MEX - Das Mündliche Examen - Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie PDF
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2019
Lars Töpfer, André Remus, Markus Boldte, Ulrike Kaiser
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This is a guide for medical students preparing for oral exams in various medical specialties, including anesthesia, intensive care, emergency medicine, and pain management. The book covers facts, tips, practice questions and answers, and case examples. The 2nd edition includes updated content from 2019.
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Das Mündliche EXamen Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie 2. AUFLAGE Dr. Lars Töpfer Dr. André Remus Markus Boldte Dr. Ulrike Kaiser Patrick Keppeler Dr. Philipp Pfeiffer Dr. Caterina Reuchsel Dr. Jens Vater Inhaltsverzeichnis Cover Haupttitel Series Page Impres...
Das Mündliche EXamen Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie 2. AUFLAGE Dr. Lars Töpfer Dr. André Remus Markus Boldte Dr. Ulrike Kaiser Patrick Keppeler Dr. Philipp Pfeiffer Dr. Caterina Reuchsel Dr. Jens Vater Inhaltsverzeichnis Cover Haupttitel Series Page Impressum Vorwort Abkürzungen Abbildungsnachweis Kapitel 1. Mündliche Prüfung: Fakten und Tipps 1.1. Fakten zur Mündlichen Prüfung 1.2. Was bedeutet die Prüfung formal? 1.3. Was bedeutet die Prüfung persönlich? 1.4. Die Prüfungsvorbereitung 1.5. Die Prüfung Kapitel 2. Diagnostik, Methoden und Verfahren in der Anästhesiologie 2.1. Anästhesie 2.2. Intensivmedizin 2.3. Notfallmedizin 2.4. Schmerztherapie Kapitel 3. Die wichtigsten Leitsymptome 3.1. Benutzerhinweise 3.2. Anästhesie 3.3. Notfallmedizin 3.4. Schmerztherapie Kapitel 4. Die wichtigsten Fälle der AINS 4.1. Prämedikation 4.2. Periduralanästhesie im Kreißsaal 4.3. Laparoskopische Tubensterilisation 4.4. Postoperativ verzögertes Erwachen 4.5. Polytrauma 4.6. Sehr tiefer Schlaf 4.7. Intraoperatives Fieber 4.8. Postoperative Akutschmerztherapie 4.9. Akutes Abdomen 4.10. Intubationsschwierigkeiten 4.11. Wöchnerin mit Kopfschmerzen 4.12. Atemnot und Schwellung im Gesicht 4.13. Knie-Arthroskopie 4.14. Postoperative Agitation 4.15. Thorakoskopie mit Lungenbiopsie 4.16. Kreislaufschwäche während der Narkose 4.17. Cholezystektomie während der Schwangerschaft 4.18. Bewusstlosigkeit und Krampfanfall 4.19. Plötzliche Luftnot und Thoraxschmerzen 4.20. Akuter Schwindel mit Bewusstseinsstörung 4.21. Präoperative Nüchternheit 4.22. Chronische Rückenschmerzen 4.23. Herzalarm auf internistischer Station 4.24. Erbrechen im Aufwachraum 4.25. „Umgekippt“ 4.26. Blutspenderausweis? Kapitel 5. Die wichtigsten Fragen der AINS 5.1. Anästhesie 5.2. Intensivmedizin 5.3. Notfallmedizin 5.4. Schmerztherapie Kapitel 6. Dosierungen 6.1. Medikamente in der Anästhesie 6.2. Medikamente der Schmerztherapie Register Series Page In der Reihe MEX – Das M ündliche EX amen sind bislang weitere Titel erschienen: Allgemeinmedizin Gynäkologie und Geburtshilfe Innere Medizin und Chirurgie Neurologie Orthopädie und Unfallchirugie Psychiatrie Bildgebende Verfahren in der Medizin Impressum Elsevier GmbH, Hackerbrücke 6, 80335 München, Deutschland Wir freuen uns über Ihr Feedback und Ihre Anregungen an: [email protected] ISBN 978-3-437-41822-8 Alle Rechte vorbehalten 2. Auflage 2019 © Elsevier GmbH, Deutschland Wichtiger Hinweis für den Benutzer Ärzte/Praktiker und Forscher müssen sich bei der Bewertung und Anwendung aller hier beschriebenen Informationen, Methoden, Wirkstoffe oder Experimente stets auf ihre eigenen Erfahrungen und Kenntnisse verlassen. Bedingt durch den schnellen Wissenszuwachs insbesondere in den medizinischen Wissenschaften sollte eine unabhängige Überprüfung von Diagnosen und Arzneimitteldosierungen erfolgen. Im größtmöglichen Umfang des Gesetzes wird von Elsevier, den Autoren, Redakteuren oder Beitragenden keinerlei Haftung in Bezug auf jegliche Verletzung und/oder Schäden an Personen oder Eigentum, im Rahmen von Produkthaftung, Fahrlässigkeit oder anderweitig übernommen. Dies gilt gleichermaßen für jegliche Anwendung oder Bedienung der in diesem Werk aufgeführten Methoden, Produkte, Anweisungen oder Konzepte. Obwohl alle Werbemittel mit ethischen (medizinischen) Standards übereinstimmen, stellt die Erwähnung in dieser Publikation keine Garantie oder Anerkennung der Qualität oder des Werts dieses Produkts oder der Aussagen der Herstellerfirmen dar. Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Verlag keine Gewähr. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (®). Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de/ abrufbar. 19 20 21 22 23 54321 Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint. Planung und Konzept: Veronika Rojacher, München Projektmanagement und Herstellung: Sibylle Hartl, München Redaktion und Register: Michaela Mohr/Michael Kraft, mimo-booxx|textwerk., Augsburg; Dr. Nikola Schmidt, Berlin Satz: abavo GmbH, Buchloe Druck und Bindung: Drukarnia Dimograf Sp. z o. o., Bielsko-Biała, Polen Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelgrafik: © istockphoto.com/retrorocket Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.com www.elsevier.de Vorwort Die meisten von uns gehen wohl zumindest mit einem mulmigen Gefühl in eine mündliche Prüfung. Im Gegensatz zum schriftlichen Examen bietet diese Form der Prüfung keine Anonymität, was vor allem bedeutet, dass die Prüfer jederzeit unerwartete Nachfragen stellen und so herausfinden können, wie tief das Wissen wirklich reicht. Und trotz aller Versuche, eine Objektivierbarkeit dieser Prüfungsform herzustellen, wird sich eine subjektiv gefärbte Einschätzung des Prüfers wohl nie ganz vermeiden lassen. Gegen diese Unwägbarkeiten können Sie sich vor allem mit fundiertem Fachwissen wappnen. Allerdings ist die Zeit bis zur Prüfung meist so knapp, dass es unmöglich ist, ein komplettes Lehrbuch von vorn bis hinten durchzuarbeiten. Und schwieriger ist es noch, zu entscheiden, welches Detail gerade für die mündliche Prüfung relevant ist. Wir haben daher für das MEX zahlreiche (und es waren wirklich viele) Protokolle mündlicher Prüfungen ausgewertet und den nicht prüfungsrelevanten „Ballast“ abgeworfen. Das war nicht immer einfach, da wir uns bisweilen eingestehen mussten, dass ein persönliches Lieblingsthema nicht prüfungsrelevant ist. Dafür haben wir uns auf all die Themen konzentriert, die die Prüfer in der mündlichen Prüfung auch tatsächlich abfragen und mit denen Sie Ihre Prüfung meistern werden. Diese Themen haben wir dazu noch in ihrer Tiefe so aufbereitet, wie sie auch typischerweise gefragt werden; manchmal tiefer gehend und manchmal eher auf das Grundverständnis ausgelegt. Durch die Mischung aus Lehrbuchtext, Flussdiagrammen, Fallbeispielen und Fragen und Antworten lernen Sie die komplette Bandbreite der Prüfungsinhalte kennen und werden einige Themen auch noch einmal aus einem anderen Blickwinkel kennen und verstehen lernen. Für die Rückmeldungen zur 1. Auflage möchten wir uns ganz herzlich bedanken. Wir konnten dadurch einen guten Eindruck gewinnen, wo unser Konzept erfolgreich war und wo wir es noch besser machen können. Neben kleineren Anpassungen und Aktualisierungen im gesamten Buch ist dabei ein neues Kapitel ( Kap. 6 ) entstanden, in dem wir alle prüfungsrelevanten Dosierungen der Anästhesie und Schmerztherapie in kompakter Form zusammengetragen haben. Und da Fachwissen eben nicht der einzig ausschlaggebende Faktor für eine erfolgreiche mündliche Prüfung ist, erhalten Sie gleich im ersten Kapitel dieses Buches wertvolle Fakten und Tipps, die wir als Studenten auch schon gerne gehabt hätten und die uns spätestens die letzte Nacht vor der Prüfung etwas ruhiger hätten schlafen lassen. Wir wünschen Ihnen eine möglichst stressfreie Prüfungsvorbereitung, eine erfolgreiche Prüfung und drücken Ihnen die Daumen. Für die Autoren Berlin, Frühjahr 2019 Lars Töpfer Abkürzungen A ACS akutes Koronarsyndrom AKI Acute Kidney Injury ALS Advanced Life Support ARDS akutes Lungenversagen ASA American Society of Anesthesiologists ASB Augmented Spontaneous Breathing ATLS Advanced Trauma Life Support AZ Allgemeinzustand B bds. beidseits, beidseitig BE Base Excess BGA Blutgasanalyse BIS Bispektralindex BLS Basic Life Support BPS Behavioural Pain Scale BWS Brustwirbelsäule C CAM-ICU Confusion Assessment Method for the ICU cCT kraniale Computertomografie Ch Charrière COPD chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) CPAP Continuous Positive Airway Pressure CPP zerebraler Perfusionsdruck CPR kardiopulmonale Reanimation CRPS komplexes regionales Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome) CSE kombinierte Spinal-Epidural-Anästhesie CTG Kardiotokografie D d Tag/e DBS Double Burst Stimulation DES Drug Eluting Stent DIC disseminierte intravasale Gerinnung DLT Doppellumentubus E ECMO extrakorporale Membranoxygenierung EDA Epiduralanästhesie EVLW extravaskuläres Lungenwasser EZ Ernährungszustand F FFP Fresh Frozen Plasma G GCS Glasgow Coma Score/Scale GEDV globales enddiastolisches Volumen GFR glomeruläre Filtrationsrate GLOA ganglionäre lokale Opioidanalgesie GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase H h Stunde/n HBO hyperbare Oxygenierung HELLP Hemolysis, Elevated Liver Enzymes, Low Platelets HPV hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion HRST Herzrhythmusstörung/en HWS Halswirbelsäule HZV Herzzeitvolumen I ICP intrakranieller Druck ICU Intensive Care Unit ID Innendurchmesser i. d. R. in der Regel i. m. intramuskulär ILMA Intubationslarynxmaske insb. insbesondere i. v. intravenös J J Joule J. Jahr/e K KDIGO Kidney Disease: Improving Global Outcomes KG Körpergewicht KHK koronare Herzkrankheit L l Liter LA Lokalanästhetikum/Lokalanästhetika LWS Lendenwirbelsäule M MAC minimale alveoläre Konzentration max. maximal MET metabolisches Äquivalent MH maligne Hyperthermie Min. Minute/n mind. mindestens Mon. Monat/e N NDMR nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien NIBP nichtinvasive Blutdruckmessung NIV nichtinvasive Beatmungstherapie NLA Neuroleptanästhesie NRS Numerische Rating Skala NSAR nichtsteroidale Antirheumatika NSTEMI Non ST-Elevation Myocardial Infarction O OSAS obstruktives Schlafapnoesyndrom P PAK Pulmonalarterienkatheter PCA patientenkontrollierte Analgesie (Patient Controlled Analgesia) PCEA patientenkontrollierte Epiduralanalgesie (Patient Controlled Epidural Analgesia) PCI perkutane koronare Intervention PDA Periduralanästhesie PDK Periduralkatheter PEA pulslose elektrische Aktivität PEEP positiver endexspiratorischer Druck PMR progressive Muskelrelaxation p. o. per os, peroral PONV postoperative Übelkeit und Erbrechen PPSB Prothrombinkomplexpräparat R RASS Richmond Agitation Sedation Scale RG Rasselgeräusche RR Blutdruck RSI Rapid Sequence Induction S SAB Subarachnoidalblutung s. c. subkutan s. l. sublingual SMP sympathisch unterhaltener Schmerz (Sympathetically Maintained Pain) SOFA Sequential Organ Failure Assessment (SOFA-Score) SPA Spinalanästhesie SSRI selektive Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer STEMI ST-Elevation Myocardial Infarction SV Schlagvolumen T TAA Tachyarrhythmia absoluta TEE transösophageale Echokardiografie TENS transkutane elektrische Nervenstimulation TIVA totale intravenöse Anästhesie TNS transitorisch neurologisches Syndrom TOF Train of four V v. a. vor allem V. a. Verdacht auf VAP ventilatorassoziierte Pneumonie VAS Visuelle Analogskala VES ventrikuläre Extrasystole VF Kammerflimmern VHF Vorhofflimmern VT ventrikuläre Tachykardie Z ZAS zentrales anticholinerges Syndrom Z. n. Zustand nach ZVD zentraler Venendruck ZVK zentraler Venenkatheter Abbildungsnachweis Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Abbildungen im Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern. Die Flussdiagramme in Kapitel 3 wurden von Henriette Rintelen, Velbert, und Stefan Dangl, München, erstellt. F781– Maconochie, I. K.: Lebensrettende Maßnahmen bei Kindern („paediatric life support“); in: Notfall & Rettungsmedizin, Vol. 18, Issue 8, p. 932– 005 963, Springer, 2015. F781– Soar, J.: Erweiterte Reanimationsmaßnahmen für Erwachsene („adult advanced life support“); in: Notfall und Rettungsmedizin, Vol. 18, Issue 8, 006 p. 770–832, Springer, 2015. Wulf, H./Neugebauer, E./Maier C.: Die Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. Empfehlungen einer G196 Expertenkommission. Thieme, Stuttgart 1997. G633 Deakin, C.: Clinical Notes for the FRCA. Churchill Livingstone. 2011. L106 Henriette Rintelen, Velbert. L126 Dr. med. Katja Dalkowski, Erlangen. L141 Stefan Elsberger, Planegg. L157 Susanne Adler, Lübeck. L231 Stefan Dangl, München. L235 Willi Schittek, Duisburg. L253 Dr. Wolfgang Zettlmeier, Barbing. M500 Prof. Dr. med. Günter W. Kauffmann, Radiologische Universitätsklinik, Universität Heidelberg. O646 Dr. med. Jens Vater, Heidenheim a. d. Brenz. O647 Dr. med. Lars Töpfer, Berlin. O649 Patrick Keppeler, Ansbach. W895 Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Nürnberg. KAPITEL 1 Mündliche Prüfung Fakten und Tipps Jörg W. Oestmann, und Lisa Link Im Folgenden finden Sie alle wichtigen Fakten rund um die Mündliche Prüfung. Der Text setzt sich zusammen aus Tipps von einem Prüfling und einem Prüfer. 1.1. Fakten zur Mündlichen Prüfung Das dritte Staatsexamen bildet den krönenden Abschluss Ihres Studiums: ein Jahr praktische Erfahrung mit dem theoretischen Detailwissen, das man sich bereits für das IMPP im zweiten Staatsexamen aneignen musste, führt nun hin auf die finale Prüfung, in der man seine Kompetenz als zukünftiger Assistenzarzt unter Beweis stellen muss. Für die meisten zählt in der Vorbereitung einfach nur das Bestehen der Ärztlichen Prüfung. Und doch gelingt es vielen, hier ihre Gesamtnote zu verbessern. Das Lernen für diese Prüfung unterscheidet sich deutlich von allen anderen vorhergehenden Prüfungen: Alles, was Sie nun lernen und üben, werden Sie auch in der Klinik benötigen. Nichts ist umsonst. Die Prüfung wird an zwei aufeinanderfolgenden Tagen abgehalten und umfasst für jeden Prüfling 45 bis 60 Minuten. Am ersten Tag erfolgt die Prüfung als Patientenvorstellung (meist direkt am Krankenbett), anschließend werden klinisch-praktische Aufgaben (z. B. einzelne Organsysteme voruntersuchen) und patientenbezogene Fragen aus den vier Fächern sowie klinisch-theoretische Fragen und Fragen aus den Querschnittsbereichen gestellt. Plus Anforderungen laut aktueller Approbationsordnung: 1. Diagnosegang inklusive Differenzialdiagnostik: – Anamneseerhebung – Klinische Untersuchung – Ärztliche Gesprächsführung – Interpretation von Laborergebnissen 2. Kenntnisse der Pathophysiologie 3. Therapieprinzipien – Indikationen zu konservativer oder operativer Therapie – Pharmaka und Regeln des Rezeptierens – Gesundheitsökonomische Aspekte – Koordinierung von Behandlungsabläufen 4. Prävention, Rehabilitation und Medizinethik In Kürze zusammengefasst: Theoretisch können Sie alles geprüft werden, der durchschnittliche Ablauf orientiert sich aber am ersten Tag ganz klar an der Patientenvorstellung am Krankenbett. Der zweite Tag findet meist in einem Seminarraum statt. 1.2. Was bedeutet die Prüfung formal? Die Zahlenwerte des Physikums, des zweiten und des dritten Staatsexamens werden addiert und die Summe durch drei geteilt. Die Gesamtnote wird bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma errechnet. 1.3. Was bedeutet die Prüfung persönlich? Während man sich auf die schriftlichen Examina mittels Altfragen des IMPP bestens vorbereiten kann, erwartet einen bei mündlichen Prüfungen immer zunächst ein großes schwarzes Loch. Wer wird der Prüfer sein; was verlangt er fachlich, formal, persönlich? Wie setzt sich die Prüfungsgruppe zusammen? Ist sie gut gemischt, hat man Sorgenkinder dabei oder muss man sich an Überfliegern messen lassen? Wie verhalte ich mich selbst in der Prüfung; bin ich souverän, ängstlich oder völlig blockiert? Gleichzeitig ist das dritte Staatsexamen die letzte Möglichkeit, Einfluss auf die Note und damit den weiteren Karriereverlauf zu nehmen. Für viele Studenten wird erst im PJ wirklich klar, welche Ziele sie ansteuern möchten – sie haben nun die Gelegenheit, diesen auch ein Stück näher zu kommen. Wer eine Unikarriere anstrebt, hat naturgemäß ein großes Interesse an einer guten Abschlussnote; wer eine Stelle im Wahlfach sucht, möchte vielleicht die Chance auf ein Vorstellungsgespräch beim entsprechenden Prüfer erhöhen; und viele wollen nach sechs bis sieben Jahren Studium einfach eine gute Note als Beweis dafür, was sie geleistet haben. Es schadet sicher nicht, sich einmal mit den eigenen Ansprüchen auseinanderzusetzen und einen realistischen Blick walten zu lassen – oft lässt sich der große persönliche Druck dadurch reduzieren. Darüber hinaus ist die Mündliche Prüfung der letzte Check vor dem Eintritt ins Berufsleben. Bei den allermeisten wird das Ergebnis gut ausfallen und sie können mit Stolz auf dieses Feedback von meist sehr erfahrenen und kompetenten Kollegen zurückblicken. 1.4. Die Prüfungsvorbereitung Der Brief kommt Die wirklich heiße Phase der Prüfungsvorbereitung beginnt mit Eintreffen des Briefes. Je nach Universität erfahren Sie etwa zehn Tage vor dem Prüfungstermin die Namen der Prüfer und – neben der Inneren Medizin, der Chirurgie und Ihrem Wahlfach – das zugeloste Fach. An den meisten Universitäten können Sie nun mithilfe der Fachschaft, von Onlineforen oder sonstigen Informationswegen auch die Namen Ihrer Mitprüflinge erfahren. Anschließend besorgen Sie sich umgehend die Protokolle Ihrer Prüfer bei Ihrer Fachschaft. Viele Fachschaften haben hierfür Onlineportale, über die auch die Bezahlung/Kaution abgewickelt wird; wer nach der Prüfung sein eigenes Protokoll abliefert, bekommt die Kaution wieder ausbezahlt. Dies sichert nachhaltig die Solidarität unter den Jahrgängen. Prüferauswahl Das jeweilige Landesprüfungsamt schreibt alle potenziellen Prüfer an, die daraufhin angeben, wann sie keine Zeit haben. Zu allen anderen Zeitpunkten können sie eingeteilt werden. Die Hochschullehrer sind zu den Prüfungen gesetzlich verpflichtet – es müssen also alle „ran“. Nur außergewöhnliche Belastungen (Dekan, ärztlicher Direktor etc.) werden als Begründung für eine generelle Befreiung akzeptiert. Üblicherweise wird vom Amt auch ein potenzieller Vertreter bestimmt. Kann der Prüfer oder sein Vertreter nicht erscheinen, ist das dem Landesprüfungsamt rechtzeitig mitzuteilen. Die Zusammensetzung der Prüfungskommission wird nur durch die zu prüfenden Fächer bestimmt, nicht durch Personen. Es gibt also keine „eingespielten“ Kommissionen. In kleineren Fakultäten mag das gezwungenermaßen gelegentlich anders ein – etwa, wenn es nur sehr wenige Hochschullehrer für ein Fach gibt. In großen Fakultäten kann es vorkommen, dass sich die Prüfer kaum kennen. Für beamtete Hochschullehrer sind die Prüfungen Teil ihrer Dienstpflichten. Die anderen Hochschullehrer erhalten eine geringe Kostenaufwandsentschädigung. Mit etwas Glück gibt es allerdings Getränke und Kekse während der Prüfungssitzung. Die Gruppendynamik innerhalb der Prüfergruppe ist ebenfalls nicht unwichtig. Junge unerfahrene Prüfer stehen unter besonderem Stress und können aus der Rolle fallen – im Benehmen oder in der Auswahl ihrer Fälle. Ein erfahrener Vorsitzender wird dann eingreifen. Jedem Prüfer ist bewusst, dass die eigenen Fragen auch von den Kollegen mit Interesse angehört werden. Nicht selten lernen auch Prüfer selbst etwas über die anderen Prüfungsfächer hinzu. Kontaktaufnahme mit den Prüfern Sobald sich alle Prüflinge eingefunden und untereinander kommuniziert haben, sollte man Kontakt zu den Prüfern aufnehmen: Die Mitglieder der Prüfungsgruppe besuchen den Prüfer auch gemeinsam zu einem Vorgespräch, nachdem Sie per Telefon geklärt haben, ob er das wünscht. Diese Nachfrage sollten Sie keinesfalls unterlassen. Nicht nur, um zu dokumentieren, dass Sie die üblichen Umgangsformen beherrschen, sondern im Wesentlichen, um Informationen über den Prüfer und verschlüsselte Informationen über den Prüfungsinhalt zu bekommen. Der Prüfer und sein Fach kommen in der Prüfung am besten heraus, wenn im entsprechenden Fach besonders viel gewusst wird. Dafür wird so mancher Informationsbrocken im Vorgespräch ausgeworfen. Die Frage „Welches Buch empfehlen Sie uns?“ sollte in dem Vorgespräch nicht fehlen. „Welche Aspekte der Prüfung sind für Sie besonders wichtig?“ darf ebenfalls gefragt werden, ohne dem Prüfer zu nahe zu treten. Mit etwas Glück werden dann die möglichen Schwerpunkte der Prüfung genannt. Bedauerlicherweise gibt es erstaunlich viele Studenten, die diese mehr oder weniger deutlichen Hinweise weder erkennen noch beherzigen. Wird dies in der Prüfung offenbar, kann mit Mitleid nicht gerechnet werden – der Prüfer wird mit Recht an der Praxistauglichkeit des Prüflings zweifeln. Manche Prüfer legen auf das Vorgespräch keinen Wert oder meinen, die Zeit dafür nicht erübrigen zu können. Das ist ihnen überlassen. Derjenige, der das Gespräch erwartet, wird in einer Prüfung auf ihm unbekannte Studenten verschnupft reagieren. Die Prüfungsgruppe Es bleibt natürlich jedem selbst überlassen, ob er sich lieber allein oder in der Gruppe vorbereitet und ob es die Prüfungsgruppe sein muss oder lieber eine selbst gewählte Konstellation. Die Vorteile der Vorbereitung in der Prüfungsgruppe liegen jedoch klar auf der Hand: 1. Man kennt sich und hat so im Idealfall ein paar sympathische Leidensgenossen als moralische Stütze im Rücken, wenn es losgeht. 2. Acht Augen sehen mehr als zwei: Sie werden überrascht sein, wie viele Schwerpunkte, Themen und/oder Tipps Sie gemeinsam in den Protokollen entdecken, die Ihnen allein überhaupt nicht aufgefallen wären. Meist hat auch jeder einen individuellen Wissensschwerpunkt, von dem die anderen profitieren können. 3. Sie trainieren Ihre Präsentation und Ausdrucksweise in einer realistischen Prüfungssimulation. Die wenigsten von uns beherrschen das wirklich zufriedenstellend – nutzen Sie diese Chance! Als Prüfer wird man mit einer studentischen „Prüfungsgruppe“ konfrontiert, über die man primär wenig oder gar nichts weiß. Trotzdem entwirft die Gruppe in kürzester Zeit ein Bild von sich, das Gefallen oder Nichtgefallen auslösen kann. Dem Idealbild einer Prüfungsgruppe in der Fantasie des Hochschullehrers entspricht wohl die mehr oder minder befreundete Notgemeinschaft, deren Mitglieder sich zumindest teilweise zusammen vorbereitet haben und einigermaßen harmonieren. Sie gehen freundlich miteinander um, grenzen keinen aus und erscheinen gemeinsam zur Prüfung. Sie haben in einem Korb eine Flasche Sekt und Gläser dabei, um direkt danach kurz zu feiern. Die Prüflinge stützen sich gegenseitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Die Vorbereitung Je nachdem, wie viele Prüfungen der Dozent bereits bestritten hat, bekommen Sie mehr oder weniger Material von Ihren Vorgängern. Alte Hasen können schon mal einen dicken Stapel Protokolle im Archiv haben, junge Prüfer haben gegebenenfalls noch gar keine „Akte“. Lassen Sie sich nicht entmutigen: viele Protokolle benötigen auch viel Zeit zum Durcharbeiten – dafür bekommen Sie oft ein recht genaues Bild, welche Ansätze der Prüfer verfolgt. Wenige oder gar keine Protokolle verheißen dagegen meist einen jüngeren Prüfer – diese können sich manchmal noch besser erinnern, was man als Student wissen sollte, und was schon zum Facharztkatalog gehört; trotzdem sind sie schwieriger einzuschätzen. Je jünger die Prüfer sind, desto näher sind sie in der Regel der Forschung – und der eigenen Habilitation. Wer also besonders professionell vorgehen will, der sollte eine Literaturrecherche zu seinen Prüfern machen. Lesen Sie sich in die Thematik ein. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, in der Prüfung einige Dinge aus diesem Bereich – extrem subtil und wie nebenbei – einzustreuen. Nicht nur wird der Prüfer über Ihr Wissen hocherfreut sein, er wird auch gegenüber seinen Kollegen im Gremium dokumentieren können, welche immense Relevanz sein Forschungsthema hat. Wenn die Fragen zum Thema zu speziell werden, bitten Sie freundlich um Verständnis dafür, nicht ganz in die Tiefe eingedrungen zu sein. Er wird Sie wahrscheinlich etwas behutsamer durch den Rest der Prüfung führen, um den guten Eindruck nicht zu ruinieren. Wenn Sie das Ganze zu plump machen, ist der Effekt natürlich dahin. Ältere Prüfer mit längerer Erfahrung sowohl in der Klinik als auch im Prüfungsgeschehen bleiben gewöhnlich dicht an den klinisch relevanten Aspekten. Zu ihnen gibt es auch mehr Unterlagen bei den einschlägigen Stellen. Merke Bedenken Sie bei aller Lektüre, dass die Verfasser der Protokolle diese häufig noch unter dem frischen Eindruck der Freude/Enttäuschung formulieren und damit oft wenig objektiv sind. Ein „fieses“ Protokoll bedeutet noch lange nicht, dass der Prüfer wirklich bösartig ist! Prinzipiell kann man sicher sagen, dass die wenigsten Prüfer ein Interesse daran haben, Studenten durchfallen zu lassen. Sie sehen einen eher bereits als zukünftigen Kollegen. Und genau diese Vision dürfte auch in die Bewertung mit einfließen: Wenn dieser Prüfling nächste Woche auf meiner Station anfängt, muss ich um meine Patienten fürchten, oder kann ich mich über diesen Glücksgriff freuen? Versuchen Sie also, Ihre Gedanken klinisch orientiert und strukturiert vorzubringen. Der Eindruck als „Kollege“ zählt. Inhaltliche Vorbereitung Im Idealfall haben Sie nach dem Studium der Protokolle und dem persönlichen Eindruck aus dem Vorgespräch eine gute Vorstellung davon, welche Schwerpunkte Ihr Prüfer setzen wird. Beschränkt er sich auf Teilgebiete oder schließt er ganze Themenfelder aus, ist das natürlich schön – allerdings wird dann auch häufig mehr Detailwissen verlangt. Protokolle und mündliche Aussagen sind in keinem Fall verbindlich; um unangenehme Überraschungen parieren zu können, sollte neben der spezifischen Vorbereitung auf die vier Prüfer also auch noch etwas Platz für Basics aus den anderen Bereichen sein. Merke Als Faustregel gilt: Notfälle und Definitionen müssen sitzen. Wer dem Unfallchirurgen nichts zur Appendizitis sagen kann oder sich vor dem Kardiologen mühsam Definition und Management des akuten Abdomens zusammenreimt, hat schnell schlechte Karten – da helfen auch Details zur dynamischen Hüftschraube oder den Antiarrhythmika nichts. Natürlich hat jeder so seinen Fundus an Fragen und Lieblingsthemen. Je kleiner das Fach ist, desto begrenzter müssen logischerweise die Prüfungsthemen sein, wenn das Ausbildungsziel des Medizinstudiums der Allgemeinmediziner ist. Manche Kollegen haben genaue Vorstellungen, welche wesentlichen Aspekte ihres Faches jeder Allgemeinmediziner wissen und beherzigen sollte. Das können ganz wenige sein. Wenn die beherrscht werden, sind sie hochzufrieden. Vorbereitung der Präsentation Was wäre der Worst Case in der Prüfung? Definitiv ein Blackout, da kann auch ein netter Prüfer nichts daraus basteln. Aber auch den Faden zu verlieren oder wichtige Fakten zu vergessen, ist nicht unbedingt hilfreich. Ein anspruchsvoller Prüfer, der die Tiefen des Unwissens auslotet oder einen aus unbekannten Gründen auf dem Kieker hat, zählt sicher auch zu den Schreckensszenarios, die man sich vorher ausmalt. Nüchtern betrachtet kommt es also auf Konzentration und die Gunst des Prüfers an. Beides kann man mit einfachen Mitteln erreichen: eine klare Struktur. Wer ein Thema strukturiert vortragen kann, vergisst nichts, wirkt souverän und kann gegebenenfalls manche Schwachstelle unauffällig umschiffen. Gleichzeitig geht man dem Prüfer nicht mit unzusammenhängenden Fakten auf die Nerven und vermeidet auch, Angriffsfläche durch fehlerhafte oder ungenaue Aussagen zu bieten. Was zählt ist also die Art und Weise, wie Sie sich präsentieren. Arrogant, selbstsicher, schüchtern? Ausschweifend, präzise, zu knapp? Schätzen Sie sich selbst ein und bitten Sie um ehrliches Feedback Ihrer Mitprüflinge. Und dann üben: allein, vor dem Spiegel, in der Lerngruppe – egal. Packen Sie die Themen, die potenziell drankommen, in ein Gerüst (z. B. Definition + knappe Ätiologie, Symptomatik, Diagnostik, Therapie) und halten Sie sie als kleine Kurzvorträge, bis Sie sich sicher fühlen. Merke Am Ende sollten Sie in der Lage sein, präzise auf die Fragen Ihres Prüfers einzugehen, ohne starr im Korsett Ihres Schemas hängen zu bleiben. Bleiben Sie flexibel und lassen Sie sich nicht verunsichern: Wenn Sie auf eine Frage gar nicht antworten können, bitten Sie um Hilfestellung. Verlangt ihr Prüfer Schlagworte, fassen Sie sich kurz; stellt er eine offene Frage, nutzen Sie die Chance und präsentieren Sie Ihr Hintergrundwissen. Geben Sie im Zweifel auch einmal zu, etwas nicht zu wissen – das kommt oft besser an und ist geschickter als sich selbst um Kopf und Kragen und den Prüfer um seine Zeit und seine Nerven zu reden. Spürt der Prüfer bei Ihnen in einem Gebiet große Schwächen, kann er entweder die „Schwäche weiter explorieren“ oder zu einem anderen Thema wechseln und Ihnen damit eine neue Chance geben. Diese Entscheidung ist für Sie von großer Relevanz, kleinste Faktoren können dabei den Ausschlag geben. Besser ist es in jedem Fall, ein sympathisches Bild von sich zu entwerfen. Zum Abschluss ein kleiner Rat: Tauchen Sie in der Prüfungsvorbereitung so tief in das Fach ein, dass Sie die Faszination des Gebietes spüren und dem Prüfer vermitteln können. Dann sind Sie auf dem richtigen Kurs. 1.5. Die Prüfung Je nach Universität und Prüfungsvorsitz erhalten Sie Ihren Patienten einige Tage bis wenige Stunden vor der Prüfung, manchmal bekommt man ihn auch erst direkt in der Prüfung. Regelhaft handelt es sich um Patienten, die der Prüfungsvorsitzende in seinem Bereich betreut. Gelegentlich sind die Patienten der Prüfung andere als die von Ihnen bereits untersuchten. Die Vorbereitungszeit beeinflusst dementsprechend das Niveau der Fragen: Wer sich einen ganzen Tag in die Diagnosen seines Patienten einlesen konnte, muss mehr liefern als der spontan befragte Prüfling. Nach Anamnese und körperlicher Untersuchung geht es an die Akteneinsicht und schließlich an das Verfassen des Berichtes. Am ersten Tag wird die Prüfung maßgeblich von Ihrem Fall handeln, bereiten Sie sich also möglichst gut auf die Diagnosen Ihres Patienten vor, falls Sie die Möglichkeit dazu haben. In Anamnese und Untersuchung sollten Sie gezielt alle vier Fachbereiche abfragen, um Ihren Prüfern schöne Stichworte liefern zu können. Vor allem im zugelosten Fach können Sie so die Chancen auf ein von Ihnen vorbereitetes Thema erhöhen und kaschieren damit die eventuell bestehenden Lücken. Ihr chirurgischer Patient hat eine Tochter mit Mammakarzinom und Ihr zugelostes Fach ist Gynäkologie? Sehr schön, das kommt gleich in die Familienanamnese. Die Patientenakte hat der Prüfungsvorsitz normalerweise schon herausgesucht; je nachdem, in welchem Zustand sich diese befindet, ist sie mehr oder weniger hilfreich. Lassen Sie sich aber nicht verunsichern: Nicht Ihre Aktenkenntnis wird beurteilt, sondern vor allem Ihre Anamnese und Untersuchung. Bei Patienten, die Sie in der Prüfung zum ersten Mal sehen, gilt das natürlich ganz besonders. Sie sollten in diesen Fällen nicht versuchen, Aktenwissen vom Patienten zu erfragen, sondern sich auf Ihre originäre Anamnese und Untersuchung konzentrieren. Der Prüfer kann Ihnen natürlich ausgewählte Befunde der Akte zur Beurteilung vorlegen. Die Prüfer interessieren sich ausnahmsweise weniger für den Patienten und mehr für Ihre Fachkompetenz. Und sie haben jeweils nur 15 Minuten, um diese zu beurteilen. Mit etwas Glück haben Sie noch genug Zeit, sich vor der Prüfung ein wenig mit Ihren Mitprüflingen abzusprechen. Da sich die Nebendiagnosen häufig überschneiden, können Sie z. B. deren Reihenfolge ändern und so die Chancen auf Ihr Lieblingsthema erhöhen. Es werden kaum alle vier etwas zum arteriellen Hypertonus oder der Appendektomie in der Vorgeschichte erzählen dürfen; wenn sich also auch noch ein Diabetes, eine Fettstoffwechselstörung oder eine Cholezystektomie findet, können Sie Ihre Patientenvorstellung im besten Fall entsprechend anpassen. Den Bericht verfassen Sie, wie es der Prüfungsvorsitz im Vorfeld gewünscht hat. Haben Sie dazu keine Informationen, schreiben Sie einen normalen Arztbrief inklusive Anamnese, Diagnose, Prognose, Behandlungsplan und Epikrise. Dieser wird zu Beginn der Prüfung vom Prüfungsvorsitz entgegengenommen und unterzeichnet, er geht in die Note mit ein. Häufig ist er der Ausgangspunkt für die Prüfung des zweiten Tages. Der erste Tag Am Tag der Prüfung erscheinen Sie natürlich überpünktlich, seriös gekleidet und mit frisch gebügeltem Kittel. Auf Uhren verzichten Sie besser, Schmuck maximal dezent und nicht an den Händen. Lange Haare sollten Sie geschlossen tragen. Die praktische Prüfung am Krankenbett am ersten Tag erfolgt im sauberen und gebügelten Kittel, bewaffnet mit Stethoskop, Reflexhammer, Spatel und Untersuchungstaschenlampe. Da man Ihre Hände bei der Untersuchung genau verfolgen wird, sollten Sie auch auf deren makelloses Aussehen achten. Der Kittel sollte bei der Untersuchung geschlossen sein. Etwaige Krawatten und Halsketten sind so zu tragen bzw. zu befestigen, dass sie nicht quer über den Patienten pendeln oder ihn gar berühren. Wichtig: Keine Jeans, keine T-Shirts, keine Sportschuhe; keine sichtbaren Tattoos oder Piercings Keine aufdringlichen Parfums oder Gerüche Dafür: geputzte Schuhe, gepflegte Frisur, gepflegte Hände Für die Herren: gepflegte Rasur; Hose und Jackett, Krawatte (eher schlicht) muss nicht sein, Fliege und Einstecktuch bitte nicht Für die Damen: keine tiefen Ausschnitte, keine superkurzen Röcke, kein aufwendiges Make-up, eher kein Nagellack, kein extravaganter Schmuck Während der Prüfung wandert meist die gesamte Gruppe von einem Patienten zum nächsten. Am ersten Tag werden die Studenten nacheinander eine Stunde am Stück bei Ihrem Patienten geprüft. Der jeweilige Prüfling beginnt mit seiner Fallvorstellung, anschließend muss er die Untersuchung eines Organs oder eine Funktionsprüfung vorführen und Fragen beantworten. Tipp Mit einer guten Präsentation haben Sie den größten Teil geschafft – diese sollten Sie also wirklich gut einstudieren. Auch Ihr Umgang mit dem Patienten wird in die Bewertung mit einfließen. Im Allgemeinen wird der Prüfer während der Patientenvorstellung die Begrüßung des Patienten und die Bitte um Kooperation übernehmen. Trotzdem sollte der Prüfling den Patienten separat ansprechen und während der Vorstellung freundlichen und höflichen Kontakt mit ihm halten. Besonders der Umgang mit hilflosen Patienten ist eine Herausforderung. Im Gespräch mit dem Patienten sollte der Prüfling die Gesprächsführung behalten. Für manche Patienten ist die Prüfungssituation ein Augenblick allgemeiner Aufmerksamkeit, den sie weidlich ausnutzen. Ist der Redefluss eines Patienten nicht zu stoppen, wenden Sie einen Trick an, den mir ein alter Internist verraten hat: Schauen Sie dem Patienten bedeutungsvoll in die Augen und legen Sie ihm die Hand fest auf die Schulter: „Herr Schmidt …“ Meist verstummt er dann und Sie können die strukturierte Befragung fortsetzen. Die Untersuchung sollte einer eingeübten Systematik folgen und durch Erläuterungen begleitet werden. Die Prüfer sind in der Regel Praktiker und schätzen eine schnelle und zielgerichtete Untersuchung durchaus. Schritte, die bewusst ausgelassen werden, etwa um Zeit zu sparen oder weil offensichtlich das Problem nicht in dieser Richtung liegt, sollten verbal kurz angesprochen werden. Der Prüfer wird dann in der Regel einhaken, wenn die entsprechende Untersuchung doch relevant für die weitere Beurteilung ist oder er dem Prüfling auf die Finger schauen will. Eine schlechte klinische Untersuchung hinterlässt einen schlechten Eindruck, der kaum zu korrigieren ist. Wichtig ist insbesondere Ihre Körpersprache, in der Anamneseerhebung und bei der körperlichen Untersuchung. Wenden Sie sich dem Patienten zu, wenn Sie mit ihm sprechen, blicken Sie ihm in die Augen und begleiten Sie seine Aussagen durch bestätigende Gesten. Bei der Untersuchung zeigen Sie keine Angst vor der normalen Körperberührung, arbeiten Sie nicht mit „spitzen Fingern“. Üben Sie Ihre Perkussion und stellen Sie sicher, dass Sie beim Klopfen einen sonoren Ton erzeugen können. Als Mitprüfling verhält man sich komplett passiv, freundlich und zurückhaltend. Hier und für die ganze Prüfung gilt: Systematik ist superwichtig und muss den Prüfern demonstriert werden! Reden Sie, sonst redet der Prüfer! Schießen Sie nicht aus der Hüfte, selbst wenn die Diagnose für Sie offensichtlich ist. Fordern Sie keine weitergehende Diagnostik, bevor Sie Ihre Schlussfolgerungen aus Anamnese und Untersuchung gezogen haben. Die Gesamtzeit der Prüfung an einem Tag beträgt maximal 60 Minuten. Die Zeit sollten vor allem Sie füllen und nicht der Prüfer. Tipp Vergessen Sie nicht, sich vor und nach Betreten des Zimmers die Hände zu desinfizieren! Der zweite Tag Am zweiten Tag findet in der Regel kein Patientenkontakt statt. Nehmen Sie trotzdem für alle Fälle einen Kittel mit. Dieser Teil der Prüfung ist keine Freizeitbeschäftigung, aber auch kein festliches Abendessen. Die Kleidung sollte einem ernsthaften Geschäftstermin entsprechen, etwa einem Gespräch in der Bank, von dem Sie sich einen höheren Kredit versprechen und das Ihre Bonität klären soll. Sie wollen ja auch etwas von den Prüfern, nämlich eine gute Zensur. Die Prüfer wollen andererseits feststellen, ob Sie als Arzt tragbar sind. Dazu gehört untrennbar die äußere Erscheinung, sie ist ja auch für die Arzt- Patienten-Beziehung wichtig. Im Verlauf der Prüfung kann sich der Eindruck sicherlich vollkommen wandeln, aber nichts spricht dagegen, gleich von Anfang an als jemand zu erscheinen, der sich angemessen zu kleiden weiß. Zudem sollten Sie mit Ihrem eigenen Aussehen zufrieden sein, wenn Sie sich in die ungewisse Prüfungssituation begeben. Der zweite Prüfungstag findet meist in einem Seminarraum statt und widmet sich mehr der Theorie. Prüfer und Prüflinge sitzen sich in der Regel an einem Tisch gegenüber und die Fragen werden abwechselnd gestellt, sodass jeder Prüfer und jeder Prüfling immer wieder Pausen hat. Im Allgemeinen beträgt die Zeit pro Fach und Prüfungstag 15 Minuten, egal, ob „großes“ oder „kleines“ Fach. Das ist so knapp bemessen, dass der Prüfer die Zeit gut nutzen muss. Seine Kollegen werden sich währenddessen nur in Ausnahmefällen zu Wort melden. Die Gesamtzeit pro Prüfling darf 45 Minuten nicht unter- und 60 Minuten nicht überschreiten. Die Prüflinge werden abwechselnd geprüft, sodass Gelegenheit zur Erholung besteht. Das muss nicht immer der offensichtlichen Reihe nach gehen – es gilt also, konstant aufmerksam zu sein. Für den Prüfer gilt das nur bedingt. Wenn die anderen ihre Fragen stellen, kann er sich entspannen. Auf die Toilette gehen oder sich mit offensichtlich prüfungsfremden Dingen beschäftigen darf er nicht. Auch Telefonate sind in der Prüfungszeit nicht möglich. Dafür muss die Prüfung unterbrochen werden. Wird ein Chirurg für einen Notfall aus der Prüfung gerufen, ist die gesamte Prüfung ungültig. Manchen Kollegen fällt es schwer, nachmittäglich durchgehend wach zu bleiben. Dabei gilt jedoch: Auch Prüfer mit geschlossenen Augen können hoch konzentriert sein! Tipp Am zweiten Tag wird nur in Einzelfällen auf den vorherigen Tag Bezug genommen – falls Sie aber am ersten Tag etwas nicht gewusst haben, schauen Sie es unbedingt abends noch einmal nach! Viele Prüfer geben kleine Fallbeispiele, anhand derer man den gesamten Ablauf Symptome – Diagnostik – Therapie durchspielen kann, häufig steigt man mit einer Bildgebung ein. Der Prüfer bereitet sich auch auf die Prüfung vor. Das mag sich darauf beschränken, einen Patienten auszuwählen, die Akte noch einmal zu studieren und/oder alte Notizen herauszukramen. Viele haben eine Sammlung typischer Befunde, auf die sie praktischerweise zurückgreifen – unabhängig vom Prüfungspatienten. Bei den Internisten ist das klassischerweise ein EKG, eine Elektrophorese oder ein Blutbild, bei den Anästhesisten vielleicht eine Blutgasanalyse, beim Neurologen ein EEG. Röntgenbilder im weitesten Sinne, also auch MRT und CT, sind beliebt bei Chirurgen, besonders bei Neurochirurgen. Es handelt sich in der Regel um klare, klassische Fälle. Das umso mehr, wenn die anderen Kommissionsmitglieder ebenfalls Fachwissen besitzen könnten. Nur ungern setzt sich ein Prüfer innerhalb der Sitzung oder bei der anschließenden Beratung Nachfragen seiner Kollegen aus. Am Ende müssen alle Prüflinge den Raum verlassen und werden nach kurzer Beratungszeit zur Notenverkündung wieder hereingerufen. Die Prüfer realisieren im Allgemeinen, welche Rolle die Prüfungszensur für Ihre beruflichen Pläne spielt. Leichtfertig werden schlechte Zensuren selten vergeben, eher ist das Gegenteil der Fall. Die Diskussion unter den Prüfern dreht sich am Anfang meist darum, ob irgendeiner nach oben oder nach unten aus der Gruppe herausragt. Dann wird die Note für das Mittelfeld bestimmt und die Ausreißer werden darum herum arrangiert. Bekommt ein Prüfling in einem Fach eine schlechtere Note als „ausreichend“, so entscheiden allein die Prüfer und im Zweifelsfall der Prüfungsvorsitzende über die endgültige Note. Demnach kann ein Prüfling eine Prüfung bestehen, auch wenn er in einem Fach schlechter als „ausreichend“ eingeschätzt wurde. Die Prüfer verstehen sich als Sachwalter der Patienteninteressen. Bei schlechten Prüfungen kommt in der abschließenden Notendiskussion häufig die Sprache darauf, ob dieser oder jener Prüfling als Arzt tragbar ist. Ob man sich ihm anvertrauen könnte, wenn man selbst Patient wäre: „Was mache ich, wenn der mich im Altersheim behandeln will?“ Ist diese Phase erreicht, werden die Prüfer grausam. Der Vorsitzende teilt dem Prüfling das Ergebnis der mündlich-praktischen Prüfung mit. Auf Wunsch des Prüflings muss das Ergebnis dabei begründet werden. Ist die Prüfung nicht bestanden, schlägt die Prüfungskommission dem Landesprüfungsamt vor, ob, wie lange und in welchem Fach oder welchen Fächern der Prüfling erneut an einer praktischen Ausbildung nach § 3 ÄAppO teilnehmen sollte. Die Zeit der Teilnahme beträgt mindestens vier, höchstens sechs Monate. Da die Kommission nie wieder in gleicher Sache tagt, werden Beschlüsse dieser Art sofort gefällt und dem Prüfling in der Regel direkt mitgeteilt. Diskussionen mit dem Vorsitzenden sind zu diesem Zeitpunkt sinnlos. Die letzte Entscheidung über Art und Dauer der Nachausbildung trifft allerdings das Landesprüfungsamt selbst. In die Nachprüfung gehen die Zensuren der ersten Prüfung rechnerisch nicht ein. Es ist also wirklich eine neue Chance. Ein Dank an die Prüfungskommission beeinflusst das Ergebnis zwar nicht mehr, ist aber trotzdem eine höfliche Geste, die Sie – genau wie den persönlichen Händedruck mit allen Prüfern – zum Abschied nicht vergessen sollten. KAPITEL 2 Diagnostik, Methoden und Verfahren in der Anästhesiologie Lars Töpfer, und André Remus Die Inhalte einer Prüfung in der Anästhesiologie können so vielfältig sein wie das Spektrum der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie. Viele Prüfer grenzen die Themenbereiche glücklicherweise in einem Vorgespräch ein. Die wenigsten Anästhesisten teilen eigene Patienten für die Prüfung zu. Seien Sie aber darauf vorbereitet, dass Sie bei den internistischen oder chirurgischen Prüfungspatienten auch Ihr anästhesiologisches Wissen und Ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen müssen. Der Schwerpunkt liegt dann oft auf der Vorbereitung einer Narkose. Überlegen Sie sich also, worauf Sie bei der Narkose dieses speziellen Patienten achten würden. Welches Narkoseverfahren ist überhaupt geeignet und warum? Welche Form der Atemwegssicherung würden Sie vorschlagen und wie untersuchen Sie den Atemweg praktisch? Außerdem sollten Sie die anatomischen Landmarken für die Anlage eines ZVK, einer arteriellen Kanüle sowie für die (meist rückenmarksnahe) Regionalanästhesie am Patienten zeigen können. Natürlich gibt es aber auch Prüfer, die eigene Patienten präsentieren. Dies sind dann je nach Schwerpunkt des Anästhesisten beispielsweise chronische Schmerzpatienten oder Patienten auf der Intensivstation. Werden Patienten noch am Monitor überwacht, sollten Sie wissen, welche Parameter gemessen werden, die Werte und Kurven interpretieren und alle Drainagen und Katheter mit ihrer Funktion benennen können. Über diese praktischen Voraussetzungen für die Prüfung hinaus werden in diesem Kapitel auch theoretische Themen behandelt, die in früheren Examen häufig Prüfungsinhalt waren. 2.1. Anästhesie Lars Töpfer 2.1.1. Präoperative Diagnostik und Überlegungen Jeder Patient muss vor Durchführung eines Anästhesieverfahrens vom Anästhesisten untersucht werden. Diese Prämedikationsvisite stellt für viele Anästhesisten nicht unbedingt den Höhepunkt ihrer täglichen Arbeit dar. Aber die Einschätzung des Gesundheitszustands, die Beurteilung des Anästhesierisikos und der Narkosefähigkeit, die Auswahl des Narkoseverfahrens und die rechtsgültige Aufklärung sind Kernpunkte der anästhesiologischen Tätigkeit und stellen die Weichen für die sichere anästhesiologische Versorgung. Viele Prüfer wollen wissen, ob Sie das „anästhesiologische Denken“ verstanden haben. Daher werden in nahezu jeder Prüfung Fragen aus diesem Bereich gestellt. Anamnese In der Regel füllt der Patient zunächst selbst einen standardisierten Anamnesebogen aus. Aus diesen Informationen ergeben sich erste Anhaltspunkte für die weitere Anamnese. Die anästhesiologisch relevanten Befunde überträgt der Anästhesist in das Prämedikations- bzw. Narkoseprotokoll. Tipp Gerade in umfangreichen Patientenakten bietet ein Prämedikations- bzw. Narkoseprotokoll oft einen guten und knappen Überblick über den Gesundheitszustand des Patienten. Wenn Sie also in der Patientenakte einen bereits ausgefüllten Anamnesebogen finden, haben Sie schon eine Vorstellung, welchen Schwerpunkt Ihre Anamnese haben wird. Um nichts zu vergessen, versuchen Sie aber dennoch, sämtliche anästhesierelevanten Informationen zu erfragen ( Tab. 2.1 ). Tab. 2.1 Inhalte der anästhesiologischen Anamnese Allgemeine Informationen Demografische Daten Alter, Größe, Gewicht Aktuelle Medikation z. B. gerinnungshemmende Medikamente, antianginöse Therapie, Schmerzmedikation Bereits durchgeführte Operationen/Anästhesien und z. B. vermehrte Blutungsneigung (s. u. Blutungsanamnese), verzögertes Aufwachen, Übelkeit und hiermit verbundene Komplikationen oder Probleme Erbrechen (PONV, s. u.), allergische Reaktionen, Reaktion auf Bluttransfusionen Körperliche Belastbarkeit (Angabe in MET, s. u.), Treppensteigen (z. B. Etagen ohne anhalten zu Kardiopulmonale Belastbarkeit müssen), sportliche Aktivität z. B. Antibiotika, Lokalanästhetika, nichtsteroidale Antirheumatika → wenn Frage bejaht wird, Allergien/Unverträglichkeiten unbedingt Symptome und Zeitdauer bis zum Auftreten der Symptome erfragen Erkrankungen oder Anzeichen für Erkrankungen von Organsystemen Arterielle Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, Vitien, Angina pectoris, koronare Herz/Kreislauf Herzerkrankung, Herzinsuffizienz (Dyspnoe, Ödeme, Nykturie, Schlafposition) Lunge/Atmungssystem Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Asthma, Pneumonie, Husten, Auswurf Gefäßsystem Varikosis, arterielle Verschlusskrankheit, Thrombose, Embolie Leber/Galle Hepatitis, Ikterus, Zirrhose, Gallensteine Niere Niereninsuffizienz, Dialysepflicht, Nierensteine Speiseröhre/Magen/Darm Reflux, Gastritis, Ulkus, Strikturen, Verdauungsstörungen, Ernährungsstatus Stoffwechsel Diabetes mellitus, Hyperurikämie Schilddrüse Hyperthyreose Skelettsystem Skoliose, Arthritis, Einschränkungen der Beweglichkeit Muskulatur Myasthenie, familiäre Muskelerkrankungen, maligne Hyperthermie Nerven/Psyche Epilepsie, Kopfschmerzen, Parästhesien, Depression Blutgerinnung Standardisierte Gerinnungsanamnese (s. u.) Augen Katarakt, Glaukom, vorbestehende Pupillendifferenz Ohren Hypakusis, Hörgerät Mund-Kiefer-Gesicht Lockere Zähne, Prothesen, Brücken, Kronen Gynäkologie Bestehende oder mögliche Schwangerschaft Konsumverhalten Nikotin (pack years), Alkohol, Drogen Modifiziert nach: Böhmer AB, Wappler F, Zwißler B: Präoperative Risikoevaluation – von der Routinediagnostik zur patientenorientierten Strategie. Dtsch Ärztebl 2014; 111: 437–46 Kardiopulmonale Belastbarkeit Die kardiopulmonale Belastbarkeit wird in metabolischen Äquivalenten (MET) angegeben. 1 MET entspricht dabei dem Ruheumsatz des Menschen. Es reicht aus, die in Tab. 2.2 groben Kategorien der Belastbarkeit und ihre korrespondierende Angabe in MET zu kennen. Im Allgemeinen gilt, dass Patienten ausreichend belastbar für eine Allgemeinanästhesie sind, wenn sie eine Belastungsfähigkeit ≥ 4 MET (≙ > 100 W) angeben. Tab. 2.2 Körperliche Belastbarkeit in metabolischen Äquivalenten (MET) Anamnestische Angaben Korrespondierende MET Keine Belastung möglich, Ruhe-, Sprechdyspnoe 1 Bewegen nur in der Ebene (100–150 m ohne Pause), geringfügige Tätigkeiten, rasch Belastungsdyspnoe 2–3 Gehen mit normaler Geschwindigkeit, kurze Laufstrecke, 2 Stockwerke ohne Pause und ohne limitierende Dyspnoe 4–5 Sportliche Aktivitäten (Golf, Kegeln, Tanzen) 6–10 Ausdauer-, Leistungssport > 10 Modifiziert nach: Österreichische Quellleitlinie zur präoperativen Patientenevaluierung, 2011 Tipp Wenn Sie aus der Anamnese keine Rückschlüsse zur Belastbarkeit ziehen können, machen Sie mit dem Patienten einen einfachen Belastungstest: gemeinsames Treppenlaufen. Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) Da postoperative Übelkeit und Erbrechen (engl. p ost o perative n ausea and v omiting) ein relevantes Problem im anästhesiologischen Alltag ist und Patienten zudem die Qualität einer Narkoseführung oft danach beurteilen, existieren überall Empfehlungen zur Prophylaxe und Therapie. Seien Sie also auf Fragen hierzu gefasst. Das Risiko wird einfach mit dem von C. C. Apfel entwickelten Risikoscore (daher „Apfel-Score“) beurteilt ( Tab. 2.3 ). Tab. 2.3 Risikoscore für PONV nach Apfel Risikofaktor Punktwert Weibliches Geschlecht 1 Nichtraucherstatus 1 Bekannte Reisekrankheit oder früher aufgetretene PONV 1 Erwartete postoperative Opioidgabe 1 Wie die Prophylaxe und Therapie von PONV aussieht, können Sie in Kap. 4.24 und Kap. 5.1.7 nachlesen. Merke Eine TIVA ist bei einem erhöhten Risiko für PONV i. d. R. besser geeignet als eine balancierte Anästhesie. Standardisierte Blutungsanamnese Mit der Blutungsanamnese kann eine verstärkte Blutungsneigung mit hoher Sensitivität und Spezifität detektiert werden. Sie wird standardisiert durchgeführt und umfasst folgende Fragen: Ist jemals eine Blutgerinnungsstörung festgestellt worden? Sind folgende Blutungsarten beobachtet worden: – Nasenbluten ohne erkennbare Ursache? – Blaue Flecken oder punktförmige Blutungen ohne erkennbare Ursache? – Blutungen in Gelenke, Weichteile oder Muskeln? – Längeres Nachbluten nach Schnitt- oder Schürfwunden? Kam es zu längerem oder verstärktem Nachbluten bei Zahnextraktionen? Kam es zu einer verstärkten Blutung während oder nach einer Operation? Ist eine schlechte Wundheilung bekannt? Gibt es familiäre Fälle von verstärkter Blutungsneigung? Wurden in den letzten zwei Wochen gerinnungsaktive Medikamente eingenommen? Werden derzeit Analgetika oder Antirheumatika eingenommen? Bei weiblichen Patienten: Ist die Menses verstärkt oder verlängert (> 7 Tage)? Beantwortet der Patient eine der Fragen mit „Ja“, sollte eine weitergehende Labordiagnostik in Erwägung gezogen werden. Körperliche Untersuchung Die körperliche Untersuchung entspricht der aus der Inneren Medizin und Chirurgie. Der Anästhesist fokussiert sich v. a. auf die Untersuchung des Atemwegs, der Lunge und des kardiovaskulären Systems. Außerdem inspiziert er Punktionsstellen für erforderliche Gefäßzugänge und die Regionalanästhesie. Untersuchung des Atemwegs Die Untersuchung des Atemwegs ist wie die Atemwegssicherung ( Kap. 2.1.4 ) das tägliche Brot des Anästhesisten. Entsprechend wird Ihnen zu diesen Themenkomplexen sicher eine Frage der mündlichen Prüfung begegnen. Der Atemweg wird mit verschiedenen Tests untersucht. Jeder ist für sich wenig sensitiv und spezifisch. Erst die Kombination ermöglicht eine sinnvolle Abschätzung. Einige Experten haben diese Tests auch zu Scoresystemen zusammengefügt. Diese sind oft schwierig zu merken und damit wenig praxistauglich. Verwirren Sie also damit weder sich selbst noch die Prüfer. Tipp Legen Sie sich unbedingt ein strukturiertes Vorgehen (z. B. anhand von Tab. 2.4 ) zurecht und erläutern Sie während der Untersuchung die Tests, die Sie durchführen. So strahlen Sie bei der Demonstration am Patienten Sicherheit aus. Tab. 2.4 Strukturierte Untersuchung des Atemwegs Untersuchung Hinweis für schwierige Atemwegssicherung Erschwerte Atemwegssicherung in der Vergangenheit, Anästhesieausweis Anamnese Erkrankungen wie HWS-Trauma, Morbus Bechterew Mundöffnung < 4 cm Untersuchung der Mundhöhle und Erheben des Zahnstatus Mallampati-Status ≥ 3 Zahnstatus: vorstehende Schneidezähne, lockere Zähne Beweglichkeit des Temporomandibulargelenks (auch: Oberlippen- Keine Protrusion des Unterkiefers vor den Oberkiefer möglich Beiß-Test) Fliehendes Kinn Kurzer, kräftiger Hals Veränderungen der Anatomie (z. B. Hämatom, Abszess, Z. n. Neck dissection, Z. Untersuchung des Halses n. Radiatio)? Eingeschränkte HWS-Beweglichkeit, v. a. Reklination Thyreomentaler Abstand ≤ 6,5 cm auch: Patil-Test Abb. 2.1 ) Den Test nach Mallampati ( Tab. 2.5 ) müssen Sie unbedingt kennen und am Patienten einschätzen können. Dabei fordern Sie den Patienten auf, bei gerader Kopfhaltung den Mund so weit wie möglich zu öffnen und die Zunge herauszustrecken. Nun beurteilen Sie die Einsehbarkeit von Gaumen und Uvula. Wichtig ist, dass der Test ohne Phonation durchgeführt wird, der Patient soll also nicht „Ah!“ sagen. Tab. 2.5 Mallampati-Klassifikation I II III IV Gaumen Weicher und harter Gaumen sichtbar Nur harter Gaumen sichtbar sichtbar? Uvula Komplett sichtbar Spitze nicht sichtbar Nur Basis sichtbar Nicht sichtbar sichtbar? Abbildung [ L106 ] Untersuchung von Lunge und Thorax Für den Anästhesisten steht bei der körperlichen Untersuchung v. a. die Frage nach dem Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz im Vordergrund. Die körperliche Untersuchung sollte folgende Aspekte beinhalten: Inspektion: Atemfrequenz, Atemrhythmus, Thoraxform (z. B. Fassthorax), Trommelschlägelfinger/Uhrglasnägel, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Zyanose Palpation: Stimmfremitus Perkussion: Klopfschall, Verschieblichkeit der Lungengrenzen Auskultation: Atemgeräusch Plus Zeichen der Dyspnoe im Säuglings- und Kindesalter sind neben einer Tachypnoe v. a. interkostale, juguläre und sternale Einziehungen bei der Inspiration sowie Nasenflügeln (Mitbewegen der Nasenflügel bei der Atmung). Erheben Sie die Befunde dabei immer im Seitenvergleich. Tipp Fassen Sie die Befunde, die Sie erhoben haben, in Worte und vermeiden Sie verallgemeinernde Aussagen wie „Lunge ohne (pathologischen) Befund“. Einen Normalbefund bei der Untersuchung der Lunge könnten Sie z. B. folgendermaßen beschreiben: Eupnoe, Thorax symmetrisch und ohne Deformitäten, seitengleiche Atemexkursionen, keine Zeichen einer Zyanose, seitengleicher Stimmfremitus, sonorer Klopfschall bds., Zwerchfell in regulärer Höhe, bds. 5 cm atemverschieblich, seitengleiche Belüftung, vesikuläres Atemgeräusch bds., keine Rasselgeräusche. Untersuchung des kardiovaskulären Systems Neben einer Beurteilung von Herzrhythmus und -frequenz ist von anästhesiologischer Seite v. a. die Untersuchung auf Zeichen der Herzinsuffizienz und die Identifikation bislang unbekannter Herzgeräusche von Bedeutung. Der typische Untersuchungsgang umfasst: Inspektion: Zeichen der Zyanose oder Dyspnoe wie unter Untersuchung von Lunge und Thorax, Stauungszeichen (Ödeme, gestaute Halsvenen) Palpation: Herzrhythmus, Herzfrequenz, Pulsdefizit, Herzspitzenstoß Auskultation: Herztöne, Herzgeräusche, Strömungsgeräusche über den großen Gefäßen Außerdem sollte eine beidseitige Blutdruckmessung erfolgen. Laboruntersuchungen Laborwerte sollten vor einer Anästhesie nur bestimmt werden, wenn die Anamnese oder körperliche Untersuchung auffällige Befunde gezeigt hat. Ein generelles präoperatives Laborscreening wird für Patienten, die sich einem elektiven nicht kardiochirurgischen Eingriff unterziehen, nicht empfohlen. Tipp Lassen Sie sich nicht in die Irre führen, wenn Sie einen zwar betagten, aber gesunden Patienten vor sich haben. Ein hohes Lebensalter allein stellt keine Indikation für eine „Routine-Blutentnahme“ dar! Ebenso wenig ist entscheidend, ob es sich um einen kleinen oder großen operativen Eingriff handelt. Bei jedem Laborparameter, den Sie nennen, sollten Sie wissen, warum Sie ihn bestimmen und welche Änderungen am anästhesiologischen Vorgehen ein pathologischer Wert zur Folge hat. Von den deutschen Fachgesellschaften für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Innere Medizin und Chirurgie werden Laboruntersuchungen bei den in Tab. 2.6 genannten Erkrankungen als Minimalstandard empfohlen. Tab. 2.6 Empfohlene präoperative Laboruntersuchungen (V. a.) Erkrankung von Herz/Lungen Leber Niere Blut Hämoglobin X X X X Leukozyten X Thrombozyten X X Natrium, X X X X Kalium Kreatinin X X X X ASAT, Bilirubin, aPTT, INR X Basierend auf den Empfehlungen der deutschen Fachgesellschaften für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Innere Medizin und Chirurgie Untersuchungen der Blutgerinnung sind nur bei einer positiven Gerinnungsanamnese oder bei Medikation mit gerinnungsmodifizierenden Präparaten (z. B. Vitamin-K-Antagonisten) sinnvoll. Plus Erwähnen Sie ruhig, dass durch die Bestimmung der Gerinnungsparameter Thrombozyten, aPTT und Quick/INR eine verstärkte Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Sie sollten dann aber auch eine Antwort auf die sicher folgende Rückfrage parat haben: Störungen der Thrombozytenfunktion und des Von-Willebrand-Faktors sind die häufigsten Störungen der Blutgerinnung. Diese Störungen der primären Hämostase werden von den üblichen Laborparametern nicht erfasst. Sollte Ihr Prüfer dennoch auf der Nennung von Laborwerten beharren, können Sie sich für die Single-shot-Spinalanästhesie z. B. an der „50er-Regel“ orientieren: Thrombos > 50.000/µl, Quick > 50 %, aPTT < 50 s. Für die Periduralanästhesie wird eine Thrombozytenzahl > 80.000/µl empfohlen. Allerdings sind diese Grenzen nicht einheitlich definiert, sodass Sie im Zweifel eher etwas höhere Werte angeben sollten. Apparative Zusatzuntersuchungen Wie bei den Laboruntersuchungen gilt, dass ein generelles Screening oder feste Vorgaben wie „EKG bei jedem Patienten über 40 Jahren“ nur in seltenen Fällen zusätzliche Erkenntnisse bringen und daher nicht sinnvoll sind. Merke Bei gesunden Patienten müssen keine apparativen Zusatzuntersuchungen durchgeführt werden. Mit dem Wissen, dass zusätzliche apparative Untersuchungen nur sinnvoll sind, wenn sie Ihnen tatsächlich mehr Informationen über den Zustand des Patienten geben und ihr Befund das anästhesiologische Vorgehen verändern kann ( Tab. 2.7 ), werden Sie die meisten Fragen zu dieser Thematik intuitiv richtig beantworten. Tab. 2.7 Präoperative apparative Zusatzuntersuchungen und ihre Indikationen Apparative Indikation Untersuchung Asymptomatische Patienten, aber – Eingriff mit hohem kardialen Risiko (Aortenchirurgie, große periphere arterielle Gefäßeingriffe) oder – Vorliegen von kardialen Risikofaktoren: Herzinsuffizienz, KHK, pAVK, zerebrovaskuläre Insuffizienz, Diabetes mellitus, 12-Kanal-EKG Niereninsuffizienz Symptomatische Patienten mit ischämischer Herzerkrankung, Herzrhythmusstörungen, Klappenerkrankungen, Herzvitien, Herzinsuffizienz, ICD-Träger Neu aufgetretene oder akut symptomatische Erkrankung, z. B. Pneumonie, Pleuraerguss, Atelektase Röntgen-Thorax V. a. OP- oder anästhesierelevanten Befund, z. B. ausgeprägte Struma oder Thoraxdeformität Neu aufgetretene Dyspnoe unklarer Genese Echokardiografie Bekannte Herzinsuffizienz und Symptomverschlechterung innerhalb der letzten 12 Monate Bislang nicht bekanntes oder nicht abgeklärtes Herzgeräusch auch bei normaler Belastbarkeit (umstritten) Neu aufgetretene bzw. V. a. akut symptomatische pulmonale Erkrankung zur Einschätzung des Schweregrads und der Lungenfunktion Therapiekontrolle Sonografie der Schlaganfall oder TIA in den letzten 6 Monaten Halsgefäße Geplanter großer arterieller gefäßchirurgischer Eingriff Plus Auch bei Patienten mit einem Herzschrittmacher ist ein präoperatives 12-Kanal-EKG nur erforderlich, wenn die regelmäßige Schrittmacherkontrolle nicht eingehalten wurde oder der Patient klinische Symptome aufweist. Ist eine Untersuchung erst vor Kurzem durchgeführt worden (i. d. R. ½–1 Jahr) und hat sich der Gesundheitszustand des Patienten nicht verändert, muss sie nicht wiederholt werden. Tipp Wenn Ihr Prüfer Sie um die Beurteilung von Röntgenbildern oder EKGs bittet, gehen Sie strukturiert vor, auch wenn Sie den pathologischen Befund sofort sehen. Bei Röntgenaufnahmen des Thorax könnte eine Reihenfolge beispielsweise sein Bildqualität: Strukturen vollständig abgebildet? Schärfe? Belichtung? Gerade Aufnahmeposition? Liegende oder stehende Aufnahme? Beschriftung: Datum, Patientenname, Seitenbeschriftung vorhanden? Zwerchfell: Lage, Sinus einsehbar? Pleura: Ergüsse? Pneumothorax? Lungenparenchym: Infiltrate? Wenn ja: Zuordnung zu einzelnen Lungenlappen möglich? Emphysem? Rundherde? Lungenhilus: Stauungszeichen? Herz: Konfiguration? Verhältnis Herz/Thorax? Mediastinum: Größe? Lage der Trachea? Verlauf der Aorta? Knöcherner Thorax und Weichteile: Frakturen von Klavikula oder Rippen? Hautemphysem? Fremdmaterial: Endotrachealtubus? Katheter? Magensonde? Thoraxdrainagen? Schrittmachersonden? Beurteilung des Anästhesierisikos Das Anästhesierisiko wird maßgeblich durch die Vorerkrankungen des Patienten, seiner kardiopulmonalen Belastbarkeit, den Umfang des Eingriffs und die dabei zu erwartenden Volumenverschiebungen bedingt. Aus der Zusammenschau von Anamnese, körperlicher Untersuchung und eventuellen Zusatzuntersuchungen beurteilt der Anästhesist das Anästhesierisiko. Merke Folgende Faktoren erhöhen das Anästhesierisiko entscheidend: KHK (Angina pectoris und/oder Z. n. Myokardinfarkt) Herzinsuffizienz Zerebrovaskuläre Insuffizienz (Schlaganfall oder TIA) Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Niereninsuffizienz (Kreatinin > 2 mg/dl) Unbedingt kennen sollten Sie die ASA-Klassifikation ( Tab. 5.1 ). Anhand der von der A merican S ociety of A nesthesiologists (ASA) entwickelten Klassifikation stuft der Anästhesist den Patienten in eine Risikokategorie ein. Tipp Überlegen Sie unbedingt, in welche ASA-Kategorie Ihr Prüfungspatient eingeteilt wird. Wenn Sie sich nicht sicher sind, können Sie sich aber trösten: Selbst die Einschätzungen von erfahrenen Anästhesisten stimmen nicht immer überein. Wenn Sie Ihre Entscheidung gut begründen können, wird der Prüfer Ihre Antwort als richtig werten, auch wenn er vielleicht anderer Meinung ist. Nicht nur Anästhesisten, sondern auch Chirurgen und Internisten kennen die ASA-Klassifikation und fragen bisweilen ebenfalls danach. Auswahl des Narkoseverfahrens Der Anästhesist hat die Aufgabe, dem Patienten mögliche geeignete Anästhesieverfahren zu erläutern und ihn damit in die Lage zu versetzen, eine eigenständige Auswahl zu treffen. Die Auswahl hängt dabei sowohl von den patienteneigenen Faktoren (z. B. Vorerkrankungen, Nüchternheit) als auch vom geplanten Eingriff ab ( Abb. 2.2 ). So werden laparoskopische Eingriffe bis auf wenige Ausnahmen in Allgemeinanästhesie durchgeführt. In der Prüfung müssen Sie erläutern können, welche Narkoseverfahren Sie einem Patienten vorschlagen und welche Vor- und Nachteile diese jeweils mit sich bringen. Abb. 2.1 Der thyreomentale Abstand (Abstand Oberkante Schildknorpel bis zum Kinn) wird bei maximal überstrecktem Kopf bestimmt. [ G633 ] Abb. 2.2 Flussschema zur Auswahl des Narkoseverfahrens [ L231 ] Plus Bei einer Allgemeinanästhesie sollten Sie sich auch über den Atemwegszugang ( Kap. 2.1.4 ) und die Frage, ob bei dem Patienten eine erhöhte Aspirationsgefahr vorliegt, Gedanken machen. Letztere erfordert eine sogenannte Rapid Sequence Induction (Synonyme: Ileuseinleitung, Crush- Intubation, Blitzeinleitung, Kap. 4.9 , Kap. 5.1.7 ). Unabhängig davon, ob Ihnen Ihr Anästhesieprüfer einen eigenen Patienten zugeteilt hat, sollten Sie auch bei den anderen Prüfungspatienten auf die Frage des Anästhesisten vorbereitet sein, was Sie bei der Narkose dieses Patienten beachten müssen ( Tab. 2.8 ). Tab. 2.8 Anästhesiologische Besonderheiten bei verschiedenen Vorerkrankungen Erkrankung Besonderheiten, Ziele und Vorgehen bei der Anästhesie Kardiovaskuläre Erkrankungen Therapie mit Betablockern perioperativ fortführen Verschobene Blutdruckregulationskurve → Blutdruckabfall und Blutdruckspitzen/Tachykardie (z. B. bei Intubation) Arterielle Hypertonie, vermeiden → ggf. invasive Blutdruckmessung KHK Intraoperative Überwachung der ST-Strecke mit 5-poligem EKG (Detektion perioperativer Myokardischämien) Postoperatives Kältezittern (Shivering) vermeiden (relative) Kontraindikation für rückenmarksnahe Regionalanästhesie aufgrund der durch die Sympathikolyse ausgelösten peripheren Vasodilatation Aortenstenose Tachykardie vermeiden Suffiziente Vorlast und adäquaten Perfusionsdruck sicherstellen → Volumen/Noradrenalin Moderate Tachykardie (Herzfrequenz 90–100/Min. anstreben) Aorten- und Vermeiden von Hypertonie und Erhöhung der Nachlast Mitralklappeninsuffizienz Bei eingeschränkter Hämodynamik Dobutamin und ggf. Phosphodiesteraseinhibitoren (z. B. Milrinon, Enoximon) Erkrankungen der Atemwege „Asthmasprays“ mit in den OP geben Obstruktive ‐ Propofol und Ketamin vorteilhaft, Thiopental vermeiden (Gefahr eines Bronchospasmus) Lungenerkrankungen Antagonisierung von Muskelrelaxanzien mit Acetylcholinesterasehemmern vermeiden (lösen Bronchokonstriktion aus) Bei Beatmung auf ausreichende Exspirationszeit achten Obstruktives Sedierende Medikamente vermeiden Schlafapnoesyndrom Häufiger erschwerte Intubation (OSAS) Verlängerte postoperative Überwachung mit Pulsoxymetrie, wenn vorhanden eigenes CPAP-Gerät benutzen Lebererkrankungen Verminderte hepatische Metabolisierung → verzögerter Medikamentenabbau → Medikamente mit geringer hepatischer Leberinsuffizienz, ‐ Metabolisierung bevorzugen (z. B. Remifentanil, Cis-Atracurium) Leberzirrhose Verminderte hepatische Synthese → evtl. Gerinnungsstörungen Bei Aszites erhöhtes Aspirationsrisiko → RSI Nierenerkrankungen Verminderte renale Exkretion → Medikamente mit organunabhängigem Abbau oder nur geringer Metabolisierung verwenden (z. B. Desfluran, Remifentanil/Sufentanil, Cis-Atracurium) Nephrotoxische Medikamente meiden (z. B. NSAR) Gefahr der Hyperkaliämie ( cave: Succinylcholin) Chronische Nieren‐ Ausgeglichenen Volumenhaushalt anstreben insuffizienz Bei Dialysepflichtigkeit: – Erfragen von: Eigendiurese, Trinkmenge, Dialyseintervall, letzte Dialyse, Shuntarm – Shuntarm nicht punktieren und intraoperativ mit Watte schützen – Regelmäßig Shunt auf charakteristisches „Schwirren“ überprüfen Stoffwechselerkrankungen Vermeidung von perioperativen Hypo- oder Hyperglykämien → regelmäßige Blutzuckerüberwachung, ggf. Therapie mit Glukose oder Insulin Diabetes mellitus Gastroparese (Risikofaktoren: länger bestehender/schlecht eingestellter Diabetes mellitus, diagnostizierte Polyneuropathie, Dyspepsie) → erhöhtes Aspirationsrisiko → RSI Bei Diabetes mellitus Typ 1 Stiff-Man-Syndrom möglich → erschwerte Intubation Häufig weitere Begleiterkrankungen (metabolisches Syndrom) Geringere funktionelle Residualkapazität, erhöhte Atemarbeit, erhöhtes Herzzeitvolumen Adipositas Maskenbeatmung und Intubation oft erschwert Intraoperativ PEEP-Beatmung mit (5–)8–10 mbar, prä- und postoperatives Atemtraining, frühestmögliche Mobilisation Präoperative Blutdruckeinstellung mit Alphablockern (z. B. Phenoxybenzamin) Phäochromozytom Intraoperativ ausgeprägte hämodynamische Schwankungen möglich → invasive Blutdruckmessung, ZVK, kurz wirksame blutdrucksenkende Medikamente (z. B. Glyceroltrinitrat) und Vasopressoren (Noradrenalin) bereithalten Neurologische Erkrankungen Dauermedikation unbedingt fortführen Parkinson-Syndrom Metoclopramid und andere Medikamente mit antidopaminerger Wirkung vermeiden Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien vermeiden Myasthenia gravis Postoperativ Überwachungsstation Umgang mit Dauermedikation Häufig gefragt wird, wie Sie mit der Dauermedikation des Patienten perioperativ verfahren. Sie können sich merken, dass mittlerweile die meisten Medikamente auch am OP-Tag weitergegeben werden. Vor allem die Gabe von β-Blockern muss wegen der Gefahr einer Rebound-Hypertonie fortgeführt werden. Tipp Als Medikamente, die vor einer OP pausiert werden sollen, können Sie sich orale Antidiabetika ( cave: Metformin ist ein Sonderfall) und irreversible MAO-Hemmer merken. Bei einigen Medikamenten (z. B. ACE-Hemmern oder AT 1 -Blockern) müssen die Risiken von Fortführen und Absetzen abgewogen werden. Wie immer gilt: Wenn Sie Ihre Entscheidung gut begründen können, kann Ihnen keiner „einen Strick daraus drehen“. Das Thema finden Sie ausführlicher in Kap. 5.1.1. Rechtsgültige Aufklärung Einige Prüfer stellen Fragen zu rechtlichen Details bei der Patientenaufklärung. Mit den folgenden Stichpunkten werden Sie die meisten davon beantworten können: Jeder Patient muss vor einem Anästhesieverfahren rechtsgültig aufgeklärt werden und in das Verfahren einwilligen. Eine Anästhesie ist sonst eine Körperverletzung. Dies gilt auch für Wiederholungsnarkosen. Bei Letzteren kann der Umfang jedoch deutlich geringer ausfallen, wenn sich der Zustand des Patienten nicht verändert hat und der Patient keine erneute Aufklärung wünscht. Die Aufklärung muss i. d. R. bis zum Vorabend des Eingriffs erfolgen. Ausgenommen sind Notfalleingriffe, für die – je nach Dringlichkeit – eine Einwilligung unmittelbar vor der Narkose oder ggf. auch keinerlei Einwilligung erforderlich ist. Bei einem bewusstlosen Patienten wird angenommen, dass er behandelt werden will (mutmaßlicher Wille). Es sei denn, es liegt eine anderslautende Verfügung vor. Der Anästhesist muss über alle möglichen Anästhesieverfahren informieren, auch wenn diese nicht an dem entsprechenden Krankenhaus durchgeführt werden. Nicht die Häufigkeit entscheidet, ob ein Risiko erwähnt werden muss, sondern die Frage, ob die Komplikation für das Verfahren typisch ist. Eine Querschnittslähmung bei einem rückenmarksnahen Anästhesieverfahren ist zum Glück äußerst selten, aber eben typisch und muss deshalb unbedingt genannt werden. Das Aufklärungsgespräch sollte dabei neben allgemeinen auf die patientenspezifischen Risiken eingehen, z. B. ein erhöhtes Risiko für eine Aspiration bei einer notwendigen RSI. Bei Kindern müssen eigentlich beide Elternteile einwilligen. Bei kleineren Eingriffen reicht es allerdings aus, wenn ein Elternteil die Einwilligung des anderen bestätigt. Einwilligungsfähigkeit ist nicht das Gleiche wie Geschäftsfähigkeit. Ab dem Alter von ca. 14 Jahren können Jugendliche bei kleineren Interventionen selbst einwilligen. Der Anästhesist muss sich aber von der Einwilligungsfähigkeit überzeugen (kann der Jugendliche die Tragweite der Entscheidung überblicken) und diese auch entsprechend dokumentieren. Bei Patienten, die im Aufgabenkreis der Gesundheitssorge betreut sind, muss der Betreuer in das Anästhesieverfahren einwilligen. Tipp Ergibt sich aus den Prüfungsprotokollen, dass Ihr Prüfer Wert auf die juristischen Feinheiten legt, finden Sie zur Vorbereitung im Internet unter dem Suchbegriff „Aufklärungspflichten des Arztes“ ausführlichere Informationen und Merkblätter. 2.1.2. Pharmakologie Pharmakologisches Wissen ist in der Anästhesiologie essenziell, um die am besten geeigneten Medikamente für den Patienten auszuwählen. Für den Prüfer bietet es sich an, jedem Prüfungskandidaten eine Medikamentengruppe zuzuteilen und hierzu ins Detail zu gehen. Intravenöse Hypnotika Hypnotika (auch: Narkotika oder Anästhetika) werden verabreicht, um eine Narkose einzuleiten oder aufrechtzuerhalten. Mit Ausnahme von Ketamin weisen die verfügbaren Hypnotika keine analgetische Wirkung auf. Sie müssen daher bei schmerzhaften Eingriffen mit einem Opioid kombiniert werden. Wenn Sie in der Anästhesie PJ gemacht haben, werden Sie wissen, dass Sie sich v. a. mit dem Hypnotikum Propofol beschäftigen sollten. Es ist gegenwärtig das am meisten verwendete i. v. Hypnotikum. Durch seine kurze Wirkdauer und geringe Kumulationsneigung erlaubt es eine gut steuerbare totale intravenöse Anästhesie (TIVA). Zudem wird seine Wirkdauer bei Leber- oder Niereninsuffizienz nur geringfügig beeinflusst. Für die Platzierung einer Larynxmaske ist Propofol anderen Hypnotika überlegen, da es die pharyngealen Atemwegsreflexe gut dämpft. Es weist einen antiemetischen Effekt auf und ist daher bei erhöhtem Risiko für PONV das Hypnotikum der Wahl. Merke Propofol führt insbesondere nach Bolusgabe zu einer Hypotonie. Diese ist bei Hypovolämie sowie bei Patienten mit arterieller Hypertonie deutlicher ausgeprägt. Die sonst empfohlene Einleitungsdosis von 2 mg/kg KG muss bei diesen Patienten oft deutlich reduziert werden (teilweise bis auf 0,5 mg/kg KG). Ganz allgemein gilt, dass sich die Dosierung von Hypnotika immer nach der Wirkung richten sollte. Die in der Literatur angegebenen Dosierungen stellen allgemeine Erfahrungswerte dar. Propofol ist in Wasser unlöslich und wird deshalb in Sojabohnenöl und Triglyzeriden emulgiert. Die aufgezogene Lösung muss wegen des hohen Kontaminationsrisikos innerhalb weniger Stunden verbraucht werden. Plus Wird Propofol zur Analgosedierung bei kritisch Kranken hoch dosiert (> 4 mg/kg KG/h) über mehrere Tage verabreicht, sind Fälle von Laktatazidose, Rhabdomyolyse, akutem Nierenversagen, bradykarden Herzrhythmusstörungen und Kreislaufversagen beschrieben. Die Ursache dieses mit hoher Letalität behafteten Propofol-Infusionssyndroms (PRIS) ist gegenwärtig unklar. Bei Kindern ist Propofol zur Langzeitanwendung kontraindiziert. Einige Prüfer wollen neben dem medizinischen Wissen auch Ihre mathematischen Fertigkeiten prüfen: Zur Narkoseeinleitung wird meist eine 1- prozentige Propofol-Lösung verwendet. Die Frage, wie viel mg in 1 ml enthalten sind, kann einem in einer Prüfungssituation ganz schön den Schweiß auf die Stirn treiben. Dabei müssen Sie gar nicht viel rechnen. Multiplizieren Sie die Prozentzahl mit 10 und Sie erhalten die Konzentration in mg/ml. Die 1-prozentige Propofol-Lösung enthält also 10 mg Propofol pro ml; und eine 0,75-prozentige Ropivacain-Lösung entsprechend 7,5 mg/ml Ropivacain. Zu den anderen i. v. Hypnotika sollten Sie zumindest ein paar Stichpunkte kennen: Thiopental : Barbiturat; bereits lange erhältlich, daher großer Erfahrungsschatz und auch bei Schwangeren (z. B. zur Sectio caesarea) zugelassen; teils ausgeprägte Hypotonie nach Gabe; keine kontinuierliche Infusion, da dann u. a. sehr lange Wirkdauer; kontraindiziert bei Porphyrie Etomidat : nur wenig Beeinträchtigungen der Hämodynamik nach Gabe → für kardiale Risikopatienten vorteilhaft; Suppression der Kortisolsynthese in der Nebennierenrinde → nicht für die kontinuierliche Infusion geeignet; höheres PONV-Risiko Midazolam : Benzodiazepin, kein echtes Hypnotikum, da auch in hoher Dosierung kein zuverlässiger Bewusstseinsverlust, eher in Kombination mit anderen Hypnotika Ketamin : NMDA-Rezeptor-Antagonist, als einziges Hypnotikum auch analgetische Wirkung, nur oberflächliche Bewusstlosigkeit nach Gabe, außerdem psychomimetische Nebenwirkungen (weniger beim rechtsdrehenden Enantiomer S-Ketamin) → Kombination mit z. B. Benzodiazepin; nur wenig Beeinträchtigung der Hämodynamik nach Gabe und erhaltene Schutzreflexe → Einsatz in Notfallmedizin, z. B. bei eingeklemmten und unzugänglichen Verletzten; bronchodilatatorische Wirkung Inhalationsanästhetika Inhalationsanästhetika vermitteln den Bewusstseinsverlust und die Amnesie bei einer balancierten Anästhesie. Mit Ausnahme von Lachgas wirken sie nicht analgetisch und müssen wie die i. v. Hypnotika für einen operativen Eingriff immer mit einem Opioid kombiniert werden. Da sie dem Inspirationsgasgemisch über spezielle Verdampfer (auch: Vapor) zugeführt werden, sind sie gut steuerbar. Außerdem kann die Gaskonzentration im Gegensatz zu i. v. Anästhetika gemessen werden. Plus Chemisch sind die volatilen Anästhetika mit Fluor oder Chlor halogenierte Kohlenwasserstoffe. Unter den Begriff Inhalationsanästhetika fallen die volatilen (verdampfbaren) Anästhetika und Lachgas. Die volatilen Anästhetika sind bei Raumtemperatur flüssig. Eine Ausnahme bildet Desfluran, das bei Raumtemperatur als Gas vorliegt und daher einen speziellen Vapor benötigt. Gegenwärtig werden in der klinischen Praxis Desfluran , Isofluran und Sevofluran eingesetzt. Halothan und Enfluran wurden wegen ihres Nebenwirkungspotenzials und der schlechteren Steuerbarkeit abgelöst. Plus Auch das Edelgas Xenon kann als Narkosegas eingesetzt werden. Es besticht unter anderem durch eine herausragende Steuerbarkeit. Der hohe Preis und die damit verbundene Notwendigkeit, das Gas in einem geschlossenen Narkosesystem zu applizieren, verhindern einen Routineeinsatz. Hier die wichtigsten Eckpunkte zu den einzelnen Inhalationsanästhetika: Desfluran: gut steuerbar; geringste hepatische Metabolisierung; Siedepunkt bereits bei 23 °C, daher spezieller Verdampfer erforderlich Isofluran: von den aktuell verfügbaren Inhalationsanästhetika am schlechtesten steuerbar Sevofluran: gut steuerbar; angenehmer Geruch, daher als einziges zur inhalativen Narkoseeinleitung (v. a. bei Kindern) geeignet; größte hämodynamische Stabilität Lachgas : gut steuerbar; nur in Verbindung mit anderen (Inhalations-)Anästhetika, da nur geringe Potenz; wirkt als einziges Inhalationsanästhetikum analgetisch; Diffusionshypoxie bei Beenden der Zufuhr → Beatmung mit FiO 2 1,0 für 5 Minuten; Diffusion in luftgefüllte Räume; hohes Risiko für PONV Merke Die volatilen Anästhetika können eine maligne Hyperthermie triggern und sind deshalb bei entsprechender Anamnese absolut kontraindiziert. Tipp Sie sollten unbedingt wissen, was der MAC-Wert bedeutet: Die Abkürzung MAC steht für minimale alveoläre Konzentration und ist ein Maß für die Wirkstärke eines Narkosegases. Der Wert ermöglicht unter anderem einen Vergleich der Potenz von Inhalationsanästhetika. Per Definition ist 1 MAC die Konzentration eines Inhalationsanästhetikums (Angabe in Volumenprozent), bei der 50 % der Patienten auf einen Hautschnitt nicht mit Abwehrbewegungen reagieren. Der MAC-Wert wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. Die Gabe von Opioiden oder ein hohes Lebensalter verringern, ein chronischer Alkoholabusus erhöht ihn. Der MAC-Wert wird auch in Kap. 5.1.2 behandelt. Außerdem sollten Sie schon einmal etwas vom Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten gehört haben. Er gibt die Löslichkeit des Gases im Blut an. Je höher der Blut-Gas-Verteilungskoeffizient, umso mehr Anästhetikum wird im Blut gelöst. Es wird dann weniger Wirksubstanz am Gehirn als Wirkort abgegeben. Volatile Anästhetika mit einem hohen Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten sind also schlechter steuerbar als solche mit einem niedrigen. Opioide Opioide werden aufgrund ihrer analgetischen Wirkung eingesetzt. In der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin werden fast ausschließlich reine µ-Agonisten verwendet, die i. v. verabreicht werden. So wirken sie schnell und sind gut steuerbar. Für die Anästhesie sind hauptsächlich folgende Nebenwirkungen von Bedeutung: Atemdepression Bradykardie, Hypotonie Thoraxrigidität (im Extremfall bis zur Unmöglichkeit der Beatmung) Sedierung (oft erwünschte Nebenwirkung) Die weiteren Nebenwirkungen der Opioide sind in Kap. 2.4.3 zusammengefasst. Merke Wann immer ein potentes Opioid verabreicht wird, muss die Möglichkeit zur Beatmung gegeben sein. Sie sollten auf jeden Fall Fentanyl als Referenzsubstanz kennen. Es hat eine Wirkdauer von ca. 30 Min. Bei wiederholter Gabe kann es allerdings stark kumulieren. Aufgrund seiner pharmakologischen Besonderheiten sollten Sie auch etwas zum Remifentanil erzählen können. Es ist ein ultrakurz wirksames Opioid (Wirkdauer ca. 5 Min.). Der Abbau erfolgt organunabhängig durch Esterasen im Gewebe und Blut. Es kumuliert nicht und ist hervorragend steuerbar. Oft wird es zusammen mit Propofol für eine TIVA verwendet. Eine Bolusgabe ist unüblich, Remifentanil wird i. d. R. als kontinuierliche Infusion verabreicht. Tipp Denken Sie daran, dass schon kurz nach Beendigung der Remifentanil-Gabe keinerlei analgetische Wirkung mehr vorhanden ist. Geben Sie also rechtzeitig vor Narkoseausleitung ein länger wirksames Analgetikum, wenn postoperativ mit dem Auftreten von Schmerzen zu rechnen ist. Eine Opioidwirkung kann mit Naloxon antagonisiert werden. Muskelrelaxanzien Muskelrelaxanzien werden im Rahmen einer Allgemeinanästhesie eingesetzt, um bei der Intubation die Sicht auf den Larynx zu verbessern und das Risiko einer Stimmlippenschädigung zu verringern. Intraoperativ sollen sie dem Operateur optimale Eingriffsbedingungen bieten, was insbesondere bei Eingriffen im Thorax oder Bauchraum sowie bei mikrochirurgischer Präparation entscheidend ist. Muskelrelaxanzien besetzen die Acetylcholinrezeptoren an der muskulären Endplatte, hemmen dort die Erregungsausbreitung und führen zu einer vollständigen Lähmung der quergestreiften Muskulatur. Merke Bevor eine Narkose bei einem Patienten ausgeleitet wird, der ein Muskelrelaxans erhalten hat, muss das Abklingen der Wirkung durch die Relaxometrie ( Kap. 2.1.3 ) überprüft werden. Sie sollten die Einteilung in depolarisierende (Succinylcholin) und nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien (NDMR) kennen. Succinylcholin hat eine kurze Anschlagszeit (45–60 s) und ist ultrakurz wirksam (5 Min.). Wenn es den Acetylcholinrezeptor besetzt, löst es einmalig ein Aktionspotenzial aus. Dies zeigt sich klinisch durch kurzzeitige Muskelfaszikulationen. Diese kurzzeitige Muskelanspannung erklärt viele Nebenwirkungen und Kontraindikationen von Succinylcholin. Merke Die Kontraindikationen für Succinylcholin sollten Sie unbedingt kennen: Hyperkaliämie, da Gabe zu einem (kurzzeitigen) weiteren K + -Anstieg führt Bettlägerige Patienten oder Patienten einige Tage nach Brandverletzung, da sich bei ihnen Acetylcholin-Rezeptoren auch an anderen Stellen außer der motorischen Endplatte (sog. extrajunktionale ACH-Rezeptoren) ausbilden → es kann zu einem abnorm hohen K + -Anstieg mit nachfolgendem Kreislaufstillstand kommen Perforierende Augenverletzungen durch kurzzeitigen Anstieg des Augeninnendrucks Anamnese einer malignen Hyperthermie (MH) oder verwandter Krankheitsbilder ( Kap. 4.7 , Kap. 5.1.7 ) Außerdem sollten Sie wissen, dass es nach Applikation hoher Dosen zur Ausbildung eines sog. Phase-II-Blocks (auch: Dualblock) kommen kann. Succinylcholin weist dann dieselben Charakteristika wie ein Block mit einem lang wirksamen NDMR auf. Bei den NDMR sollten Sie wissen, dass diese weiter in Benzylisochinoline (Atracurium, Cis-Atracurium, Mivacurium) und Aminosteroide (Pancuronium, Rocuronium, Vecuronium) unterteilt werden. Es empfiehlt sich einige der NDMR besser zu kennen, z. B.: Cis-Atracurium : Anschlagszeit 3–5 Min.; mittellange Wirkdauer (45 Min.); organunabhängiger Abbau, daher auch bei Leber- und Niereninsuffizienz sicher einsetzbar Mivacurium : Anschlagszeit 2–3 Min., kurze Wirkdauer (15 Min.); Metabolisierung über Plasmacholinesterase → stark verlängerte Wirkdauer bei hereditärem oder erworbenem Mangel Rocuronium : Anschlagszeit 1,5–3 Min., mittellange Wirkdauer (40 Min.), bei hoher Dosierung weitere Verkürzung der Anschlagszeit, damit Alternative zu Succinylcholin bei der RSI, dann jedoch lange Wirkdauer (> 60 Min.); hepatische Metabolisierung → verlängerte Wirkung bei Leberinsuffizienz Die Wirkung der NDMR kann durch Gabe der Acetylcholin-Esterase-Inhibitoren (Neostigmin , Pyridostigmin ) antagonisiert werden. Sie verhindern den Abbau von Acetylcholin. Die ansteigende Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt verdrängt das NDMR. Acetylcholin-Esterasehemmer werden immer in Kombination mit Atropin verabreicht, da es sonst zu Bradykardie, Bronchokonstriktion und erhöhter Speichel- und Bronchialsekretion kommt. Für Rocuronium und Vecuronium steht mit Sugammadex außerdem ein Medikament zur Reversierung zur Verfügung. Es schließt die freien Relaxansmoleküle aus der Blutbahn irreversibel in seinen zentralen Hohlraum ein. Durch den entstehenden Konzentrationsgradienten werden nun die rezeptorgebundenen Moleküle gelöst und ebenfalls „enkapsuliert“. Tipp Eine Antagonisierung sollte nur durchgeführt werden, wenn in der Train-of-four-Stimulation (TOF, Kap. 2.1.3 ) mindestens zwei Reizantworten nachweisbar sind. Lokalanästhetika Lokalanästhetika werden bei zentralen und peripheren Nervenblockaden, zur Infiltrationsanästhesie und auch bei der weniger gebräuchlichen intravenösen Regionalanästhesie eingesetzt. Gerne wird nach dem Wirkmechanismus der Lokalanästhetika gefragt: Sie diffundieren durch die Nervenfasermembran, blockieren dort reversibel spannungsgesteuerte Na + -Kanäle und verhindern die Entstehung eines Aktionspotenzials. Das Lokalanästhetikum liegt im Körper in zwei Formen vor, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen: Ungeladen: lipophil → ermöglicht Diffusion durch Nervenfasermembran (Lipidmembran) zum Na + -Kanal Geladen: hydrophil → Bindung an Na + -Kanal an der Innenseite der Membran (aktive Form) Welche Form überwiegt, wird durch den pK a -Wert (gibt den pH-Wert an, bei dem jeweils zur Hälfte die ungeladene und geladene Form vorliegt) des Lokalanästhetikums bzw. vom pH-Wert des umliegenden Gewebes bestimmt. Plus Lokalanästhetika wirken in entzündetem Gewebe wegen des niedrigen pH-Werts nicht oder nur schwach. Hintergrund dafür ist, dass sie dann nur in der geladenen Form vorliegen und die Nervenfasermembran nicht durchdringen können. Tipp Folgende Faktoren sind für die pharmakokinetischen Unterschiede der Lokalanästhetika entscheidend: Lipidlöslichkeit → Potenz pK a -Wert → Anschlagszeit Proteinbindung → Wirkdauer Die einzelnen Lokalanästhetika unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Potenz, Anschlagszeit und Wirkdauer ( Tab. 2.9 ). Tab. 2.9 Charakteristika wichtiger Lokalanästhetika Potenz Anschlagszeit Wirkdauer Bupivacain Hoch Lang Lang Lidocain Mittel Kurz Mittel Mepivacain Mittel Kurz Mittel Prilocain Mittel Kurz Mittel Ropivacain Hoch Lang Lang Merke Hohe Prilocain-Dosierungen führen zur Bildung von Met-Hb mit Hypoxie! 2.1.3. Überwachung während der Anästhesie Körperliche Untersuchung Auch wenn der Großteil der anästhesiologischen Überwachung mittlerweile apparativ erfolgt, gibt es viele Prüfer, die auf die Beurteilung klinischer Zeichen während der Narkose Wert legen. Wenn Sie also gefragt werden, auf welche klinischen Zeichen Sie während einer Anästhesie achten, können Sie Folgendes antworten: Beobachtung regelmäßiger seitengleicher Thoraxexkursionen und unauf