Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I PDF
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Julia Icking, Manuela Michel
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This document provides a foundational overview of nutritional science. It covers a wide range of topics including reliable nutritional recommendations, nutrients and reference values, energy, proteins, fats, carbohydrates, minerals, vitamins, and alternative dietary approaches. The document also discusses specific contexts like pregnancy, breastfeeding, and sports nutrition.
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Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I Julia Icking Diplom Oecotrophologin Manuela Michel Diplom Oecotrophologin Inhaltsverzeichnis 1. Ernährungswissen 1 1.1 Verlässliche...
Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I Julia Icking Diplom Oecotrophologin Manuela Michel Diplom Oecotrophologin Inhaltsverzeichnis 1. Ernährungswissen 1 1.1 Verlässliche Ernährungsempfehlungen 2 1.1.1 Versorgung mit Nährstoffen 2 1.1.2 Ernährung und Krankheiten 3 1.2 Checkliste Ernährungsinformationen 5 1.3 Quellen für seriöse Ernährungs- und Gesundheitsinformationen 6 2. Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 10 2.1 Übersicht Nährstoffe 10 2.2 D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 12 2.3 Handhabung der Referenzwert: Bedarf vs. Empfehlung 14 3. Energie 16 3.1 Energiebedarf 16 3.2 Beurteilung des Körpergewichts 19 3.2.1 Broca-Formel 19 3.2.2 Body Mass Index 19 4. Protein 21 4.1 Aufbau der Proteine 21 4.2 Funktion von Proteinen 23 4.3 Verdauung und Absorption der Proteine 24 4.4 Energiegewinnung aus Proteinen 26 4.5 Protein-Turnover 27 4.6 Biologische Wertigkeit 27 4.7 Einflussfaktoren auf die Aminosäureverfügbarkeit 29 4.8 Proteinbedarf, Zufuhrempfehlung und Proteinversorgung 30 4.9 Proteinreiche Lebensmittel 32 4.10 Amine 35 4.11 Allergene 35 4.12 Antinutritive Faktoren 36 DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I Inhaltsverzeichnis 5. Fette 37 5.1 Aufbau und Funktion der Fette 37 5.2 Fettsäuren 38 5.2.1 Gesättigte Fettsäuren 38 5.2.2 Ungesättigte Fettsäuren 38 5.2.3 Kurz-, Mittel- und Langkettige Fettsäuren 40 5.2.4 Transfettsäuren 40 5.2.5 Fettsäuremuster 40 5.2.6 Fettsäurebalance 41 5.3 Verdauung und Absorption von Fett 43 5.4 Empfohlen Fettzufuhr 46 5.5 Sterine 47 6. Kohlenhydrate 50 6.1 Aufbau der Kohlenhydrate 50 6.1.1 Monosaccharide 52 6.1.2 Disaccharide 52 6.1.3 Oligosaccharide 52 6.1.4 Polysaccharide 53 6.2 Verdauung und Stoffwechsel der Kohlenhydrate 54 6.3 Regulation des Blutzuckerspiegels 59 6.4 Glykämischer Index 61 6.5 Zufuhrempfehlung 63 6.6 Kohlenhydrathaltige Lebensmittel 64 7. Ballaststoffe 67 7.1 Art und Einteilung der Ballaststoffe 67 7.2 Funktion der Ballaststoffe 67 7.3 Zufuhrempfehlungen 69 7.4 Ballaststoffreiche Lebensmittel 70 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Inhaltsverzeichnis 8. Mineralstoffe und Vitamine 72 8.1 Mineralstoffe 72 8.1.1 Mengenelemente 73 8.1.2 Spurenelemente 75 8.1.3 Versorgung 78 8.2 Vitamine 79 8.2.1 Fettlösliche Vitamine 79 8.2.2 Wasserlösliche Vitamine 81 8.2.3 Vitamin-Versorgung 83 8.2.4 Vitaminmangel und Überdosierung 84 8.3 Zubereitung 86 9. Sekundäre Pflanzenstoffe und Alkaloide 88 9.1 Sekundäre Pflanzenstoffe 88 9.1.1 Substanzklassen 88 9.1.2 Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen 92 9.1.3 Risiko durch isolierte sekundäre Pflanzenstoffe 92 9.2 Alkaloide 93 9.2.1 Koffein 93 9.2.2 Theobromin 93 9.2.3 Theophyllin 93 9.2.4 Solanin 94 10. Wasser und Getränke 95 10.1 Funktionen 95 10.2 Wassermangel 97 10.3 Richtwerte für die Wasserzufuhr 97 10.4 Wasserhaushalt und Wasserbilanz 98 10.5 Regulation des Wasserhaushalts 99 10.6 Getränke 100 10.6.1 Trink-, Mineral-, Quell-, Tafel- und Heilwässer 100 10.6.2 Fruchtsaft und Fruchtsaftgetränke 102 10.6.3 Gemüsesäfte 102 10.6.4 Alkohol 102 DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I Inhaltsverzeichnis 11. Lebensmittelzusatzstoffe 106 11.1 Gruppen von Zusatzstoffen 107 11.2 Toxikologische Untersuchung und Zulassung 111 11.3 Gesundheitliche Risiken und Akzeptanz 112 11.4 Kennzeichnung 112 12. Die Vollwertige-Ernährung nach den Empfehlungen der DGE 114 12.1 Die 10 Regeln der DGE 114 12.2 Der DGE-Ernährungskreis 116 12.3 Die Dreidimensionale DGE-Lebensmittelpyramide 118 13. Energie- und Nährstoffbedarf in speziellen Lebenssituationen 119 13.1 Schwangerschaft 119 13.1.1 Riskante Lebensmittel in der Schwangerschaft 122 13.1.2 Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) 123 13.2 Stillzeit 123 13.3 Die Ernährung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen 124 13.3.1 Säugling 124 13.3.2 Klein- und Schulkinder 125 13.3.3 Jugendliche 126 13.3.4 Optimierte Mischkost 127 13.3.5 Qualitätsstandards für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen 128 13.4 Senioren 128 13.5 Sportler 131 14. Alternative Ernährungsformen 138 14.1 Vegetarismus und Veganismus 138 14.1.1 Gründe und Motivation für eine vegetarische Ernährung 139 14.1.2 Gesundheitliche Auswirkungen 140 14.1.3 Umsetzung einer ovo-lacto-vegetarischen Kost 141 14.1.4 Kritische Nährstoffe 144 14.2 Vollwertkost – Vollwert-Ernährung 147 14.3 Trends 148 14.3.1 Biologische Lebensmittel 148 14.3.2 SLOW FOOD® 151 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Inhaltsverzeichnis 15. Außer Haus Verpflegung 153 15.1 Gemeinschaftsverpflegung 153 15.2 Fast-Food 154 Abkürzungsverzeichnis 156 Abbildungsverzeichnis 157 Literaturverzeichnis 160 Stichwortverzeichnis 162 HINWEIS Um die Lesbarkeit des Textes zu erhalten, wurde auf das Nebeneinander weiblicher und männlicher Personen- und Berufsbezeichnungen verzichtet. Dafür bitten wir alle Leserinnen und Leser um Verständnis. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I Inhaltsverzeichnis Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Ernährungswissen 1 1. ERNÄHRUNGSWISSEN IHRE LERNZIELE In diesem Kapitel vermitteln wir Ihnen Kenntnisse zu folgenden Themen: Wer für die offiziellen Ernährungsempfehlungen in Deutschland ver- antwortlich ist Wie Sie gefundene Ernährungsempfehlungen selbst überprüfen kön- nen Wo Sie seriöse Empfehlungen finden können Freunde, Bücher, Zeitschriften, Fernsehsendungen, Instagram, Facebook, YouTube und natürlich der Rest des Internets wissen über Ernährung Bescheid. Überall finden sich Trends, Empfehlungen, Rezepte oder sogar eindringliche Warnungen. Auch eine ganze Reihe von echten oder vermeintlichen „Experten“ präsentieren ihre eigenen Ernährungsweisheiten anhand von Studien oder eigener Praxiserfahrung. Häufig werden auch von der anerkannten und seriösen Presse Ergebnisse einzelner Studien als „neue Erkenntnisse“ der Ernährungswissenschaft dargestellt. Ernährungsemp- fehlungen basieren allerdings nicht auf einzelnen Studien, sie sind auch selten „revo- lutionär“ oder bestätigen langvermutete Geheimnisse. P RAXISFALL Frank ist 45 Jahre alt, 1,75 m groß und wiegt 70 kg. Manchmal treibt er Sport, meistens geht er aber seinem Schreibtischjob nach. Seitdem seine Freundin Karen schwanger ist, interessiert er sich mehr und mehr für das Thema Ernährung und Gesundheit. Er möchte herausfinden wie man sich richtig ernährt und ob sein Gewicht zu seiner Größe passt. Er beginnt seine Suche natürlich im Internet, gibt es aber schnell auf, weil er so viele unter- schiedliche Informationen findet. Franks Freundin hat eine Idee, sie ruft Ihre Freundin Samantha an, die ist Ernährungswissenschaftlerin und kann Frank sicher weiterhelfen. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 1 1 Ernährungswissen 1.1 VERLÄSSLICHE ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN Deutsche Verantwortlich für Ernährungsempfehlungen ist in Deutschland die Deutsche Ge- Gesellschaft für sellschaft für Ernährung e. V. (DGE), im Auftrag des Bundesministeriums für Er- Ernährung e. V. nährung und Landwirtschaft (BMEL). Die DGE arbeitet unabhängig von Politik und (DGE) Wirtschaft und fasst die relevanten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Ernäh- rungswissenschaft zusammen, bewertet sie systematisch und leitet daraus Empfeh- lungen ab. Die DGE hat zwei zentrale Aufgabenbereiche: Auswertung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse Fachlich fundierte, unabhängige Ernährungsaufklärung, -bildung und -beratung Sie verknüpft damit Wissenschaft und Praxis und formuliert dazu zwei Devisen: Der Wissenschaft verpflichtet Ihr Partner für Essen und Trinken 1.1.1 VERSORGUNG MIT NÄHRSTOFFEN Auf der Seite der wissenschaftlichen Auswertung und Veröffentlichung erarbeitet die DGE u.a. die „D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“ gemeinsam mit den Ernährungsfachgesellschaften der Schweiz (SGE e. V.) und Österreich (ÖGE e. V.). Diese benennen die notwendige Zufuhr von Energie, Wasser, Fett, Kohlen- hydraten, Protein (Eiweiß), Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen sowie eine Höchstmenge für Alkohol und Salz. Mit Einhaltung der Referenzwerte werden die lebenswichtigen physischen und psychischen Funktionen des Körpers sichergestellt, Mangelkrankheiten verhütet, eine Überversorgung verhindert, Körperreserven für Phasen mit gesteigertem Bedarf (z. B. Schwangerschaft) gebildet und – falls möglich – chronischen ernährungsmitbedingten Krankheiten (z. B. Diabetes mellitus) vor- gebeugt. Referenzwerte Die Referenzwerte werden für verschiedene Altersgruppen und zum Teil auch unter- gelten für Gesunde schieden nach Männern und Frauen angegeben. Sie gelten nur für Gesunde, eignen sich also nicht für die Versorgung von Kranken oder Personen mit einem Nährstoff- mangel. Sie gelten auch nicht für Menschen mit regelmäßiger Medikamenteneinnah- me oder chronisch erhöhtem Alkoholkonsum. I NFOBOX Zu finden sind die Referenzwerte auf der Internetseite der DGE: www Ș www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte Die in den D-A-CH Referenzwerten ermittelten Zahlen gehören nicht an den Kü- SB chentisch und müssen nicht von jedem einzelnen exakt eingehalten werden. Sie ler- nen sie weiter unten genauer kennen. 2 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Ernährungswissen 1 1.1.2 ERNÄHRUNG UND KRANKHEITEN Neben den Referenzwerten, die verraten, welche Nährstoffe in welchen Mengen not- wendig sind, untersucht die Wissenschaft auch die Wirkung von Essen und Trinken auf die Entstehung bzw. das Ausbleiben von Krankheiten. Viele Ernährungsaussagen, die in Presse und im Internet auftauchen, basieren auf einzelnen Studien. Für Fachgesellschaften reichen eine oder auch einige wenige Stu- dien nicht aus, um eine Empfehlung für die gesamte Bevölkerung zu treffen. Die Fachgesellschaften ermitteln zunächst die sogenannte „wissenschaftliche Evi- denz“, also die Beweiskraft einer Aussage. Dazu sind viele Studien von einer be- stimmten wissenschaftlichen Qualität notwendig. Erst wenn eine große Zahl von Studien mit einer hohen Qualität eine bestimmte Aussage unterstützt, wird sie von den Fachgesellschaften auch als Ernährungsempfehlung übernommen. Da dies ein langwieriger und auch anspruchsvoller Weg ist, dauert es auch etwas, bis Ernäh- rungsempfehlungen geändert werden. Tatsächlich ändern sich die Empfehlungen im Großen und Ganzen sehr selten, auch wenn das häufig anders wahrgenommen wird. Im Vergleich aller Ernährungsempfehlungen weltweit fällt auf, dass diese sich sehr ähneln und tendenziell seit Jahren Bestand haben. Hier in Deutschland gibt es zwei von der DGE erarbeitete Leitlinien, eine zu den Leitlinien zu Kohlenhydraten und eine zu Fett. Die Leitlinien fasen die gesamte Studienlage zu- Kohlenhydraten sammen und informiert über die Ergebnisse und die Qualität der Studienergebnisse und Fett zu einer bestimmten Fragestellung. Die Schlüsselfrage der Kohlenhydratleitlinie war folgende: „Welche Bedeutung hat die Kohlenhydratzufuhr in der Ernährung des Menschen für die Erhaltung der Ge- sundheit und die Entstehung von Krankheiten?“ Heraus kam dabei eine Ableitung von gesicherten Ernährungsempfehlungen zur Primärprävention (Verhinderung) chronischer ernährungsmitbedingter Krankheiten in der Bevölkerung. Die Erkenntnisse aus Studien bekommen in einer Leitlinie jeweils eine „Note“ (Evi- Evidenz denz = Beweiskraft): unzureichend, möglich, wahrscheinlich oder überzeugend. Be- zogen wird diese „Benotung“ immer auf eine risikoerhöhende oder risikosenkende Wirkung bzw. ob kein Zusammenhang besteht. Das ist wichtig zu wissen: Seriöse Wissenschaft spricht nie davon, dass Lebensmittel eine bestimmte Krankheit ver- ursachen sie spricht immer nur von einer Risikosteigerung (oder -senkung). Das be- deutet: Auch wenn ich mich nur von Schokolade ernähre, bedeutet das nicht, dass ich Diabetiker werde – Aber: Mit jeder Tafel Schokolade steigt das Risiko zuzunehmen und an Diabetes zu erkranken! DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 3 1 Ernährungswissen I NFOBOX Ein exemplarisches Beispiel: Die Leitlinie zeigt, dass die Gesamtkohlenhydratzufuhr (also Zucker und Stärke) „wahrscheinlich“ nicht mit Adipositas (Fettleibigkeit) verbunden ist und „überzeugend“ kein Diabetes mellitus Typ 2 verursacht. Demgegenüber stellt die Leitlinie auch fest, dass zuckergesüßte Getränke „wahrscheinlich“ das Risiko für Adipositas (Erwachsene) und Diabetes mellitus Typ 2 und „möglich“ auch das Risiko für das metabloische Syn- drom erhöhen. Diese wissenschaftliche Erkenntnis steht nun im erheblichen Gegensatz zu der weit verbreiteten Aussage, Kohlenhydrate machen (alle) dick und dürfen (vor allem abends) nicht gegessen werden. Und Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) kommt von zu viel süßem Essen. Sie stellt viel mehr klar, dass es auf die Art der Kohlenhydrate ankommt und in welcher Form sie verzehrt werden. Sie lernen alle diese Erkrankungen auch noch in den Studienbriefen Krank- SB heitslehre und Diätetik besser kennen. Vertrauenswürdige Informationen stammen nicht aus einzelnen Studien, sondern aus vielen Studien. Fachgesellschaften wie die DGE (aber auch viele andere, meist medizinische Fachgesellschaften) beschäftigen eine Reihe von Mitarbeitern und Fachgremien, die die Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien zusammenfassen, bewerten, Empfehlungen ableiten und in Form von Leitlinien im Internet veröffent- lichen. Zur besseren Verständlichkeit gibt es gerade im medizinischen Bereich, auch viele extra für Patienten formulierte Leitlinien. I NFOBOX Die Leitlinien zur Wirkung von Ernährung auf Gesundheit und Krankheit finden Sie bei der DGE: www Ș www.dge.de/wissenschaft/leitlinien Medizinische Leitlinien, die je nach Krankheit auch Empfehlungen zur Er- nährung geben, finden Sie bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaft- lichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) www Ș www.awmf.org Wie die DGE auf Basis dieser wissenschaftlichen Daten die Empfehlungen für die SB vollwertige Ernährung ableitet, lesen Sie weiter unten. 4 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Ernährungswissen 1 1.2 CHECKLISTE ERNÄHRUNGSINFORMATIONEN Leitlinien zu lesen ist ein Weg, um an seriöse wissenschaftliche Empfehlungen heran zu kommen. Aber auch ein sehr anspruchsvoller. Es stellt sich also die Frage, wel- chen Quellen außerdem vertraut werden kann, vor allem bei der heute üblichen und schnellen Recherche im Internet. Ein Hinweis bietet die Internetseite auf den ersten Blick. Sind Bilder und Überschrif- Internet ten besonders reißerisch gestaltet, locken mit sensationellen Erkenntnissen oder drohen mit üblen Risiken, ist dies schon mal ein Grund misstrauisch zu sein. Sol- che Methoden finden sich auch in sogenannten „Clickbait“-Anzeigen (zu Deutsch: „Klickköder“). Diese locken gerne mal mit Titel wie: „Diese 5 Lebensmittel dürfen Sie auf keinen Fall essen, wenn Sie alt werden möchten!“ oder „Mit diesem einfachen Trick habe ich in 3 Monaten 60 kg abgenommen!“ Internetseiten mit solchen und ähnlichen Überschriften und Anzeigen wollen damit lediglich Werbeeinnahmen ge- nerieren und sind somit keine seröse Informationsquelle. Bewertungen von einzelnen Lebensmitteln sind auch häufig einseitig und verspre- chen entweder Wunder („Kokosöl schützt vor Alzheimer!“) oder verteufeln sie („Milch verschleimt Ihren Körper!“). Seriöse Informationen beleuchten Vor- und Nachteile eines Lebensmittels und ordnen diese ein. Der nächste Check gilt dem Anbieter der Information – wer ist das, kann sie oder er sich mit Ernährung auskennen. Gibt es Referenzen, Kontakt zu Fachgesellschaf- ten und nennt derjenige Quellen. Wobei – das berufen auf eine Studie allein, reicht nicht für eine seriöse Empfehlung aus (s. o.). Misstrauisch sollte man auch sein, wenn im Zusammenhang mit der Veröffentlichung Produkte angeboten oder beworben werden. Beispielsweise Ausführungen über die Funktion eines Nährstoffs oder einer Ernährungsweise inkl. Verkauf eines Nahrungsergänzungsmittel, dass praktischer- weise genau zu dieser Theorie passt. In der Ernährungswissenschaft wird nicht jeden Tag das Rad neu erfunden. Dennoch hilft ein Blick auf den Zeitpunkt einer Veröffentlichung und ein kurzer Vergleich, ob bei anderen Informationen ein jüngeres Datum zu finden ist. Am Ende sollten auch das Bauchgefühl und der gesunde Menschenverstand helfen. Ist es logisch, dass ein bestimmtes Lebensmittel, das von vielen Menschen täglich verzehrt wird, tatsächlich erhebliche Gesundheitsproblem verursacht? Kann ein be- stimmtes Lebensmittel wirklich vor einer bestimmten Krankheit schützen? Kann es sein, dass Herr/Frau Sowieso die rettende Antwort auf alle Ernährungsfragen gefun- den hat, die noch keine wissenschaftliche Fachgesellschaft erkannt hat? DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 5 1 Ernährungswissen 1.3 QUELLEN FÜR SERIÖSE ERNÄHRUNGS- UND GE- SUNDHEITSINFORMATIONEN Alle hier folgende Internetadressen wurden im Januar 2022 aufgerufen. ERNÄHRUNGSINFORMATIONEN Fachgesellschaften Fachliche und gut belegte Informationen zum Thema Ernährung finden Sie bei den entsprechenden Fachgesellschaften: Ș Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): www.dge.de Ș Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): www.bzfe.de Ș Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): www.bmel.de Ș Max-Rubner-Institut (MRI): www.mri.bund.de Ș Deutsches Ernährungsberatungs- und Informationsnetz (DEBInet): www.ernaehrung.de Falls Sie sich intensiver mit Ernährung und Ernährungsforschung befassen, bietet die Ernährungsumschau als Fachorgan der DGE immer aktuelle und wissenschaftlich fundierte Informationen: Ș www.ernaehrungs-umschau.de. I NFOBOX Max-Rubner-Institut Das Max Rubner-Institut (MRI), Bundesforschungsinstitut für Ernäh- rung und Lebensmittel ist eine Bundesoberbehörde der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Forschungsschwerpunkt ist der gesundheitliche Verbraucherschutz im Be- reich Ernährung. LEBENSMITTEL Lebensmittel- Geht es um Belastungen von Lebensmittel durch Schadstoffe, Keime, Lebensmittel- skandale skandale oder besteht der Verdacht, dass Inhaltstoffe schädlich sein könnten, finden Sie sachlich wie fachlich aufbereitete Informationen sowohl auf den Internetseiten des Bundesamts für Risikobewertung (BfR) als auch auf den Seiten des Robert-Koch-Insti- tuts (RKI). Europaweit ist die European Food Saftey Authority (EFSA) verantwortlich – hier finden Sie auch Informationen auf Deutsch. 6 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Ernährungswissen 1 I NFOBOX EHEC aus ägyptischen Bockshornklee-Samen Im Mai 2011, mitten im strahlenden Frühling, rät das Robert-Koch-Ins- titut und das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) vom Verzehr roher Tomaten, Gurken und Salate ab. Grund ist eine Epidemie von EHEC- Erkrankungen, die sich vor allem in Norddeutschland mit rasender Ge- schwindigkeit ausbreitet. Es vergehen einige Tage bis klar wird, dass der Krankheitserreger aus zwei Bakterienstämmen hervorgegangen ist. Zwi- schenzeitlich wird der Verdacht auf spanische Gurken gelenkt, die mit einem EHEC-Erreger verseucht sind. Diese sind jedoch nicht die gesuchte Quelle der Erkrankungswelle. Letztendlich kann die Ursache der Erkran- kung mit größter Wahrscheinlichkeit auf einen Hof in Niedersachsen zu- rückgeführt werden, auf dem Bockhornklee-Samen aus Ägypten zu Spros- sen gezogen werden. Der spanische Gurkenproduzent verklagte die Stadt Hamburg wegen ihrer Warnung vor spanischen Gurken auf 2,3 Millionen Euro Schadensersatz. Auf die Frage, wie man richtig auf einen Lebensmittelskandal reagiert, gibt es wahr- scheinlich keine eindeutige Antwort. Hilfreich ist es, Bescheid zu wissen und eventu- ell Informationen an die Patienten herauszugeben. Die Warnungen von RKI und BfR sollten ernst genommen werden, allein schon deshalb, weil ein Koch in der Gemein- schaftsverpflegung die Verantwortung für viele Personen trägt. Je nachdem, welche Lebensmittel betroffen sind, kann es sinnvoll sein, die eigenen Bezugsquellen zu überprüfen und falls nötig zu ändern. Alle diese Schritte sind si- cherlich auch Teil einer „Guten Hygiene Praxis“ und einer „Guten Herstellungspra- xis“. Die Institute finden Sie hier: Ș Bundesamt für Risikobewertung: www.bfr.bund.de Ș Robert Koch Institut: www.rki.de Ș EFSA: www.efsa.europa.eu/de I NFOBOX Robert-Koch-Institut Das Robert-Koch-Institut (RKI) ist ein Bundesinstitut des Bundesministe- riums für Gesundheit. Es dient der Krankheitsüberwachung und -präven- tion sowie der biomedizinischen Forschung. Die Kernaufgaben des RKI sind die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von (Infektions-)Krank- heiten. Wissenschaftliche Untersuchungen, Entwicklung von Normen und Standards sowie die Information von Fachleuten und der Öffentlichkeit gehören genauso zu den Aufgaben des Instituts wie die Einrichtung eines Frühwarnsystems. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 7 1 Ernährungswissen Täuschungen Immer wieder informieren Verbraucherorganisationen über Täuschungen und Pflichtverletzungen der Lebensmittelkonzerne. Die Webseite www.lebensmittelklarheit.de ist eine öffentliche Informations- und Austauschplattform von den Verbraucherzentralen, auf der Verbraucher über Pro- dukte aufgeklärt werden, deren Aufmachung und Kennzeichnung täuschenden oder irreführenden Charakter besitzen. Verbraucher Als Reaktion auf den Dioxinskandal 2011 passte die Regierung in 2012 das Verbrau- informationsgesetz cherinformationsgesetz noch einmal an. Dieses Gesetz ermöglicht es Verbrauchern, konkrete Auskünfte zu bestimmten Produkten und Sachverhalten von den Behörden zu erhalten. Dies gilt nicht nur für den Gefahrenfall, sondern umfasst auch Auskünf- te bzgl. Kennzeichnung, Herkunft, Beschaffenheit und Herstellung der Erzeugnisse. Einfache Auskünfte sind inzwischen kostenfrei – je nach Verwaltungsaufwand muss jedoch ein Entgelt bezahlt werden. Jedweder Geheimnisschutz entfällt, wenn das öffentliche Interesse an der Herausga- be der Informationen überwiegt. Rezepturen und exklusives technisches oder kauf- männisches Wissen ist weiterhin geschützt. Neu in 2012 war auch, dass die amtlichen Kontrollergebnisse der Lebensmittelüber- wachung, die sich auf Grenzwerte, Höchstmengen und Höchstgehalte beziehen, herausgegeben werden müssen. Dies gilt unabhängig von einer Überschreitung der Grenzwerte. Überschreitungen von Grenzwerten müssen – nach entsprechender Ab- sicherung der Ergebnisse – veröffentlicht werden. Auch Verstöße gegen die Hygiene- vorschriften oder Täuschung werden veröffentlicht, wenn ein Bußgeld von mehr als 350 € zu erwarten ist. Das betroffene Unternehmen muss zuerst angehört werden, es sei denn, es ist Gefahr in Verzug. Jeder Verbraucher kann Anfragen bei den Behörden stellen. Zuständig ist immer die staatliche Stelle, die über die jeweiligen Informationen verfügt. Allgemeine An- fragen sind bis zu einem Verwaltungsaufwand von 250 € kostenlos. Anfragen über Abweichungen von gesetzlichen Vorgaben (Belastungen, Hygieneverstöße, Sicher- heitsmängel) sind bis zu einem Aufwand von 1.000 € kostenlos. Verbraucher- Mehr Informationen dazu bieten unter anderem die Verbraucherzentralen, die auch zentralen immer seriöse Quellen für Informationen sind: www.verbraucherzentrale.de KRANKHEITEN Als medizinischer Laie ist man häufig verloren im Sprach- und Verständnisdschun- gel der Mediziner. Wichtige Informationen zu Erkrankungen und Therapien, die Ihren Berufsalltag betreffen, finden Sie in den Studienbriefen „Krankheitsbilder im SB Überblick“ und „Diätetik“. Weitere Informationen zu Krankheiten und möglichen Therapien finden Sie hier: Ș Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de Ș Arbeitsgemeinschaft Leitlinien (AWMF): www.awmf.org 8 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Ernährungswissen 1 PRÜFEN SIE SICH SELBST 1.1. Wer ist in Deutschland für die offiziellen Ernährungsempfehlungen verantwortlich? 1.2. Kann ein Lebensmittel eine Krankheit verursachen oder heilen? Wenn nein, warum nicht? 1.3. Nennen Sie 3 Aspekte einer guten Internetseite, die über Ernäh- rungs- bzw. Gesundheitsthemen berichtet! DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 9 2 Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 2. NÄHRSTOFFE UND DIE D-A-CH REFERENZ- WERTE FÜR DIE NÄHRSTOFFZUFUHR IHRE LERNZIELE In diesem Kapitel vermitteln wir Ihnen Kenntnisse zu folgenden Themen: Übersicht zu den verschiedenen Nährstoffgruppen D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr Bedeutung, Anwendung und Erstellung der D-A-CH Referenzwerte P RAXISFALL Frank hat nun verstanden wo Ernährungsempfehlungen herkommen und beginnt jetzt bei den Grundlagen: Welche Nährstoffe braucht der Körper? 2.1 ÜBERSICHT NÄHRSTOFFE Lebensmittel beinhalten – wie der Name schon sagt – lebensnotwendige „Mittel“: die Nährstoffe. Nährstoffe sind verschiedene Gruppen von Molekülen. Sie dienen als Energiequelle, beeinflussen Wachstum, Entwicklung und die Stoffwechselregulation. Sie unterteilen sich in: energieliefernde Nährstoffe (Makronährstoffe): Kohlenhydrate Ballaststoffe Proteine (Eiweiß) Fett (Alkohol) und nicht energieliefernde Nährstoffe (Mikronährstoffe): Vitamine Mineralstoffe (Mengen- und Spurenelemente) Wasser sekundäre Pflanzenstoffe 10 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 2 Die energieliefernden Nährstoffe sind teilweise gegeneinander austauschbar. Kohlen- Energieliefernde hydrate sind der Hauptenergielieferant. Wenn keine Kohlenhydrate gegessen wer- Nährstoffe den, verschiebt sich der Energiestoffwechsel Richtung Protein und Fett. Protein ist vorwiegend ein wichtiger „Baustoff “ und dient nicht der Energieversorgung. Protein und Fette sind zudem teilweise essenziell (lebensnotwendig – müssen über Lebens- mittel aufgenommen werden) und sind damit eigentlich zu „wertvoll“, um im Ener- giestoffwechsel verbrannt zu werden. Ballaststoffe liefern über einen Umweg nur ge- ringe Mengen Energie und spielen hier keine Rolle. Sie sind jedoch wichtig für die Darmfunktion und die Gesundheit allgemein. Für die energieliefernden Nährstoffe wird mit folgenden Brennwerten gerechnet: Brennwerte 1 g Kohlenhydrate: 4 kcal (17 kJ), 1 g Ballaststoffe: 2 kcal (8 kJ) 1 g Protein: 4 kcal (17 kJ), 1 g Fett: 9 kcal (37 kJ), 1 g Alkohol: 7 kcal (29 kJ) Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente haben bestimmte Funktionen und ein Vitamine, Mangel daran verursacht damit auch eine bestimmte Mangelerscheinung. Ein lang Mineralstoffe und anhaltender Vitamin-C-Mangel verursacht z. B. Skorbut. Mangelerscheinungen sind Spurenelemente allerdings nicht immer typisch für einen bestimmten Nährstoff. Zum Beispiel kön- nen Muskelkrämpfe durch Magnesium-, aber auch durch Calciummangel verursacht werden. Insgesamt führt ein Mangel an Nährstoffen zu vermindertem Wachstum, verminderter Leistungsfähigkeit und Entwicklung. Wasser ist der wichtigste Nährstoff für den Menschen, wir überleben nur wenige Wasser Tage ohne Wasserzufuhr. Hier sollte jeder auf eine ausreichende Versorgung achten. Häufig lassen sich Unwohlsein auf eine unausgewogene Flüssigkeitsbilanz zurück- führen. Sekundäre Pflanzenstoffe sind ebenfalls keine Energielieferanten und sie sind auch Sekundäre nicht essenziell. Dennoch fällt ihnen eine besondere Rolle bei der Gesunderhaltung Pflanzstoffe des Körpers und der Vorbeugung von Krankheiten zu. Es handelt sich um Duft-, Farb-, Aroma- und Schutzstoffe aus Pflanzen. Bekannte Vertreter sind die Flavonoide aus blauen, roten und grünen Früchten oder Carotinoide aus gelb, orange und roten Obst bzw. Gemüse. Sekundäre Pflanzenstoffe beugen unter anderem Krebs, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen und Entzündungen vor. Eine gute und ausreichende Nährstoffversorgung führt zu höherem Wachstum, Leis- tungsfähigkeit und einer Steigerung der Lebenserwartung. Individuelle Unterschiede (Gene) und äußere Faktoren (z. B. Lebensbedingungen) entscheiden über die jeweils notwendige Aufnahme der einzelnen Komponenten. Nicht jeder Mensch ist gleich und Menschen leben unter sehr unterschiedlichen Be- dingungen. Der Energiebedarf hängt vom Energieverbrauch ab (z. B. den Arbeits- bedingungen). Der Nährstoffbedarf für Wachstum und Entwicklung hängen unter anderem vom Geschlecht, Alter und dem Gesundheitsstatus ab. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 11 2 Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 2.2 D-A-CH REFERENZWERTE FÜR DIE NÄHRSTOFFZU- FUHR P RAXISFALL Frank und Kirsten fragen sich nach diesen ersten Informationen, wie sie das jetzt in ihrem Alltag umsetzten sollen und wie sie erfahren können, wie viel Nährstoffe sie benötigen. Samantha stellt Ihnen die wissenschaftliche Grundlage für Ernährungsempfehlungen vor: Die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Abbildung: D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr Quelle: https://www.dge.de D-A-CH Bei den D-A-CH Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr handelt es sich um ein Referenzwerte Standardwerk, das die Fachgesellschaften für Ernährung aus Deutschland (D), Ös- terreich (A) und der Schweiz (CH) herausgeben und regelmäßig aktualisieren. Sie benennen die Zufuhr von Energie und Nährstoffen sowie Wasser, Ballaststoffe und Alkohol. Damit sind sie die Basis für die praktische Umsetzung einer vollwertigen Ernährung. Gesundheit und Lebensqualität sollen durch eine optimale Versorgung mit allen Nährstoffen erhalten und gefördert werden. Im Jahr 2000 erschienen die Referenzwerte erstmals und werden seitdem kontinuier- lich aktualisiert. Sie haben Gültigkeit für die gesamte deutschsprachige Bevölkerung. Da für diesen Personenkreis ein ähnlicher genetischer Hintergrund vorliegt, ist es sinnvoll sie zusammenzufassen. 12 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 2 Zu jedem Nährstoff finden sich die Referenzwerte in tabellarischer Übersicht ge- staffelt nach Alter und – falls notwendig – nach Geschlecht und besondere Ernäh- rungssituation wie Schwangerschaft und Stillzeit. Anschließend finden sich ausführ- liche Hintergrundinformationen, Herleitungen sowie Erläuterungen zum jeweiligen Nährstoff. I NFOBOX Die tabellarische Übersicht zu den Nährstoffen findet sich auch auf der Internetseite der DGE: Ș www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte Außerdem finden sich hier zu neu überarbeiteten Nährstoffempfehlungen ausführliche FAQ’s. In den Referenzwerten werden die empfohlene Zufuhr bzw. Schätz- oder Richtwerte für alle Nährstoffe beschrieben. Empfehlungen werden immer dort ausgesprochen, wo eine ausreichende Datenmen- Empfehlungen ge zur Bestimmung und Festlegung der wünschenswerten Zufuhr vorliegen. Schätzwerte werden immer dort festgeschrieben, wo der Bedarf des Menschen noch Schätzwerte nicht mit ausreichender Genauigkeit erfasst wurde. Die Werte sind meist experimen- tell gestützt und aus dem Verzehr gesunder, adäquat ernährter Personengruppen ab- geleitet. In einigen Fällen werden Mengenbereiche angegeben. Richtwerte dienen als Orientierungshilfen in Form von Bereichsangaben. Sie werden Richtwerte verwendet, wenn ein scharfer Grenzwert gesundheitlich nicht sinnvoll ist oder kein Bedarf ermittelt werden kann. Für Wasser, Fluorid, Kohlenhydrate und Ballaststof- fe wird so eine wünschenswerte Mindestzufuhr geregelt. Für Fett, Cholesterin und Alkohol wird eine Begrenzung nach oben gegeben. Auch die Energie wird als Richt- wert angegeben, da die Werte von vielen Einflussfaktoren abhängen (z. B. Lebensstil, Beruf, etc.). Die Empfehlungen, Richt- und Schätzwerte der jeweils aktuellen Ausgabe beruhen auf dem aktuellen Forschungsstand und der Auswertung der vorhandenen Daten. Da die Forschung stets weiter geht und immer neue Methoden auch neue Erkenntnisse bringen, kann eine Ausgabe der Referenzwerte immer nur eine Momentaufnahme sein. Die Nährstoffempfehlungen werden von der DGE regelmäßig überarbeitet und veröffentlicht. Die Werte und Angaben sind so gestaltet, dass alle lebensnotwendigen metabolischen (den Stoffwechsel betreffenden), physischen (körperlichen) und psychischen (geisti- gen) Funktionen aufrechterhalten werden sollen. Mangelkrankheiten und Überver- sorgung (z. B. bei Fett und Alkohol) sollen verhindert werden. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 13 2 Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr Wichtig zu wissen ist, dass die Referenzwerte sich NICHT auf die Versorgung Kran- ker und Rekonvaleszenter beziehen. Ebenso sind sie NICHT ausreichend, um leere Speicher zu füllen bzw. Personen mit Verdauungs- und Stoffwechselstörungen zu versorgen. I NFOBOX Jod Eine Ausnahme, was die Füllung leerer Speicher betrifft, bildet Jod. Hier sind die Angaben so bemessen, dass auch die Speicher (wieder) gefüllt werden können, da fast alle deutschsprachigen Räume als Mangelgebiete gelten bzw. galten. Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Thema finden Sie im Kapitel „Mineralstoffe“ in diesem Studienbrief. SB 2.3 HANDHABUNG DER REFERENZWERT: BEDARF VS. EMPFEHLUNG Genauso wenig, wie es DEN Menschen, DEN Mann oder DIE Frau gibt, gibt es nicht DEN Energiebedarf oder DEN Nährstoffbedarf. Es muss nach Alter und Geschlecht und ggf. der Arbeitsschwere unterschieden werden. Dazu kommt eine enorme indi- viduelle Schwankungsbreite. D EFINITION Bedarf „Der Bedarf ist die Menge eines Nährstoffs bzw. die Menge an Energie, die gebraucht wird, um die Funktion des (jeweiligen) Organismus aufrechtzu- erhalten und die bereits die Bioverfügbarkeit berücksichtigt.“ (DGE, ÖGE, SGE (Hrsg.): Einführung, S. 2. In: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn. 2. Auflage. 5. aktualisierte Ausgabe 2019) Der durchschnittliche Bedarf ist die Basis für die Festlegung der Empfehlungen, Schätzwerte und Richtwerte. Dem durchschnittlichen Bedarf wird ein Sicherheits- faktor hinzugerechnet. Damit ergibt sich eine Mengenangabe, mit der nahezu alle Personen einer Bevölkerungsgruppe ihren Bedarf decken können. Diese empfohlene Zufuhr (bzw. Schätzwert oder Richtwert) ist also nicht identisch mit dem Bedarf des einzelnen Menschen! M ERKE Eine Zufuhr in Höhe der Empfehlungen macht eine Unterversorgung un- wahrscheinlich, umgekehrt folgt aus einer geringeren Versorgung nicht zwingend ein Mangel. 14 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Nährstoffe und die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 2 Die Versorgung eines Einzelnen kann nicht auf Basis des Vergleichs ermittelter Nährstoffzufuhr mit den Referenzwerten erfolgen. Zur Beurteilung der Versorgung müssen zusätzlich klinische Untersuchungen herangezogen werden. Für die Speiseplanung bedeutet dies, dass die Referenzwerte für Einzelpersonen nur Orientierungshilfe als angenäherte Daten gesehen werden können. Sie dienen in der Beratung nur als Orientierungshilfe. Die Angaben der Referenzwerte müssen nicht täglich erfüllt werden. Eine Bedarfs- Wochenschnitt deckung im Wochenschnitt ist ausreichend. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch der Hinweise, dass es bei vielen Nährstoffen wenig sinnvoll ist, den gesamten Wochenbedarf auf einmal, z. B. mit Hilfe eines angereicherten Lebensmittels, zu de- cken. Viele Nährstoffe können bei hoher Dosierung trotzdem nur in geringem Maße aufgenommen (absorbiert) werden. Weitere Informationen zum Thema „Anreiche- rung“ erhalten Sie weiter unten in diesem Studienbrief. SB M ERKE „Ein „überscharfes“ Rechnen mit den Referenzwerten sollte vermieden werden. … Die Einflüsse von Lebensmittelkombinationen, Mahlzeiten, Genussmittel und Arzneimitteln auf die Aufnahme (Absorption) und den Stoffwechsel bestimmter Nährstoffe können größer sein als die Unterschie- de zwischen … Gruppen.“ (DGE, ÖGE, SGE (Hrsg.): Einführung, S. 4 f. In: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn. 2. Auflage. 5. aktualisierte Ausgabe 2019) Insgesamt ist die Erfüllung der Empfehlungen kein Rechenexempel, sondern eher als Anleitung zu verstehen. Wichtig ist es auch, Einflussfaktoren wie andere Lebens- mittel, Rauchen, Alkohol und Medikamente bei der Bedarfsermittlung im Auge zu behalten. PRÜFEN SIE SICH SELBST 2.1. Recherchieren Sie wie die optimale Nährstoffversorgung eines 30 Jahre alten Mannes nach den D-A-CH-Referenzwerten aussehen muss. 2.2. Ermitteln Sie die Nährstoffe eines Brötchens aus Weißmehl und eines aus Vollkornmehl. 2.3. Vergleichen Sie die ermittelten Nährstoffe mit den jeweiligen Refe- renzwerten für einen 25-jährigen Mann und eine 70-jährige Frau. Wie viel Prozent werden durch die Brötchen jeweils gedeckt? DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 15 3 Energie 3. ENERGIE IHRE LERNZIELE In diesem Kapitel vermitteln wir Ihnen Kenntnisse zu folgenden Themen: Zusammensetzung des Energiebedarfs eines Menschen Möglichkeiten zur Beurteilung des Körpergewichts 3.1 ENERGIEBEDARF Unser Körper braucht ständig Energie, egal ob er aktiv ist oder ruht. Atmung, Herz- schlag und konstante Körpertemperatur sind nur die grundlegendsten Funktio- nen, die stets aufrechterhalten werden müssen. Um dies zu gewährleisten, hat jeder Mensch einen bestimmten Energiebedarf, der mit Hilfe verschiedener Größen er- fasst werden kann. D EFINITION Energiebedarf Energiebedarf Als Energiebedarf wird die Energiemenge bezeichnet, die mit der Nahrung aufgenommen werden muss, um den Energieverbrauch des Körpers aus- zugleichen. Voraussetzung ist, dass das angemessene Körpergewicht und die Gesundheit erhalten werden. Gesamtenergie- Der Gesamtenergiebedarf setzt sich aus Grundumsatz (GU) und Arbeitsumsatz zu- bedarf sammen. Grundumsatz Grundumsatz (auch als Ruheumsatz bezeichnet) ist die Energiemenge, die im Ru- hezustand benötigt wird, um alle Körperfunktionen wie beispielsweise Herzschlag, Atmung und Organfunktionen aufrechtzuerhalten. Einflussfaktoren sind der Anteil an Muskulatur, Körpergröße und -gewicht sowie Stoffwechselsituation. Auch Ge- schlecht und Alter sowie Krankheit beeinflussen den GU. Allein in Ruhe verbraucht Muskelmasse mehr Energie als Fett. Muskulöse Menschen haben somit einen hö- heren Grundumsatz als Menschen mit hohem Körperfettanteil. Da der weibliche Körper im Verhältnis zum männlichen einen höheren Fettanteil hat, haben Frauen im Schnitt einen um 10 % niedrigeren Grundumsatz als Männer. Ältere Menschen verlieren nach und nach Muskulatur, daher sinkt mit dem Alter der Grundumsatz. 16 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Energie 3 D EFINITION Eine einfache Faustformel gibt den durchschnittlichen Grundumsatz mit 1 kcal (4,18 kJ) pro kg Körpergewicht pro Stunde an. Dies ist jedoch eine sehr vereinfachte Berechnung, die in der Regel über dem tatsächlichen GU liegt. Interessant ist der Energiebedarf von Gehirn und Muskeln. So macht das Gehirn mit einem Anteil am Körpergewicht von 2 % einen Anteil am Grundumsatz von 25 % aus. Dagegen benötigt die Muskulatur mit einem Anteil am Körpergewicht von 40 bis 50 % nur einen Anteil von 18 % des Grundumsatzes. Arbeitsumsatz (Muskelarbeit) ist der Energiebedarf für körperliche Aktivitäten. Um Arbeitsumsatz diesen in einer Berechnung zu erfassen, wird der tägliche Energiebedarf als Viel- faches des GU angegeben. Ein Vorteil dabei ist, dass der GU bereits Faktoren wie Alter, Geschlecht und körperliche Verfassung miteinbezieht. Der verwendete Be- rechnungswert wird als PAL-Wert (physical activity level, Aktivitätswert) bezeichnet. Arbeitsschwere und Freizeitverhalten PAL Beispiele Ausschließlich sitzende oder liegende 1,2 Alte und gebrechliche Lebensweise Menschen Ausschließlich sitzende Tätigkeit mit 1,4–1,5 Büroangestellte, wenig oder keiner anstrengenden Frei- Feinmechaniker zeitaktivität Sitzende Tätigkeit, zeitweilig auch zu- 1,6–1,7 Laboranten, Kraftfahrer, sätzlicher Energieaufwand für gehende Studierende, Fließband- und stehende Tätigkeiten arbeiter Überwiegend gehende und stehende 1,8–1,9 Hausfrauen, Verkäufer, Arbeit Kellner, Mechaniker, Handwerker Körperlich anstrengende berufliche 2,0–2,4 Bauarbeiter, Landwirte, Arbeit Waldarbeiter, Bergarbeiter, Leistungssportler 2. Abbildung: Tabelle PAL-Werte Quelle: DGE, ÖGE, SGE. D-A-CH-Referenzwerte für die Nähr- stoffzufuhr 2. Auflage, 1. Ausgabe 2015, Kapitel Energie S. 5 Als Richtwert der Energiezufuhr für den gesunden, durchschnittlich aktiven Er- wachsenen kann ein PAL-Wert von 1,4 angenommen werden. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 17 3 Energie Durch körperliche Aktivität kann der PAL-Wert erhöht werden: Bei einer körperli- chen Anstrengung von 4- bis 5-mal pro Woche je 30 min bis 60 min kann täglich ein PAL-Wert von ca. 0,3 hinzugefügt werden. P RAXISFALL Für Frank lässt sich nun folgender Grundumsatz berechnen: Ș Grundumsatz = 70 kg x 1 kcal x 24 h = 1.680 kcal/Tag Daraus ergibt sich mit einem PAL von 1,4 folgender Energiebedarf: Ș Energiebedarf = 1.680 kcal x 1,4 = 2.352 kcal Wenn Frank ein intensives Lauftraining aufnimmt, kann er seinen Ener- giebedarf erhöhen: Ș Energiebedarf mit höherer Belastung = 1.680 kcal x (PAL) 1,7 = 2.865 kcal Schwankungsbreite So schematisch, wie hier gerechnet wird, ist die Wirklichkeit leider nicht. Tatsächlich ist die Schwankungsbreite des Energiebedarfs recht groß. Die oben angeführten Be- rechnungen stimmen am ehesten für Personen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Die angegebenen Werte gelten für normalgewichtige Personen mit „wünschenswer- ter“ körperlicher Aktivität. Um festzustellen, ob im Einzelfall eine bedarfsgerechte Zufuhr stattfindet, muss die betreffende Person regelmäßig gewogen werden. Thermogenese Eine Rolle im Energieverbrauch spielt auch die nahrungsbedingte Thermogenese. Dieser Begriff bezeichnet die Wärmeproduktion, die bei Transport und Speicherung der Nährstoffe entsteht. Die Prozesse verbrauchen bei durchschnittlicher Mischkost ca. 8 % bis 10 % der aufgenommenen Energie. Unter Berücksichtigung der nahrungsbedingten Thermogenese wird wie folgt ge- rechnet: F ORMEL Energiebedarf = Grundumsatz + Arbeitsumsatz + nahrungsbedingte Ther- mogenese 18 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Energie 3 3.2 BEURTEILUNG DES KÖRPERGEWICHTS Es gibt viele verschiedene Methoden, um das Normalgewicht zu bestimmen. Lange Zeit war die sogenannte Broca-Formel gängig, heute wird meist mit dem Body Mass Index (BMI) gerechnet. 3.2.1 BROCA-FORMEL Die Broca-Formel berechnet das Normalgewicht wie folgt: Ș Körpergröße in cm – 100 = Normalgewicht Für Frauen sollen zusätzlich 10 % abgezogen werden, um das Normalgewicht zu er- mitteln. Diese einfache Formel erlaubt nur eine grobe Einschätzung und gilt vor al- lem für Personen mittlerer Größe. 3.2.2 BODY MASS INDEX Heute wird zur Beurteilung des Gewichts meist der Body Mass Index (BMI) verwen- det. Dieser setzt die beiden Kenngrößen Körpergröße und Körpergewicht zueinan- der in Relation und ergibt eine übergeordnet vergleichbare Größe. Berechnet wird er wie folgt: Ș BMI = Körpergewicht in kg/ Körpergröße in m zum Quadrat (BMI = kg/m2) P RAXISFALL Frank berechnet also seinen BMI so: Ș 70 kg /1,75 m² = 22,9 kg/m2 Franks BMI beträgt 22,9 kg/m2 Grob gilt folgende BMI-Klassifizierung: Im Bereich von einem BMI von 18,5 kg/m2 bis 25 kg/m2 spricht man von Normal- gewicht. Ein BMI von 25 kg/m2 bis 30 kg/m2 gilt als Übergewicht. Über einem BMI von 30 kg/m2 spricht man von Adipositas. In großen Untersuchungen konnte man nachweisen, dass der BMI und der Anteil an Körperfett einen starken Zusammenhang zeigt. Damit ist er bei der Untersuchung von Gruppen ein gutes Maß für die Beurteilung des Körpergewichts. Individuell muss die Person angeschaut werden. Ein großgewachsener Bodybuilder kann eben- falls einen hohen BMI erreichen. Auch für alte Menschen sowie Kinder und Kran- ke kann der BMI nicht nach der unten stehenden Tabelle angewendet werden. Für Kinder gibt es spezielle Tabellen. Auch für Senioren gibt es einen altersabhängigen Ansatz für den BMI, in dem der Normalbereich mit zunehmendem Alter ansteigt. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 19 3 Energie Risiko für die Begleiterkrankungen BMI Kategorie des Übergewichts 1 ml/kcal). Der Wasserbedarf verändert sich mit dem Alter. So besteht ein hoher Bedarf bei Säuglingen (ca. 1,5 ml/kg) da diese viel Körperwasser, eine große Körperoberfläche und noch unreife Nieren haben. P RAXISFALL Frank rechnet nach. Seinen Energiebedarf hatte er mit rund 2.400 kcal be- rechnet. Daraus ergibt sich eine tägliche Flüssigkeitsmenge von gut 2.400 ml. Rund 900 ml stammen aus der Nahrung und den Stoffwechselvorgän- gen. Es bleibt eine Trinkmenge von ca. 1,5 L übrig. Ist das wirklich genug? Auch wenn man Sport treibt? Er forscht weiter. Der Flüssigkeitsbedarf ist abhängig von der verrichteten körperlichen Arbeit, den klimatischen Bedingungen und individuellen Schwankungen. Auch die Nahrungs- zusammensetzung spielt eine Rolle. So erfordert eine erhöhte Proteinzufuhr eine hö- here Wasserzufuhr, damit das Endprodukt des Proteinstoffwechsels, der Harnstoff, ausgeschieden werden kann. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 97 10 Wasser und Getränke Eine hohe Salzzufuhr erfordert ebenfalls größere Mengen Flüssigkeit, da die Aus- scheidung von Salz mit einer bestimmten Menge Urin begrenzt ist. I NFOBOX Trinken von Meerwasser 500 ml Salzwasser führen zu einer Ausscheidung von 800 ml Urin insge- samt, da zur Ausscheidung der Salze zusätzlich 300 ml Flüssigkeit benötigt werden. Für die Ausscheidung von harnpflichtigen Substanzen über die Niere wer- den täglich mindestens 640 ml bis 700 ml Wasser benötigt, da etwa 15 ml pro g gelöster Substanzen, wie z. B. Harnstoff und Natriumchlorid, not- wendig sind. Diäten, hoher Energieumsatz, Hitze oder trocken-kalte Luft führen ebenfalls zu einem erhöhten Bedarf. 10.4 WASSERHAUSHALT UND WASSERBILANZ Beim Erwachsenen werden täglich ca. 5 % bis 6 % des gesamten Körperwassers um- gesetzt, beim Säugling bis zu 20 %. Ein konstanter Wasseranteil am Körpergewicht ist das Ergebnis einer ausgeglichenen Wasserbilanz. D EFINITION Als Wasser- oder Flüssigkeitsbilanz wird die Differenz zwischen der Zu- fuhr durch Speisen, Getränke sowie aus Stoffwechselwasser und der Ab- gabe über Niere, Darm, Haut und Lunge bezeichnet. Also kurz gesagt die Differenz aus zugeführter und abgegebener Wassermenge. Durchfall, Erbrechen oder operative Eingriffe können die Verluste erhöhen und müssen entsprechend berücksichtigt werden. Flüssigkeitsverluste sind vor allem bei Kindern schnell gefährlich. Auch beim Sport erhöhen sich die Wasserverluste. In gemäßigtem Klima ist ein zu- sätzlicher Verlust von 1 L bis 1,5 L pro Stunde durch Sport anzunehmen. P RAXISFALL Frank plant einen Halbmarathon zu laufen. Momentan läuft er im Training ca. eine Stunde. Daher beschließt er stets einen halben Liter während des Laufens und zu Hause dann einen weiteren Liter zu trinken. 98 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Wasser und Getränke 10 Über das Schwitzen können sehr viele Elektrolyte ausgeschieden werden. Mehr als 4 L, sogar bis zu 10 L, Schweiß sind in Extremsituationen möglich. Nicht nur die Flüssigkeit, sondern auch die verlorenen Elektrolyte müssen ersetzt werden, damit die Körperfunktionen aufrechterhalten werden können. Mit dem Schweiß gehen Na- triumchlorid (schmeckt salzig) und andere Mineralstoffe (schmecken bitter) verlo- ren. Diese können leicht mit Mineralwässern, die reich an Kalium, Magnesium und Calcium sind, ausgeglichen werden. Zum Beispiel in Form von Apfelschorle. Teure Sportlerdrinks liefern hier keinen Vorteil. 10.5 REGULATION DES WASSERHAUSHALTS Grob wird der Wasserhaushalt über den Durst geregelt. Die Feinregulation überneh- men Haut, Lunge, Leber, Interstitium (Zwischenraum zwischen Organen, Geweben oder Zellen) und vor allem die Niere. Die Wasserausscheidung über die Niere ist beim Gesunden den Bedürfnissen des Organismus angepasst. Über die Ausschei- dung von mehr oder weniger Wasser durch die Nieren wird die vorhandene Menge dem Bedarf angepasst. Es wird angenommen, dass die Ausscheidung von Urin der täglichen Trinkmenge entspricht. (Details zur Funktion der Nieren finden Sie im Stu- SB dienbrief „Medizinische Grundlagen“). Da die Niere bis zu 1 L Flüssigkeit pro Stunde ausscheiden kann, können Erwachsene Max. ca. 10 Liter auch deutlich mehr trinken als empfohlen, ohne Schaden zu nehmen. Maximal kön- pro Tag nen ca. 10 L pro Tag verstoffwechselt werden. Eine Ausnahme besteht allerdings bei Patienten mit (starker) Herzinsuffizienz bzw. Störungen der Flüssigkeitsausscheidung, z. B. bestimmten Nierenschädigungen. Hier können eine Begrenzung der Flüssigkeitsmenge bzw. sogar eine Bilanzierung erforderlich sein. Die Aufnahme des getrunkenen Wassers geschieht zu 65 % im Dünndarm und zu 35 % im Dickdarm, größtenteils in Zusammenhang mit der Glucose- oder Natrium- chlorid-Absorption. Zwischen den Flüssigkeitsbereichen des Körpers finden ständig Austauschprozesse statt. Über den Wasser- und Natriumhaushalt werden das Plas- ma- und Blutvolumen und die konstante molekulare Konzentration (Isotonie) des Körpers gesteuert. DURST Der Wassergehalt des erwachsenen menschlichen Körpers schwankt normalerweise Durst höchstens um 0,22 %. Das sind bei einem 70 kg schweren Mann nur 150 ml. Bei einem Verlust von mehr als 0,5 % entsteht Durst. Das Durstgefühl steht in der Hie- rarchie der Gefühle sehr weit oben, nur starker Schmerz oder Luftnot können es überlagern. Durst ist ein subjektives Gefühl, das ein Bedürfnis des Körpers nach Flüssigkeit aus- drückt. Es wird im Gehirn bzw. durch Impulse aus dehydrierten Zellen über das Ner- vensystem gesteuert. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 99 10 Wasser und Getränke Ob Durst ein ausreichender Regulator für die Flüssigkeitszufuhr ist, darüber herrscht keine Einigkeit. Theoretisch könnte er unter physiologischen Bedingungen das aus- reichende Signal sein. Säuglinge, ältere und kranke Menschen haben ein weniger aus- geprägtes Durstempfinden. Bei durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten wird meist schon vor dem Durst getrunken, was nach Angaben in den D-A-CH Referenzwerten auch zu bevorzugen ist. TRINKEN Trinken Energiearme Durstlöscher sind Wasser, Saftschorle, Kräuter- und Früchtetees. In moderaten Mengen können Kaffee und schwarzer Tee der Flüssigkeitsbilanz hinzu- gerechnet werden. Die DGE bezieht derzeit die Flüssigkeit aus Kaffee in die Flüssig- keitsbilanz mit ein, genau wie ein Glas Wasser oder Saftschorle (ein Teil Saft und 3 Teile Wasser). Gestillte oder flaschenernährte Säuglinge brauchen in der Regel keine zusätzliche Flüssigkeit. Stillende Frauen benötigen für die Milchbildung zusätzlich 650 ml/Tag. Zuckerhaltige Getränke wie Limonaden, aber auch Nektar, spielen eine Rolle bei der Übergewichtsentwicklung vor allem bei Jugendlichen (DONALD-Studie). Sie kön- nen bei der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 mitwirken und Karies verursa- chen. R ECHERCHEAUFTRAG Was ist die DONALD-Studie und wer hat sie angefertigt? 10.6 GETRÄNKE 10.6.1 TRINK-, MINERAL-, QUELL-, TAFEL- UND HEILWÄSSER Es gibt Trink-, Mineral-, Quell-, Tafel- und Heilwässer. Sie unterscheiden sich in ih- rer Herkunft, Zusammensetzung und Aufbereitung. Trinkwasser Trinkwasser ist laut der Trinkwasserverordnung Wasser für den menschlichen Ge- brauch, das in seinem natürlichen Zustand oder nach Aufbereitung sowohl zum Trinken als auch für die Zubereitung von Speisen und Getränken oder zu anderen häuslichen Zwecken, wie z. B. der Körperpflege und -reinigung, dient. Gewonnen wird es aus Grund-, Oberflächen- oder Quellwasser. Die Aufbereitung unterliegt strengen gesetzlichen Anforderungen. Durch die strengen Kontrollen lie- gen die Werte von Trinkwasser weit unterhalb der Grenzwerte, so dass es sogar für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet ist. 100 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Wasser und Getränke 10 R ECHERCHEAUFTRAG Erkundigen Sie sich bei Ihrem zuständigen Wasserwerk nach den Mineral- stoffgehalten und der Herkunft Ihres Leitungswassers. I NFOBOX Blei- und Kupferrohre Ältere Häuser weisen zum Teil noch alte Wasserleitungen aus Blei auf. Trinkwasser, das durch Bleirohre fließt und für längere Zeit Kontakt mit dem Blei hat, reichert sich damit an. Menschen, die zum Beispiel durch belastetes Trinkwasser regelmäßig kleine Mengen Blei aufnehmen, müs- sen mit negativen Folgen rechnen. Vor allem bei Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern beeinträchtigt es die Blutbildung und die Intelligenzent- wicklung. Erwachsenen können Blei ausscheiden, es kann aber auch in den Knochen einlagert werden. Das so gespeicherte Blei gelangt in der Schwan- gerschaft eventuell wieder ins Blut und somit zum ungeborenen Kind. Natürliches Mineralwasser wird aus natürlich oder künstlich erschlossenen Quellen Natürliches gewonnen, die ihren Ursprung in unterirdischen, vor Verunreinigungen geschütz- Mineralwasser ten Wasservorkommen haben. Es muss von ursprünglicher Reinheit sein und be- darf einer amtlichen Anerkennung. Mineralwasser wird gar nicht oder in nur sehr geringem Umfang aufbereitet. Es zeichnet sich besonders durch seinen Gehalt an natürlichen Mineralstoffen, Spurenelementen oder weiteren Bestandteilen, wie z. B. Kohlensäure, aus. Diese Gehalte sind je nach geografischer Herkunft stark unter- schiedlich. Da Eisen (also Fe2+) leicht wasserlöslich ist, ist es in natürlichen Mine- ralwässern vorhanden. Das zweiwertige Eisen oxidiert an der Luft zu dreiwertigem Eisen, wodurch unerwünschte braune Ausflockungen im Mineralwasser entstehen würden. Um diesen Vorgang zu vermeiden, entzieht man den meisten Wässern das Eisen künstlich. Das heißt dann sie sind enteisent worden (Achtung: das Wasser ist NICHT enteisend). Quellwasser hat seinen Ursprung ebenfalls in unterirdischen Wasservorkommen Quellwasser und wird aus natürlichen oder künstlichen Quellen gewonnen. Die Nutzung der Quelle unterliegt den gleichen Anforderungen, die für natürliche Mineralwässer gel- ten. Quellwässer bedürfen keiner amtlichen Anerkennung und den damit einher- gehenden Prüf- und Nachweisverfahren. Die Quelle muss nicht vor Verunreinigun- gen geschützt sein und keine Mindestmengen an Mineralstoffen enthalten. Dennoch muss es in seiner Zusammensetzung allen Kriterien von Trinkwasser entsprechen. Tafelwasser ist kein reines Naturprodukt. Es wird aus Trinkwasser oder Mineralwas- ser und Zutaten wie Sole, Meerwasser, Kochsalz sowie Zusatzstoffen, die der Zusatz- stoff-Zulassungsverordnung unterliegen, hergestellt. Tafelwasser braucht ebenfalls keine amtliche Anerkennung, unterliegt aber der deutschen Mineral- und Tafelwas- ser-Verordnung. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 101 10 Wasser und Getränke Heilwasser Heilwasser stammt aus unterirdischen, reinen Wasservorkommen und muss direkt an der Quelle abgefüllt werden. Heilwässer müssen einen Gehalt von mindestens 1 g pro L an gelösten festen Mineralstoffen oder anderen, wertbestimmenden Einzelbe- standteilen aufweisen. Sie besitzen eine nachgewiesen vorbeugende, lindernde oder heilende Wirkung und sind nicht zum reinen Durstlöschen geeignet. Heilwässer unterliegen dem Arzneimittelrecht. 10.6.2 FRUCHTSAFT UND FRUCHTSAFTGETRÄNKE Frucht- oder Fruchtsaft oder Obstsaft wird aus Früchten einer oder mehrerer Fruchtarten ge- Obstsaft wonnen. Der Fruchtgehalt muss 100 % betragen. Es gibt Direktsaft und Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat, bei dem der Saft im Herkunftsland konzentriert und im Zielland rückverdünnt wird. Dies spart Transportkosten. Um die Wasservorräte des Körpers aufzufüllen sind Saftschorlen in einem Verhältnis von Saft zu Wasser von 1:3 empfehlenswert. Fruchtnektar Fruchtnektar und Fruchtsaftgetränke unterscheiden sich von Fruchtsaft durch einen Fruchtsaftgetränke geringeren Saftanteil, was durch Verdünnung mit Wasser erreicht wird. Außerdem ist der Zusatz von Zucker oder Honig üblich. Der gesetzlich vorgeschriebene Min- destgehalt an Fruchtsaft oder Fruchtmark für Nektare beträgt je nach Fruchtart min- destens 25 % (z. B. Johannisbeere, Banane, Mango) bis 50 % (Holunderbeere, Quitte, Pfirsich). Fruchtnektar darf bis zu 20 % des Gesamtgewichts Zucker oder Honig ent- halten. Fruchtsaftgetränke enthalten je nach Fruchtart mindestens 6 % (Zitrusfrüchte) bis 30 % (Kernobst, Trauben) Saft. Neben Zucker dürfen auch Aromastoffe zur Ge- schmacksabrundung zugesetzt werden. Durch den Zusatz von Zucker und ggf. Aromastoffen eignen sich Nektare und Frucht- saftgetränke nicht für eine vollwertige Ernährung. Gleiches gilt für Colagetränke und Limonaden, die nur im Ausnahmefall konsumiert werden sollten. Sie zählen zu den Extras in der Ernährung und sollten nicht täglicher Bestandteil des Speiseplans sein. 10.6.3 GEMÜSESÄFTE Gemüsesäfte Neben den Fruchtsäften gibt es auch eine ganze Palette an Gemüsesäften, die je nach Geschmack und Nährstoffbedarf einen sinnvollen Beitrag zur Versorgung leisten können. 10.6.4 ALKOHOL Alkohol Der Konsum von Alkohol ist Teil des gesellschaftlichen Lebens und so wird er als Genussmittel häufig verzehrt. Alkohol oder genauer gesagt Ethanol entsteht bei der Vergärung von Zucker in der Herstellung von Wein, Sekt und Bier. Er bewirkt zu- nächst Entspannung und Wohlfühlen. Die Skala führt dann über Euphorisierung bis hin zu einem Rauschzustand. Höhere Mengen an Alkohol können zu Bewusstlosig- keit oder Koma führen. Im schlimmsten Fall tritt eine Atemlähmung auf, die tödlich sein kann. 102 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Wasser und Getränke 10 Verdeutlicht wird dies in der folgenden Abbildung: Promille Wirkung 0,2–1,0 Wohlstimmung Enthemmtes und gelöstes Gefühl Steigende Kontaktbereitschaft Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Seh- und Hörvermögen lassen nach Gleichgewichtsstörungen Verzögerte Reaktionsfähigkeit Selbstüberschätzung und zunehmende Risikobereitschaft 1,0–2,0 Rauschstadium Orientierungsschwierigkeiten Eingeschränktes Sehvermögen, sogenannter Tunnelblick Labile Stimmung 2,0–3,0 Betäubungsstadium Sprachstörungen und Verwirrtheit Bewusstseinsstörungen Gedächtnislücken Verlust der Bewegungskoordination Alkoholvergiftung 3,0–5,0 Lähmungsstadium Atemlähmung Atemstillstand und Tod 30. Abbildung: Wirkungen von Alkohol Quelle: www.feelok.de Alkohol senkt beim nüchternen Menschen den Blutzucker, führt zu einem Anstieg der Triglyceride und des Blutdrucks unter Verschiebung von Blut aus dem Körper- zentrum in die Peripherie. Es folgen Rötung und Wärmebildung. Damit einher geht eine Erhöhung des Grundumsatzes. Die starke diuretische (harntreibend) Wirkung von Alkohol kann zu großen Mineralstoffverlusten führen. Neben den meist negativen Wirkungen erhöht Alkohol das HDL-Cholesterin bei Männern. Eine Verzehrempfehlung zu diesem Zweck kann jedoch nicht gegeben werden, da die negativen Aspekte überwiegen. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 103 10 Wasser und Getränke Längere und übermäßige Alkoholzufuhr führt zu Gewöhnung und Sucht. Schädi- gungen verschiedener Organe und besonders der Leber sind die Folgen. Beim Alko- holabbau entstehen freie Radikale mit der bereits beschriebenen schädlichen Wir- kung. Größere Mengen Alkohol, die über längere Zeit konsumiert werden, erhöhen das Risiko für verschiedene Krebsarten im mittleren und höheren Alter. Da die Auf- nahme von Alkohol durch passive Diffusion erfolgt, unterliegt sie im Körper keinem Regulationsmechanismus. D-A-CH REFERENZWERTE Frauen 10 g und Einen Schwellenwert, ab dem die schädlichen Wirkungen von Alkohol einsetzen, Männer 20 g kann nicht gesetzt werden. In den D-A-CH-Referenzwerten wird unter vorsichtiger Alkohol pro Tag Abwägung als nicht schädliche Menge für Frauen 10 g und für Männer 20 g Alkohol pro Tag toleriert. 20 g entsprechen 0,5 L Bier oder 0,25 L Wein. Dies sollten jedoch nicht täglich kon- sumiert werden. Volumenprozent können mit dem Faktor 0,79, was der Dichte von Alkohol ent- spricht, in Grammangaben in Prozent umgerechnet werden. AUFNAHME Alkohol wird durch passive Diffusion aufgenommen, unterliegt also keinem Regu- lationsmechanismus. Die Aufnahme beginnt in Mund und Magen, das Meiste wird im Darm absorbiert. Die maximale Blutkonzentration ist nach ein bis zwei Stunden erreicht. Die Absorption ist von Art und Menge, der Konzentration des Getränks und der Trinkgeschwindigkeit abhängig. Auch das, was vorher gegessen wurde, der Füllungszustand des Magens und die Verfügbarkeit von Calcium und Magnesium spielen eine Rolle. Durch Alkoholzufuhr erhöht sich der Alkoholspiegel in allen Kör- perflüssigkeiten. ABBAU 1 g Alkohol liefert Der Hauptteil des Abbaus findet in der Leber statt. Dort wird er vor allen anderen 7 kcal Nährstoffen abgebaut. 1 g Alkohol liefert 7 kcal. 95 % des Alkohols wird für die Ener- giegewinnung ausgenutzt. 5 % werden über Schweiß, Urin und die Atemluft abgege- ben. Die Muskulatur kann Alkohol nicht als Energiequelle nutzen. Die Abbaugeschwindigkeit ist individuell sehr unterschiedlich. Für gesunde Perso- nen wird sie mit 100 mg/kgKG/Stunde veranschlagt. Ein 70 kg schwerer Mann hätte nach 2 cl Korn und 0,5 L Bier (23,5 g Alkohol) einen Promillewert von 0,48 und könnte diesen in 3,5 Stunden abbauen. Da bei Frauen das alkoholabbauende Enzym weniger aktiv ist als bei Männern, steigt der Blutalkoholspiegel höher. 104 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Wasser und Getränke 10 PRÜFEN SIE SICH SELBST 10.1. Beschreiben Sie Ihrem Auszubildenden, welche lebensnotwendigen Aufgaben das Wasser im menschlichen Körper zu erfüllen hat. 10.2. Berechnen Sie, wieviel Wasser eine 75-jährige Frau bei einer Auf- nahme von 1.600 kcal trinken müsste. 10.3. Ein Gast fragt Sie, ob Tafelwasser oder natürliches Mineralwasser besser für die tägliche Flüssigkeitsaufnahme geeignet ist. Klären Sie den Gast ausführlich auf. 10.4. Ihr Auszubildender trinkt am Tag 2 L Orangensaft. Erklären Sie Ihm ausführlich, wie diese tägliche Flüssigkeitsaufnahme zu be- werten ist. 10.5. Welche Aussagen machen die DACH-Referenzwerte zum Thema Alkohol? DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 105 11 Lebensmittelzusatzstoffe 11. LEBENSMITTELZUSATZSTOFFE IHRE LERNZIELE In diesem Kapitel vermitteln wir Ihnen Kenntnisse zu folgenden Themen: Zusatzstoffe Deklaration Akzeptanz des Verbrauchers D EFINITION Lebensmittelzusatzstoffe sind laut lebensmittelrechtlicher Definition Stoffe, die Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit oder zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugesetzt wer- den. Diese Eigenschaften oder Wirkungen sind Haltbarkeit, Stabilität von Emulsionen, bestimmte Auswirkungen auf Konsistenz, Aussehen oder Ge- schmack sowie ernährungsphysiologische Eigenschaften der Lebensmittel (www.lebensmittellexikon.de) Zusatzstoffe im Lebensmittelbereich unterliegen strengen Regelungen. Ein Zusatz- stoff darf nur dann verwendet werden, wenn er technologisch erforderlich ist und kein anderes Verfahren gleicher Wirkung bekannt ist, eine Verbrauchertäuschung ausgeschlossen werden kann und der Einsatz toxikologisch unbedenklich ist. Positivlisten Die Zulassung erfolgt in der Regel für bestimmte Lebensmittel mit festgesetzten Höchstmengen. Im Lebensmittelrecht wird größtenteils mit so genannten Positiv- listen gearbeitet. Das heißt, nur Stoffe, die auf dieser Liste explizit aufgeführt sind, dürfen verwendet werden. Diese Vorgehensweise wird in der ganzen EU angewen- det. Dies bedeutet nicht, dass diese Liste in allen EU-Ländern gleich ist. Zusatzstoffe, die in allen EU-Staaten als gesundheitlich unbedenklich und technisch notwendig angesehen werden, tragen vor ihrer Kennziffer ein „E“. Im Internet und in Verbrauchermedien gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich darüber zu informieren, was hinter den einzelnen Nummern steckt. R ECHERCHEAUFTRAG Darf ein Lebensmittel, das in der EU hergestellt wurde und einen Zusatz- stoff enthält, der in Deutschland nicht zugelassen ist, trotzdem hier ver- trieben werden? 106 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Lebensmittelzusatzstoffe 11 11.1 GRUPPEN VON ZUSATZSTOFFEN FARBSTOFFE Farbstoffe geben einem Produkt Farbe oder stellen sie ggf. wieder her, wenn sie im β-Carotin, Lyco- Produktionsprozess beeinträchtigt wurde. Es gibt Oberflächenfarbstoffe sowie Farb- pin, Zuckerkulör, stoffe, die für das gesamte Lebensmittel zugelassen sind. Beispiele sind β-Carotin, Patentblau Lycopin, Zuckerkulör, Patentblau, etc. KONSERVIERUNGSMITTEL Verlängern die Haltbarkeit eines Lebensmittels. Sie hemmen die Entwicklung von Sorbinsäure, Mikroorganismen bzw. töten diese ab. Beispiele sind Sorbinsäure, Nitrite, Nitrate, Nitrite, Nitrate, Biphenyl etc. Biphenyl SÄURUNGSMITTEL, SÄURESREGULATOREN Diese Zusatzstoffe führen zu geschmacklichen Veränderungen. Sie senken bzw. re- Essigsäure, Milch- gulieren den pH-Wert, was zu einer längeren Haltbarkeit führt. Beispiele sind Essig- säure, Salzsäure, säure, Milchsäure, Salzsäure, Chloride etc. Chloride ANTIOXIDANTIEN Genau wie ihre Molekül-Kollegen im Körper hemmen Antioxidantien in Lebensmit- Tocopherole, teln die Oxidation, also den Verderb durch Sauerstoff. Wie Sie an den Namen mer- Isoascorbinsäure, ken, sind es zum Teil auch die gleichen Verbindungen, nämlich z. B. Tocopherole, Lactate Isoascorbinsäure, Lactate etc. STABILISATOREN Sie erhalten und verbessern die Struktur von Lebensmitteln, ermöglichen und stabi- Phosphorsäure, lisieren die Verteilung nicht mischbarer Stoffe. Der Begriff Stabilisator ist ein Sam- Lecithin, Agar- melname für Emulgatoren, Dickungs- und Geliermittel. Als Beispiele können Phos- Agar, Johannis- phorsäure, Lecithin, Agar-Agar, Johannisbrotkernmehl etc. genannt werden. brotkernmehl SÜSSUNGSMITTEL Süßungsmittel sind Zusatzstoffe, die in der Lebensmittelindustrie v. a. für Light-Pro- dukte verwendet werden. Es sind zugelassene Zusatzstoffe und werden somit häufig auch nur mit ihrer E-Nummer deklariert. Meist werden Mischungen verwendet, die genaue Zusammensetzung geben die Lebensmittelhersteller allerdings nicht preis. Unterschieden werden zwei Gruppen, die nahezu energiefreien Süßstoffe und die energieliefernden Zuckerersatzstoffe. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 107 11 Lebensmittelzusatzstoffe Zuckeraustausch- Zuckeraustauschstoffe sind süß schmeckende Zuckeralkohole und werden aus Koh- stoffe lenhydraten gebildet (z. B. Sorbit aus Glucose). Sie haben einen geringen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und sind schlecht bioverfügar. Das heißt, sie werden im Dünn- darm nicht vollständig aufgenommen und gelangen in den Dickdarm. Dort können sie Beschwerden wie Unwohlsein, Blähungen und Durchfall verursachen und wirken abführend. Im Allgemeinen liefern sie weniger Energie als Haushaltszucker, haben aber auch eine geringere Süßkraft. Zum Teil bringen Sie einen Fehlgeschmack mit, führen beim Backen zu starker Bräunung und konservieren schlechter als Haushalts- zucker. Beispiele sind Mannit (E 421), Sorbit E 420), Xylit (E 967), Maltit (E 965), Lactit 966) und Isomalt (E 953). Süßstoffe Süßstoffe sind natürlich oder synthetisch hergestellte Ersatzstoffe für Zucker. Sie ha- ben eine deutlich höhere Süßkraft als Saccharose, sind energiefrei und wirken sich nicht auf den Blutzuckerspiegel aus. Küchentechnisch können sie Haushaltszucker nicht immer ersetzen, da ihnen die entsprechende Masse bzw. Volumen fehlt. Zuge- lassen sind: Acesulfam K (E 950), Advantam (E 960), Aspartam (E 951), Aspartam- Acesulfamsalz (E 962), Cyclamat (E 952), Neohesperidin (E 959), Neotam (E 961), Saccharin (E 954), Stevioglycoside (E 960), Sucralose (E 955) und Thaumatin (E 957) Zucker Süßungsmittel Haushalts- Zucker- Fructose Süßstoffe zucker alkohole Energiezufuhr 4 kcal/g 4 kcal/g praktisch 2,4 kcal/g keine Energie Süßkraft- 1 1,2 30–20.000 0,4–1,0 Faktor Einfluss auf stark gering kein Einfluss gering den Insulin- spiegel Einfluss auf gering gering kein Einfluss hoch (kann das Verdau- abführend ungssystem wirken) Einfluss auf kann Karies kann Karies kein Einfluss kein Einfluss die Zahnge- fördern fördern sundheit 31. Abbildung: Zuckeralkohole und ihre Charakteristika Quelle: Julia Icking Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe werden oft in Kombination verwendet, was auch der Geschmacksverbesserung dient. Einen Überblick über verschiedene Süßungsmittel gibt die folgende Abbildung: 108 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Lebensmittelzusatzstoffe 11 Süßungsmittel mit Energie ohne Energie isolierte Süßstoffe Kohlenhydrate Mono-, Stärkever- Disaccharide zuckerungs- Zuckeralkohole (isolierte Zucker) prozess Sorbit Glucose Xylit Saccharin Glucosesirup Fructose Mannit Cyclamat Invertzuckersirup Saccarose Laktit Aspartam Stärkezucker Laktose Maltit Acesulfam-K Maltose Isomalt 32. Abbildung: Süßungsmittel Quelle: Julia Icking vgl www.chemie-in-lebensmitteln.de Die Verwendung der Süßstoffe ist vielseitig, einen Ersatz für Haushaltszucker kön- nen sie nicht leisten. Einige Beispiele: ASPARTAM Aspartam (E 951) besteht aus den beiden Aminosäuren Asparaginsäure und Phenyl- Aspartam alanin. So wird sie auch im Körper behandelt, ist also nicht energiefrei. Aspartam ist nicht hitzebeständig und zerfällt bei Temperaturen über 200°C. Aus diesem Grund ist Aspartam zum Kochen und Backen nicht geeignet. In der Lebensmittelverarbeitung wird Aspartam häufig mit Cyclamat kombiniert, vor allem zur Herstellung von energiereduzierten Erfrischungsgetränken, Dessertspei- sen, Milchzubereitungen, Speiseeis, Brotaufstrichen, Senf, Soßen, Obstkonserven und Spirituosen. Die tägliche Höchstmenge, die aufgenommen werden darf, liegt bei 40 mg pro kg Warnhinweis Körpergewicht. Menschen mit der erblichen Erkrankung Phenylketonurie dürfen Aspartam nicht verwenden, da sie die aus diesem Süßstoff enthaltene Aminosäu- re Phenylalanin nicht abbauen können. Lebensmittel, die diesen Süßstoff enthalten, sind deshalb mit dem Warnhinweis „enthält eine Phenylalaninquelle“ versehen. DHA Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I 109 11 Lebensmittelzusatzstoffe CYCLAMAT Cyclamat Cyclamat (E 952) ist der Oberbegriff für die Natrium- und Kaliumsalze der Cyclohe- xansulfamidsäure. Sie sind sehr lange lagerfähig und auch sehr hitzestabil, weshalb sie sich zum Kochen und Backen eignen. Die Süßkraft von Cyclamat ist etwa 35-mal höher als die von Haushaltszucker. Zur Geschmacksabrundung und Süßkraftsteige- rung wird es häufig mit dem Süßstoff Saccharin kombiniert. In der Lebensmittelver- arbeitung ist Cyclamat für enegiereduzierte Getränke, Desserts auf Basis von Eiern, Gebäck und Süßigkeiten ohne Zuckerzusatz zugelassen. Die tägliche Höchstmenge, die aufgenommen werden darf, liegt bei 7 mg pro kg Kör- pergewicht. Kinder können durch größere Mengen energiereduzierter Getränke vor allem im Sommer sehr leicht den empfohlenen Höchstwert erreichen. SACCHARIN Saccharin Saccharin (E 954) war der erste industriell gefertigte Süßstoff. Er umfasst auch Nat- rium-, Kalium- und Calciumsalze des Saccharins. Der Süßstoff ist etwa 450- bis 550- mal so süß wie Haushaltszucker und wird unverändert mit dem Harn ausgeschieden. Saccharin ist daher praktisch energiefrei. In hohen Konzentrationen entsteht ein bitter-metallischer Beigeschmack, es wird deshalb häufig mit Cyclamat, Thaumatin und Zuckeraustauschstoffen kombiniert. Saccharin kommt bei der Herstellung von sogenannten Light-Produkten zum Ein- satz. Die tägliche Höchstmenge, die aufgenommen werden darf, liegt bei 5 mg pro kg Körpergewicht. STEVIA Stevia Die Steviapflanze stammt ursprünglich aus dem Gebiet der Amambai-Bergkette zwi- schen Paraguay und Brasilien. Hier wird sie seit hunderten von Jahren bei der Zu- bereitung von Speisen und Getränken, aber auch als Heilpflanze verwendet. Hierzulande wurde Stevia im Dezember 2011 in Form des Zusatzstoffes E 960 zu- gelassen. Für den süßen Geschmack der Steviablätter sind die darin enthaltenen Steviolglyco- side verantwortlich. Sie sind 300-mal so süß wie Zucker, haben keine Energie, gären nicht und unterbinden die Kariesbildung. Die Steviolglycoside sind hitzbeständig bis 200°C. Bei hoher Dosierung schmecken Steviolglycoside jedoch bitter. Steviablätter können einem Tee oder einer Teemischung zugesetzt werden. Beim Überbrühen gibt Stevia seine Süße ab. Für Kuchen, Gebäck und Süßspeisen können Steviolglycoside eingesetzt werden. 110 Ernährungswissenschaftliche Grundlagen I DHA Lebensmittelzusatzstoffe 11 BACKTRIEBMITTEL Diese erzeugen beim Backen Kohlenstoffdioxid und lockern so den Teig auf. Beispiel: Natrium- oder Kaliumcarbonat, etc. ÜBERZUGSMITTEL Überzugsmittel vermindern die Wasserverdunstung und damit das Austrocknen und den Aromaverlust. Verwendet werden Bienenwachs, Schellack, etc. GESCHMACKSVERSTÄRKER Geschmackverstärker gehören zu den zulassungspflichtigen Zusatzstoffen. Sie die- Glutamat nen der Intensivierung von Geschmack und Geruch. Meist haben sie wenig eigenen Geschmack. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist das Glutamat. Es steht in Verdacht für das sogenannte China-Restaurant-Syndrom verantwortlich zu sein. Da- bei tritt bei empfindlichen Personen nach dem Verzehr von glutamathaltigen Speisen ein Kribbeln im Halsbereich sowie Hitze- und Engegefühl auf. Erstmals wurde in den 1970er-Jahren über dieses Syndrom berichtet und zwar nach dem Verzehr von Speisen aus chinesischen Restaurants. Da hier das Würzen mit grö- ßeren Mengen Glutamat üblich war, wurde die Verbindung hergestellt. Bewiesen ist der Zusammenhang bis heute nicht.