissurale Faserverbindungen - Anteriore Kommissur - Ca. 5000 Axone!, an Basis des Fornix liegend - Verbindungen beider Temporallappen - Ursprungskoordinate für strukturelle Bildgebung \[0,0,0\] b. ![](media/image56.jpeg)**Corpus Callosum** - Ca. 200-300 Mio. Axone - Meiste Areale der Hirnhälften miteinander verbunden - V1: topografische Organisation & überwiegend keine Verbindung - Körpermittellinie repräsentierende Areale (visuell, auditorisch, sensorisch, motorische Felder) = höchste Verbindungsdichte - Geschichte - De la Peyronie (1741): Sinnesempfinden erhalten bei Schädigung CC - McCulloch & Garol (1941): kaum Beeinträchtigungen bei CC-Läsionen, außer bei komplizierten Aktivitäten - Experiment Downer (1961): abladierte Amygdala + CC-Läsion - Normale Reaktion bei Annäherung, Berührung, Zeigen von Objekten - Nicht bei Abdeckung Auge contralateral zur abladierten Amygdala - Verhaltenseinschränkungen durch CC-Läsion? - Wenicke (1874): Durchtrennung Faserverbindung anteriore & posteriore Sprachzone -\> aphasisches Syndrom (Leitungsaphasie) - ![](media/image58.png)Liepmann (1900) - Verbale Aufforderung: Pat. Kann rechte Hand korrekt bewegen -- linke nicht (nicht explizite Handbewegungen möglich) - Vorhersage: keine Läsion rechter Motorkortex, sondern motorischer CC-Teil - Bestätigung durch Autopsie c. **Erkrankungen des Corpus Callosum** - Callosotomie / Split-Brain - Ultima ratio bei Epilepsie-Behandlung: CC-Durchtrennung soll Ausbreitung Anfälle von einer auf andere Hirnhälfte verhindern -\> Risikoreduktion für Stürze & Verletzungen - Inkomplette Callosotomien (z.B. ohne posterioren CC-Teil): ähnliche Krampanfall-Reduktion bei reduzierten neuropsychologischen Defiziten - Auf rechter Netzhauthälfte gezeigte Objekte: nicht benennbar - Objekte in linker Hand: nicht ertastbar, nicht benennbar, aber greifbar - Haploskopische Untersuchung Split-Brain Patienten (Sperry & Gazzaniga) - Objekte auf linker Seite: nicht benennbar, aber mit linker Hand schreibbar, unter anderen Objekten heraussuchbar/antippbar - Pat. Wissen nicht, welches Wort sie geschrieben haben - Jede Hirnhälfte eigene Wahrnehmung, Lernprozesse, Gedächtnis - Nicht bei CC-Agenesie - Agenesie des Corpus Callosum = Nicht-Entwicklung - Auswirkungen: i.d.R. keine Symptome, bei manchen Störungen in Verarbeitung emotionaler Inhalte - Läsionen - CC-Teile betreffend - Bsp.: Schmetterlingsgliom (sehr limitierte Lebensprognose) - Auf kontralaterale Hemisphäre ausbreitendes Gliom - Keine signifikante Lebensqualitätsveränderung bei chirurgischer Dekompression (im Vgl. Zu Biopsie) - Degeneration: Marchiafava-Bignami-Syndrom/Corpus-Callosum-Atrophie - Häufig Folge von chronischem Alkoholismus + Mangelernährung -\> Vit B12 (in Einzelfällen Degeneration ohne Alkohol-Abusus) - DTI-Untersuchungen: korrelative Veränderungen fraktionaler Anisotropie & Alter - Negative Zusammenhänge in Genu, rostraler Körper, Isthmus -- Alter hoch -\> Verbindungen weniger - Psychiatrische Erkrankungen - Viele Publikationen - ältere Zusammenhang nahelegend - Bildgebung: schwache/keine Unterschiede zwischen Patient:innen & Proband:innen - Aktuelle Studien: reduzierte fraktionale Anisotropie in Verbindungen mit reduzierter funktioneller Konnektivität kortikaler Strukturen d. **Diskonnektion funktionaler Systeme** - je nach funktioneller Organisation sensorischen Systems unterschiedliche Auswirkungen - Riechen - Organisation olfaktorischen Systems: ungekreuzt - Verbindung olfaktorischer Regionen über anteriore Kommissur - AC-Durchtrennung - bei ausschließlicher Benutzung rechten Nasenlochs -\> Duft nicht benennbar - Aber entsprechend riechendes Objekt mit linker Hand auswählbar - Sehen - Verbales Material in linker Gesichtshälfte: nicht lesbar/Fragen beantwortbar -- rechts ok - Komplexe Figur in rechter Gesichtshälfte: rechte Hand kann Figur nicht abzeichnen -- linke schon - Fühlen - Organisation somatosensorischen Systems: gekreuzt! - Aufgaben für diskonnektierte Pat.: - Gegenstand mit geschlossenen Augen mit linker Hand ertasten - anschließend ertastende Auswahl Gegenstand aus anderen Gegenständen - Rechte Hand: Objekt nicht identifizierbar - Linke Hand: sofortiges Auffinden des Objekts - Einnehmen bestimmter Form mit einer Hand (z.B. Faust) -\> andere Hand kann nicht nachahmen - Wichtigstes diagnostisches Zeichen! - Hören - Organisation auditorischen Systems: gekreuzte & ungekreuzte Verbindungen - Normal: vorwiegende Signale auditorischen Kortex aus rechtem Ohr (obwohl auch vom linken Bestand direkter Bahnen) -\> Bevorzugung kontralateraler Infos - Diskonnektierte Pat.: akustische Infowahrnehmung im Alltag, vollständige Unterdrückung von Info von linkem Ohr bei dichotischem Hören - Bewegung - Organisation motorischer Kortex: gekreuzt! - Diskonnektierte Pat.: - Verbale Aufforderung für linke Hand: Apraxie/Agraphie - Aufforderung zum Abzeichnen geometrischer Figur für rechte Hand - Rivalität von Aktionen bei bimanualen Tätigkeiten möglich (Hemd zuknöpfen mit rechter Hand -- linke knöpft sofort wieder auf) e. **Neuinterpretation von Läsionsauswirkungen als Diskonnektionssyndom: Apraxie** - Bedeutsame Zusammenstellung Geschwind: Fehlfunktionen nicht notwendigerweise durch Läsion - auch von inter-/intrahemisphärischen Diskonnektionen - Erklärungsmodell für bilaterale Apraxie: Balken-Dissektion + Schädigung linker Motor-Kortex - Aber: direkter Zugang posterioren Kortex zu subkortikalen Strukturen -\> bei CC-Dissektion anfängliche Apraxie -\> später Erholung - Annahme: Agnosie & Alexie durch - Linksseitige Diskonnektion visueller Assoziationskortizes vom Sprachareal - Trennung rechter visueller Assoziationskortizes vom linksseitigen Sprachareal - Experimenteller Nachweis Diskonnektionseffekte (Mishkin 1979) - Keine anatomische Verbindung von V1 zwischen Hemisphären (vermutlich wegen retinotoper/spatiotoper Organisation) - V2 -\> Formerkennung, TE -\> Objekterkennung - Schädigung rechts V1 + links TE -\> keine Leistungseinschränkung - Zusätzliche Durchtrennung V2-Verbindungen -\> keine Formerkennung mehr möglich - Schädigung rechts TE + links Amygdala -\> Formerkennung funktioniert - Zusätzlich Trennung Verbindung zwischen Amygdalas über CC -\> keine Objekterkennung - Störungsausprägungen Syndrom Läsionsort Beschreibung -------------------------------------------- ------------------------ ----------------------------------------------------------------------------- Alien hand syndrom / Anarchic hand syndrom Genu / anteriorer Body Intermanueller Konflikt -\> eine Hand unterbricht korrekte Bewegung anderer Taktile Anomie Posteriorer Body Erfühlen Gegenstände mit linker Hand -\> keine Benennung möglich Alexie ohne Agraphie Splenium Lesenunfähigkeit bei erhaltener Schreibfähigkeit f. **Chronisches Diskonnektionssyndrom** - Motorische Effekte - Linksseitige Hemiapraxie -\> später rückläufig (vermehrte ipsilaterale Kontrolle linker Hand) - Somatosensorische Effekte - Verbale Erkennung Objekte in rechter Hand - Keine verbale Erkennung Objekte in linker Hand - Wiederholung Gesten mit kontralateraler Hand möglich, nicht mit ipsilateraler Hand - Rechtshemisphärische Sprachkompetenz - Lese- & auditorisches Verständnis kurzer, hochfrequenter Wörter - Vokabular rechter Hemisphäre größer über Jahre (max. Niveau 10-jähriges Kind) g. **Klinische Testung** - Dissoziative Phänomene - Unterschied Gesichtsausdruck vs. Verbale Äußerungen - Unterschied Tätigkeit linke Hand vs. Verbale Äußerungen - Intermanueller Konflikt - Alien Hand Syndrom: Gefühl von Fremdheit/Unkooperativität linker Hand - Autokritizismus: Erstaunen über Handlungen linker Hand - Unilaterale verbale Anosmie - Keine Benennung rechten Nasenlochs präsentierter Gerüche - Aber Zeigen entsprechender Gegenstände - Bilaterale Hemianopsie: nur auf Stimuli im jeweils kontralateralen Gesichtsfeld zeigend - Hemialexie/Alexie ohne Agraphie: kein Lesen von in linkem Gesichtsfeld gezeigter Info -- gut kontrollieren! - Unilaterale ideomotorische Apraxie: keine Ausführung gewünschter Bewegungen linker Hand auf verbale Kommandos - Unilaterale taktile Benennstörung: keine Benennung in linke Hand gelegter Gegenstände -\> wichtigstes Zeichen!! h. **Fazit** - Verdeutlichung Interaktion beider Hemisphären durch Callosale Syndrome - Klinische Symptome evt. Mehr als nur strukturelle Schädigungen grauer Substanz - Hinweise auf Mitbeteiligung von geschädigten Faserstrukturen durch einfache klinische Tests VL 9: Kleinhirnerkrankungen =========================== **Lernziele** - Beschreibung wichtigster anatomischer Strukturen Cerebellums - Funktionale Anatomie - Symptome cerebellären kognitiv-affektiven Syndroms - Arten & Störungsbilder von Kleinhirnerkrankungen - Zusammenhang Kleinhirnerkrankungen & kognitive Funktionen a. **Forschungsstand** - Früher: Cerebellum = motorische Funktionen - Verbindungsbahnen: Cortex -\> Cerebellum -\> M1 - Schwerpunkt von Studien: Gang, Stand, koordinierte Körperbewegungen - Neue Erkenntnisse: Involvierung in viele kognitive Funktionen - Lernen, Sprache, Emotion - Reziproke Verbindungen zu an höheren Funktionen beteiligten, cerebralen Assoziationskortizes - Lokalisation kognitiver Funktionen nicht im Kleinhirn -\> aber Modulation spezifischer Funktionen durch verschiedene Areale b. Anatomie - Ipsilaterale Organisation! - Spinocerebellum: Kontrolle Körper-, Augen-, Extremitätenbewegungen - Input: Somatosensorische Rezeptoren, M1, auditorische/visuelle Info - Output: Motor-/Interneurone (Hirnstamm & Rückenmark) - Cerebrocerebellum/Neocerebellum: Planung Handlungen, kognitive Funktionen, Emotionen - Input: Assoziationskortizes - Vestibulocerebellum: Kontrolle Gleichgewicht - Input: Somatosensorische Rezeptoren (Nacken), Bogengänge, visuelle Info - Output: Vestibuläre Nuclei - Output insgesamt - M1, PFC, prämotorischer & parietaler Kortex - Interneurone Rückenmark, inferiore Olive, Hirnstammkerne - Motor-/Interneurone (Rückenmark, Hirnstamm) - Vestibuläre Nuclei - Cerebelläre Anatomie & kognitive Funktionen - Motorik, Somatosensorik - Sprache - Verbales Arbeitsgedächtnis, räumliche Aufgaben - ![](media/image61.png)Exekutive Funktionen - Emotionsverarbeitung - Cerebelläre Aktivität bei kognitiven Funktionen - Multi-Domain Task Battery - 4 MRT Sessions mit je 17 Tasks (insgesamt 26 Tasks aus Kognition, Motor, Affekt, Sozial) - Blutversorgung Kleinhirn - Arteria inferior posterior cerebelli = PICA: aus Vertebralarterie Versorgung hintere, untere Kleinhirnanteile - Arteria inferior anterior cereblli = AICA: aus Basilararterie Versorgung mittlerer Anteile - Arteria superior cerebelli = SCA: aus Basilararterie Versorgung oberer Anteile - Verbindung über Anastomosen (zur teilweisen Sicherstellung Blutversorgung bei Verschlüssen) - Kleinhirninfarkte häufig durch Gefäßverschlüsse/Blutgerinnsel c. **Kleinhirnerkrankungen** - Kleinhirn-Schlaganfall - Allgemeine Symptome: Nacken-/Kopfschmerz, Schwindel - Bewegungsstörungen - Gangataxie: unsicher, Schlangenlinien, wie betrunken/auf schwankendem Schiff - Rumpfataxie: kein stabiler, aufrechter Sitz -- nach hinten/Seite kippend - Koordinationsstörungen Extremitäten - Sprechstörungen: Feinabstimmung Sprechmotorik (verwaschen, nuschelnd, undeutlich -- Dysarthrie) - Gleichgewichtsstörungen: Gangunsicherheit, Drehschwindel, Übelkeit/Erbrechen - Sehstörungen: Blickmotorik/-koordination/-stabilisierung -- Nystagmus - Neuropsychologische Defizite: Wortflüssigkeit, Handlungsstrukturierung, Unorganisiertheit, geistige Flexibilität, Aufmerksamkeitswechsel - Arten - Erbliche Formen - Meist autosomal-dominante degenerative Formen (ADCA) - unter spinocerebellärer Ataxie subsummiert - Autosomal-rezessive Formen mit frühem Krankheitsbeginn - Erworbene Formen - Schlaganfälle/Blutungen, Tumore, Abszesse, Demyelinisierung, Entzündungen - Alkoholabusus, Medikamenteneinnahme (Antiepileptika, Lithium) - Hypothyreoidismus - Nicht-erblich degenerative Formen: idiopathische wie "Downbeat-Nystagmus" - Störungsbilder - Motorische Störungen - Dyssynergie: muskuläre Koordinationsstörungen - Dysmetrie: zu große/starke Bewegungen - Ataxie: inkorrekte Abstimmung Muskelgruppen - Intentionstremor - Rebound-Phänomen: zu später Anagonisten-Einsatz - Hypotonie: Muskeltonus zu gering z.B. starkes Armschlenkern bei Bewegungen, Absinken im Positionsversuch) - Blickstörungen: Nystagmus, Sakkaden-Hypermetrie, Adaptationsstörungen - Sprechstörungen: - meist Sprech- & Stimmstörungen (Dysarthrie & Dysarthrophonie -- Broca-ähnliche Symptome) - Höhere sprachliche Leistungen: bisher nur Einzelfallbefunden mit Agrammatismus, semantischen Defiziten, verringerter Wortflüssigkeit - Cerebelläres kognitiv-affektives Syndrom - Verlauf Patientin - Symptomverbesserung innerhalb 2-3 Wochen, aber kindliches Verhalten lange andauernd - Nach mehreren Monaten Verbesserung kognitiver & Persönlichkeitsfunktionen - Nach 2 Jahren Wiederaufnahme Studium - Untersuchung Patient:innen mit fokalen cerebellären Störungen - Test-Batterie neuropsychologischer Tests + MRT/CT zwischen 1 Woche & 6 Jahre post-Schädigung - Ergebnisse - Defizite in exekutiven Funktionen: Planung, Schlussfolgern, Arbeitsgedächtnis, Wortflüssigkeit - Defizite in räumlichen Kognitionsaufgaben - Persönlichkeitsveränderungen (unangemessenes Verhalten) - Flacher Affekt - Keine Apraxie, Aphasie, Agnosie - Keine Defizite Gedächtnisfunktionen, aber Lernbeeinträchtigung - Update - Anfänglich Übersehen/Nicht-Erkennung von Symptomen bei CCAS - Heute 4 wichtige Einschränkungsbereiche: exekutive Funktionen, visuell-räumliche Funktionen, Sprache, Persönlichkeitsveränderungen - Entstehung durch Infarkte/Blutungen, degenerative Erkrankungen (spinocerebelläre Ataxie Typ 6) d. **Modifikation motorischer Adaptation durch tDCS** - Veränderung Hirnfunktion durch transcraniale Gleichstromstimulation - ![](media/image63.png)Anodale Stimulation -\> Erhöhung neuronaler Exzitabilität - Kathodale Stimulation -\> Senkung neuronaler Exzitabilität - Aufgabe: auf Grafik-Tableau Durchführung Bewegung mit Stift zu peripherem Ziel - Modifikation: Versetzung Zielreiz während Bewegung - Anodale Cerebellum-Stimulation -\> bessere Lernkurve verglichen mit M1-/Sham-Stimulation e. **Einschränkungen durch cerebelläre Läsionen in visuell-kognitiven Aufgaben** - Visuelle Informationsverarbeitung: verlängerte Dauer visuellen Prozessierens (Colour \< Conjunction \< Form) - Erhöhung Refixationsrate bei Patienten - Verlängerung mittlerer Fixationsdauer - ![](media/image65.png)Kein Unterschied in Suchstrategien Controls vs. Patienten f. **Motorisches Lernen & cerebelläre Funktionen** - Cerebellum-Hauptfunktionen: Fehlerkorrektur, motorisches Lernen, sensomotorische Adaptation, Prädiktions-/Antizipationsmodelle (Forward-Modelle) - Prismen-Adaptation Controls vs. Patient:innen - Pat.: Treffer ohne Prisma eher rechts vom Ziel -- mit Prisma keine Adaptation - Möglicherweise mehr Zeit & Übung - Sakkaden-Adaptation bei PD & SCA - Controls: Lernen + Speichern Anpassung - PD: motorisches Lernen möglich, aber keine Speicherung - SCA: deutlich länger zur Speicherung motorischer Anpassungsprozesse - Lernen motorischer Sequenzen bei PD & SCA - Beide Gruppen: Beeinträchtigungen beim Lernen impliziter Regel - Motorisches Lernen & effektive Konnektivität - Strukturelle Konnektivität: White Matter Tractographie -- anatomisches Layout Axone/Synapsen - Interaktion von Hirnregionen - Funktionelle Konnektivität: Korrelation von Hirnaktivität (datengetrieben) - Effektive Konnektivität: kausale Interaktionen zwischen Hirnregionen (a-priori Hypothesen erforderlich) - 2 Hauptannahmen - Effektive Konnektivität = dynamisch -\> aktivitäts-/zeitabhängig - Beinhaltet nicht-lineare Interaktionen zwischen neuronalen Systemen - Konnektivitätsmodelle sollten biologisch plausible Konnektivitäten aufbauen: Kenntnisse auf tierexperimentellen & humanexperimentellen Studien - Methoden - Strukturgleichungsmodelle: multivariate Analysen auf Einflüssen interagierender Variablen - Zeitreihenanalysen - Lineare Regressionsmodelle (Psycho-Physische Interaktion PPI) - Nicht-lineare, kausale dynamische Modelle - Motorisches Lernen - Lernen motorischer Sequenzen benutzt Netzwerk kortikaler, striataler, cerebellärer Funktionen - Verbindungen von Cerebrum zu Cerebellum = erhöhte Konnektivität -\> evt. Ursache für tonisch-klonische Epilepsieanfälle g. **Zusammenfassung** - Cerebellum = mehr als nur Fein-Tuning - Auslösung unterschiedlicher affektiver, kognitiver, motorischer Störungen durch cerebelläre Läsionen - TDCS: Verbesserung cerebellärer Funktionen/Verhinderung überschießender Funktionen (neue therapeutische Möglichkeiten) - Interaktion vieler cerebraler kognitiver Funktionen mit cerebellären Regionen - Nachweis cerebro-cerebellärer Verbindungen durch neue Bildgebungsverfahren VL 10: Alexie, Agraphie, Apraxie ================================ **Lernziele:** - Unterschiedliche Formen erworbener Alexie - Primary systems Hypothese - Dual route Lesemodell - Unterschiedliche Formen Agraphie - Apraxie-Testung a. **Dyslexie** - Konstitutionell: Legasthenie, Lese-Rechtschreibschwäche - Erworben (Alexie = Unfähigkeit, Geschriebenes zu lesen) - Aufmerksamkeits-Alexie (attentional alexie) - Neglect-Alexie - Pure Alexie - Oberflächen-Alexie (surface orthographic alexie) - Phonologische Alexie (phonological) - Semantische Alexie (semantic alexie, Alexia of Alzheimer's disease) - Tiefen-Alexie (deep dyslexia) - Anatomische Betrachtung - Primärer auditorischer Input A1 = Heschl Gyrus - Posterior davon: heteromodaler Kortex = Wernicke Areal (semantic lexical pole) - Verbindung Wernicke Areal mit Broca über Fasciculus arcuatus - Posterior von Wernicke-Areal: Gyrus angularis - Gyrus angularis: Input von sekundären visuellen Arealen (visual word form area) - ![](media/image67.png)Integration für Lesen wichtiger visueller & somästhetischer Info - Wernicke + Broca + Gyrus angularis = Sprachnetzwerk dominanter Hemisphäre - Broca-Areal als zentrale Netzwerkkomponente - Primary systems Hypothese - Lesen phylogenetisch & ontogenetisch spät erworbene Fähigkeit -\> Lesefähigkeit unterstützende Mechanismen müssen sich auf grundlegendere Repräsentationssysteme stützen - Aufmerksamkeits-Alexie - Eigentliches Problem = selektive Aufmerksamkeit! - Nicht spezifisch für orthografisches Material - Einzelne Wörter lesbar, aber nicht Multi-Wort-Displays - Buchstaben wandern zwischen Wörtern: POT BIG HUT -\> BUT BIG HUT - Neglect-Alexie - Probleme von Aufmerksamkeitssteuerung beim Lesen: Beweis -\> bei Spiegelschriftlesen Enden nun links liegender Wörter weggelassen - Ursachen: - Motorische Programmierung okülären Scannings - Räumliche Verteilung von Aufmerksamkeit - Konstruktion abstrakter visuospatialer Repräsentationen - Bei Pat. Mit rechts-parietalen Läsionen & linksseitigem Neglect - Neglect für linke Hälfte einer Seite - Auslassen/Deletionen von Wörtern auf linker Seitenhälfte (relativ häufig) -\> Giraffe -\> Affe - Substitution für linke Hälfte von Wörtern (häufig): Garage -\> Blamage - ![](media/image69.png)Additionen (seltener): Ball -\> Fußball - Dual route Lesemodell - Pure Alexie - Infoverarbeitungsproblem zwischen visuellem & linguistischem System - Orthographische & linguistische Verarbeitung intakt - Keine Agraphie & Aphasie! - Basale visuelle Infoverarbeitung intakt -\> akkurate Wahrnehmung geschriebenen Wortes - Keine Aktivierung zugehöriger orthographischer Detektoren durch visuellen Input möglich - Kompensationsstrategie: letter-by-letter reading - Je länger Wort -\> länger braucht Pat. & häufigere Lesefehler - Problemlose Erkennung laut buchstabierter Wörter - Läsionen - Gyrus angularis von seinem Input isolierende Läsionen: Pat. Schreiben gut, aber letter-by-letter reading (auch für selbstgeschriebenes) - Läsionen Gyrus angularis selbst: keine pure Alexie -\> sondern Alexie mit Agraphie (hier werden orthographische Wortformen prozessiert) - Oberflächen-Alexie - Aktivierung Eintrag im orthographischen Lexikon durch geschriebenes Wort - Lexikon kompromittiert -\> Regularisierungseffekt resultierend - Reguläre Wörter & Pseudowörter lesbar -- Regularisierung von irregulär ausgesprochenen Wörtern - Effekt gravierender in Sprachen mit wenig transparenter Graphem zu Phonem-Konversion (Französisch, Englisch) - ![](media/image71.png)Besseres Lesen regulärer & Pseudowörter als irreguläre Wörter - Häufig Homophon-Verwechselungen (ganz -- Gans) - Pseudohomophone häufig als Wörter akzeptiert (PHOCKS -- FOX) - Phonologische Alexie (Spiegelbild zu Oberflächen-Alexie) - Lesen nach Ganzwortmethode möglich, vertraute Wörter lesbar - Probleme mit lautem Vorlesen, Schwierigkeiten mit unbekannten Wörtern - Grapheme nicht entsprechend Graphem-Phonem-Regeln konvertierbar b. **Agraphien** - Lichtheim: Schreibfähigkeit auf allgemeine Sprachfähigkeit aufgepfropft -\> Klassifikation Agraphien = Aphasien - Goldstein: Assoziation oft/nicht immer Agraphien & Aphasien - Primäre Agraphie: Schädigung motorischen Aspekts Schreibens I. Kein Impuls zu Schreiben II. Schädigung abstrakter Repräsentation von Schriftsprache III. Ideatorische Agraphie (Verlust Buchstabenrepräsentationen) IV. Motorische Agraphie (Produktion inkorrekter Buchstaben) V. Agraphie + Apraxie nicht dominanter Hand - Sekundäre Agraphie: aus allgemeiner Sprachstörung resultierend - Heutige Klassifikation - Pure Agraphie - Fehlen signifikanter sprachbezogener Symptome - Buchstabierfehler bei wohlgeformten Buchstaben - Läsionen: Exners Area (= Verbindung Orthographie & für Schreiben notwendige motorische Programme), oberer Parietallappen, posteriore perisylvische Region, linker Ncl. Caudatus - Aphasische Agraphie - Globale Aphasie, Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie, Leitungsaphasie, transkortikal sensorische Aphasie - Schwierigkeiten bei Graphem-Produktion - Und/oder agrammatisches Schreiben - Wernicke-Aphasie: schwere Buchstabierfehler - Agraphie mit Alexie/parietale Agraphie - Schlecht/nicht erkennbare Buchstaben beim Schreiben - Schwierigkeiten beim Buchstabieren - Apraktische Agraphie - Schwierigkeiten bei Buchstabenformung, spontanen Schreiben, Schreiben nach Diktat - Läsion meist linker parietaler Kortex (wie häufig bei Apraxien) - Spatiale Agraphie: Läsionen im nicht-dominanten Parietallappen - Kognitiv-neuropsychologische Klassifikation - Einteilung Verarbeitungsmodule in nicht-/linguistische Komponenten - Lexikalische Agraphie - Phonologische Agraphie - Tiefe Agraphie - Semantische Agraphie c. **Apraxie** = Störung zielgerichteter Bewegungen -- nicht erklärbar durch: Schwäche, Akinese, Deafferentierung, abnormen Tonus, abnorme Haltung, Bewegungsstörung, intellektuellen Abbau, schlechtes Sprachverständnis, mangelnde Kooperation (Definition über Exklusion) - Untersuchung - Gesten auf verbales Kommando, Gesten auf Imitation, Pantomime nach Anblick Werkzeug (Hammer), Pantomime nach Anblick Objekt (Nagel), Werkzeug-Gebrauch - Unterscheidung korrekter vs. Nicht korrekter Werkzeug-Gebrauch - Verständnis von Gesten - Serielle Handlungen - Tests - Intransitive Gesten Extremitäten: Auf Wiedersehen/Winken, Trampen, Grüßen, Komm-Her-Geste, Stopp - Transitive Gesten Extremitäten: Tür mit Schlüssel öffnen, Münze werfen, Flasche öffnen, Schraubenzieher/Hammer/Schere benutzen - Intransitive buccofaciale Gesten: Zunge herausstrecken, Küsschen geben - Transitive buccofaciale Gesten: Streichholz ausblasen, Strohhalm saugen - Serielle Handlungen: Brief falten -- in Umschlag stecken -- zukleben -- Briefmarke rauf, Wasser in Kaffeemaschine - Filtertüte in Filter -- Kaffeepulver in Filter -- Schalter drücken - Ideomotorische Apraxie: gestörte Umsetzung Bewegungsplan - Normale Geschicklichkeit - Größte Probleme bei transitiven Bewegungen - Leichte Verbesserung bei Imitation - Verbesserung auch, wenn Objekt benutzt werden darf - Typische Fehler - Body part as object - Perseverationen - Sequenzierungsfehler - Spatiale Fehler (am häufigsten) - Posturale Fehler: falsche Handhaltung - Räumliche Orientierungsfehler: Handbewegungen, die Werkzeug nicht zu vorgestelltem Objekt bewegen - Räumliche Bewegungsfehler: Aktivierung Bewegung falscher Gelenke - Anatomie - Apraxie durch Diskonnektion - Bei callosaler Durchtrennung - Störung motorischer Assoziationsareale - Störung Sprachareale - Repräsentationshypothese: Was spricht für Repräsentation von Bewegungen? - Motorische Formeln - Praxicons - Geschwind's Theorie sagt nichts über Repräsentationen von Bewegungen aus - Motorische Programme gelernt -\> bessere Durchführung zukünftiger motorischer Aufgaben - Ausführung pantomimisch gelernter Bewegungen möglich - Spricht für Repräsentation von Bewegungen - Speicherung Bewegungsformeln im dominanten parietalen Kortex - ![](media/image73.png)Vorhersage: Pat. Mit zerstörten Praxicons -\> keine Unterscheidung zwischen korrekten vs. Inkorrekten Bewegungen, die vorgemacht werden, möglich - Heilmann & Rothi: 2 Formen von Apraxie - Dominanter Parietallappen: Zerstörung Praxicons - Anterior davon: Zerstörung Verbindungen VL 11: Musikverarbeitung & Amusie ================================= **Lernziele** - Hirnareale für Erleben & Erkennen von Musik - Modell von Peretz & Coltheart zur Musikverarbeitung - Phänomen auditorischer Agnosie a. **Funktionen Hörbahn** - Kreuzende Fasern: 90% der Infos - 3D-Höreindruck benötigt Infos aus beiden Ohren: Verrechnung mit Lautstärke- & Laufzeit-Differenzen - Akustisches Signal zu inhaltlicher Bedeutung ![](media/image75.png) - Kognitive Prozesse der Musikverarbeitung: Wahrnehmung, Gedächtnis, Lernen, Gefühle, Motorikfähigkeiten, Lesen, Schreiben b. Hirnareale - Primärer akustischer Kortex - Heschl's Gyrus - Unterschiedliche Orte im Heschl Gyrus: Intensität, verschiedene temporale Muster - ![](media/image77.png)Individuelle Variabilität des Heschl-Gyrus - Planum polare (non-primärer AK) - Planum temporale - Rechter Gyrus superior temporalis: Melodie-Erkennung - Rechtes fronto-operculares Areal: Gedächtnisleistung zur Erinnerung erster/letzter Note einer Melodie - Emotionen - Veränderung zerebralen Blutflusses a.G. affektiver Antwort auf Musik - Melodien unterscheidend in Dissonanz -\> Grad der Dissonanz angenehm vs. Unangenehm - Dissonanzsteigerung + Aktivität rechter Gyrus parahippocampalis & rechter Praecuneus - Konsonanzsteigerung + Aktivität orbitofrontaler bilateraler Kortex, Subcallosales Cingulum, rechte fronto-polare Areale - Zunahme unangenehmer Reize: Aktivität rechter Gyrus parahippocampalis, linkes posteriores Cingulum - Zunahme angenehmer Reize: Aktivität rechter orbitofrontaler Kortex, Subcallosales Cingulum - Musikalische Grammatik - Inkongruente Harmonik aktiviert "early right-anterior negativity" ERAN - Lokalisation Quelle von mERAN-Aktivität im Broca-Areal & homologen Areal in rechter Hemisphäre - Sprache & Musik - Nähe von Semantik & Musik - Aufgaben von Hirnstrukturen bei Musikverarbeitung - Temporal superior: Wahrnehmung - Opercular/frontal: Gedächtnis - Paralimbisch: Emotion/Gefühle - Broca: Syntax - Posteriorer Teil G. temporal m.: semantische Prozesse - Frontal/Cerebellum: Mototikfähigkeiten - Dominante Hemisphäre: Lesen & Schreiben ? c. **Beeinträchtigungen Musikhörens** - Modularität der Musikverarbeitung - Musikalität keine monolithische Eigenschaft -\> Zusammensetzung aus isolierbaren Eigenschaften -- Ausfall getrennt möglich - Traditionell: Musikalität keine genuine Eigenschaft kognitiven Systems -- Entstehung als Epiphänomen - Peretz & Coltheart (2003): distinktes Modul mit eigenem Satz von Verarbeitungsroutinen & Regeln - Eigenschaften von Modulen nach C.F. Fodor: Schnelligkeit, Automatisierung, domänenspezifisch, neurale Spezifität, angeboren, hermetische Abgeschlossenheit - Eigenschaften sind typisch, aber nicht notwendig - Notwendig: Domänenspezifität & Abgeschlossenheit - These: Existenz spezialisierten Musikverarbeitungssystems (evt. Aus weiteren Submodulen zusammengesetzt) - Bei Existenz Musikverarbeitungsmodul evt. Keine neurale Spezifität - nur Pat. mit Musikverarbeitungsstörung + andere Verarbeitungsstörungen komplexer auditorischer Reize - Bei Vorhandensein neuraler Spezifität - Pat. mit selektiven Musikverarbeitungsstörungen -\> existieren!! - Ursachen der Amusie - Erworben: Fähigkeitsverlust zur Erkennung von Melodien, Lieder an Texten erkennbar - Angeboren: gleiche Störung - Gegenargument: Menschen = Amateure bei Musikerkennung, aber Experten bei Sprach-/Worterkennung -\> Effekt mangelnder Übung? - Schädigungsmuster - Sprechen für Existenz mindestens 2 distinkter Verarbeitungsmodule: Musik & gesprochene Sprache (müsste auch Modul für Geräuschverarbeitung geben) - Messung Musikalität: The Montreal Battery of Evaluation of Amusia - Dimensionen der Musik - Melodisch: sequentielle Tonhöhen-Veränderung - Rhtythmisch: sequentielle Veränderung in Dauer d. ![](media/image80.png)**Modell von Peretz & Coltheart** - Parallele Abarbeitung musikalischen Inputs: Tonhöhendimension & Rhythmusdimension - Pitchorganization/Tonhöhenverarbeitung - Hierarchische Organisation von Basiston bis Terz/Quinte führt zu musikalischer Erwartung - Automatische Benutzung Tonhöheninformation durch Hörer - Bildgebung: rostromedialer PFC könnte Sitz für Tonhöhenverarbeitungssystem sein - Rhythmus-Dimension - Zeitliche Struktur des Inputs: Metrum (zeitliche Regularität Walzer vs. Marsch) & Rhythmus (zeitliche Mikrostruktur) - Musikalisches Lexikon - Alle im Lebensverlauf gehörten/gelernten Repräsentationen von Musikstücken enthaltendes System - Erfolgreiches Erkennen Musikstück beruhend auf Auswahlprozedur innerhalb musikalischen Lexikons - Zum Singen: Assoziation Melodie mit im phonologischen Lexikon gespeicherten Text & Weiterleitung an Produktionssystem - Zum Abruf nicht-musikalischer Info (z.B. Musiktitel): Herstellung Kontakt mit assoziativem Gedächtnis - Emotionsanalyse (essentieller Teil) - Input = bestimmte Eigentschaften: Tonart (Dur/Moll), Geschwindigkeit - Unklarheit ob auf Musik spezialisiertes oder generelles Emotionssystem e. **Auditorische Agnosie** = Probleme in Erkennung akustischer Ereignisse (Sprache, Musik, Geräusche (nicht erklärbar durch Taubheit & Beschränkung auf auditorische Modalität) - Häufig global: verbale Info, Geräusche, Musik betreffend - Vorkommen selektiver Ausfälle mgl. - Perzeptuell-melodisch - Schwierigkeit, melodische Info zu enkodieren (sequentielle Veränderung Tonhöhe) - Im Gedächtnis keine Identifikation fehlerhaft enkodierter Stücke möglich - Assoziativ/gedächtnisbedingt - Isolierter Verlust von Gedächtnisinhalten für Musik - Beispiele - H.V.: perzeptueller Defekt -- kann aus Gedächtnis singen - C.N.: kein perzeptueller Defekt -- kann nicht singen, keine bekannte Melodie benennen - ![](media/image82.png)Schädigung in rechter Hemisphäre mit Amusie-Ausmaß assoziiert f. **Zusammenfassung** - Musikwahrnehmung benötigt auditive Verarbeitung - Evidenz für modulares, spezifisches Musikverarbeitungssystem - ![](media/image84.png)Musik-Agnosien - Erworbene Amusien: Relevanz des dorsalen Pfades! VL 12: Neuropsychologie des Kindes- & Jugendalters ================================================== **Lernziele** - Unterschiede in NP Kinder vs. Erwachsene - Hirnentwicklung & Hirnreifung - Klassifikation Hirnfunktionsstörungen bei Kindern - Ursachen von Hirnschädigungen - Neuropsychologische Diagnostik bei Kindern a. **Unterschied Kinder/Jugendliche vs. Erwachsene** - Äquivalente Verhaltensweisen & Testergebnisse -\> nicht notwendigerweise identische Verarbeitungsmechanismen - Berücksichtigung umweltabhängiger Einflussfaktoren auf Hirnentwicklung -\> erhebliche Variation zwischen Kindern mit typischen vs. Atypischen Entwicklungsverläufen - Komplexe Beziehung zwischen maximaler funktioneller Plastizität & minimaler kortikaler Präspezifizierung -\> Hirnentwicklung lange postnatal, viele externe/interne Faktoren b. **Hirnentwicklung & Hirnreifung** i. Neuronale Proliferation = Bildung von Neuronen durch Zellteilung ii. Migration = Wanderung Neurone zu bestimmter Lokalisation iii. Differenzierung/Reifung = Ausreifung Dendriten, Axone, Synapsen iv. Zelltod + Synapsenreduktion = Einsetzen Apoptose bereits während Zellproliferation -\> Untergang ¼-1/3 ursprünglicher Neuronen; hinsichtlich Synapsenbildung: Überproduktionsphase -\> selektiven Elimination synaptischer Verbindungen (Pruning) - Verlauf Myelinisierung: inferior -\> superior & posterior -\> anterior - Bis Kindesalter Volumenzunahme grauer Substanz, durch Ausdifferenzierung Abnahme in Adoleszenz - Vermutlich zuerst Reifung von an basalen sensorischen & motorischen Prozessen beteiligten Hirnregionen ![](media/image86.png) c. **Klassifikation Hirnfunktionsstörungen** - Störung pränataler Entwicklung: Embryopathien, Maturationsstörungen, genetische Syndrome, andere schädigende Ereignisse - 1./2. Trimester: Fehlbildungen durch genetische, infektiöse, toxische Einwirkungen - Frühes 3. Trimester: Schädigungen weißer Substanz durch hypoxisch-ischämische, infektiöse, thrombo-embolische Ereignisse - Spätes 3. Trimester: selbe Ereignisse in Schädigung grauer Substanz resultierend (Basalganglien, Kortex) - Fetales Alkoholsyndrom/Fetale Alkoholspektrumstörung - Auffällige Gesichtsmerkmale: glatte Oberlippe ohne Nasolabialfalte, verbreiterte Stupsnase, schmale & weit auseinanderstehende Augen - Veränderung Hirnmorphologie - Konsequenzen: Kognition (min. 2 SD unter Norm) - Sprache - Fein-/Grafomotorik - Lern-/Merkfähigkeit, Rechenfertigkeiten - Räumlich-visuelle Wahrnehmung - Exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit - Soziale Fertigkeiten/Verhalten - Genetische Syndrome - Häufig Assoziation mit prototypischen kognitiven Verhaltensprofilen - Unterschiedliche Vererbungsmuster: dominant-rezessiv, geschlechtsgebunden, polygenetisch, Chromosomenanomalien, Genanomalien, \... - Trisomie 21 (häufigste Chromosomenaberration) - - - - Häufiger Depression & Angststörungen, Autismus-Spektrum-Störung, ADHS - Beeinträchtigung sprachlicher Ausdruck, verbales Arbeitsgedächtnis, episodisches Gedächtnis - Gute visuelle Lernfähigkeiten - Störung perinataler Entwicklung: Asphyxie, Frühgeburt - Frühgeburt: vor 32. SSW &/oder \< 750g - 9,2% in DE vor 37. SSW - Erhöhtes Risiko für kognitive, behaviorale, psychosoziale Probleme (\< 50% Frühgeborener können Regelschule besuchen) - Konsequenzen für Hirnreifung: signifikant reduziertes Hirnvolumen in total, weißer & grauer Substanz (temporaler Kortex & PFC: Thalamus, Basalganglien, Cerebellum, Hippocampus, Amygdala) - Störung postnataler Entwicklung: Hirntumore, SHT, entzündliche Hirnerkrankungen, Stoffwechselstörungen - Epilepsie - Eine häufigster Erkrankungen im KJ-Alter (5% 1x/Kindheit) - Beginn: 75% vor 20. LJ -- abnehmend mit steigendem Alter -- zunehmend ab 60. LJ (monogenetisch bedingte Epilepsien mit frühkindlicher Manifestation (CDKL5)) - Kognitive Entwicklung: kein typisches Profil! - Positiver Verlauf kognitiver & psychosozialer Entwicklung bei guter medikamentöser Einstellung - ![](media/image90.png)Therapierefraktäre/-schwierige Epilepsien: Verhaltensauffälligkeiten, kognitive Defizite, schwere Entwicklungsbehinderung/Retardierung, Demenz, milde-keine Beeinträchtigungen (Absence-Epilepsie) - Frühe Erstmanifestation & hohe Anfallsfrequenz -\> meist schwere neuropsychologische Defizite - SHT - Doppelte stationäre Behandlungsrate -- aber Überlebensrate & Erholung (motorischer/sensorischer Fähigkeiten) besser als bei Erwachsenen - Leicht 90-95%, mittelschwer 3-5%, schwer 2% - Mögliche Konsequenz schweren SHTs: sekundäres Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (SADHD), v.a. Veränderungen in allgemeiner Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit & Gedächtnisleistung, Beeinträchtigung Problemlösefähigkeit, verbale Flüssigkeit, abstraktes Denken - Beeinträchtigung abhängig von Läsionsort - Ungenauere Vorhersage als bei Erwachsenen - Hirntumore - Lokalisation Einfluss auf funktionelle Bedeutung von Netzwerken - Infiltrierend vs. Verdrängend - Neurokognitive Veränderungen durch Erkrankung oder Behandlungsform möglich (auch langfristig) - Entzündliche Erkrankungen - Enzephalitis (Gehirn), Meningitis (Hirnhäute) - Durch Bakterien, Pilze, Viren: Masernvirus, Herpes-Simplex-Virus, virusinfizierte Zecke, HIV-Infektionen - Strukturelle Veränderungen nach Maservirus-Enzephalitis: verminderte graue Substanz im medialen temporalen Kortex + Amygdala, rechter inferiorer frontaler Gyrus, cingulärer Kortex d. Kinder- & jugendpsychiatrische Erkrankungen - Oft einhergehend mit typischem neuropsychologischen Defizitmuster - ADH/ADHS: Kontrolle unerwünschter/unangemessener Handlungsimpulse defizitär (erworben/SHT vs. Unklare Ätiologie - Autismus: stereotype Verhaltensmuster, Perseverationen - Gilles-de-la-Tourette-Syndrom: mangelnde Kontrolle einfacher/komplexer Bewegungen/Lautäußerungen (vermutetes Funktionsdefizit in Basalganglien) - Angeborene Dyslexie/Legasthenie - Häufigste Vorstellungen im ambulanten NP-Bereich - 5-10% in Europa (Annahme erblichen Anteils) - Ursache: Probleme phonologischer Bewusstheit - Stützen auf phonologische Repräsentation bei Leselern-Beginn -\> Abnahme mit zunehmender Lesefähigkeit - Verminderte Aktivität in linkem IFG & linkem inferioren parietalen Kortex -\> Assoziation mit phonologischer Verarbeitung geschriebener Wörter - Diagnostik über Diskrepanz-/Regressionskriterium e. Diagnostik - Besonderheiten - Altersabhängige Varianz von Retest-Reliabilitäten - Problematik Schätzung prämorbiden Niveaus - Häufiger Wiederholungseffekt - Normierungslücke 14-18J - Größere Bedeutung motivationaler Prozesse - Potentielle Testverfahren. Normierungen für Kinder bei vielen Tests vorhanden - Kinder-TAP, Trail-Making-Test für Kinder, Turm-von-Hanoi,.. VL 13: Gerontoneuropsychologie ============================== **Lernziele** - Modelle kognitiver Kapazität der Hirnentwicklung - Veränderung kognitiver Prozesse über Lebenszeit - Moderierende Einflussgrößen - Alzheimer Demenz a. **Einstieg** - Risikofaktoren für Demenz - Schätzungsweise 40% aller Demenzen durch Elimination 12 Risikofaktoren verhinderbar ![](media/image92.png) - Risikofaktoren für Volumenveränderung des Gehirns - Darstellung: Effektgröße ausgedrückt in %-Abweichung von erwartetem Volumen - Generalfaktor für kognitives Altern? - (a): Untersuchung mit Faktoren Alter & experimenteller Bedingungsvariation (Itemanzahl) - (b): Ergebnisse als Alt-Jung-Funktion: Erklärung Unterschiede zwischen Alt vs. Jung durch linearen Faktor b. **Gehirn & Kognition - Veränderung über Lebenszeit** - ![](media/image94.png)Modell der Hirnreserve (A) - Modell des Erhalts der Hirnfunktion (B) - Modell des Aufholens der Entwicklung (C) - Mathew-Prinzip (D): Vorteil zu Entwicklungsbeginn -\> größer über Lebenszeit; Nachteil zu Entwicklungsbeginn -\> auch größer - Altersbedingte Veränderungen variieren über kognitive Domänen hinweg - Geringe Verlangsamung: semantisches Gedächtnis - Starke Verlangsamung: episodisches Gedächtnis & exekutive Kontrollfunktionen - Altersbedingte Volumenänderung - Variation des Grads altersabhängiger Volumenabnahme grauer Substanz in Abhängigkeit von Lokalisation (Korrelation Strukturvolumen/Alter) c. **Kognitiv-amnestische Änderungen im Alter** - Intelligenz - 2-Faktoren-Modell (Cattell & Horn) - Fluide Intelligenz: intellektuelles Potential zum Neuerwerb von Wissen & Lösen neuartiger Probleme - Kristalline Intelligenz: Anwendung zuvor erworbenen Wissens auf aktuelles Problem - Theoretische Überlegung: Abnahme fluider Intelligenz ab 20J über Lebenszeit, kristallin zunehmend bis asymptotisch - Multidimensionales Intelligenzkonzept (Thurstone) - Verbales Verständnis (verbal meaning), Raumvorstellung (spatial orientation), induktives Denken (inductive reasoning), rechnerisches Denken (number), Wortflüssigkeit (word fluency) - Seattle Longitudinal Study (Schaie 1994) - Bis 40/Ende 3. Lebensjahrzeit Zunahme in allen Dimensionen - 53-60: beginnende Leistungsminderung in rechnerischem Denken & Wortflüssigkeit - Ab 60: sukzessiver Leistungsverlust in allen Dimensionen -- hohe interindividuelle Variabilität!! - Gedächtnis - Klagen über Verlust kognitiver Leistungsfähigkeit oft Gedächtnis betreffend - Bei Hirngesunden: Abbau Leistungsfähigkeit um 1-1,5 SD zwischen 3.-8. Lebensjahrzehnt - Hippocampus - Variation altersabhängiger Volumenänderung innerhalb Hippocampus - Moderation Alterseffektschätzungen über gesamte Lebensspanne durch Alter - Alterseffekte unter verschiedenen Gedächtnisanforderungen & neuroanatomische Grundlagen Zugriff auf semantische Info Abwesend/sehr gering (moderat im sehr hohen Alter) Moderate Effekte im Kortex, evt. Kompensation durch redundante Kodierung -------------------------------------------------------------------------------- ---------------------------------------------------- -------------------------------------------------------------------------------------------- Zugriff auf lexikalische Info & Wiederholungs-Priming Gering-moderat Moderate Effekte in kortikalen Regionen, redundante Kodierung nicht mgl. Reines Enkodieren & Zugriff auf deklarative Info moderat Moderat in kortikale & medial-temporale Regionen Enkodieren & Zugriff auf deklarative Info unter hohen exekutiven Anforderungen groß Moderat in kortikalen & medial-temporalen Regionen, große Effekte in präfrontalen Regionen - Prospektives Gedächtnis - Aufmerksamkeit - Keine einheitlichen Befunde - Widersprüchliche Befunde zu Daueraufmerksamkeit -- Tendenz: Reduzierung - Scheinbare Beeinträchtigung selektiver Aufmerksamkeit: erhöhte Ablenkbarkeit älterer Menschen - Vergleichbar hohe kognitive Kosten durch höhere Aufgabenkomplexität bei jung & alt - Einfluss von Alter in Abhängigkeit von Aufmerksamkeitsfunktion variierend (Stroop \> dual task \> negative Priming) - Exekutive Funktionen/kognitive Kontrolle - Altern -\> Assoziation mit Leistungseinbußen kognitiver Kontrollfunktionen: Interferenzanfälligkeit, Arbeitsgedächtnis, Handlungsplanung, dual-task Aufgaben - Task-switching: bei Aufgabenwechsel Reaktionszeitzunahme, aber nicht keine Veränderung in Antwortqualität oder RT-Verhältnis (switch/repeat trials) - Gambling task (Entscheidungsverhalten): - Jung: von schlechten zu guten Decks im Spielverlauf - Ältere: keine Verschiebung in Entscheidungsfindung -- weiterhin etwa gleich aus guten/schlechten Decks - Ältere ohne Beeinträchtigung: von schlechte zu guten Decks - Ältere mit Beeinträchtigung: keine - Sprache: Erhalt Wissensstruktur - Beeinträchtigung ad-hoc-Verarbeitung & Manipulation vorhandener Info - Visuell-räumliche Fähigkeiten: visuokonstruktive Fähigkeiten, visuelle Suche - Kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit - Soziale Kognition - Uneinheitliche Befunde -- Hypothese: Altersweisheit/Expertenwissen bzgl. Lebenspragmatik - Methodische Probleme - Große Variabilität Leistungsspektrum - Keine ausreichende Differenzierung durch psychometrische Normen: wünschenswerte Differenzierung in junge Alte (65-75), alte Alte (75-85), älteste Alte (\>85) - Erkennung präklinischer Beeinträchtigungen d. **A

Use Quizgecko on...
Browser
Browser