Lernzettel Einführung in die Traumapädagogik PDF
Document Details
Uploaded by Deleted User
Tags
Summary
This document provides an introduction to trauma and trauma pedagogy. It covers the definition of trauma, the characteristics of trauma, and the biological and psychological impacts of trauma. It also addresses trauma and neurobiological changes, and methods of psychoeducation for trauma reduction and regulation.
Full Transcript
Lernzettel- Einführung in die Traumapädagogik 1. Einführung Begri serklärungen Trauma und Traumapädagogik Trauma Herkunft des Begri s: Griechisch für "Wunde"; in der Psychotraumatologie als „Wunde der Seele“ verstanden....
Lernzettel- Einführung in die Traumapädagogik 1. Einführung Begri serklärungen Trauma und Traumapädagogik Trauma Herkunft des Begri s: Griechisch für "Wunde"; in der Psychotraumatologie als „Wunde der Seele“ verstanden. De nition nach ICD-11: ◦ Psychische Störungen durch stressige/traumatische Ereignisse oder eine Serie davon. ◦ Stressoren: notwendige, aber nicht allein ausreichende Ursache. ◦ Unterscheidung in normale Lebensereignisse (z. B. Verlust) und extreme, potenziell traumatische Ereignisse (z. B. Gewalt, Katastrophen). ◦ Symptomdauer, -muster und -intensität entscheidend für Diagnose. Charakteristik von Traumata: ◦ Plötzlichkeit: Unerwartetes Ereignis. ◦ Heftigkeit: Gewalt, Krieg, Naturkatastrophen. ◦ Ausweglosigkeit: Gefühl der Hil osigkeit und Ohnmacht. ◦ Dauer: Einmalig, wiederholt, langfristig. „Traumatische Zange“ (Besser, 2010): ◦ Existenzbedrohende Situationen ohne Kontrollmöglichkeit. ◦ „Vitales Diskrepanzerlebnis“: Diskrepanz zwischen Bedrohung und Bewältigungsmöglichkeiten. Biologische und psychische Auswirkungen Überlebensmechanismen: ◦ Bindungssuche, Flucht oder Kampf (Sympathikus). ◦ Wenn keine Handlung möglich: Starre ("Freeze") oder Unterwerfung (Stockholm-Syndrom). Neurophysiologische Spuren: fi ff ff fl ◦ Langfristige Veränderungen in Hirnstrukturen. ◦ Trauma beein usst Persönlichkeitsentwicklung und Handeln. Traumapädagogik Ziel: Unterstützung der Betro enen durch Scha ung von Sicherheit und Stabilität. Umgang mit Dissoziationen und Traumafolgen erfordert spezi sches Wissen über neurobiologische Reaktionen und psychische Bewältigungsmechanismen. Traumatische Vorgänge im Gehirn Sinneseindrücke werden im Gehirn gesammelt und an die Amygdala zur Bewertung weitergeleitet. Bei nicht bedrohlichen Situationen: ◦ Vergleich mit Bekanntem/Erlerntem. ◦ Verarbeitung durch Hippocampus: Kategorisierung in Raum und Zeit, Sprachmodulation. Grundlagen für Erinnerung und Rückgri auf Erlebtes. Trauma und neurobiologische Veränderungen Bei Trauma: Aktivierung re exhafter Überlebensstrategien durch Amygdala. Hippocampus und Sprachzentrum: Abschaltung durch Unterversorgung (Sauersto /Glukose). Wahrnehmungen können nicht integriert werden: ◦ Speicherung als fragmentierte Erinnerungen (Bruchstücke). ◦ Aktivierung durch Trigger führt zu erneuten Gefühlen, Bildern oder Emp ndungen der traumatischen Situation. Beispiele Heiko: Blutgeschmack als Trigger → Panik und Schockstarre. Ingo: Klirren von Flaschen → aggressive Reaktion durch Erinnerung an Kampfhandlung. Folgen von Trauma Hinterlässt neurale Prägungen und verändert das Stresssystem. fi ff fl fl ff ff ff fi Stresssystem: dauerhafte Aktivierung → erhöhter Energiebedarf, Wachsamkeit. Schmerzunemp ndlichkeit und emotionale Abstumpfung möglich. Michaela Huber: Trauma als "Anschlag auf die Identität" Folgen: ◦ Verstörung: Verlust von Orientierung und Ich-Grenzen. ◦ Körperlich: Schmerzen, Schock, Ohnmacht, Gefühlstaubheit. ◦ Sensorisch: Flut oder Verlust von Wahrnehmung (Bilder, Gerüche etc.). ◦ Zeitlich: Verlust der raumzeitlichen Einordnung → Erinnerungs- und Orientierungsprobleme. Das Thema Posttraumatische Störungen (PTBS) umfasst komplexe Reaktionen auf schwerwiegende traumatische Erlebnisse, die langfristige Auswirkungen auf das psychische und physische Wohlbe nden einer betro enen Person haben können. Hier ist eine strukturierte Übersicht zu den wichtigsten Aspekten: Posttraumatische Belastungsreaktion (PTBR) Nach einem traumatischen Ereignis ist es normal, dass Betro ene eine posttraumatische Belastungsreaktion zeigen. Typische Merkmale: Schreckhaftigkeit und Angstzustände Schlafstörungen und Albträume Vermeidung von traumaassoziierten Reizen Gefühle von Einsamkeit und Entfremdung Beeinträchtigte Wahrnehmung (Umwelt, Körper, Emotionen) Leistungs- und Konzentrationsstörungen Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) Wenn Symptome über vier Wochen bestehen bleiben oder sich verschlimmern, spricht man von PTBS. Die Kernsymptome: 1. Übererregung (Hyperarousal): Gekennzeichnet durch: ◦ Übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz) ◦ Konzentrationsprobleme und Reizbarkeit fi fi ff ff ◦ Plötzliche Aggressivität oder Unruhe ◦ Körperliche Symptome wie Herzrasen oder Schweißausbrüche 2. Wiedererleben (Intrusion): ◦ Flashbacks, bei denen traumatische Ereignisse real wirken ◦ Auslöser: Trigger, die an das Trauma erinnern ◦ Emotionale und körperliche Reaktionen wie Panik, Übelkeit oder Taubheit 3. Vermeidung (Konstriktion): ◦ Meidung von Orten, Menschen oder Situationen, die an das Trauma erinnern ◦ Soziale Isolation, Rückzug oder Suchtverhalten ◦ Dissoziative Zustände: das Gefühl, „neben sich zu stehen“ 4. Negative Kognitionen und Stimmung: ◦ Negative Überzeugungen über sich selbst, andere und die Welt ◦ Emotionale Abstumpfung, Schuld- und Schamgefühle ◦ Interesselosigkeit und Ho nungslosigkeit Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung Besonders langanhaltende und wiederholte Traumatisierungen (z. B. in der Kindheit) führen oft zu komplexen Symptomen wie: Selbstverletzendes Verhalten Chronische Sinnentleerung oder Ho nungslosigkeit Suizidale Gedanken Langfristige Entwicklungsstörungen Traumapädagogik: Ansätze zur Unterstützung Traumapädagogik ist ein wichtiger Ansatz in der Arbeit mit Betro enen. Ziel ist die soziale Stabilisierung und der Aufbau von Vertrauen. Essenzielle Prinzipien: 1. Konzept des „guten Grundes“: Verhalten wird als sinnvolle Überlebensstrategie in belastenden Situationen verstanden. Dies entlastet Betro ene und Fachkräfte. ff ff ff ff 2. Wertschätzung: Respekt, positive Zuwendung und Anerkennung fördern Selbstbewusstsein und helfen, destruktive Muster zu regulieren. 3. Transparenz: Durchsichtige Strukturen und partizipative Ansätze scha en Vertrauen und Sicherheit. 4. Sicherer Ort: Ein stabiler und gewaltfreier Raum ist essenziell, um Überlebensmuster abzubauen und Entwicklung zu ermöglichen. Die Arbeit mit traumatisierten Menschen verlangt Geduld, Einfühlungsvermögen und ein Verständnis dafür, dass Verhaltensweisen oft Schutzreaktionen auf frühere Belastungen sind. Kernideen der Traumapädagogik anhand eines Fallbeispiels Gerechtigkeit in der Traumapädagogik Ziel: Jeder bekommt, was sieer individuell benötigt (nicht gleiche Behandlung für alle). Orientierung an persönlichen Bedürfnissen und Ressourcen. De nition von Trauma Trauma = vitales Diskrepanzerlebnis zwischen Bedrohung und fehlenden Bewältigungsmechanismen. Merkmale: Erschütterndes, existenzbedrohendes Ereignis. Abhängig von: ◦ Art und Umstände des Traumas. ◦ Dauer (Monotrauma vs. sequenzielles Trauma). ◦ Psychischer Entwicklungsstand. ◦ Vorhandene Ressourcen und Schutzfaktoren. Rolle von Bindungen Stabile, sichere Bindungen = zentraler Schutzfaktor für Kinder und Jugendliche. Fehlen stabiler Bindungspersonen erhöht Traumarisiko. Sichere Bindungen fördern Lern- und Entwicklungsprozesse. fi ff Grundsätze der Traumapädagogik Jedes Verhalten hat einen nachvollziehbaren Grund (diesen suchen). Stabilisierung der Klient*innen als zentraler Ansatzpunkt. Aufbau von innerer Sicherheit benötigt äußere Sicherheit. Wichtig: Transparenz, Verlässlichkeit und Vertrauen durch beschreibende Anamnese. Traumapädagogische Maßnahmen Sicherheit herstellen. Stress reduzieren/vermeiden (z. B. durch Psychoedukation oder Imaginationsübungen). Unterstützung von sicheren Bindungsentwicklungen. Förderung positiver Selbstbilder: ◦ Entwicklung von Selbstakzeptanz. ◦ Wiedererlangen von Selbstbemächtigung. ◦ Aufbau von Selbstwirksamkeitskonzepten. Ressourcenorientierung: ◦ Biogra sche Ressourcen erkennen und nutzen. Ziele der Traumapädagogik Scha ung eines sicheren Rahmens für Stabilisierung, Vertrauen und Entwicklung. Förderung von Resilienz und Selbstwirksamkeit. Erkenntnisse aus dem Fallbeispiel Nurdin (Stichpunkte): ff fi 1. Soziale und kulturelle Belastungen: Marginalisierung durch transgenerationale Traumatisierung (Fluchterfahrungen der Eltern und eigene). Diskriminierungserfahrungen aufgrund seiner Homosexualität, Herkunft und Identität. Angst vor Verfolgung und Outing durch die eigene Community (arabischer Hintergrund). 2. Psychische Belastungen und Traumatisierung: Mehrere Monotraumata: Vergewaltigung, Tod des Bruders, Fluchterfahrung, Ablehnung der Eltern. Symptome von Depression und Dissoziation (Stimmlagenwechsel, "Abschalten"). Angststörungen und Panikattacken bei Behördenkontakten oder in sozialen Situationen. Sexuelle Funktionsstörungen in Zusammenhang mit Traumata, Antidepressiva und Haschischkonsum. 3. Soziale Ressourcen und De zite: Hohe Anpassungsfähigkeit und Überlebenswille (Flucht, Kontaktaufnahme zu Institutionen). Wunsch nach Unabhängigkeit ( nanziell und sozial). Fehlende Tagesstruktur und Pünktlichkeit als Hemmnisse im Alltag. Unterstützende Bezugspersonen wie Nachbar Achmet und Sachbearbeiterin, aber instabile Netzwerke. 4. Gesundheitliche und psychotherapeutische Aspekte: Ungenügende medizinische Versorgung und Nachsorge (sexuell übertragbare Infektionen, Zahngesundheit). Positive Erfahrungen mit Therapieansätzen aus der Vergangenheit (sensorische Reize zur Beruhigung). Scheitern früherer Therapieversuche durch kulturelle Barrieren und mangelnde interkulturelle Kompetenz. 5. Träume und Zukunftspläne: Beru icher Traum als Model, gekoppelt mit unrealistischen Erwartungen. Ausbildungspläne (Gesundheitsp eger), jedoch fehlende Quali kationen. Sehnsucht nach einer festen Partnerschaft mit kultureller Nähe. 6. Sozialarbeiterische und therapeutische Maßnahmen: Notwendigkeit einer stabilen Wohn- und nanziellen Situation (private Insolvenz, ambulant betreutes Wohnen). fl fi fi fl fi fi Einführung von Psychoedukation (Trigger erkennen, Körperreaktionen wahrnehmen, Atemtechniken). Vertrauensaufbau als Grundlage für weitere therapeutische Schritte. Förderung eines positiven Selbstwerts und Struktur im Alltag. 7. Interventionserfolge: Fortschritte im Umgang mit Behörden durch Begleitung und psychoedukative Ansätze. Erlernte Techniken zur Selbstregulation (Echsenhirnmodell, Atemübungen). Aufbau einer stabileren Beziehung zu Unterstützungsstrukturen (Sozialarbeiter, Begleiter). 8. Kulturelle und psychosoziale Besonderheiten: Bedeutung kultureller Sensibilität in Beratung und Therapie. Schwierigkeit, westliche und arabische Identität sowie sexuelle Orientierung zu vereinen. Rolle von Religion und Gemeinschaft als ambivalente Faktoren (Schutz, aber auch Bedrohung). Zwischendrin war ein kurzer Abschnitt zur Psychoedukation: Methoden der Psychoedukation: Atemtechnik zur Beruhigung und Reduktion von Angst, sicherer Ort: Neben einem äußeren sicheren Ort werden innere Ort imaginiert, die als Rückzugsorte bei psychischen Belastungen dienen. Modell des dreigliedrigen Gehirns erklärt traumatische Reaktionen. Hilft Betro enen, Trigger zu verstehen und darüber zu sprechen. Bestandteile: Neokortex (Denker): logisches Denken. Mittelhirn (Katze): Emotionen, Instinkte. Amygdala (Echse): Angst, Panik. Normale Hirnabläufe: "Schlafende Echse". Trauma-Trigger: "Schreiende Echse", Übernahme der Kontrolle, andere Hirnareale ausgeschaltet. Erklärung: Reaktionen basieren auf traumatischen Erfahrungen. ff Entstehung der Traumapädagogik De nition & Haltung: Traumapädagogik als Haltung, nicht als eigenständige Theorie. Schwerpunkt: Pädagogik der Selbstermächtigung und Konzept des „guten Grundes“. Ursprung & Ein üsse: Entstanden aus Praxis der Jugendhilfe, beein usst durch Reform-, Heil- und psychoanalytische Pädagogik. Erste Impulse: Enttabuisierung sexueller Gewalt (1990er). Reformpädagogik: „Pädagogik vom Kinde aus“ (Ellen Key, Rousseau, Dewey). Emanzipationspädagogik (Mollenhauer): Selbstre exion, gesellschaftliche Verbesserung. Psychoanalytische Pädagogik: Verstehen und Anerkennung eigener Verletzlichkeit (Bernfeld, Bettelheim, Anna Freud). Wichtige Prinzipien: Verhalten als normale Reaktion auf extreme Stressbelastung. Individuelles Verhalten hat immer einen „guten Grund“. Betro ene als Expert ihres Lebens ernst nehmen. Fachkräfte unterstützen und stellen Wissen bereit, fördern Entwicklung eines „guten Lebens“. Ziele & Methoden: Aufbau sicherer Beziehungen und Milieus („sicherer Ort“). Förderung von Resilienz und Selbstermächtigung. Anerkennung und Würdigung individueller Bewältigungsmechanismen. Empirische Erkenntnisse zur Traumapädagogik Neurobiologische Erkenntnisse: Traumatischer Stress: Führt durch Neuroplastizität zu strukturellen und funktionalen Veränderungen im Gehirn. fi ff fl fl fl Neuroplastizität: Anpassungsfähigkeit des Gehirns, ermöglicht Veränderungen von Nervenbahnen, aber auch Störanfälligkeit. Stresshormone: Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin beein ussen Aufbau und Störung von Nervenbahnen. Positiver E ekt von Dopamin: ◦ Stabilisierung nach Stressphasen. ◦ Förderung von Lernerfahrungen, Selbstwert und Selbstwirksamkeit. Gesellschaftliche und politische Aspekte: Trauma im sozialen Kontext: Trauma wird als gesellschaftlich vermittelter Prozess verstanden. Dialektik zwischen individuellem Leid und soziopolitischen Vorgängen (David Becker). Beispiele: Shoah-Überlebende, Opfer des Pinochet-Regimes. Soziologische Entwicklungen: Risikogesellschaft (Ulrich Beck): Beschleunigte Alltagswelt, Verlust traditioneller Einbettungen. Auswirkungen: Erschwerte Entwicklungs- und Identitätsprozesse für belastete Menschen. Traumata durch gesellschaftliche Gewalt: Humanmade Disasters: Traumatisierungen durch Diskriminierung, Tabuisierung, Beschämung. Minderheitenstressmodell: Erklärung von Traumata durch Diskriminierungserfahrungen (z. B. sexualisierte Gewalt). Ethische Fragen der Traumapädagogik Grundverständnis: Traumapädagogik: Versteht sich als emanzipatorische Bewegung und Anwältin traumatisierter Menschen. Doppelperspektive: ◦ Individuell und gesellschaftlich: Trauma betri t persönliche und politische Dimensionen gleichermaßen. ff ff fl ◦ Ziel: Entgegenwirken von Ohnmachtsgefühlen durch Selbstermächtigung. Handlungsleitende Haltung: Enttabuisierung: Thematisiert Gewalt und ihre Folgen o en. Gesamtgesellschaftliche Empathie: Fördert Verständnis und Solidarität mit Betro enen. Anerkennung von Verantwortung: Erwachsene übernehmen Verantwortung für Schutz und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Gesellschaftliche Bewegung: Wertschätzung: Betro ene (Opfer, belastete Kinder/Jugendliche) und psychosoziale Fachkräfte erfahren gesellschaftliche Anerkennung. Nachteilsausgleich: Einsatz für gerechte Chancen und Unterstützung für Betro ene. Zielsetzung: Pädagogik der Selbstermächtigung: Individuell notwendige Unterstützung leisten, um Betro enen ihre Handlungsfähigkeit zurückzugeben. Gesellschaftliche Veränderung: Scha ung von Strukturen, die Trauma anerkennen und präventiv wirken. Grenzen und Kritik der Traumapädagogik sowie ihrer Bezugstheorien Unterschiede und Abgrenzung: Traumapädagogik, Traumafachberatung und Traumatherapie Traumapädagogik: ◦ Unterstützt traumatisierte Personen alltagsnah in ihrem Lebensumfeld. ◦ Ziel: Selbstexploration, Selbstregulation und Selbstakzeptanz fördern. ◦ Wirkt als gesellschaftliche Bewegung für die Interessenvertretung traumatisierter Menschen. Traumafachberatung: ◦ Unterstützt Personen, denen therapeutische Settings zu hochschwellig sind. ◦ Fokus: Problemlösungen im psychosozialen Kontext und Beratung pädagogischer Fachkräfte. Traumatherapie: ff ff ff ff ff ff ◦ Konzentriert sich auf gezielte Traumabearbeitung und Symptomreduktion. ◦ Zentral: Konfrontation und Integration des Traumas in die Biogra e. Herausforderungen und Kritikpunkte 1. Scha ung von Sicherheit: ◦ Innere und äußere Sicherheit sind Grundvoraussetzungen für traumapädagogisches Handeln. ◦ Unsicherheiten (z. B. instabile Lebensbedingungen) können den Erfolg behindern. 2. Fehlende Abgeschlossenheit: ◦ Traumapädagogik agiert in o enen Netzwerken (rechtlich, institutionell, sozialräumlich). ◦ Unklare Verantwortlichkeiten können die Wirksamkeit einschränken. 3. Alltagsnähe vs. Professionalität: ◦ Anspruch, komplexe Traumata in Alltagssituationen zu adressieren, birgt das Risiko von Überforderung der Fachkräfte. ◦ Gefahr, dass tiefergehende therapeutische Maßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt werden. 4. Abgrenzung zu anderen Ansätzen: ◦ Unscharfe Trennung zu Traumafachberatung und -therapie kann Verwirrung stiften. ◦ Gefahr, dass Traumapädagogik Aufgaben übernimmt, die eine therapeutische Quali kation erfordern. Das KReST-Modell (Besser, 2019) Das Körper-, Ressourcen- und Systemorientierte Traumatherapie-Modell (KReST) zeigt die Verbindung zwischen Traumapädagogik, Traumaberatung und Traumatherapie. Es besteht aus vier Phasen: 1. Beziehungsaufbau: ◦ Aufbau von Bindung und Vertrauen. ◦ Anamnese (Erfassung sozialer, biogra scher und ressourcenbezogener Aspekte). ◦ Diagnostik (Symptomverständnis, Konzept des „guten Grundes“). ◦ Instruktion/Psychoedukation (Erklärung von Symptomen und Triggern). ff fi ff fi fi 2. Stabilisierung: ◦ Vorbereitung auf die Konfrontation mit traumatischen Erlebnissen. ◦ Ressourcenmobilisierung (Selbststärkung, soziale Stabilität, Sicherheit). 3. Traumabearbeitung: ◦ Konfrontation mit traumatischen Erfahrungen. ◦ Integration des Traumas in Biogra e, Persönlichkeit und Bewusstsein. 4. Abschied und Neuorientierung: ◦ Verarbeitung von Verlust und Trauer. ◦ Neuorientierung in Beruf, Interessen und Beziehungen. Theoretische Bezüge und ihre Bedeutung für die Traumapädagogik Traumaforschung Traumaforschung ist interdisziplinär Bezugstheorien sind: Neurobiologische Forschung Psychiatrische Forschung Bindungs- und Resilienzforschung Psychoanalytische Forschung Wird noch weiter ausgeführt aber keine Ahnung ob das wichtig ist Pädagogische Bezüge Ziele der Traumapädagogik Identi kation von Triggern (Auslösern) und Verständnis der Verhaltensweisen (Psychoedukation). Unterstützung von Entwicklungsaufgaben trotz traumatischer Belastungen. Stärkung von Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit und sozialer Kompetenz. Hauptaufgaben der Traumapädagogik 1. Sicherheit ◦ Sicherer Aufenthaltsort und Versorgung. fi fi ◦ Zuverlässige Bindungspersonen. ◦ Triggervermeidung und Angstreduktion. 2. Gewaltfreie Zone ◦ Schutz vor Gewalt und retraumatisierenden Erlebnissen. ◦ Kein Täterkontakt, keine Gewalt in der Peergroup oder Gewaltvideos. 3. Bewegung ◦ Stressabbau durch moderaten Sport. ◦ Förderung der Gehirnkoordination (z. B. Fahrradfahren, Seilspringen). ◦ Verbesserung der Körperwahrnehmung. 4. Stabilisierung ◦ Aufbau von Alltagsstrukturen und Emotionskontrolle. ◦ Stressregulation und verlässliche Bindungsangebote. 5. Selbstwirksamkeit ◦ Vermittlung von Wahlmöglichkeiten und Kontrolle. ◦ Förderung von Erfolgserlebnissen, Partizipation und Handlungsspielräumen. ◦ Unterstützung bei Risikoeinschätzung und Exploration. 6. Reorientierung ◦ Gesprächs- und Bindungsangebote. ◦ Psychoedukation, Struktur und Vorhersehbarkeit. ◦ Regelmäßige Tagesabläufe und klare Regeln. Bindungstheorie Bedeutung von Bindung Sichere soziale Bindungen sind zentral für die menschliche Gesundheit. Grundlagen für gesunde Beziehungen werden in der frühesten Kindheit gelegt. Bindungsfähigkeit ist nicht angeboren, sondern wird durch frühe Erfahrungen erworben. Bindungstheorie nach John Bowlby Begründer der Bindungstheorie; inspiriert durch eigene Kindheitserfahrungen und Beobachtungen. Erkenntnisse: ◦ Trennungserfahrungen beein ussen Verhalten und psychische Entwicklung von Kindern. ◦ Trennungen mindern Heilungschancen (z. B. in Krankenhäusern). Fünf zentrale Annahmen: ◦ Bindung ist ein Grundmerkmal der Eltern-Kind-Beziehung. ◦ Bindung unterscheidet sich von Abhängigkeit. ◦ Bindung ist biologisch fundiert. ◦ Erfahrungen mit Bezugspersonen prägen psychische Repräsentationen. ◦ Frühe Bindungserfahrungen beein ussen späteres psychopathologisches Risiko. Funktion von Bindung Bindungspersonen bieten Schutz und Sicherheit durch Feinfühligkeit und Verfügbarkeit. Fehlende Beruhigung durch Bezugspersonen führt zu Über- und Untererregung (z. B. dissoziativer Schlaf). Bindung und Exploration Gesunde Balance zwischen Bindung und Exploration ermöglicht Autonomie. Unsichere Bindung beeinträchtigt Explorationsverhalten und Stressbewältigung. Innere Arbeitsmodelle Früh erworbene Bindungsmuster beein ussen langfristig Verhalten, Emotionen und Beziehungen. Modelle können sich durch Re exion und neue sichere Beziehungen ändern. Bindungstypen nach Mary Ainsworth 1. Sicher gebunden: ◦ Balance zwischen Nähe und Exploration. ◦ Kinder lassen sich nach Trennungen trösten und erkunden danach wieder. ◦ Atmosphären entspannt und vertrauensvoll. 2. Unsicher-vermeidend gebunden: ◦ Vermeidung von Nähe und Kontakt. ◦ Unterdrückung von Gefühlen durch Zurückweisungen geprägt. fl fl fl fl ◦ Physische Stresssymptome trotz äußerer Ruhe. 3. Unsicher-ambivalent gebunden: ◦ Starke Nähebedürfnisse, kombiniert mit Wut und Unsicherheit. ◦ Verhalten der Bezugsperson ist unvorhersehbar. ◦ Fehlende Balance zwischen Bindung und Exploration. 4. Desorganisiert gebunden: ◦ Keine Strategie im Umgang mit Stress und Verunsicherung. ◦ Bindungsperson oft Ursache von Angst oder Gewalt. ◦ Verhalten widersprüchlich und stark gestresst. Bindungsstörungen Ursachen: Traumata, Vernachlässigung, Gewalt, wechselnde Bezugspersonen. Folgen: Zerstörung innerer Arbeitsmodelle, Entwicklung von Überlebensstrategien. Beispiele: Aggressives Verhalten, Enthemmung gegenüber Fremden. Bindungsstabilität und Veränderung Bindungsstile meist stabil bis ins Erwachsenenalter. Veränderungen möglich durch sichere Beziehungen oder gezielte Re exion. Verteilung der Bindungstypen: ◦ 60–65 % sicher gebunden. ◦ 10–25 % unsicher-vermeidend. ◦ 5–25 % unsicher-ambivalent. ◦ 5–15 % desorganisiert. ◦ Traumaerfahrungen: 75–80 % desorganisiert. Resilienzforschung Allgemeines Resilienz: Fähigkeit, belastende Lebenssituationen erfolgreich zu bewältigen. Dynamischer, prozesshafter Begri ; nicht angeboren, sondern erlernbar und situationsspezi sch. fi ff fl Ziel der Resilienzforschung: Bedingungen erkunden, die psychische Gesundheit und Stabilität fördern, trotz Lebenskrisen. Schutzfaktoren pu ern Risiken und fördern Widerstandsfähigkeit. Historische Grundlagen Emmy Werner (Kauai-Studie) ◦ Begleitung eines Geburtsjahrgangs über 40 Jahre. ◦ Ein Drittel der Kinder mit schwierigen Lebensbedingungen entwickelte sich dennoch normal. ◦ Schutzfaktoren kommen sowohl aus dem Kind selbst als auch aus der Umwelt. ◦ Resilienz ist anlernbar. Aaron Antonovsky (Salutogenese) ◦ Fokus auf förderliche Ressourcen (statt Risiken). ◦ Entwicklung des Kohärenzgefühls: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Sinnhaftigkeit. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse Richard Lazarus: „Transaktionales Stressmodell“ ◦ Bewertung von Stressoren beein usst die Reaktion (Disstress vs. Coping). ◦ Neubewertung der Situation kann zu mentalen Anpassungen führen. Faktoren zur Förderung von Resilienz Personale Ressourcen ◦ Förderung von Selbstwirksamkeit, Emotions- und Stressregulierung. ◦ Problemlösungsfähigkeit, Zielorientierung, positive Selbsteinschätzung. Soziale Ressourcen ◦ Verlässliche Bezugspersonen, die Sicherheit und Vertrauen fördern. ◦ Unterstützung durch Vorbilder und Ermutigung. Entwicklungsaufgaben (Hurrelmann & Quenzel) 1. Quali zieren (Schulische/beru iche Anforderungen). 2. Binden (Aufbau stabiler Beziehungen). 3. Konsumieren (Zugang zu Konsum- und Freizeitressourcen). 4. Partizipieren (Mitwirkung an gesellschaftlichen Prozessen). fi ff fl fl Positive Ein ussfaktoren trotz hoher Risiken Positive Selbst- und Fremdwahrnehmung (z. B. Selbstbild, Sozialverhalten). Stabile, unterstützende Bezugspersonen. Vorteile von Resilienz Unterstützt Anpassungsprozesse bei Krisen. Fördert Bewusstsein für eigene Ressourcen („Stärken stärken“). Verbessert Umgang mit alltäglichen Stresssituationen. Reduziert stressbedingte Erkrankungen, stärkt Selbstwirksamkeit. Konzepte der Psychotherapie (z. B. Übertragung und Gegenübertragung) 1. Historische und theoretische Grundlagen Freud & Breuer: Symptome verschwinden durch das bewusste Erinnern, Erleben und Ausdrücken verdrängter A ekte. Freud: Anfangs Erklärung durch reale Missbrauchserfahrungen, später Fokus auf unbewusste Fantasien (Ödipuskomplex). Ferenczi: Frühkindlicher sexueller Missbrauch als Ursache für traumabedingte Symptome. ◦ Introjektion des Angreifers: Transformation äußerer Realität in innere Strukturen zur Anpassung an Traumata. 2. Ziel der therapeutischen Arbeit Bearbeitung von Abwehrmechanismen und verzerrten Persönlichkeitsstrukturen. Stärkung gesunder Strukturen, Integration traumatischer Erlebnisse. Scha ung eines sicheren Raums und einer stabilen therapeutischen Beziehung (z. B. Vertrauen und Geborgenheit fördern). 3. Übertragung und Gegenübertragung Übertragung: Patienten projizieren unbewusste, vergangene Beziehungserfahrungen auf die Therapeut:innen. Gegenübertragung: Emotionen und Reaktionen der Therapeut:innen, die durch die Patient:innen ausgelöst werden. Beide Konzepte essenziell in psychotherapeutischen und pädagogischen Prozessen. 4. Abwehrmechanismen (nach Zimbardo) ff fl ff Strategien zur Bewältigung innerer Kon ikte und Anpassung: ◦ Kompensation: Schwäche durch Überbetonung eines Stärkenbereichs verbergen. ◦ Verleugnung: Vermeidung unangenehmer Realität durch Ignoranz. ◦ Verschiebung: Umleitung feindseliger Gefühle auf weniger bedrohliche Objekte. ◦ Rationalisierung: Rechtfertigung von Verhalten durch scheinbar vernünftige Argumente. ◦ Verdrängung: Verhinderung des Bewusstwerdens unerwünschter Impulse. ◦ Weitere Mechanismen: Regression, Projektion, Sublimierung, Isolierung etc. 5. Ganzheitlicher Ansatz in der Traumatherapie Individuelle Lösungswege durch systemisches Arbeiten. Umgang mit Spaltungen (z. B. Täter- und Opferloyalität, multiple Persönlichkeiten). Bedeutung von Sicherheit, Vertrauen und Ressourcenaktivierung. 6. Praktische Relevanz Anwendung der Konzepte in Traumapädagogik und therapeutischer Beziehungsgestaltung. Ziel: Förderung emotionaler Stabilität, Integration traumatischer Erlebnisse und Aufbau gesunder Bewältigungsstrategien. 3. Arbeitsfelder und Zielgruppen der Traumapädagogik Einführung Traumatisierung häu g: Viele Kinder und Jugendliche in sozialpädagogischen Einrichtungen sind traumatisiert (Gewalt, Vernachlässigung). Chronische Belastungen: Traumatische Erfahrungen sind meist langanhaltend, keine Einzelfälle. Bedarf an sicheren Orten: Pädagogische Orte müssen Sicherheit und Integration fördern (räumliche Klarheit, transparente Abläufe, stabile Beziehungen). fi fl Herausforderungen für Fachkräfte: Traumatisierte Kinder übertragen frühere Erfahrungen auf aktuelle Beziehungen (z. B. Übererregung, Dissoziation, Erstarrung). Beispiel Lino: Traumatisches Erlebnis führte zu maladaptiven Verhaltensmustern (Selbstisolation, Aggression). Ziel: Unterstützung durch stabile Strukturen, Vermeidung von Triggern und langfristige pädagogische Beziehungen. (Teil-)stationäre Kinder- und Jugendhilfe Zunahme der Inobhutnahmen: 2019: 40.800 Fälle (+62 % seit 2006). Fokus auf ambulante Hilfen (z. B. SPFH). Hohe psychosoziale Belastung: Kinder/Jugendliche in stationären Einrichtungen zeigen komplexe Störungsbilder (Traumafolgestörungen). Verhalten als Bewältigungsstrategie: Konzept des „guten Grundes“: Verhalten hat eine sinnvolle Absicht; neue Beziehungs- und Realitätserfahrungen möglich. Traumapädagogische Ziele: Sicherer Ort: Vermeidung von Retraumatisierung, Aufbau stabiler Beziehungen durch Verlässlichkeit und Transparenz. Ho nungsvolle Bindungen: Positive Beziehungserfahrungen fördern Mentalisierungsprozesse. Emotionsregulation: Psychoedukation, Techniken zur Angstbewältigung, Einsatz von Notfallko ern. Partizipation: Förderung von Selbstwirksamkeit durch Mitgestaltung im Alltag und Hilfeplanung. Selbst- und Körperwahrnehmung: Stärkung durch Achtsamkeit und erlebnispädagogische Ansätze. Resilienzförderung: Bezugspersonen als Schlüssel für alternative Bindungserfahrungen und Verarbeitung traumatischer Reinszenierungen. Rolle der Fachkräfte: Hohe Selbstre exion und traumasensible Haltung notwendig, um einen lebbaren und entwicklungsfördernden Alltag zu gestalten. ff ff fl Kindertageseinrichtungen und Arbeit mit traumatisierten Kindern Fallbeispiel Ben: Hintergrund: ◦ Vernachlässigung durch Eltern (unzureichende Ernährung, fehlende Hygiene, inadäquate Kleidung). ◦ Au älliges Verhalten: ständiges Rennen, verstecktes Essen, Bindungsunfähigkeit. ◦ Hinweise auf Misshandlung: Fesselspuren an Händen und Füßen. Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII): Meldung an das Jugendamt, Unterbringung in heilpädagogischer Wohneinrichtung. Traumatische Erfahrungen in der Kita: Ursachen: ◦ Vernachlässigung, Armut, Flucht oder soziale Probleme der Herkunftsfamilie. Verhaltensau älligkeiten: ◦ Reinszenierung traumatischer Erlebnisse (z. B. sexualisierte Gewalt im Spiel). ◦ Fehlende Selbstregulation, exzessive Nahrungsaufnahme, dissoziative Zustände. Trigger führen zu Rückfällen in traumaassoziiertes Verhalten. Pädagogische Ansätze: Suche nach dem „guten Grund“: ◦ Verhalten verstehen, wertschätzen und kindgerecht re ektieren. Basale Grundbedürfnisse: ◦ Bindung, Ernährung, P ege bieten Sicherheit und Entlastung. ◦ P ege fördert Selbstermächtigung und Wohlbe nden (z. B. angenehme Körperhygiene). Selbstregulation fördern: ◦ Anerkennung und Bearbeitung von Gefühlen (z. B. Wutbewältigung). ◦ Entwicklung von Reorientierungstechniken und Integration in Gruppen. Grundprinzipien der Traumapädagogik: Respekt vor der Individualität des Kindes. fl ff ff fl fi fl Stärkung von Selbstwertgefühl und Selbstwahrnehmung. Akzeptanz traumapädagogischer Grundlagen: ◦ Wertschätzung. ◦ Partizipation. ◦ Transparenz. ◦ Spaß und Freude. Rolle der Fachkräfte: Beobachtung und Beschreibung: Verhalten der Kinder genau dokumentieren. Bindungsförderung: Aufbau engerer Beziehungen zu Kindern und Gleichaltrigen. Handlungsfähigkeit erhöhen: Unterstützung bei der Emotionsbewältigung und Kon iktlösung. Schule Beispiele aus der Praxis: Jolina (8 Jahre): ◦ Dissoziation während des Unterrichts (scheinbare Aufmerksamkeit, aber geistige Abwesenheit). ◦ Kann auf Ansprache nicht reagieren. Berthold (7. Klasse): ◦ Vermeidet langfristig gute Leistungen, um biogra sche Ordnung (schlechtere Leistungen) wiederherzustellen. ◦ Sicherheit entsteht für ihn durch bekannte Muster. Rebecca (7. Klasse): ◦ Soziale Kontrolle in der Klasse (Vermittlung bei Kon ikten). ◦ Energie auf soziale Dynamik statt auf Unterricht konzentriert. ◦ Zeigt desorganisiertes Bindungsverhalten. Auswirkungen traumatischer Erlebnisse in der Schule: Beeinträchtigungen durch Trauma: fl fi fl ◦ Kognitive und a ektive Störungen: Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme. ◦ Schwierigkeiten, aus Fehlern oder Erfahrungen zu lernen. ◦ Sensomotorische Wahrnehmungsstörungen. ◦ Gehirn entwickelt Überlebensstrategien statt Lernfähigkeit. Bindungsprobleme: ◦ Bindung als Grundlage für Lernmotivation erschüttert. ◦ Kinder versuchen bekannte (oft dysfunktionale) Szenen wiederherzustellen. Teufelskreis: ◦ Unsicherheit in neuen Situationen → Angst vor Versagen → Vermeidung von Lernen. Pädagogische Ansätze zur Unterstützung traumatisierter Kinder: Zeitstruktur: ◦ Klare, ritualisierte Arbeitspläne, um Angst vor Neuem zu reduzieren. ◦ Fehlerfreundlichkeit: Fehler dürfen gemacht werden (auch von Lehrer:innen). ◦ Ritualisierung im Unterricht reduziert emotionalen Stress. Räumliche Struktur: ◦ Klassenräume mit klarer, nicht überfrachteter Struktur. ◦ Feste Sitzplätze, freie Sicht zwischen Kind und Lehrkraft. ◦ Rückzugsmöglichkeiten und exible Sitzarrangements (Einzel-/ Gruppentische). Beziehungsstruktur: ◦ Zuwendung und O enheit ohne Überforderung. ◦ Orientierung und kleinschrittige positive Rückmeldungen. ◦ Aufbau von Selbstwert, Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstsein. Sprachstruktur: ◦ Klare, einfache Anweisungen ohne Interpretationsspielraum. ◦ Beispiel: „Jolina, hör auf!“ statt „Jolina, schrei nicht so rum.“ ff ff fl Lehrer:innen-Rolle: Verlässlichkeit und Gelassenheit: ◦ Konfrontation mit traumatischem Verhalten erfordert Geduld. ◦ Widerspiegeln von Unregelmäßigkeiten und Störungen. Bindungsförderung: ◦ Begrüßungsrituale, positive Nähe scha en. Stabilisierung: ◦ Ziel: Sicherer Ort Schule → Vertrauen und Kontinuität gewährleisten. Psychoedukative Maßnahmen: Hilfsmittel: ◦ Stimmungs-Skalierungen (Smileys, Skalen). ◦ Figuren (z. B. Tiere), um Gefühle/Ego-States auszudrücken. ◦ Gespräch über bekannte Figuren (z. B. „Muppets“) zur Verdeutlichung von Traumata. Familie Kategorien von Traumata in der Familie (Korritko & Pleyer, 2016): 1. Simultane Traumatisierung: ◦ Alle Familienmitglieder sind gleichzeitig betro en (z.B. Hausbrand, Autounfall). 2. Vergangenheitstraumatisierung: ◦ Innerfamiliäre Gewalt oder Kriegserlebnisse. 3. Transgenerationale Traumatisierung: ◦ Traumata, die über Generationen hinweg vererbt werden (z.B. Holocaust). ◦ Beispiel: ▪ Gertrud und Herbert (50/52 Jahre alt) haben eine starke Angst vor Übernachtungen, was auf die traumatische Erfahrung ihrer Mutter während des Zweiten Weltkriegs zurückgeht. 4. Konsekutive Traumatisierung: ff ff ◦ Traumatische Erlebnisse durch Geiselnahme, Flucht oder Krankheit. 5. Sekundäre Traumatisierung: ◦ Trauma durch Zeugenschaft (z.B. bei Unfällen oder Katastrophen). Auswirkungen von fehlenden Erinnerungen an traumatische Familienereignisse: Fehlende Erklärungen und Verständnis für traumatische Erlebnisse können den Alltag negativ beein ussen. Familiensysteme: ◦ Streben nach Homöostase → Stabilisierung störender Grundmuster und Symptome durch Kommunikation. ◦ Störende Muster und Kon ikte können durch traumatische Erlebnisse entstanden sein. Traumapädagogische Intervention: Unterstützung der Eltern und Kinder durch traumapädagogische Maßnahmen: ◦ Erkennen von traumareaktivierenden Mustern in Familiensystemen. ◦ Verstehen von traumaspezi schen Verhaltensweisen der Familienmitglieder. ◦ Zugang zu neuen Gestaltungs- und Regulationsfähigkeiten (Vermeidung von wiederkehrenden Kon ikten). Dissoziationsstopper: ◦ Maßnahmen, die eine Wahrnehmung im "Hier und Jetzt" fördern und Traumata im Alltag unterbrechen. Berücksichtigung aktueller Traumatisierungen: Berufe mit hohem Gefährdungspotential (z.B. Feuerwehr, Polizei) können zu zusätzlichen Traumatisierungen führen. Traumakompensatorisches Verhalten wie Alkoholabhängigkeit ist eine häu ge Reaktion auf nicht bearbeitete Traumata. Psychoedukative Maßnahmen: fl fl fl fi fi Traumatische Erlebnisse sollten besprechbar und nachvollziehbar gemacht werden. Ziel: Verständnis und Bewältigung von traumatischen Erlebnissen im Familiensystem. Psychiatrie Traumatische Erlebnisse bei Kindern: Folgen für die Entwicklung: ◦ Beeinträchtigungen in den Hirnstrukturen und -funktionen. ◦ Auswirkungen auf Lernen, Aufmerksamkeit, Stressregulation und Sozialverhalten. Klinische Bedeutung: ◦ Traumapädagogische Konzepte wurden erst nach Erkenntnissen über ihre positiven Auswirkungen auf die therapeutische Behandlung etabliert. Wichtigkeit traumapädagogischer Konzepte in der Psychiatrie: Deeskalation und Vermeidung von Retraumatisierungen: ◦ Traumapädagogische Haltung wirkt deeskalierend und kann aggressive Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen verringern. ◦ Beispiel: Aggressionen von Kindern können bei Betreuern aggressive Gefühle auslösen, was auf unberücksichtigte traumatische Hintergründe hinweist. Ein uss biogra scher Erfahrungen auf pädagogisches Handeln: ◦ Traumapädagogisches Wissen und Coaching für Betreuer sind notwendig. ◦ Feste Verankerung traumapädagogischer Methoden in Klinikstrukturen erforderlich, um sicheren Rahmen zu scha en. Herausforderungen bei der Umsetzung traumapädagogischer Maßnahmen: Akute Krankheitsphasen: ◦ Erschweren die Etablierung traumapädagogischer Konzepte. Heterogene Gruppen: ◦ Unterschiedliche Bedürfnisse und Hintergründe der Kinder und Jugendlichen in Kliniken erschweren die Scha ung eines sicheren Rahmens. Beispiel – Tiziano (14 Jahre alt): fl fi ff ff Problem: ◦ P egekind, Gewaltneigung und selbst- sowie fremdgefährdendes Verhalten. ◦ Schwierigkeiten beim Wechsel der Station und der Bezugspersonen während des Klinikaufenthaltes → Massives gewalttätiges Verhalten. Lösungsansatz: ◦ Strukturierter Tagesablauf, verlässliche Bezugspersonen und transparente Planung sind wichtig. ◦ Partizipation: Kinder und Jugendliche sollten in Entscheidungen einbezogen werden und ihre Lebenswelt als Expert:innen wahrgenommen werden. ◦ Selbstregulation: ▪ Methoden zur Stressregulation erarbeiten (z.B. Atemtechniken, Bewegungseinheiten). ▪ Nutzung von Skalierungen (z.B. Stressbarometer), um den eigenen Stresspegel zu erkennen und zu regulieren. Ziel der traumapädagogischen Arbeit: Unterstützung bei der Selbstwahrnehmung und Selbstregulation von Stress. Förderung von Handlungskompetenz und Selbstermächtigung der Kinder und Jugendlichen. Menschen mit Behinderung Risikopotential für Traumatisierungen bei Menschen mit Behinderung: Existenzielle Gewalterfahrungen: ◦ Traumatisierungen entstehen durch extreme Verlassenheit, die durch Gewalterfahrungen im sozialen Umfeld (z.B. durch Familienmitglieder) ausgelöst werden. Vulnerabilität von Menschen mit Behinderung: ◦ Menschen mit Beeinträchtigungen sind besonders anfällig für Traumatisierungen, da ihr Belastungspotenzial bis zu viermal höher sein kann als bei Menschen ohne Beeinträchtigungen. Studie: ◦ Die Speak-Studie (2022) zeigte, dass 28% der befragten Jugendlichen, die Förderschulen besuchten, Opfer von körperlicher sexueller Gewalt wurden. Fehlinterpretationen und -entscheidungen bei Fachkräften: fl Traumaspezi sche Symptome: ◦ Traumatische Symptome bei Menschen mit Beeinträchtigungen können von Fachkräften missverstanden werden, wenn sie nicht ausreichend über Trauma und seine Auswirkungen informiert sind. Fehlende Re exion: ◦ Mangelndes Fachwissen führt zu Fehlinterpretationen von Verhaltensweisen, was in de zitorientierte Zuschreibungen und Ausschlussprozesse mündet. Ausgrenzung und Stigmatisierung: Wirkung von Ausgrenzung: ◦ Menschen mit Beeinträchtigungen und ihr soziales Umfeld erleben oft Ausgrenzung und Stigmatisierung, was traumatisierend wirkt. Gesellschaftliche Beschränkungen: ◦ Die Betrachtung von Behinderung als gesellschaftliche Beschränkung statt als naturgegebenes Schicksal fördert ein stärkeres Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen von Menschen mit Behinderung. Herausforderungen für Fachkräfte: Herausforderndes Verhalten: ◦ Fachkräfte müssen auch auf schwer verständliches Verhalten reagieren, auch wenn dieses zunächst unverständlich erscheint. ◦ Fachkräfte erleben oft Ohnmacht, wenn sie das Verhalten nicht deuten können. Traumapädagogisches Handeln: Anerkennung von Verhaltensgründen: ◦ Auch unverständliches Verhalten hat oft einen „guten Grund“, der durch traumpädagogisches Handeln näher betrachtet werden sollte. Entlastung für Fachkräfte: ◦ Traumapädagogische Grundhaltungen helfen Fachkräften, den Sinn hinter herausforderndem Verhalten zu verstehen und sich von Ohnmachtsgefühlen zu befreien. Sozialpolitische und emanzipatorische Dimension: ◦ Die Traumapädagogik hat eine starke sozialpolitische und emanzipatorische Komponente, die Menschen mit Beeinträchtigungen als vollständige Menschen anerkennt und unterstützt. fi fl fi Flucht und Migration Zwangsmigration: Flucht und Migration als Sammelbegri für Zwangsmigration; Menschen sind oft sequenziell traumatisiert. Sequenzielle Traumatisierung: Verschiedene traumatische Erlebnisse wie Gewalt, Hunger, Bürgerkriege, Naturkatastrophen, Tod von Angehörigen und traumatische Fluchterfahrungen wie Enge und soziale Kontrolle. Soziale Beschämung: Mangel an kulturellen Spezi ka führt zu Missverständnissen und sozialen Beschämungen bei Ge üchteten. Bindungserfahrungen: Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrungen bringen oft frühe Bindungen mit, erleben aber emotionale Vernachlässigung durch traumatisierte Eltern. Rollenumkehr (Parenti zierung): Kinder fühlen sich verantwortlich für die Not ihrer Eltern, was zu entwicklungshemmendem Verhalten führt. Pubertät und Migration: Pubertät ist eine gehirnphysiologische Umbauphase; traumatische Erlebnisse erschweren Lern- und Entwicklungsprozesse. Traumatisierungen und Bindungsprobleme beeinträchtigen Frontalhirnfunktionen und Selbstregulation. Heimatlosigkeit und Identitätsstörungen durch Migration erschweren die Entwicklung zusätzlich. Wesentliche Punkte für die Arbeit mit traumatisierten Ge üchteten: Sicherheit herstellen: Scha ung sicherer Orte, stabile Tagesstrukturen und Bezugspersonen; Vermeidung von uchtspezi schen Triggern. Selbstwirksamkeit ermöglichen: Ermächtigung, Wahlmöglichkeiten bieten, lösbare Aufgaben scha en (z.B. durch Sport, kreativen Ausdruck, soziale Kontakte). Traumadynamik verstehen: Anerkennung von Überlebensstrategien und Verhalten als Überlebensnotwendigkeit, aber auch Anpassung an die Gegenwart. ff fi ff fl fl fi fi ff fl 4. Methoden und Techniken der Traumapädagogik Kernthemen traumapädagogischen Handelns Selbstermächtigung als Kernstück: ◦ Ziel: Befreiung von Abhängigkeit und Ohnmacht; Entwicklung von Autonomie und Lebensregie (Weiß, 2023). ◦ Unterstützung, um traumatisierte Kinder und Jugendliche zu handlungsfähigen Subjekten ihres Lebens zu machen. Verbindung von Denken, Fühlen und Emp nden: ◦ Förderung der Zusammenarbeit von Frontalhirn (Denken) und Amygdala (Fühlen). ◦ Sensibilisierung für Körperemp ndungen und Gefühle. ◦ Förderung von Selbstverstehen, Selbstakzeptanz und Selbstregulation. Psychoedukation: ◦ Erklärung von körperlichen und neurologischen Prozessen (z. B. mit dem Modell des „Echsenhirns“). ◦ Ziel: Verhalten und Reaktionen verstehen und erklären. Methoden zur Stressreduktion und Regulation: ◦ Stressbarometer: Belastungen benennen und beenden. ◦ Körperwahrnehmung stärken: Frühwarnzeichen von Ausbrüchen erkennen. ◦ Übungen zur Beruhigung: Atemtechniken, Rückwärtszählen, moderate Bewegung. ◦ Reorientierungsübungen: Körperliche Reize (Düfte, Massageball, Zwicken etc.) zur Rückkehr ins Hier und Jetzt. Erklärungen für Bewältigungsstrategien: ◦ Verhaltensweisen (z. B. Sammeln und Verstecken von Nahrung) als sinnvolle Überlebensstrategien erklären. ◦ Sicherheit scha en: Gewährleistung von Verfügbarkeit grundlegender Bedürfnisse wie Nahrung. Praxisbeispiele: ◦ Eddy: Lerne seine Wutausbrüche durch das „Echsenhirnmodell“ zu verstehen und erhalte Werkzeuge zur Regulation. ff fi fi ◦ Ravaet: Dissoziative Zustände durch unerwartete Reize (z. B. Rechenaufgaben) unterbrechen. ◦ Franziska: Verständnis für frühere Bewältigungsstrategien (z. B. Nahrung verstecken) und Aufbau von Vertrauen in neue Versorgungsstrukturen. Ziel der Traumapädagogik: ◦ Unterstützung der Selbstermächtigung und Identitätsklärung. ◦ Verständnis für traumatischen Stress scha en und einen gesunden Umgang damit fördern. Traumapädagogische Diagnostik und Fallverstehen De nition und Zielsetzung: ◦ Traumapädagogische Diagnostik verbindet psychische, soziale, physiologische und alltagsnahe Dimensionen des Erlebens traumatisierter Kinder und Jugendlicher (Gahleitner et al., 2016). ◦ Sie ist dialogisch und orientiert sich an einer traumapädagogischen Haltung, die Selbstdeutungsmuster der Betro enen gleichwertig mit Problemde nitionen anderer betrachtet. Rolle der Fachkräfte: ◦ Pädagog:innen benötigen Kenntnisse über medizinische Klassi kationen (z. B. ICD) und subjektorientierte, biogra sche Zugänge. ◦ Sie scha en einen Rahmen, der biogra sche und entwicklungsbedingte Prozesse berücksichtigt. Methoden und Modelle: ◦ Fünf Säulen der Identität (Petzold, 1984): Identität basiert auf Gesundheit, sozialen Netzwerken, Werte & Normen, Arbeit & Leistung sowie materieller Sicherheit. De zite in einer Säule können die Identität destabilisieren. ◦ Fünf Säulen: Leiblichkeit, soziales Netz, Werte/Sinn/Spiritualität, Arbeit und Leistung, materielle Sicherheit ◦ Diagnostisches Fallverstehen (Gahleitner & van Mil, 2022): Systematische Erfassung individueller und Umweltfaktoren, Stressoren, De zite sowie Ressourcen. Ziel: Strukturierung der Biogra e und Planung von Interventionen. Praxis und Anwendung: fi ff fi fi ff fi fi ff fi fi fi ◦ Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Pädagog:innen, Psycholog:innen, Mediziner:innen) zur Entwicklung prozesshafter und individueller Maßnahmen. ◦ Fokus auf Stabilisierung, Problembewältigung und Integration in den Lebensalltag. Beispiel: ◦ Gerhard: Verlust der materiellen Sicherheit führte zu Identitätskrisen und massiven Ängsten. Das Modell der fünf Säulen half, die Problematik zu verstehen und Interventionen zu planen. Traumapädagogisches Fallverstehen verbindet biogra sche Re exion, systematische Analyse und interdisziplinäre Zusammenarbeit, um traumatisierten Menschen gezielt zu helfen. Traumazentrierte Fachberatung De nition und Abgrenzung: Traumazentrierte Fachberatung bietet Unterstützung bei Akuttraumatisierungen und Monotraumatisierungen, insbesondere durch präventive, kurative und rehabilitative Maßnahmen. Sie unterscheidet sich von der Traumapädagogik, die längerfristige, strukturierende und explorative Prozesse begleitet, und von der Therapie, die auf tiefergehende Verarbeitung von Traumafolgen abzielt. Ziele der traumazentrierten Fachberatung: ◦ Scha ung innerer und äußerer sicherer Orte. ◦ Angebot korrigierender Beziehungen. ◦ Ressourcenerschließung auf individueller und sozialer Ebene. ◦ Stabilisierung und Psychoedukation zur Erklärung von Verhalten und Einführung von Mechanismen zur Selbstregulation (z. B. bei Dissoziationen). Praxis und Interventionsansätze: ◦ Direkte Unterstützung bei der Bewältigung akuter Traumafolgen wie Dissoziationen oder Überwältigungsgefühlen („wie im Film vorbeirauschen“). ◦ Aufbau komplexer Interventionsnetzwerke unter Berücksichtigung rechtlicher, institutioneller und sozialräumlicher Aspekte. ◦ Begleitung und Übergang zu Therapie oder stationärer Traumabehandlung, wenn erforderlich. Gemeinsamkeiten mit Traumpädagogik und Therapie: ◦ Alle Ansätze basieren auf der Erkenntnis, dass ein Trauma eine Erfahrung ist, die durch ihre zerstörerische Heftigkeit nicht mit den vorhandenen Bewältigungsstrategien verarbeitet werden kann. fi ff fi fl Beispiel: Christoph: Christoph erlebte durch die Flutkatastrophe im Ahrtal den Verlust seines gesamten Besitzes. Die traumazentrierte Fachberatung half ihm, mit Dissoziationen und der Verarbeitung des Geschehens umzugehen, sowie bei der Entscheidung, den Familienbesitz aufzugeben oder neu aufzubauen. Gleichzeitig wurden Überlebensnotwendigkeiten (Wohnen, Ausstattung) organisiert. Rolle der Fachberatung im Gesamtkontext: Traumazentrierte Fachberatung fungiert als psychosoziale Mittlerin, die individuelle Ziele unterstützt, dialogische Problemlösungen fördert und Übergänge zu anderen Hilfesystemen begleitet. Sie ist breiter gefasst als die Psychotherapie und arbeitet kontextbezogen, exibel und ressourcenorientiert (Gahleitner et al., 2016). Psychoedukation De nition und Zielsetzung: Psychoedukation dient dazu, die Auswirkungen traumatischer Erlebnisse verständlich und einordbar zu machen. Die zentrale Botschaft lautet: „Das ist eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis oder auf unnormale Aufwachsbedingungen“ (Haupt-Scherer, 2020). Ziel ist es, Betro ene zu entpathologisieren, Selbstakzeptanz zu fördern und Handlungskompetenzen im Umgang mit traumatischen Symptomen zu stärken. Zentrale Aufgaben der Psychoedukation 1. Selbstakzeptanz fördern: ◦ Entgegenwirken negativer Selbstbilder. ◦ Entlastung von Scham- und Schuldgefühlen. 2. Kognitive Distanz scha en: ◦ Logisches Einordnen von Reaktionen. ◦ Förderung neuer Bewertungen traumatischer Erlebnisse. 3. Selbstermächtigung stärken: ◦ Erhöhung der Handlungsfähigkeit gegenüber Symptomen. ◦ Stärkung der Fähigkeit zur Selbstregulation. Methoden der Psychoedukation Erklärungsmodelle: ◦ Modell des „Echsenhirns“: Erklärung gehirnorganischer Abläufe und traumatischer Reaktionen. fi ff fl ff Triggerbewusstsein fördern: ◦ Identi kation und Benennung von Triggern. ◦ Zeitliche und räumliche Zuordnung von Triggern. Notfallko er: Ein realer oder imaginierter Ko er, der Sicherheit und Beruhigung bietet. Inhalte könnten sein: ◦ Telefonnummern von Vertrauenspersonen. ◦ Hilfsmittel zur Stressbewältigung (z. B. Stressbarometer, Reorientierungsobjekte). ◦ Beruhigende Gegenstände (z. B. Glücksbringer, positive Symbole). Ressourcenarbeit: ◦ Erstellung von Ressourcenlandkarten. ◦ Würdigung bisheriger Überlebensleistungen und innerer Stärke. Körperwahrnehmung schulen: ◦ Identi kation körperlicher Frühwarnsignale (z. B. Übelkeit, Schwitzen, zittrige Knie). ◦ Förderung der Wahrnehmung und Regulation von Körperemp ndungen als Schlüssel zur Selbstregulation. Imaginationsübungen: ◦ Aufbau eines inneren sicheren Ortes. ◦ Einsatz von inneren Helfern, die Schutz und Beruhigung bieten. Praxisbeispiel: Danny Danny, 14 Jahre, lebte lange unter Gewalt und Vernachlässigung seines Vaters. Ausgelöst durch Schlüssel- und Schließgeräusche zeigte er extreme körperliche und emotionale Reaktionen. Mithilfe der Psychoedukation lernte Danny: Seine Körperemp ndungen wie „weiche Knie“ und „als würde mir einer den Hals zudrücken“ zu identi zieren. Imaginationsübungen anzuwenden, z. B. den inneren sicheren Ort, um aus stressbehafteten Situationen auszusteigen. Wirkung und Bedeutung fi fi ff fi fi ff fi Kognitive Ebene: Verstehen der Symptomatik und Entlastung durch das Konzept des „guten Grundes“. Emotionale Ebene: Förderung von Selbstakzeptanz und Reduktion von Scham- und Schuldgefühlen. Körperliche Ebene: Wahrnehmung und Regulation von Körperemp ndungen als Grundlage der Selbstregulation. Gesamtziel: Die Integration von Wissen, Ressourcen und körperlicher Wahrnehmung zur Unterstützung eines selbstbestimmten Umgangs mit Traumafolgen. Biogra earbeit De nition und Zielsetzung Fokussiert die vergangene und gegenwärtige Lebensgeschichte eines Menschen. Ziel: Emotionale und soziale Bedeutung der Erfahrungen verstehen. Traumatische Erlebnisse und Erinnerungslücken durch behutsame Re exion au ösen. Scha ung eines positiven Bezugs zur eigenen Geschichte. Bedeutung der Biogra earbeit Erklärung und Einordnung traumatischer Ereignisse und deren Auswirkungen auf die Gegenwart. Emotionale Stabilisierung und Förderung des psychischen Gleichgewichts. Entpathologisierung und Versöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte. Au ösung von De zitwahrnehmungen und Scha ung neuer Perspektiven. Voraussetzungen und Haltung Wertschätzender Umgang mit der Lebensgeschichte, auch gegenüber leiblichen Eltern. Bewusstsein für die hohe Identi kation von P ege- und Adoptivkindern mit leiblichen Eltern trotz schwieriger Erfahrungen. Geduld und Unterstützung in Regressionsphasen: Rückentwicklungen sind normal und dienen der Stabilisierung. fl fl fi ff fi fi fi fi fl ff fi fl Methoden der Biogra earbeit Traumaerzählgeschichte: ◦ Märchenform mit symbolischen Figuren (z. B. Tiere) zur behutsamen Verarbeitung der eigenen Geschichte. ◦ Fokus auf ein positives, "gutes Ende". Zeitstrahl: ◦ Visualisierung von Lebensereignissen mit Bildern und Daten. ◦ Geschichten und Emotionen zu den Lebensstationen erarbeiten. Beziehungen und Bindungen Bindung als Grundlage für Lernen und Entwicklung Bindungssicherheit ist essenziell für kognitive und emotionale Lernprozesse. Kinder mit Angst vor Bezugspersonen können weder explorieren noch kreativ spielen oder lernen. Erste pädagogische Aufgabe: Entängstigung und Aufbau emotionaler Sicherheit. Merkmale unsicher gebundener Kinder Schwach ausgeprägtes „Soziale-Kontakt-System“: Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen und zu kommunizieren. Reinszenieren Beziehungsabbrüche in alltäglichen Situationen durch Unterbrechung ihrer Handlungen. Voraussetzungen für unterstützende Beziehungen Beziehungen entstehen durch: ◦ Respekt, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Empathie, Anteilnahme, Zuneigung. ◦ Transparente, vorhersehbare und haltgebende Strukturen. Pädagog:innen müssen erklären, warum sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten. fi Anforderungen an Fachkräfte als Bindungspersonen Anerkennung als Bindungsperson, wenn sie: ◦ Klüger und stärker wirken. ◦ Physische und emotionale Fürsorge bieten. ◦ Vorhersehbar, berechenbar und zuverlässig sind. ◦ Entspannt, unaufgeregt und emotional engagiert handeln. Grundregeln bindungsorientierter Arbeit 1. Bindung vor Erziehung: Aufbau einer sicheren Basis ist notwendig, bevor an Verhalten oder Lerninhalten gearbeitet werden kann. 2. Verzicht auf Gegenseitigkeit: Fürsorge darf nicht an Wohlverhalten geknüpft sein, solange keine Sicherheit und Mentalisierung erreicht wurden. Traumapädagogische Ansätze Stabilisierende Erfahrungen erfordern: ◦ Einen klar strukturierten, äußeren sicheren Ort. ◦ Individuelle Beziehungsgestaltung basierend auf den Bindungs- und Beziehungserfahrungen der Kinder. ◦ Re exion der Beziehungsdynamik und Erprobung korrigierender Beziehungsmodelle. Anforderungen an Fachkräfte Bewusstsein für eigene Bindungsmuster und potenzielle Beziehungsfallen. Hohe emotionale Kompetenz und Belastbarkeit. Beziehungsgestaltung ist zentral, individuell und herausfordernd. fl Arbeit mit der Gruppe Herausforderungen in der Gruppenarbeit mit traumatisierten Menschen Gruppendynamik birgt Unsicherheitsfaktoren, da Mitglieder potenziell belastende Erfahrungen einbringen. Traumapädagogik scha t durch einen sicheren Ort eine Basis für positive Entwicklungen und Selbstwirksamkeit. Ziel: Integration in soziale Bezüge und Zugang zu positiven sozialen Erfahrungen trotz belastender Erlebnisse. Zentrale Prinzipien traumapädagogischer Gruppenarbeit 1. Konzept des guten Grundes ◦ Dysfunktionales Verhalten wird gespiegelt und gemeinsam re ektiert, ohne traumatische Erfahrungen zu forcieren. ◦ Ziel: Emotionale Regulierung und Verhaltenserkenntnis. 2. Transparenz von Strukturen ◦ Vorhersehbare Abläufe, feste Rituale (z. B. Re exionsrunden), und klar de nierte Methoden scha en innere Sicherheit. ◦ Rückzugsmöglichkeiten berücksichtigen individuelle Bedürfnisse. 3. Spaß und Freude ◦ Ziel: Aufbau positiver sozialer Erfahrungen und Reduzierung negativer Gefühle wie Angst oder Scham. ◦ Lustvolle Gestaltung der Gruppenarbeit kann durch Lachen Serotonin freisetzen und Stress abbauen. 4. Selbstwirksamkeit durch Partizipation ◦ Wahlmöglichkeiten und Verantwortungsübernahme fördern das Gefühl von Kontrolle und soziale Anerkennung. ◦ Partizipation stärkt Selbstwirksamkeit, auch wenn sie anfänglich Überforderung auslösen kann. Beispiel Stefanie erlebt in einer Vorstellungsrunde belastende Emotionen und erinnert sich an frühere Demütigungen in der Schule. Durch Re exion mit der Seminarleitung wird ihre Reaktion bewusst gemacht und ihr ermöglicht, ihre Emotionen einzuordnen. fi fl ff ff fl fl Fazit Traumapädagogische Gruppenarbeit bietet traumatisierten Menschen die Möglichkeit, ihre Unsicherheiten in einem sicheren Rahmen zu überwinden, Selbstwirksamkeit zu erfahren und neue, positive soziale Erlebnisse zu machen. Dies erfordert transparente Strukturen, gezielte Partizipation und die Integration von Spaß und Freude. Beteiligung Rechtliche Grundlage Nach § 8 Abs. 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche das Recht, entsprechend ihrem Entwicklungsstand an Entscheidungen, die sie betre en, teilzunehmen. Partizipation wird als „Be-Achtung“ der Kinderrechte und nicht als Machtverlust der Fachkräfte verstanden. Bedeutung für traumapädagogische Arbeit Traumatische Erlebnisse brechen den Austausch mit der Umwelt ab und führen zu einem Gefühl von Fremdbestimmung und Schutzlosigkeit. Erinnerungen an traumatische Ereignisse sind oft fragmentiert und schwer einzuordnen. Kinder und Jugendliche sollten als Expert:innen ihrer eigenen Lebenswelt angesehen werden, da sie ihre Umgebung am besten kennen und gestalten können. Ziele der Partizipation Selbstbewusstsein und Selbstwert stärken durch aktive Mitgestaltung der Lebenswelt. Fördern von Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit. Ermöglichen eines Wachstumsprozesses durch Mitentscheidung und Teilhabe. Partizipation als pädagogisches Werkzeug Partizipation ist ein grundlegender Aspekt dialogischer Begegnung und ein essenzielles Mittel der pädagogischen Arbeit. Sie unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, aktiv Verantwortung für ihr Leben und ihre Gemeinschaft zu übernehmen. ff Fazit Partizipation ist ein zentraler Bestandteil der traumapädagogischen Praxis. Sie ermöglicht Kindern und Jugendlichen, ihre Lebenswelt aktiv zu gestalten, stärkt ihre Resilienz und fördert ihre Entwicklung in Richtung Selbstbestimmung und Gemeinschaftsfähigkeit. Vernetzungsarbeit Bedeutung von Netzwerken in der Sozialen Arbeit Netzwerke verbinden Menschen und Institutionen und fördern durch gemeinschaftliche Kraft Unterstützung für Kinder und Jugendliche. Ohne Netzwerkarbeit ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und soziale Unterstützung in der Sozialen Arbeit nicht möglich. Netzwerkarbeit scha t zusätzliche Ressourcen und Möglichkeiten für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Voraussetzungen für erfolgreiche Netzwerkarbeit Transparente Absprachen und klare Verantwortlichkeiten sind entscheidend. Kontinuierliche Tre en und regelmäßiger Austausch der Beteiligten stärken die Zusammenarbeit. Respekt und Anerkennung der jeweiligen Fachkenntnisse und Aufgaben sind notwendig. Netzwerke sollten ein Minimum an gemeinsamen Zielen und Vorstellungen haben, um die Zusammenarbeit zu optimieren. Fallbeispiel: Ángel Ángel (12 Jahre) lebt in einer P egefamilie und hat unkontrollierbare Wutausbrüche. Ein Netzwerk von Fachkräften (z. B. Psychiater:innen, Lehrerin, Traumapädagog:innen, Jugendamt) arbeitet zusammen, um transparente Absprachen zu tre en. Durch die klare Kommunikation und Vereinbarungen konnte das Verhalten von Ángel verbessert werden, was zu einer Reduktion seiner Wutausbrüche führte. Netzwerkarbeit als traumasensible Intervention ff ff ff fl Vernetzungsarbeit wird als Gegenbewegung zum Trauma verstanden und trägt heilsam zur Bewältigung des erlebten Leids und der Gewalt bei. Traumasensibles Netzwerken erfordert das Bewusstsein, dass die Konfrontation mit traumatischen Erlebnissen nicht nur die Betro enen, sondern auch die Fachkräfte und Institutionen beein usst. Der Mittelpunkt der Netzwerkarbeit sollte immer das Kind oder der Jugendliche sein, mit transparenten und wertschätzenden Kommunikationsstrukturen. Hohe Stresslevels in Netzwerken führen zu unproduktiver Zusammenarbeit und erhöhen die Gefahr der Spaltungvon Kindern und Jugendlichen. Wichtige Prinzipien der Netzwerkarbeit Bereitstellung von nanziellen, personellen und strukturellen Ressourcen durch Institutionen. Anerkennung des präventiven Nutzens von Netzwerken und Bereitschaft der Beteiligten, Zeit und Energie zu investieren. Klare und transparente Strukturen sowie ein respektvoller Umgang zwischen den Beteiligten sind unerlässlich. Fazit Netzwerkarbeit ist ein entscheidendes Element der Sozialen Arbeit, besonders in der Traumapädagogik. Sie ermöglicht eine koordinierte und e ektive Unterstützung für Kinder und Jugendliche und fördert durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten eine heilende und präventive Wirkung. Ein traumasensibles Netzwerk setzt auf Transparenz, klare Strukturen und Respekt, um eine produktive und unterstützende Zusammenarbeit zu gewährleisten. 5. Fachkräfte Traumapädagogik und ihre institutionellen Rahmenbedingungen Traumapädagogik betri t nicht nur den Umgang mit traumatisierten Menschen, sondern auch die Arbeitsweise und Strukturen in sozialen Einrichtungen. Prinzipien: ◦ Annahme des guten Grundes fi ff fl ff ff ◦ Wertschätzung, Respekt, Wohlwollen ◦ Partizipation auch auf struktureller Ebene ◦ Transparenz für Sicherheit ◦ Spaß und Freude zur Förderung von Heilung Institutionelle Rahmenbedingungen Traumapädagogik ist in vielen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie bei ge üchteten Menschen etabliert (Zimmermann et al., 2017). Institutionen: Organisationen, die Aufgaben nach festen Abläufen und Regeln erfüllen (Tillmann, 2017). Traumapädagogik wird als Organisationentwicklungskonzept verstanden und umfasst die Bereiche Pädagogik, Führung und Ethik. Zentrale Elemente der Traumapädagogik 1. Pädagogik: ◦ Institutionen als sichere Orte für Betro ene ◦ Ziel: Emotionsregulation, Selbstwirksamkeit, Resilienz 2. Führung: ◦ Rahmenbedingungen für eine vertrauensvolle und sichere Arbeitsumgebung scha en ◦ Professionelles Krisenmanagement und regelmäßige Konzeptüberprüfungen 3. Ethik: ◦ Selbst- und Fremdre exion der Fachkräfte ◦ Partizipative Entwicklung von ethischen Standards Vertrauen und Kommunikation in Institutionen Vertrauen entsteht durch Reziprozität (Geben und Nehmen) zwischen Mitarbeitenden und Institutionen (Meifert, 2008). Wertschätzende Kommunikation stärkt Bindung und sorgt für eine respektvolle Zusammenarbeit, besonders in Feedbackprozessen. Schlussfolgerung Traumapädagogik erfordert re ektierte, kontinuierlich angepasste Strukturen. Transparenz, Partizipation und sichere Rahmenbedingungen sind unerlässlich für eine erfolgreiche Arbeit mit traumatisierten Menschen. Kompetenzen der Mitarbeiter:innen ff fl fl fl ff Sekundäre Traumatisierung: Fachkräfte sind oft mit den traumatischen Erlebnissen ihrer Klient:innen konfrontiert, was zu eigenen Belastungen führen kann (z. B. Aggressionen oder emotionaler Erschöpfung). Beispiel: Andrea betreut ein Mädchen mit schweren Traumata, was zu eigenen Aggressionen und Belastungen führt. Die Beziehung zur Klientin wird durch die traumatische Dynamik der Arbeit geprägt. Wichtigste Voraussetzung: Fachkräfte müssen das Konzept des „guten Grundes“ internalisieren – d.h. die Verhaltensweisen der traumatisierten Klient:innen werden als Reaktion auf anhaltenden Stress und Bedrohung verstanden. Selbstre exion: Fachkräfte müssen ihre eigenen Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse erkennen, um die Beziehung mit den Klient:innen zu stabilisieren und gesund zu halten. Traumpädagogisches Verstehen: Verständnis für die Verhaltensweisen der Klient:innen ermöglicht, diese nicht persönlich zu nehmen und hilft, das Verhalten richtig einzuordnen. Dies verhindert Ohnmachtsgefühle und sekundäre Traumatisierung. Wertschätzende Haltung: Fachkräfte erkennen die Sinnhaftigkeit von traumatischem Verhalten und verstehen die Notwendigkeit von transparenter Kommunikation und Partizipation, um Vertrauen und Sicherheit zu scha en. Positive Grundstimmung: Humor und eine positive Grundhaltung helfen,: ◦ Reaktionen und Gegenreaktionen der Klient:innen zu verstehen ◦ Re-Inszenierungen traumatischer Ereignisse zu vermeiden ◦ Beziehungsaufbau zu erleichtern und emotionale Erschöpfung zu vermeiden Unterstützung für Fachkräfte: ◦ Gezielte traumpädagogische Fortbildungen ◦ Interner kollegialer Austausch ◦ Externe Fallberatung und Supervision Diese Kompetenzen tragen dazu bei, die psychische Belastung der Fachkräfte zu reduzieren und eine e ektive, unterstützende Arbeit mit traumatisierten Klient:innen zu gewährleisten. Belastungsfaktoren Sekundäre Traumatisierung: Mitarbeiter:innen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, können ähnliche Symptome wie eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln (Übererregung, Angstzustände, Vermeidung, Wiedererleben) fl ff ff Beispiel: Eine Sozialarbeiterin berichtet detailliert über die erlebte Gewalt eines Mädchens. Der Supervisor leidet unter Albträumen und Orientierungsproblemen, was auf sekundäre Traumatisierung hindeutet. Ursache: Sekundäre Traumatisierung entsteht durch die notwendige Empathiefähigkeit in der Arbeit mit traumatisierten Klient:innen. Diese Empathie kann dazu führen, dass Mitarbeiter:innen die Emotionen ihrer Klient:innen übernehmen, was zu einer sensitiven Verarbeitung dieser Erlebnisse im Gehirn führt. Burn-out vs. Sekundäre Traumatisierung: Beide Erkrankungen ähneln sich in den Symptomen, jedoch entsteht Burn-out nicht durch belastende Berichte, sondern durch überdauernde organisatorische Belastungen. Sekundäre Traumatisierung ist ein Ergebnis der intensiven emotionalen Auseinandersetzung mit den Erlebnissen der Klient:innen Prävention: Zur Vermeidung sekundärer Traumatisierung sind neben Psychohygiene, Selbstkontrolle und Psychoedukation auch: ◦ Aufklärung über Prävalenz, Ursachen, Symptome und Verlauf ◦ Vermittlung von Schutzmaßnahmen notwendig Psychohygiene/Selbstfürsorge Bedeutung: Psychohygiene (Selbstfürsorge) schützt Fachkräfte vor den Folgen der Arbeit mit traumatisierten Menschen und ermöglicht weiterhin Handlungsfähigkeit. Basisqualitäten (innere Ressourcen für die Arbeit): ◦ A ektregulation & Selbstberuhigung: Schutz vor überwältigenden Emotionen ◦ Genussfähigkeit: Entspannung durch Wahrnehmung von Natur, Musik, Nahrungsmitteln etc. ◦ Selbstannahme: Liebevoller Umgang mit sich selbst ◦ Selbstwirksamkeit: Erleben von Kontrolle und Steuerungsmöglichkeiten Übungen zur Stärkung der Basisqualitäten: ◦ Kontakt mit Tieren: Erleben von Achtsamkeit, Selbstwirksamkeit, und Selbstregulation ◦ Moderate Bewegung: Aktivierung beider Hirnhälften für Entspannung Übung zur A ektregulation: 5-4-3-2-1-Übung: ◦ Fokussierung auf 5 Dinge sehen, hören, spüren (nicht beunruhigend) ◦ Reduzierung auf 4, 3, 2, 1 → Zielt auf Zentrierung und Selbstberuhigung ab ff ff ◦ Praktikabilität: Kann überall durchgeführt werden (z. B. in der Straßenbahn) Übung zur Genussfähigkeit: Erbsen/Murmeln/Perlen in der Tasche: ◦ 10 kleine runde Gegenstände in der Tasche ◦ Jeden Genussmoment im Tagesverlauf mit einer Kugel in die andere Tasche stecken ◦ Abends zählen und sich an die Genussmomente erinnern → Steigert das Bewusstsein für positive Erlebnisse Übung zur Selbstannahme: Imaginationsübungen (z. B. sicherer Ort oder Garten) ◦ Helfen dabei, sich von belastenden Momenten zu distanzieren und zu stabilisieren ◦ Auch für Klient:innen vor Traumakonfrontationen nützlich Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens: ◦ Bewusstsein für eigene Kompetenzen und Verantwortung für das eigene Leben ◦ Ressourcenkarten: Darstellung eigener Fähigkeiten und Kompetenzen, um realistische Ziele zu setzen und Prioritäten zu setzen Bedeutung für den Arbeitskontext: ◦ Diese Übungen tragen zur Stabilisierung und Schutz vor Sekundärtraumatisierung bei ◦ Ebenso wichtig für die Zusammenarbeit im Kolleg:innenkreis und supervisorische Begleitung