Mediengewalt_3_Begriff und Methoden PDF

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Heinrich Heine University Düsseldorf

2024

Dr. Astrid Zipfel

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media violence social psychology aggressive behaviour lecture notes

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These lecture notes provide a framework for understanding media violence and aggressive behaviors. The document covers the definition of violence, different types of aggression, and various research methodologies, including discussions of specific examples and operationalisations.

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Begriffsklärung und Methoden der Medien- und Gewalt-Forschung Vorlesung „Medien und Gewalt“ Wintersemester 2024/25 Dr. Astrid Zipfel hhu.de Inhalt 1. Gewalt 3. Operationalisierungen 1. Begriffsklärung...

Begriffsklärung und Methoden der Medien- und Gewalt-Forschung Vorlesung „Medien und Gewalt“ Wintersemester 2024/25 Dr. Astrid Zipfel hhu.de Inhalt 1. Gewalt 3. Operationalisierungen 1. Begriffsklärung 1. Mediengewalt(nutzung) 2. Ausdifferenzierung 2. Wirkungen 3. Faktoren bei der Entstehung von Gewalt 1. Kognitionen 2. Emotionen 3. Verhalten 2. Erhebungsverfahren 1. Inhaltsanalysen 4. Wichtige Punkte 2. Aggregatstudien 3. Befragungen 4. Qualitative Verfahren 5. Experimente 2 hhu.de 1. Gewalt 3 hhu.de 1.1. Begriffsklärung Welche Begriffe verbinden Sie mit „Gewalt“? Link zur Umfrage: https://ars.particify.de/p/99593802/series/Definition/1 4 hhu.de 1.1. Begriffsklärung Zentrale Elemente des Gewaltbegriffs:  Zielgerichtetheit einer Handlung  Intention der Schädigung  Kein Einverständnis des Opfers der Schädigung Definition: „Im sozialpsychologischen Sinne lasst sich Aggression definieren als nicht versehent- liches Handeln mit dem Ziel, eine andere Person, sich selbst oder einen Gegenstand zu schädigen, wobei die Zielperson bestrebt ist, dieses Verhalten zu vermeiden.“ (Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 325)  Selbst-Schädigung?  Gewalt = Aggression? 5 Zipfel 2019; S. 16; Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 325f.; Krahé 2023, S. 313-315 hhu.de 1.1. Begriffsklärung Gewalt wird z.T. als besonders schwere physische Aggression verstanden. Aggression kann auch funktionales bzw. gesellschaftlich akzeptables Handeln bezeichnen, was auf „Gewalt“ nicht zutrifft. Asoziales Verhalten = sozial nicht akzeptiertes Handeln, das aber nicht notwendigerweise aggressiv bzw. violent sein muss. „Thus, all violent antisocial behaviors are aggressive, but not all aggressive behaviors are necessarily antisocial nor violent.“ (Ferguson 2008, S. 327) Da eine Differenzierung zwischen Aggression und Gewalt in der Literatur zur Wirkung violenter Medieninhalte keine gängige Praxis ist, werden Aggression und Gewalt in dieser Vorlesung synonym verwendet. 6 Zipfel 2019, S. 17f.; Krahé 2023, S. 313-315 hhu.de 1.1. Begriffsklärung Ist das Aggression / Gewalt?  Wurzelbehandlung beim Zahnarzt  Messerangriff, der die angegriffene Person verfehlt  Ein Autofahrer fährt versehentlich einen Radfahrer an  Ellenbogen-Einsatz am Wühltisch, um ein Schnäppchen zu ergattern  Ausführung eines Schießbefehls durch Soldaten  Verletzung eines Angreifers in Notwehr  Mobbing in Sozialen Medien  Sadomasochistische Praktiken  Suizid Link zur Umfrage https://partici.fi/74310668 7 Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 325f.; Krahé 2023, S. 313-315 hhu.de 1.2. Ausdifferenzierung Feindselige vs. instrumentelle Aggression 8 Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 327 hhu.de 1.2. Ausdifferenzierung Dimensionen von Gewalt / Aggression (Auswahl) Dimension Ausprägung Ausprägung Ausprägung Urheber personale Gewalt (durch strukturelle Gewalt (durch Menschen) soz. System) Art der physisch (körperl. psychisch (seelische relational/sozial (Schädi- Schädigung Schädigung) Schädigung) gung soz. Beziehungen) Mittel der physisch (Gegenstände) verbal (Worte) nonverbal (Mimik, Gestik, Schädigung Handlung) Zurechenbarkeit direkt (erkennbarer Täter) indirekt (unerkannter Täter) Auslöser proaktiv (unprovoziert) reaktiv (provoziert) Sichtbarkeit der manifest/„schmutzig“ latent/„sauber“ (Folgen Folgen (Folgen sichtbar) unsichtbar) Legitimität legitim (soz. gebilligt) illegitim (soz. nicht gebilligt) 9 Zipfel 2019, S. 17; Krahé 2023, S. 314f. hhu.de 1.2. Ausdifferenzierung Dimensionen von Gewalt / Aggression (Auswahl) Dimension Ausprägung Ausprägung Ausprägung Mediales real (tatsächlich statt- fiktiv (ausgedacht, z.B. Format findend, z.B. Nachrichten) Filme / Spiele) Mediale natürlich (lebensecht, künstlich (verfremdet, Präsentation realistisch) unrealistisch, z.B. Zeichen- trick) 10 Zipfel 2019, S. 17; Krahé 2023, S. 314f. hhu.de 1.3. Faktoren bei der Entstehung von Gewalt => Gewalt / Aggression entsteht aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren 1. Biologische Basis: Evolutionärer Vorteil aggressiven Verhaltens im Kampf um begrenzte Ressourcen (=> Fortpflanzungs- und Überlebensvorteil)  Kulturübergreifendes Auftreten  Genetik (Vererbbarkeit)  Neurobiologische Basis  Hormonelle Zusammenhänge (Testosteron) 11 Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 330-334; Krahé 2023, S. 318-321 hhu.de 1.3. Faktoren bei der Entstehung von Gewalt 2. Gefühle Wichtiger Einfluss der wahr- genommenen Absicht der Schädigung / Feindseligkeit der Handlung Aggressionsverschiebung: Aggression muss sich nicht gegen Quelle der Frustration, sondern kann sich auch gegen leichter erreichbares Ziel richten Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 335 12 Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 335-342; Krahé 2023, S. 321; 329-331 hhu.de 1.3. Faktoren bei der Entstehung von Gewalt 3. Normen und soziales Lernen  Sozialisationsinstanzen  Familie  Peer-Group / Freunde  Schule  Kulturkreis ⇒ vermitteln Werte / Normen / Verhaltensregeln durch  Modell-Lernen (Beobachtung des Verhaltens anderer)  Konsequenzen des Handelns (Belohnung / Bestrafung) => Sozial-kognitive Lerntheorie 13 Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 347-358, Krahé 2023, S. 324f. hhu.de 1.3. Faktoren bei der Entstehung von Gewalt 4. Situative Einflüsse  Anonymität / Deindividuierung  Situationen, in denen Gruppenidentität in den Vordergrund und personale Identität in den Hintergrund tritt (z.B. Massenveranstaltungen / Fußballspiele; Masken / Uniformen; Dunkelheit)  Verringerung des Verantwortungsgefühls (Anonymität / Diffusion von Verantwortung in der Masse)  Verstärkung des Einflusses v. Gruppennormen (=> aggressives Handeln bei aggressiven Gruppennormen)  Mit Gewalt assoziierte Hinweisreize (z.B. Waffen) bei gleichzeitiger Erregung (=> Stimulationstheorie)  Oberflächliches Denken / Verringerte Selbstkontrolle (z.B. bei Alkohlkonsum, Erregung) (=> Excitation Transfer)  Wettbewerbsbedingungen 5. Persönlichkeitsmerkmale  Geschlecht, Aggressivität, Feindseliger Attributionsstil, Selbstkontrolle, Empathie … 14 Werth / Seibt / Mayer 2020, S. 358-368; Krahé 2023, S. 321-324; eigene Ergänzung hhu.de 1.3. Faktoren bei der Entstehung von Gewalt 6. Medien ??? Insgesamt ist Gewalt auf das Zusammenwirken fördernder und hemmender Faktoren auf Seiten der Person und der Umwelt zurückzuführen (=> General Aggression Model) 15 hhu.de 2. Erhebungsverfahren 16 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Inhaltsanalysen  Erhebung der Quantität und Beschaffenheit violenter Medieninhalte, ihrer Veränderung im Zeitverlauf und Unterschieden zwischen verschiedenen Medien. Wie viele Gewaltakte enthält dieser Clip? https://www.youtube.com/watch?v=pUtklP2cZoU 17 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Problematik:  Starke Variation der Ergebnisse in Abhängigkeit von der Definition von Gewalt, vom Codebuch und der gewählten Analyse-Einheit. 18 Kunczik / Zipfel 2006, S. 43f. hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Bedeutung der Gewalt-Definition: Definition von Gerbner u. a. (1980, S. 11f.): „… the overt expression of physical force (with or without a weapon, against self or other) compelling action against one’s will on pain of being hurt and/or killed, or threatened to be so victimized as part of the plot. [...] However, ,accidential‘ and ,natural‘ violence (always purposeful dramatic actions that do victimize certain characters) are, of course, included.” Definition von Krüger (1996, S. 117): „Gewalt ist die absichtliche Herbeiführung sowie das nicht beab- sichtigte Eintreten von physischem, psychischem, materiellem, sozialem und ökologischem Schaden. Eine Gewaltdarstellung liegt vor, wenn Gewalt thematisiert bzw. ausgeübt wird und mindestens ein Ele- ment der Gewaltstruktur – Täter, Tat/Ereignis, Opfer, Betroffener, Schaden – sichtbar dargestellt wird.“ Definition in der National Television Violence Study (Wilson u. a. 1997, S. 41): „Violence is defined as any overt depiction of a credible threat of physical force or the actual use of such force intended to physically harm an animate being or group of beings. Violence also includes certain depictions of physically harmful consequences against an animate being or group that occur as a result of unseen violent means.” Worin bestehen die Unterschiede? Wie beeinflussen sie das Ergebnis einer Inhaltsanalyse? 19 Kunczik / Zipfel 2006, S. 43f.; Winterhoff-Spurk / Unz / Schwab 2005, S. 225-227 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Bedeutung der Analyse-Einheit: Gerbner (1980)  Aggressive Handlungen: Wechsel von Protagonist, Waffe und / oder Ziel markiert neue Handlung CBS (Television and Behavior 1982, Vol. 1, S. 44):  Aggressive Handlung: „One sustained dramatically continous event inolving violence, with essentially the same group of participants and with no major interruption in continuity.“ National Television Violence Study (Wilson u. a. 1997, S. 42):  Violente Interaktion: Aggressor, violenter Akt, Ziel der Aggression (=> neue Interaktion mit Wechsel eines Elements)  Violente Szene: Mehrere violente Interaktionen, die in Beziehung zueinander stehen und ohne relevante Unterbrechung der Gewalthandlung stattfinden  Violentes Programm: Gesamte Sendung Worin bestehen die Unterschiede? Wie beeinflussen sie das Ergebnis einer Inhaltsanalyse? 20 Kunczik / Zipfel 2006, S. 43f.; Winterhoff-Spurk / Unz / Schwab 2005, S. 227 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Problematik:  Geringe Aussagekraft reiner „Leichenzählerei“ => idealerweise Erhebung von Kontextfaktoren, die sich mit Wirkungsbefunden in Beziehung setzen lassen.  National Television Violence Study, für die das Kategoriensystem auf der Basis von Wirkungsbefunden über die aggressionsfördernden / aggressionsreduzierenden Effekte bestimmter Eigenschaften von Gewaltdarstellungen entwickelt wurde (siehe folgende Folie) 21 Kunczik / Zipfel 2006, S. 46-50. hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Kontextfaktoren Art der Wirkung Lernen von Angst Desensibili- Gewalt sierung Attraktiver Täter  Attraktives Opfer  Gerechtfertigte Gewalt  Ungerechtfertigte   Gewalt Präsenz von Waffen  Extensive und explizit    gezeigte Gewalt Realistische Gewalt   Belohnungen   Bestrafungen   Hinweise auf Schmerz/  Verletzungen Humor    = vermutliche Verstärkung der Wirkung  = vermutliche Verringerung der Wirkung 22 Martins / Riddle 2022, S. 377; National Television Violence Study, Vol. 3, 1998, 13 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Problematik  Schwierigkeiten bei der Analyse interaktiver Medien  Es gibt nicht den „einen“ Medieninhalt, der analysiert werden kann, sondern dieser hängt von Spielstrategie / Spielerfahrung / Spieldauer usw. ab.  Besonders komplex bei Multiplayer-Games, wo Spielinhalte auch von den Handlungen der Gegner abhängen.  Informationen müssen auf auditiver, visueller und Text-Ebene erhoben werden.  Spiele können sehr lang sein und die Verwendung kürzerer Ausschnitte erfasst u.U. nicht die relevanten Spiel-Elemente  Möglichkeiten der Analyse:  Analyse anderer Materialien als des Spiels selbst (Cover, Booklets, Rezensionen von Gamern oder Journalisten)  Aufnahmen / Live-Übertragungen von Spielern auf Video-Plattformen (YouTube / Twitch) => aber auf Unterhaltung ausgerichtet, Spielverhalten unter Beobachtung, ggf. Ablenkung durch Interaktion mit Zuschauern, auf bestimmte populäre Spiele beschränkt 23 Wulf / Possler / Breuer 2023 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Vorgehen von Weber / Behr / Tamborini (2009)  Ziel: Bestimmung des Gewaltgehalts bei verschiedenen Spieltaktiken  Mehrere Spieler (N = 13) spielen dasselbe Spiel für durchschnittlich 50 Minuten  Definition von 7 Spielphasen mit charakteristischen Mustern (z.B. sichere Situation, Verwendung des Ausstattungs-Menüs, eigene Gewaltanwendung)  Festlegung von 18 Ereignissen, die zu Beginn neuer Spielphase führen (z.B. Tötung eines Gegners als Übergang zu einer sicheren Situation) ⇒ Auswertung der Häufigkeit und Dauer violenter / nicht violenter Spielphasen => ca. 7% der Spielzeit entfällt auf Waffengebrauch ⇒ Auswertung der Sequenz aus 3 Spiel-Ereignissen => Erkenntnisse über typische Abläufe und individuelle Variationen 24 Weber / Behr / Tamborini 2009 hhu.de 2.1. Inhaltsanalysen Grenzen der Aussagekraft von Inhaltsanalysen  Aussagen allenfalls über Wirkungspotenzial, nicht über tatsächliche Wirkungen möglich.  Erhöhung der Aussagekraft durch Verbindung mit Rezeptionsstudien, die Erkenntnisse zur Wahrnehmung der gemessenen Gewalt erlauben. 25 hhu.de 2.2. Aggregatstudien Aggregatstudien  Studien auf Grundlage von Statistiken für eine Gesamtpopulation  Eignung für retrospektive Untersuchungen und Fragen, bei denen Erhebung von Individualdaten nicht oder schwierig möglich ist.  Gefahr ökologischer Fehlschlüsse (auf Makro-Ebene festgestellte Zusammenhänge sind auf individueller Ebene nicht vorhanden) Beispiele:  Entwicklung der Suizidrate nach Berichterstattung über einen Prominenten-Suizid  Entwicklung der Anzahl der Gewalttaten nach Einführung des Fernsehens  Zusammenhang zwischen Besuchszahlen violenter Kinofilme und Zahl der Überfälle am selben Tag 26 Kunczik / Zipfel 2010, S. 25; Zipfel 2019, S. 20 hhu.de 2.3. Befragungen Befragungen  Erhebung von Selbsteinschätzungen der Befragten  Abgleich mit Fremdeinschätzungen (z.B. Eltern, Lehrer, Peers) möglich und ggf. sinnvoll  Problematik von Erinnerungsproblemen, Fehleinschätzungen, verzerrter Wahrnehmung und sozialer Erwünschtheit  Tagebuchverfahren (die aber aufwändig sind)  Kontrolle von Drittvariablen wichtig 27 Kunczik / Zipfel 2010, S. 26f.; Zipfel 2019, S. 19f. hhu.de 2.3. Befragungen Befragungen – Fortsetzung  Querschnittstudien:  Feststellung von Zusammenhängen (Korrelationen) zu einem einzigen Zeitpunkt, nicht jedoch von Kausalitäten bzw. Kausalitätsrichtungen möglich  Längsschnittstudien (Panelstudien):  Untersuchung kumulativer Effekte  Feststellung von Kausalzusammenhängen und Kausalitätsrichtungen möglich  Nachteil des hohen Aufwandes und Gefahr von Panel-Effekten 28 Kunczik / Zipfel 2010, S. 26f.; Zipfel 2019, S. 19f. hhu.de 2.3. Befragungen Logik der zeitversetzten Kreuzkorrelationen bei Längsschnittstudien 29 Eigene (bearbeitete) Erstellung nach Slater 2007, S. 284 hhu.de 2.4. Qualitative Verfahren Qualitative Verfahren  Fokusgruppen-Gespräche, Intensivinterviews, Verhaltensbeobachtungen usw.  Sinnvoll v.a. für explorative Untersuchungen  Angewendet häufig bei Studien mit Problemgruppen bzw. Kindern  Häufig Kombination mit anderen Verfahren  Gefahr unzulässiger Verallgemeinerung  Chance der tiefgreifenderen Erklärung von Zusammenhängen 30 Kunczik / Zipfel 2010, S. 27; Zipfel 2019, S. 20 hhu.de 2.5. Experimente Experimente  Experimente ermöglichen den Nachweis von Kausalzusammenhängen (hohe interne Validität).  Mehrere, in Bezug auf relevante Merkmale identisch zusammengesetzte Gruppen  Experimenteller Stimulus, der in Bezug auf Faktor von Interesse variiert wird (z.B. violent / nicht violent)  Unterschiede bei der abhängigen Variablen (z.B. Gewaltverhalten) sind bei ansonsten identischen Bedingungen auf den experimentellen Stimulus zurückzuführen.  Nachteile:  Künstlichkeit der Labor-Situation => Die Übertragung auf die Realität ist problematisch (geringe externe Validität). 31 Kunczik / Zipfel 2010, S. 28f.; Zipfel 2019, S. 21f. hhu.de 2.5. Experimente Experimentelles Design - Beispiel 32 Werth / Denzler / Mayer 2020, S. 11 hhu.de 2.5. Experimente Probleme:  Design:  Within-Subject-Design (Vergleich der abhängigen Variablen vor und nach dem) => Nachweis von Effekten bei den einzelnen ProbandInnen (aber: Gefahr von Mess-Effekten)  Between-Subject-Design (Vergleich Experimental- vs. Kontrollgruppe(n)) => Gefahr, dass sich Veränderungen nivellieren (Aggressionssteigerung bei einer, Aggressionsreduktion bei der anderen Gruppe  Repräsentativität der Versuchspersonen für die Gesamt-Bevölkerung (in der Realität v.a. Studierende) (=> Begrenzte Verallgemeinerbarkeit d. Befunde)  Eignung des Stimulusmaterials (=> Folie 37)  Messung von Effekten / Operationalisierung von Gewalt im Labor (=> Folie 38ff.) 33 hhu.de 3. Operationalisierungen 34 hhu.de Operationalisierung Operationalisierung der unabhängigen Variablen (UV) = Mediengewalt  Erhebung der Mediengewalt-Nutzung in Befragungen  Gestaltung geeigneten Stimulus-Materials bei Experimenten Operationalisierung der unabhängigen Variablen (AV) = Aggressivität  Kognitive Effekte  Affektive Effekte  Konative Effekte (Verhalten) 35 hhu.de 3.1. Mediengewalt(nutzung) Mediengewalt-Nutzung Vorgehen  Abfrage von Häufigkeit, Dauer, Art der genutzten Inhalte  Offene Erhebung oder Vorlage von Genres / Sendungen / Spielen  Erhebung über Selbstangaben oder Fremdangaben (z.B. Eltern)  Tagebuchverfahren Probleme  Erhebung allgemeiner Mediennutzung statt konkreter Nutzung violenter Inhalte  Erhebung von Genrepräferenzen statt Nutzungsintensität  Erinnerungsprobleme und Effekte sozialer Erwünschtheit  Beurteilung der Violenz der genutzten Inhalte (eigene Einschätzung der Befragten vs. Codierung durch Wissenschaftler / Beurteilung durch Experten) 36 Kunczik / Zipfel 2010, S. 33f.; Zipfel 2019, S. 23f. hhu.de 3.1. Mediengewalt(nutzung) Stimulus-Material  Pretest / Manipulation-Check: Überprüfung, ob Material so wahrgenommen wird, wie von Forschern angenommen (z.B. im Hinblick auf Violenz)  Unterscheidung nur im Hinblick auf untersuchungsrelevanten Aspekt (z.B. Gewaltgehalt), nicht im Hinblick auf weitere Aspekte (z.B. Dynamik, Schwierigkeitsgrad bei Spielen) (=> Gefahr der Konfundierung)  Problematik bei interaktivem Material: Je nach Geschick, Erfahrung, Strategie kommen ProbandInnen mit unterschiedlichen Inhalten (und unterschiedlicher Menge / Art von Gewalt) in Kontakt.  Einengung der Spiel-Optionen  Aufzeichnung des Spielverlaufs (zur nachträglichen inhaltsanalytischen Kontrolle) 37 Kunczik / Zipfel 2010, S. 28f; Zipfel 2019, S. 21f.; Klimmt / Weber 2013 hhu.de 3.2. Wirkungen Probleme der Messung von Aggressivität  Gewalt = sozial sanktioniertes Verhalten => Effekte sozialer Erwünschtheit  Zumindest in seiner schweren Form selten und daher im Feld schwierig zu beobachten  Ethische Problematik der Auslösung von Gewalt im Labor  Muss als Schädigungshandeln vom Probanden wahrgenommen werden, ohne tatsächlichen Schaden zuzufügen 38 hhu.de 3.2. Wirkungen Effekt-Kategorie Wirkungen Kognitive Effekte Aufmerksamkeit (für violente Inhalte), aggressive Gedanken, Meinungen, Überzeugungen Affektive Effekte Aggressive Gefühle (Wut, Feindseligkeit), Angst, Erregung Konative Effekte Verhalten (aggressiv, antisozial) 39 hhu.de Operationalisierung kognitiver Effekte 40 hhu.de 3.2.1. Kognitionen Operationalisierung kognitiver Effekte Methode Vorgehen Nachweis von Effekten Lesegeschwindig- Vorlesen violenter / nicht- Schnelleres Lesen violenter Worte keit violenter Worte Lexical Decision Entscheidung, ob es sich bei Schnellere Entscheidung bei Task Buchstabenfolgen um violenten Worten existierende Worte handelt Wortergänzungs- Ergänzung von Wortfragmen- Wahl der violenten Option test ten zu (nicht) violenten Worten Wortassoziations- Beurteilung der Ähnlichkeit von Entscheidung für Ähnlichkeit zwei- test Homonymen mit agg. Worten deutiger mit violenten Worte(n) Thought Listing Notieren spontaner Erhöhte Anzahl violenter Task Assoziationen mit Objekt Assozationen 41 Zipfel 2019, S. 25f. hhu.de 3.2.1. Kognitionen Operationalisierung kognitiver Effekte Methode Vorgehen Nachweis von Effekten Gesichts- Bestimmung des Zeitpunkts zu Menschen erkennen freundliche Mimik erkennungs- dem sich ein neutraler Ge- schneller als unfreundliche – andernfalls test sichtsausdruck in einen fröh- wird von Wahrnehmungsverzerrung lichen / wütenden verändert zugunsten neg. Stimuli ausgegangen Stroop-Test Identifikation der Farbe bunt Wenn Probanden länger brauchen, um gedruckter Begriffe die Farbe gewaltbezogener als neutraler Worte zu nennen, wird von semantischer Aktivierung und damit leichterer Zugäng- lichkeit violenter Worte ausgegangen Vignetten Angabe, wie Menschen in Nachweis eines „Hostile Attribution Bias“ Szenarien (schriftl. / bildl.) = Neigung zur Unterstellung feindlicher denken, fühlen oder handeln Absichten 42 Zipfel 2019, S. 25f. hhu.de 3.2.1. Kognitionen Beispiel für einen Wortergänzungstest Testwort Nicht-violente Violente Ergänzung Ergänzung st___en T__ _a_g W__e ver _ _ nden _o_d schla_en 43 Frindte / Geyer 2007, S. 186 hhu.de 3.2.1. Kognitionen Beispiel für Vorgehensweise bei Wortassoziationstests Violente Worte Ambivalente Worte  Vorlage von Wortpaaren aus zwei Listen violenter und ambivalenter Worte und Beurteilung der Ähnlichkeit / blood alley Verbindung zwischen den Worten (siehe Tabelle) butcher animal  Notieren von Assoziationen mit einem Begriff und choke bottle nachträgliche Codierung der Assoziationen auf fight drugs Gewaltgehalt gun movie  Beurteilung der Ähnlichkeit von Homonymen hatchet night („Teekesselchen“) mit aggressiven / nicht aggressiven hurt police Worten (siehe folgende Folie) kill red knife rock wound stick 44 Anderson / Carnagey / Eubanks 2003, S. 963; Bushman 1998, S. 539 hhu.de 3.2.1. Kognitionen Beispiele für Homonyme („Teekesselchen“) im Wortassoziationstest Homonym neutrale Bedeutung violente Bedeutung box Schachtel schlagen pound Pfund bombardieren, auf etwas einhämmern sock Socke schlagen cuff Manschette, Ärmel- Schlag /Hosenaufschlag mug Becher Trottel, Fresse, überfallen und ausrauben 45 Bushman 1998, S. 539 hhu.de 3.2.1. Kognitionen Gesichtserkennungstest Verändert sich der Gesichtsausdruck der abgebildeten Frau auf den nächsten Folien? Falls ja – wird er fröhlicher oder wütender? 46 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 47 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 48 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 49 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 50 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 51 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 52 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 53 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 54 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen 55 Kirsh / Mounts / Olczak 2006, S. 577 hhu.de 3.2.1. Kognitionen Stroop-Test Link zum Stroop-Test: https://www.brain-fit.com/mobile/m_stropp_test.html Emotionaler Stroop-Test Haus Waffe Tasse Blut => Bei leicht zugänglichen aggres- siven Kognitionen sollte die Farbe The conditions of the Stroop experiment. Condition A is violenter Worte langsamer identifi- "compatible", and Condition B is "incompatible" ziert werden als die neutraler https://www.psytoolkit.org/lessons/stroop.html Worte 56 Kunczik / Zipfel 2010, S. 36 hhu.de 3.2.1. Kognitionen Szenario-Technik / Vignetten  Kurze Beschreibung oder bildliche Präsentation hypothetischer Personen oder Situationen  Aufgabe der ProbandInnen = Einschätzung der Personen / Situationen  Trotz Vorgabe identischen Materials lassen Vignetten Raum für individuelle Interpretationen 57 Kunczik / Zipfel 2010, S. 37f. hhu.de 3.2.1. Kognitionen Szenario zur Messung eines feindlichen Attributionsstils (Hostile Attribution Bias) Hostile Attribution Bias = Neigung zur Unterstellung feindseliger Absichten 58 Möller 2006, Anhang hhu.de 3.2.1. Kognitionen Szenario zur Messung aggressiver normativer Überzeugungen 59 Möller 2006, Anhang hhu.de 3.2.1. Kognitionen Beispiel für Kombination von textlichen und bildlichen Vignetten Fragen:  Was geschieht als nächstes?  Entscheidung zwischen zwei Alternativen des Fortgangs der Geschichte  Was würdest Du in der Situation tun? (=> Verhaltensmessung) 60 Funk u.a. 2003, S. 421 hhu.de Operationalisierung emotionaler Effekte 61 hhu.de 3.2.2. Emotionen Selbstberichte: Subjektive Wahrnehmung von Emotionen Physiologische Messung: Automatische Reaktionen des zentralen und peripheren Nerven- systems => körperliche Reaktionen als Indikatoren für psychische Prozesse Hirnforschung: Aufschluss über unbewusste kognitive u. affektive Prozesse Minich / Tao / Cascio 2023, S. 77  Entscheidung je nach Erkenntnis-Interesse (z.B. Emotionen während oder nach der Rezeption)  Kombination sinnvoll zur Konkretisierung / Validierung der Befunde 62 hhu.de 3.2.2. Emotionen Selbstberichte:  Erfordern Fähigkeit und Bereitschaft zur Reflexion und Identifikation der eigenen Emotionen => Gefahr der bewussten oder unbewussten Verzerrung  Es können lediglich bewusste / verbalisierbare Emotionen erhoben werden, was gerade bei komplexen Gefühlen nicht funktioniert  Erheben emotionalen Zustand in der Regel nur zu einem konkreten Zeitpunkt. Emotionen sind aber häufig flüchtig und situationsspezifisch, d.h. haben sich bis zur Befragung bereits verändert (bzw. wurden rationalisiert / interpretiert usw.) => Eher Messung von Meta- als von Rezeptionsemotionen  Quelle der Aussage ist (anders als bei Beobachtungsmethoden) die Person selbst  Es liegen gut validierte Skalen vor (z.B. MDAS = Modifizierte Differentielle Affekt-Skala)  Alternativen:  Methode des lauten Denkens  Continous Response Measurement / Rapid Response Measurement: Kontinuierliche Messung von Emotionen durch Schieberegler 63 Früh / Fahr 2006; von Georgi / Starcke 2021 hhu.de Skalen der M-DAS (Modifizierte Differentielle Affekt Skala zur Erfassung subjektiver Befindlichkeiten während der Medienrezeption) 64 Renaud / Unz 2006, S. 73 hhu.de 3.2.2. Emotionen Physiologische Messungen (Beispiele) } Indikator Messung Nachweis von Effekten Herzfrequenz Blutdruck Körpertemperatur Emotionale Erregung bei Erhöhung der Messwerte Hautleitfähigkeit Elektrische Leitfähigkeit der Haut verändert sich beim Schwitzen Stresshormone Gesichtsausdruck EMG (Elektromyogramm) = Aufzeichnung d. Bestimmung des Gefühls hinter Gesichtsmuskelaktivität durch Messung der der Mimik Veränderung d. elektrischen Potenzials bei Bewegung (alternativ: FACS = Facial Action Coding System = Beobachtungsverfahren) 65 Kunczik / Zipfel 2010, S. 39-44; Zipfel 2019, S. 27; Schmälzle / Grall 2020; von Georgi / Starcke 2021; Echterhoff 2023, S. 105-108 hhu.de 3.2.2. Emotionen Messung der Hautleitfähigkeit 66 Echterhoff 2023, S. 105 hhu.de 3.2.2. Emotionen Messung des Gesichtsausdrucks EMG: FACS: (nicht physiologisches Beobachtungsverfahren) https://imotions.com/blog/learning/research- fundamentals/facial-action-coding-system/ https://www.frontiersin.org/journals/human-neuroscience/articles/10.3389/fnhum.2023.1126336/full 67 hhu.de 3.2.2. Emotionen Physiologische Messungen Vorteil:  Verringerung des Risikos bewusster oder unbewusster Verzerrungen der Daten durch die unter- suchte Person (z.B. wg. fehlender Fähigkeit oder Bereitschaft zur Erteilung von zutreffenden Auskünften)  Keine Unterbrechung / Beeinflussung durch Fragestellung  Kontinuierliche Erhebung möglich  Direkte Erfassung von Reaktionen während der Rezeption (Rezeptionsemotionen) Nachteil:  Fehlende Eindeutigkeit bei der Interpretation  Individuelle Differenzen  Einfluss der Messung selbst  Gefahr von Artefakten durch Störgrößen 68 Kunczik / Zipfel 2010, S. 40-44; von Georgi / Starcke 2021 hhu.de 3.2.2. Emotionen Probleme bei der Interpretation physiologischer Daten  Verringerter Puls kann für erhöhte Aufmerksamkeit oder verringerte Erregung stehen  Problematisch für Untersuchung der Reaktionen auf Medienstimuli, bei denen Erregung mit Wahrnehmungsvorgängen verbunden ist.  Abhängigkeit von Valenz der Bilder: Verringerter Puls bei unangenehmen Bildern kann für negative emotionale Reaktion oder erhöhte Aufmerksamkeit stehen (die negativen / potenziell gefährlichen Stimuli üblicherweise entgegengebracht wird).  Auch zur Messung der Aufmerksamkeit kein zuverlässiger Indikator (Erhöhung der Herzfrequenz als Schutzreaktion bei aversiven / erschreckenden Reizen)  Muster verschiedener physiologischer Messdaten gibt bessere Hinweise auf Art der Emotionen, ist aber dennoch nicht eindeutig  Wegen individueller Unterschiede Within-Subject-Design empfehlenswert  Kombination mit anderen Messmethoden zur eindeutigen Identifikation von Emotionen sinnvoll 69 Ravja 2004; Kunczik / Zipfel 2010, S. 40-44; Fahr / Hofer 2013 hhu.de 3.2.2. Emotionen Beispiel für Kombination von Messmethoden N = 22; 1 = überhaupt nicht stark; 5 = sehr stark 70 Früh / Fahr 2006 hhu.de 3.2.2. Emotionen Verfahren der Hirnforschung Elektroenzephalografie (EEG):  Messung von Nervenzellen des Gehirns erzeugter elektrischer Signale durch am Kopf angebrachte Elektroden  Aufzeichnung der Spannungsunterschiede zwischen den https://www.cypruscentralhospital.com/i Elektroden, deren Frequenz, Amplitude und Entstehungsort mages/poliklinikler/teshis/eeg.jpg Aufschluss über den Aktivitätszustand des Gehirns geben.  Neben permanenter Hirnaktivität lassen sich auch Reaktionen auf Einzelereignisse messen (ERP = Event Related Potential) (z.B. P300-Amplitude als Maß für Dauer von Evaluationsprozessen und subjektiver Bedeutungszuschreibung zu einem Reiz)  Anfällig für Störgrößen, keine bes. gute räumliche Bestimmung der Gehirnaktivitäten, Veränderungen der Hirnaktivität lassen sich aber mit recht geringer Zeitverzögerung messen. 71 Fahr / Hofer 2013; Schmälzle / Grall 2020; Echterhoff 2023, S. 109-112; Minich / Tao / Cascio 2023, S. 78 hhu.de 3.2.2. Emotionen Spontanaktivität: Ständig auftretende rhythmische Potenzialänderungen  Delta-Wellen: Tiefschlaf  Theta-Wellen: Übergang Schlaf – Wachheit  Alpha-Wellen: Wache Entspannung  Beta-Wellen: Reaktion auf Stimulus nach entspanntem Zustand => erhöhte emotionale und kognitive Aktivität  Gamma-Wellen: Reaktion auf stärkere geistige https://www.researchgate.net/figure/The-waveforms-of-five-EEG-bands_fig4_360450271 Anstrengung (Lernen, Meditation); Integration versch. Merkmale von visuellen Stimuli 72 Echterhoff 2023, S. 110f.; https://www.doccheck.com/de/detail/photos/42653-eeg-baender hhu.de 3.2.2. Emotionen Reaktionen auf Einzelereignisse  Event Related Potentials = Evozierte bzw. ereigniskorrelierte Potenziale = Kurzzeitige (< 1 s) Reaktionen auf innere oder äußere Reize, die zur Spontanaktivität hinzukommen  Interpretation der Höhe- und Tiefpunkte und der Latenz (zeitl. Abstand zum Reiz)  Können unmittelbar nach Wahrnehmung eines Sinnesreizes oder vor der Ausführung einer Bewegung auftreten oder wenn sich eine Person mental mit bedeutsamen Informationen beschäftigt P3 (bzw. P300)-Komponente: Wahrnehmung auffälliger (unerwarteter) Reize N1 (bzw. N100)-Komponente: Frühestes Anzeichen für Aufmerksamkeit / Reizverarbeitung 73 Schmälzle / Grall 2020; Strózak, Pawel / Zabielska-Mendyk 2020; Echterhoff 2023, S. 111 hhu.de 3.2.2. Emotionen ERP am Beispiel der P300-Amplitude Ergebnis eines Experiments mit Darbietung zweier Stimuli (z.B. Geräusche), wobei der Ziel-Stimulus seltener präsentiert wird (ca. 20% der Präsentationen) The average EEG response to the target (blue) The average P300 as evoked from the sample data. and non-target (orange) of the Cz electrode. 74 https://info.tmsi.com/blog/what-is-the-p300-in-event-related-potentials-erps hhu.de 3.2.2. Emotionen Verfahren der Hirnforschung – Fortsetzung Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT)  Messung der Durchblutung bestimmter Hirnareale als Hinweis auf deren neuronale Aktivität. https://www.spektrum.de/news/fmrt-scans-taugen- nicht-als-biomarker-fuer-krankheiten/1745642  Bei der Aktivierung von Nervenzellen wird Sauerstoff ver- braucht (< 2,5 Sek.), der 4 bis 6 Sek. später durch den Blutfluss ausgeglichen wird => zeitliche Verzögerung bei der Messung  In aktiver Hirnregion ändert sich durch den Blut-Zufluss ein das Verhältnis von sauerstoff- reichem Hämoglobin gegenüber sauerstoffarmem Hämoglobin (= roter Blutfarbstoff)  Die Veränderung dieses Verhältnisses kann durch die unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften von sauerstoffreichem und -armem Hämoglobin identifiziert werden. ⇒ Dieser Effekt wird beim fMRT genutzt, um indirekt über den Blutfluss im Gehirn die neuronale Aktivität in verschiedenen Hirnregionen zu bestimmen. 75 Fahr / Hofer 2013; Weber / Mangus / Huskey 2015; Echterhoff 2023, S. 115f.; Minich / Tao / Cascio 2023, S. 78-82 hhu.de 3.2.2. Emotionen Echterhoff 2023, S. 113 https://medien.ubitweb.de/pdfzentrale/978/364/801/Leseprobe_9783648010297.pdf Forscher können mittels Hirnforschungsstudien keine Gedanken lesen oder konkreten Gefühle bestimmen! Allerdings: Fortschritte mit Hilfe von KI 76 Schmälzle / Meshi 2020; Parshall 2023 hhu.de 3.2.2. Emotionen Dateninterpretation beim fMRT  Überdurchschnittlich aktive Hirnregionen werden in Bildauswertung farbig hervorgehoben.  Aussagen durch Zusammenführen von mehreren, in kurzen Zeitabständen durchgeführten Scans, die Aufschluss über Aktivitätsveränderungen im Gehirn geben bzw. durch Vergleich der Aktivitätsmuster unter verschiedenen Bedingungen (z.B. Experimentalgruppen)  Verschiedene Herangehensweisen  Analyse des gesamten Gehirns, um Aktivitätsregionen zu identifizieren  Analyse von bestimmten, interessierenden Regionen (ROI = Regions of interest), um Reaktionen in konkreten Bereichen zu untersuchen, deren Funktion bekannt ist.  Untersuchungen des Zusammenwirkens von Hirnregionen bei komplexeren Aufgaben  Analysen im Zeitverlauf, bei denen die Korrelationen zwischen den Reaktionen verschiedener ProbandInnen betrachtet werden. 77 Weber / Mangus / Huskey 2015; Schmälzle / Grall 2020; Minich / Tao / Cascio 2023 hhu.de 3.2.2. Emotionen https://www.researchgate.net/figure/Both-expectation-related-activation-and-pain-related-activation-were-significantly_fig1_256196567; https://www.researchgate.net/figure/Whole-brain- 78 fMRI-activations-in-response-to-pooled-painless-A-and-painful-b-stimuli_fig1_51867226; Mathiak / Webe 2006, S. 952 hhu.de 3.2.2. Emotionen Nachteile / Probleme von fMRT-Studien  Sehr gute räumliche, aber eher schlechte zeitliche Auflösung.  Messung produziert laute Geräusche, erfolgt in räumlicher Enge und ist empfindlich gegenüber Störgrößen (z.B. Bewegung) => unnatürliche Situation mit eingeschränkten Einsatzzwecken  Gehirnprozesse sind nicht statisch und lediglich einer bestimmten Region zugeordnet, sondern dynamisch und kommen durch das Zusammenwirken verschiedener Hirnregionen zustande  Messung muss räumlich und zeitlich daran angepasst sein.  Es genügt nicht, einzelne aktive Gehirnbereiche zu identifizieren, sondern es müssen Muster in der Aktivität verbundener Gehirnbereiche untersucht werden.  Zur Ableitung sinnvoller Schlussfolgerungen müssen Informationen dazu vorliegen, welche mentalen Vorgänge mit welchem Muster von Gehirn-Aktivitäten einhergehen  Durchführung ist anspruchsvoll, langwierig und teuer, Zugang zu Geräten beschränkt. 79 Weber / Mangus / Huskey 2015; Schmälzer / Meshi 2020 hhu.de 3.2.2. Emotionen Probleme mit der Interpretation der Daten beim fMRT Hypothetisches Beispiel:  Experiment, bei dem zwei Gruppen von ProbandInnen zwei unterschiedliche Filme gezeigt werden (z.B. A = violent / B = nicht violent).  Ergebnis: In Gruppe A zeigen sich signifikant stärkere Gehirnaktivitäten in einem Bereich, von dem man weiß, dass er für feindselige Emotionen verantwortlich ist. Kann man folgern, dass der violente Film im Gegensatz zum nicht-violenten Feindseligkeit ausgelöst hat? Antwort: NEIN! Warum??? 80 hhu.de 3.2.2. Emotionen Problem der Reverse Inference Ein Forscher diagnostiziert sich selbst als Psychopathen, weil sein im Rahmen einer Alzheimer-Studie erstellter Hirnscan geringe Aktivität in für Empathie, Moral und Selbstkontrolle zuständiger Hirnregionen zeigt und dieses Muster dem im Hirn von ihm untersuchten Psychopathen entspricht https://www.smithsonianmag.com/science- nature/the-neuroscientist-who-discovered- he-was-a-psychopath-180947814/ Ein Forscher stellt fest, dass bei IPhone-Besitzern bestimmte Hirnregionen aktiviert werden, wenn sie ein Video mit klingelndem IPhone sehen. Aus anderen Studien ist bekannt, dass dieselben Hirnregionen aktiv sind, wenn Menschen Bilder von Personen sehen, die sie lieben. Lieben IPhone- https://www.nytimes.com/2011/10/01/opinion/ you-love-your-iphone-literally.html Besitzer ihr Gerät? 81 https://knowingneurons.com/blog/2014/02/12/reverse-inference-neurosciences-greatest-fallacy; Weber / Mangus / Huskey 2015; Schmälzle / Meshi 2020 hhu.de 3.2.2. Emotionen Problem der „Reverse Inference“ Schmälzle / Meshi 2020, S. 7 82 hhu.de 3.2.2. Emotionen Problem der „Reverse Inference“  Fehler, der geschieht, wenn Forscher auf Basis früherer Befunde über die Beteiligung von Hirnregionen an bestimmten Prozessen von der in ihrer Studie konstatierten Hirnaktivität auf einen Prozess schließen, den der Untersuchungsgegenstand nahelegt (z.B. Auslösen von Feindseligkeit durch violentes Stimulusmaterial)  Problem: Eine bestimmte Gehirnregion kann auch durch andere Prozesse als den vermuteten Prozess aktiviert werden (z.B. durch Angst statt durch Feindseligkeit) bzw. der vermutete Prozess kann zwar die fragliche Gehirnregion aktivieren, aber darüber hinaus noch Aktivitäten in andere Gehirnregionen auslösen, wobei hinter dem Gesamtmuster der Hirn-Aktivität ein anderer als der vermutete Prozess steht.  Lösung:  Kombination mit traditionellen Messmethoden  Langfristig verbesserte Grundlagenforschung 83 Weber / Mangus / Huskey 2015; Schmälzle / Meshi 2020 hhu.de Operationalisierung von Verhaltens-Effekten 84 hhu.de 3.2.3. Verhalten Erfassung von Aggressionsverhalten über Berichte  Selbstberichte  Skalen zur Erhebung von Aggression  Aggression als Persönlichkeitsmerkmal (Trait Aggressiveness)  Aggression als aktueller Zustand (State Aggressiveness)  Fremdberichte (Eltern, Lehrer, Peers)  Verhaltensabsichten (Vignetten)  Kriminalitätsdaten 85 hhu.de 3.2.3. Verhalten Buss Perry Aggression Questionnaire Die Skala misst Aggressivität als Charakterzug („Trait“) wird mit situationsbezogener Umformulierung aber auch zur Messung von Aggressivität als akutem Zustand („State“) verwendet. Physical Aggression Verbal Aggression Hostility Anger 86 https://psychology-tools.com/test/buss-perry-aggression-questionnaire hhu.de 3.2.3. Verhalten Leichte Umformulierungen der Items zur Messung eines akuten Zustands (State)  Führt zur Messung stärkerer Effekte als die Trait-Skala 87 Farrar / Krcmar 2006 hhu.de 3.2.3. Verhalten Was haben diese Bilder gemeinsam? https://blog.deinhandy.de/bluetooth-kopfhoerer-rauschen- so-lassen-sich-stoergeraeusche-beheben https://improbable.com/2011/05/13/the-hot-sauce-paradigm/ https://www.yogaeasy.de/uploads/ckeditor/pictures/6017/content_y https://www.neurologyadvisor.com/news/cold-pressor-test-of- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Bei-dickem-Arm-besser- interictal-migraine-suggests-cranial-ans-disbalance/ am-Handgelenk-messen-296424.html oga_asana_pfau_Padmasana_Mayurasana.jpg 88 hhu.de 3.2.3. Verhalten „Gewalt“-Handeln durch Auslösen unangenehmer sensorischer Reize Taktil: Druck, Kälte, Körperhaltung Auditiv: Laute Geräusche Gustatorisch: Schärfe https://evangelisch-feldkirchen-aschheim.de/kruemelkirche-5-sinne/ 89 hhu.de 3.2.3. Verhalten „Gewalt“-Handeln durch Behinderung der Ziel-Erreichung Bestimmung des Schwierigkeitsgrades von Beurteilung des Versuchsleiters, dessen Tangram-Puzzles für Probanden, die bei weitere Karriere von der Bewertung erfolgreicher Lösung einen Preis gewinnen abhängt können https://www.researchgate.net/publication/340081503_The_spillover_effect_o f_autonomy_frustration_on_human_motivation_and_its_electrophysiological _representation/link/5ea028ee4585150839f41ed7/download https://www.verbraucherzentrale.de/sites/default/files/styles/article_full_image_desktop/public/2017- 09/Bewertung%20Shop%20Sterne%2C%20vege%20Fotolia%20132894190.jpg?h=e10db7c8&itok=_mNGgdFI https://www.mathplayground.com/tangram_puzzles.html 90 hhu.de 3.2.3. Verhalten „Gewalt“-Handeln an „Figuren“ Bobo-Doll: Spicken einer Voodoo-Puppe mit Nadeln Aufblasbare Clowns-Puppe, die sich von selbst wieder aufrichtet als Ziel von Aggression https://www.psychologicalscience.org/publications/ observer/obsonline/bandura-and-bobo.html https://www.peoplebehindthescience.com/wp-content/uploads/2014/05/Brad- Bushman-People-Behind-the-Science.jpg 91 hhu.de 3.2.3. Verhalten Operationalisierung von Verhaltenseffekten Methode Aufgabe Nachweis von Effekten Geräuschtest Reaktionsspiel, bei dem der Gewinner den Dauer / Intensität des Geräuschs Verlierer mit in Dauer und Intensität variablen Geräuschen bestraft Hot Sauce Abfüllen scharfer Sauce, die andere Menge / Schärfegrad der Sauce Paradigm Personen konsumieren müssen Eiswasser Eintauchen der Hand einer anderen Person Dauer des Eintauchens in Eiswasser Blutdruck- Aufpumpen bis zum (angeblich) Intensität des Aufpumpens manschette schmerzhaften Bereich Körper-Haltung Unbequeme Yoga-Pose Festgelegte Dauer der Pose 92 Ritter / Eslea 2005; Zipfel 2019, S. 28f.; Krahé 2023; McCarthy / Elson 2018 hhu.de 3.2.3. Verhalten Methode Aufgabe Nachweis von Effekten Voodoo-Puppe Spicken einer Voodoo-Puppe, die Anzahl der Nadeln einen provokanten Interaktionspartner repräsentiert, mit Nadeln Tangram-Puzzle Auswahl eines Tangram-Puzzles, das Schwierigkeitsgrad des Puzzles eine andere Person lösen muss Bobo Doll Interaktion mit einer aufblasbaren Aggressive Akte gegenüber der Puppe Clowns-Puppe Beurteilung d. Abgabe einer karriererelevanten Negativität der Bewertung Versuchsleiters Bewertung über den Versuchsleiter (der Probanden verärgert hat) Verhalten im Spielen eines Computerspiels mit Anzahl der Gewaltakte / viol. Computerspiel violenten Verhaltensoptionen Kommunikation zw. Spielern Graffiti / Tearing Probanden sollen Kunstwerk bemalen Zahl der (aggr.) Zeichnungen / der / zerreißen Stücke, in die Kunstwerk zerrissen wird 93 Ritter / Eslea 2005; Zipfel 2019, S. 28f.; Krahé 2023; McCarthy / Elson 2018 hhu.de 3.2.3. Verhalten Methode Aufgabe Nachweis von Effekten Prosoziales / Reaktion in einer Notlage, Verteilung Häufigkeit / zeitl. Verzögerung von antisoziales von Süßigkeiten, Gelegenheit zum Hilfeverhalten, Anzahl verteilter Verhalten Entwenden von Gegenständen Süßigkeiten, durchgeführter Diebstahl Kooperations- Spiel, bei dem Gewinn davon abhängt, Wahl der egoistischen Spielstrategie spiele ob sich Proband für kooperative oder egoistische Strategie entscheidet Punkt- Option zum Drücken von 3 Knöpfen, Bevorzugte Wahl von Option B nach Subtraktions-Spiel wobei A (bei 100x Drücken) zum Gewinn Provokation (da diese nur anderen 1 Punktes =10 Cent, B (bei 10x schadet und Probanden selbst nicht Drücken) zum Abzug 1 Punktes beim nützt) Gegner und C (bei 10mal Drücken) zum Schutz eigener Punkte vor Abzug führt Bungled Probanden sollen mit Pellet- oder Stärke der gewählten Waffe und Procedure Paintball-Pistole auf eine Frau schießen Anzahl der Munition (findet unter Vorwand nicht statt) 94 Ritter / Eslea 2005; Zipfel 2019, S. 28f.; Krahé 2023; McCarthy / Elson 2018 hhu.de 3.2.3. Verhalten Competitive Reaction Time Task (Taylor Aggression Paradigm / „Geräuschtest“) https://www.millisecond.com/download/library/competitivereactiontime https://soto.maastrichtuniversity.nl/users/crtt/crtt-de.html 95 hhu.de 3.2.3. Verhalten Competitive Reaction Time Task (Taylor Aggression Paradigm / „Geräuschtest“)  Probanden spielen ein Reaktionsspiel gegen einen vermeintlichen (menschlichen) Gegner im Nebenraum.  Der (reaktionsschnellere) Sieger darf den Verlierer mit einem Geräusch „bestrafen“, dessen Dauer und Intensität die Probanden vor jedem Durchgang des Spiels frei bestimmen dürfen.  Teilweise wird der Proband darüber informiert, dass die lauteste Einstellung Hörschäden beim Gegner verursachen könne  Das Ergebnis jedes der 25-30 Durchläufe ist vorher festgelegt und durch Computer gesteuert.  Teilweise werden die ProbandInnen später nach ihren Motiven bei der Festlegung der Dauer und der Intensität des Geräuschs befragt 96 Ritter / Eslea 2005; Elson u.a. 2014, McCarty / Elson 2018; Warburton / Bushman 2019; Zipfel 2019, S. 29f. hhu.de 3.2.3. Verhalten Problematik des Geräuschtests  Mangelnde Standardisierung  Unterschiedliche Cover-Stories, die von der Existenz eines realen Gegners überzeugen sollen.  Unterschiedliche Zahl der Durchgänge (25/30) und Konfiguration gewonnener und verlorener Runden bzw. unterschiedliche Entwicklung der vom „Gegner“ gewählten Geräusche  Berücksichtigung unterschiedlicher Mess-Größen (Dauer vs. Intensität des Geräuschs, beides, ) und Durchgänge (alle, nur Durchgänge vor Reaktion des „Gegners“)  Verschiedene Formen der Quantifizierung der Effekte (nur Lautstärke, nur Dauer, beides, bezogen auf bestimmte Durchgänge oder alle Durchgänge)  Problematik:  Forscher können sich nach der Durchführung des Experiments die Auswertung heraussuchen, die die „besten“ Ergebnisse erbracht hat.  Verschiedene Vorgehensweisen führen u.U. zu verschiedenen Ergebnissen (Elson u.a. 2014 vs. Hyatt u.a. 2019). 97 Ritter / Eslea 2005; Elson u.a. 2014, McCarty / Elson 2018; Zipfel 2019, S. 29f. hhu.de 3.2.3. Verhalten  Gegenmaßnahmen  Vor-Registrierung der Vorgehensweise  Begründung des Vorgehens  Empirische Identifikation der geeignetsten Vorgehensweise und Standardisierung des Tests => Lobbestael u.a. (2021) empfehlen auf Basis ihrer Untersuchung zur Reliabilität getrennte Durchschnittswerte für provozierte Durchgänge (nach der ersten verlorenen Runde) und für unprovozierte Durchgänge (vor der ersten verlorenen Runde), die verglichen werden können.  Weitere Probleme  Unklarheit, welche Stärke / Intensität des Geräuschs als aggressiv zu werten ist  Glaubwürdigkeit der potenziellen Hörschädigung beim Gegner  Motive außer Aggression (Wettbewerb, Reziprozität)  Anders als in der Realität keine wahrnehmbaren Reaktionen des „Opfers“ und keine Sanktionen  Mangel an nicht-violenten Verhaltensoptionen 98 Ritter / Eslea 2005; Elson u.a. 2014, McCarty / Elson 2018; Zipfel 2019, S. 29f. hhu.de 3.2.3. Verhalten Problematik der Messung von aggressivem Verhalten im Labor  Im Labor kann aus ethischen Gründen keine extreme Aggression provoziert werden.  Bei Experimenten kommt daher nur ein eingeschränktes Spektrum von eher harmlosen „Gewalt“- Handlungen zum Einsatz, was die externe Validität der Ergebnisse einschränkt.  Der Definition von Gewalt genügt jegliche Art von absichtlich zugefügtem „Schaden“ (der von den ProbandInnen auch als solcher wahrgenommen wird) – auch wenn dieser gering ausfällt.  Problematik, ProbandInnen in einer Labor-Situation davon zu überzeugen, dass sie anderen Personen Schaden zufügen.  Häufig Distanz zwischen „Täter“ und „Opfer“ (kein Face-to-Face-Kontakt wie in der Realität)  Häufig Mangel an nicht-violenten Handlungsalternativen (Rückzug aus der Situation, Vorwarnung, verbale Alternativen usw.)  Gefahr einer hohen Compliance der ProbandInnen, die dazu neigen, sich dem vermuteten Ziel des Experiments gemäß zu verhalten, zumal keine Sanktionen für violentes Handeln drohen.  Unklarheit über Handlungsmotive der ProbandInnen  Problematik der Schaffung eines aggressionsbegünstigenden affektiven Zustands im Labor 99 Ritter / Eslea 2005 hhu.de 3.2.3. Verhalten Kriterien für die valide Messung von Gewalt im Labor  Verfügbarkeit einer nicht-aggressiven Verhaltensoption  Vermeidung des Eindrucks, aggressives Verhalten werde erwartet oder ausdrücklich gebilligt.  Direkter Kontakt zum „Opfer“ (visuell, auditiv)  Überzeugende Vermittlung des Glaubens, durch aggressives Verhalten echten Schaden zu bewirken  Messmethode vermittelt keine anderen Motive außer Schädigungsintention (z.B. Spaß, Wettbewerb, Hilfe durch Feedback)  Erhebung von Handlungsmotiven sowie Überzeugungen, Wahrnehmungen, Gefühlen usw., um sicherzustellen, dass tatsächlich Gewalt gemessen wurde. 100 Ritter / Eslea 2005 hhu.de 4. Wichtige Punkte 101 hhu.de 4. Wichtige Punkte  Gewalt als zielgerichtete, bewusste Schädigungshandlung gegen den Willen des / der Opfer(s).  Aggression kann feindseligen oder instrumentellen Charakter haben.  Gewalt / Aggression entsteht durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren.  In der Medien-und-Gewaltforschung kommen verschiedene Erhebungsmethoden zum Einsatz, die unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen.  Für den Nachweis von Kausalzusammenhängen sind Längsschnittstudien und Experimente am besten geeignet.  In Bezug auf die unabhängige Variable ist es wichtig, tatsächlich die Mediengewalt- Nutzung zu erheben bzw. bis auf den Gewaltgehalt andere Eigenschaften des Stimulusmaterials konstant zu halten. 102 hhu.de 4. Wichtige Punkte  Bei der Messung der abhängigen Variablen lassen sich Methoden zur Erhebung violenter Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen unterscheiden.  Die Messung aggressiver Kognitionen beruht häufig auf einer Messung der Leichtigkeit des Zugangs zu aggressiven Gedanken.  Emotionen können außer über Selbstangaben (allerdings mit Interpretations- problemen) über physiologische Messungen und über Hirnforschungsstudien gemessen werden.  Insbesondere die Verhaltensmessung ist aufgrund der ethischen Problematik im Labor schwierig, was in der Messung eher „harmloser“ Gewaltformen resultiert, bei denen die Schädigungsabsicht z.T. zweifelhaft ist.  Für valide Messung ist die Einhaltung bestimmter Kriterien erforderlich, die nur wenige Studien erfüllen. 103 hhu.de Literatur  Anderson, Craig A. / Carnagey, Nicholas Lee / Eubanks, Janie P. (2003): Exposure to violent media: The effects of songs with violent lyrics on aggressive thoughts and feelings. 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