Einführung in die Medizinische Informatik Wintersemester 2023/24 – PDF

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Universität Siegen

Prof. Dr.-Ing. Kai Hahn

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medical informatics medical ethics medical technology human subjects research

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This document is a lecture on medical informatics covering topics on ethics, morals, and historical context in medicine, starting with the Nazi period. It examines the concept of euthanasia, particularly through the Aktion T4 program.

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Einführung in die Medizinische Informatik Wintersemester 2023/24 – Teil 2 uni-siegen.de Prof. Dr.-Ing. Kai Hahn 28. Oktober 2024 uni-siegen.de Ethik und Moral in Medizin und Medizinischer Informatik 28. Oktober 2024 Ethik und Moral –...

Einführung in die Medizinische Informatik Wintersemester 2023/24 – Teil 2 uni-siegen.de Prof. Dr.-Ing. Kai Hahn 28. Oktober 2024 uni-siegen.de Ethik und Moral in Medizin und Medizinischer Informatik 28. Oktober 2024 Ethik und Moral – Warum ein Thema für die Medizinische Informatik? Informatiksysteme beeinflussen unmittelbar – die Privatsphäre, – die körperliche Unversehrtheit, – die Lebensqualität, – die Würde von Patienten. Diese Aspekte werden nicht nur durch die Gesetzgebung, sondern auch durch vielfältige soziale Normen und Konventionen garantiert. Jegliches Handeln im medizinischen Umfeld muss so gestaltet werden, dass diese gesellschaftlichen Grundlagen berücksichtigt werden. Medizinprodukte – dazu gehört auch die darin eingebettete Software (!) – greifen unmittelbar in die oben genannten Belange von Patienten ein und müssen deshalb auch einem ethisch/moralischen Diskurs unterzogen werden. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 3 Ethik und Moral – Warum ein Thema für die Medizinische Informatik? Beispiele: – Beispiel 1: Ethik und medizinisches Handeln: Die Medizin im Nationalsozialismus EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 4 Medizin in der NS-Zeit Neudefinition des Heilungsbegriffs: – Medizin zum Heilen des Volkskörpers, nicht des einzelnen Patienten Aufkommen des Prinzips der Eugenik – Vergrößerung des „guten“ Erbguts – (Zwangs-)Sterilisation von Menschen mit Gendefekten, Erbkrankheiten, Geisteskrankheiten, Schizophrenie zum Schutz der „Rassenhygiene“ EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 5 Aktion T4 Euthanasie-Befehl von 1939: – Euthanasie: Erleichterung des Todeskampfes Erb- und Geisteskrankheiten werden als „lebensunwertes Leben“ eingestuft – Massenmorde an erkrankten Personen – Angehörige werden nur von „plötzlichem Tod“ informiert Ca. 70.000 Opfer der Aktion T4 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 6 Hubertus Strughold Geboren 1898 (bei Hamm/Westf.), gestorben 1986 (San Antonio, Texas) Gymnasium Hamm, Studium der Medizin und der Naturwissenschaften (Münster, Göttingen, München Würzburg) Promotion und Habilitation, Forschungsaufenthalt USA (1927- 1929) Professur in Würzburg 1935 Leiter des Luftfahrtmedizinischen Forschungsinstituts Berlin „Vater der Luftfahrtmedizin“ Nach dem Krieg „Operation Paperclip“, Übersiedlung in die USA Gründung des Instituts für Weltraummedizin, Erster Leiter, med. Begleitung des Apollo-Programms Viele Ehrungen, Bundesverdienstkreuz 1983 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 7 Humanexperimente in KZ KZ wurden von Ärzten zur persönlichen Weiterbildung genutzt. – Viele Experimente wurden ohne medizinische Notwendigkeit in unsterilem Umfeld durchgeführt. – Bekanntester Arzt: Josef Mengele, er führte Operationen ohne Narkose durch und ohne eine chirurgische Ausbildung. (Er wurde nie gefasst und kam durch einen Badeunfall 1979 in Brasilien ums Leben - Keine Verjährung von Mord) Inhaftierte wurden für grausame Forschung als Versuchspersonen benutzt: – Zwillingsforschung zum Testen von Einflüssen der Umwelt auf den Menschen – Testen der Überlebenszeit eines Menschen in Eiswasser oder in Druckkammern – Erproben von Impfmitteln EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 8 Ethik und Moral – Warum ein Thema für die Medizinische Informatik? Beispiele: – Beispiel 2: Ethik und medizinische Technik: Die Neudefinition des Todes EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 9 Das Aufkommen der Hirntod-Definition 1959: Ärzte machen eine erschreckende Beobachtung: Bei einem Patienten, der lange Zeit an die Herz-Lungen- Maschine angeschlossen war, zeigt die Obduktion: Das Gehirn des Mannes hat sich verflüssigt. Das Herz schlägt, der Atem hebt und senkt den Brustkorb, das Gehirn aber löst sich auf – der seltsame Zwischenzustand führt in ein ethisches Dilemma: – Ist die Person bereits tot oder lebt sie noch? – Definiert man einen solchen Patienten als Leiche, kann man die Organe in frischer Qualität entnehmen und transplantieren. Und so kommt in den sechziger Jahren zum alten Tod ein neuer hinzu: der Hirntod – ein künstliches Produkt der Intensivmedizin. Die erste deutsche Herz-Lungen-Maschine, Marburg, 1958 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 10 Ethisches Dilemma Beispiel: Theaterstück von Ferdinand v. Schirach „Terror“ (2015) Setting: Lufthansa-Flug von Berlin nach München wird entführt Terrorist droht die Maschine in die vollbesetzte Allianz- Arena zu lenken Luftwaffenmajor schießt das Flugzeug kurz vor München ohne Befehl ab und tötet 164 unschuldige Passagiere und Besatzungsmitglieder, um 70.000 unschuldige Menschen zu retten Gerichtverhandlung mit der Mordanklage gegen den Bundeswehr-Offizier Publikum darf entscheiden: Verurteilung oder Freispruch EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 11 Kantianismus vs. Utilitarismus Utilitarismus – nach Jeremy Bentham (1748 – 1832) – Ziel: Maximierung des Glücks bzw. des Nutzens – Streben nach dem größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche Zahl von Subjekten. – „Konsequentialismus“: durch die Konsequenzen einer Handlung soll der Gesamtnutzen aller ethischen Subjekte maximiert werden. Kantianismus – Nach Immanuel Kant (1724 – 1804) – Die Kant‘schen Fragen: Was kann ich wissen? Jeremy Bentham Was soll ich tun? (Kant‘sche Ethik) Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? – Stellt das Individuum ins Zentrum – Die Vernunft legt dem Menschen (und zwar jedem einzelnen!) die Pflicht auf, dem Gebot der Sittlichkeit zu folgen. – Kategorischer Imperativ „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Immanuel Kant EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 12 Deutschland Grundgesetz Artikel 1. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 14 Ethik vs. Moral Beide Begriffe werden zum Teil synonym verwendet, es gibt jedoch philosophisch betrachtet einen Unterschied. Ethik – Ethik ist die theoretische Grundlage der Moral – Ethik beschäftigt sich damit, objektive, normative Aussagen darüber zu machen, was richtiges oder gutes Handeln ist. – Ethik ist die Antwort auf die Kant‘sche Frage „Was sollen wir tun?“ Moral – Moral liefert praktische Anleitungen für richtiges Handeln – Moral stellt die Gesamtheit aller in einer Gesellschaft allgemein akzeptierten Regeln für richtiges (toleriertes) Handeln dar. – Moralität wird oft intuitiv empfunden. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 15 Ethik vs. Moral Beide Begriffe werden zum Teil synonym verwendet, es gibt jedoch philosophisch betrachtet einen Unterschied. Ethik – Ethik ist die theoretische Grundlage der Moral – Ethik beschäftigt sich damit, objektive, normative Aussagen darüber zu machen, was richtiges oder gutes Handeln ist. – Ethik ist die Antwort auf die Kant‘sche Frage „Was sollen wir tun?“ Moral – Moral liefert praktische Anleitungen für richtiges Handeln – Moral stellt die Gesamtheit aller in einer Gesellschaft allgemein akzeptierten Regeln für richtiges (toleriertes) Handeln Ethik ist die dar. Theorie des richtigen Handelns. Sie entwickelt Kriterien, systematisiert unsere normativen Überzeugungen und gibt Handlungsorientierungen in Entscheidungssituationen, in denen wir uns auf – Moralität unserewird oft intuitiv alltäglichen empfunden. moralischen Intuitionen nicht verlassen können. Julian Nida-Rümelin (Hg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1996 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 16 Prinzipien der medizinischen Ethik Das Vier-Prinzipien-Modell von Beauchamps und Childress (1977) * – Respect for autonomy Das Recht auf die Entscheidungsfreiheit von Patienten. Grundlage für das Prinzip des informed consent – der Einwilligung nach Aufklärung, die heute jedem ärztlichen Handeln vorangeht. – Nonmaleficence Das Prinzip der Schadensvermeidung. Medizinische Eingriffe sind nur dann erlaubt, wenn sie nicht schädlich sind. – Beneficence Das Prinzip der Fürsorge oder Hilfestellung. Die Verpflichtung zu aktivem Handeln, das das Wohl von Patienten fördert und ihnen nützt. – Justice Das Prinzip von Gleichheit und Gerechtigkeit. Die Verpflichtung, gleiche Fälle gleich zu behandeln. * Tom L. Beauchamp, James F. Childress: Principles of Biomedical Ethics. 6. Aufl., Oxford University Press, 2008 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 17 Prinzipien der medizinischen Ethik Aus dem Vier-Prinzipien-Modell können auch moralische Dilemmata resultieren: – Darf ich einem Menschen ein Bein amputieren, wenn ich dadurch sein Leben retten kann? Beneficence vs. Nonmaleficence – Darf ich einem todkranken Menschen schmerzstillende Mittel verabreichen, auch wenn durch deren Nebenwirkungen der Tod früher eintreten wird? Beneficence vs. Nonmaleficence – Darf ich als Patient den Abbruch einer Behandlung fordern, wenn er zu einem baldigen Eintritt des Todes führt? Darf der Arzt meinem Verlangen nachgeben? Ist Palliativmedizin ethisch vertretbar? Beneficence vs. Respect for autonomy – Darf ich als Arzt einem Privatpatienten eine teure Diagnostik verweigern, weil die gesetzliche Krankenkasse sie ihren Versicherten nicht erstattet? Beneficence vs. Justice – Darf ich aktive Sterbehilfe leisten? Nonmaleficence vs. Respect for autonomy EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 18 Handlungskodexe für medizinisches Personal Für Ärzte und Pflegepersonal gibt es Handlungsempfehlungen bzw. Handlungsanweisungen, die jeweils einzuhalten zumindest als moralische Verpflichtung angesehen wird. – Hippokratischer Eid – Genfer Gelöbnis – International Code of Medical Ethics – Deklaration von Helsinki – Code of ethics of clinical engineers EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 19 Der Eid des Hippokrates Erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik. Wird gewöhnlich Hippokrates zugeschrieben, die eigentliche Urheberschaft ist aber historisch ungeklärt. Legt Prinzipien der medizinischen Ethik fest, die bis heute gültig sind – Schweigepflicht – Verbot sexueller Handlungen an Patienten – Prinzip, Gutes zu tun Erscheint aber nicht mehr wirklich zeitgemäß – Verbot des „Steinschnitts“ – Verbot des Schwangerschaftsabbruchs – Verbot der Sterbehilfe – … EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 20 Der Eid desich Hippokrates „Ich schwöre und rufe Apollon, den Arzt, und Asklepios und Hygeia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an, dass diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde. Ich werde den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleich meinen Eltern achten, ihn an meinem Unterricht teilnehmen lassen, Ersteihm, grundlegende wenn er in Not gerät, Formulierung einer von dem Meinigen abgeben, ärztlichen Ethik. seine Nachkommen gleich meinen Brüdern halten und sie diese Kunst lehren, wenn sie sie zu lernen verlangen, ohne Entgelt und Vertrag. Und ich werde an Vorschriften, Vorlesungen und Wirdaller gewöhnlich Hippokrates übrigen Unterweisung meine Söhnezugeschrieben, und die meines Lehrersdieund die vertraglich verpflichteten und nach der ärztlichen Sitte vereidigten Schüler teilnehmen lassen, sonst aber niemanden. eigentliche Urheberschaft ist aber historisch ungeklärt. Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber Legt werde Prinzipien der sie ich mich davor, medizinischen zum Schaden und in Ethik unrechterfest, Weisedie bis heute anzuwenden. gültigAuch sindwerde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben. – Schweigepflicht Rein und fromm werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. Ich werde nicht schneiden, sogar Steinleidende nicht, sondern werde das den Männern überlassen, die dieses Handwerk – Verbot ausüben. sexueller Handlungen an Patienten – Prinzip, Gutes In alle Häuser, in diezu ichtun komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat, besonders von jedem geschlechtlichen Missbrauch an Frauen und Männern, Freien und Sklaven. Erscheint aber nicht mehr wirklich zeitgemäß Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgange mit Menschen sehe und höre, das man nicht – Verbot weiterredendesdarf, „Steinschnitts“ werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren. – Verbot Wenn ichdes diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst Schwangerschaftsabbruchs voranzukommen indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne; wenn ich ihn aber übertrete und breche, so – Verbot gescheheder Sterbehilfe mir das Gegenteil.“ – … EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 21 Das Genfer Gelöbnis Auch „Deklaration von Genf“ Ursprünglich formuliert 1948 durch die Vollversammlung des Weltärztebundes (WMA – World Medical Association) Vielfach revidiert, zuletzt 2017 Moderne Variante eines ärztlichen Berufskodex EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 22 Das Genfer Als Mitglied Gelöbnis der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen. Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein. Ich werde„Deklaration Auch die Autonomie und von dieGenf“ Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren. Ursprünglich Ich formuliert werde nicht zulassen, 1948 durch dass Erwägungen dieKrankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, von Alter, Vollversammlung Geschlecht, des Weltärztebundes Staatsangehörigkeit, (WMA politischer Zugehörigkeit, Rasse,–sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten. World Medical Association) Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren. Vielfach Ich revidiert, werde meinen zuletzt Beruf nach bestem2006 Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis Moderne Variante eines ärztlichen Berufskodex ausüben. Ich werde die Ehre und die edlen Traditionen des ärztlichen Berufes fördern. Ich werde meinen Lehrerinnen und Lehrern, meinen Kolleginnen und Kollegen und meinen Schülerinnen und Schülern die ihnen gebührende Achtung und Dankbarkeit erweisen. Ich werde mein medizinisches Wissen zum Wohle der Patientin oder des Patienten und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung teilen. Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können. Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden. Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei meiner Ehre. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 23 Der International Code of Medical Ethics Dem eher abstrakten Genfer Gelöbnis hat die WMA eine Sammlung ganz konkreter Handlungsanweisungen für Ärzte beiseite gestellt, die die Prinzipen des Genfer Gelöbnisses konkretisieren: – International Code of Medical Ethics – zuerst veröffentlicht im Oktober 1949 – zuletzt angepasst im Oktober 2022 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 24 Der International Code of Medical Ethics Dem eher abstrakten Genfer Gelöbnis hat die WMA anschließend eine Sammlung ganz konkreter Handlungsanweisungen für Ärzte beiseite gestellt, die die Prinzipen des Genfer Gelöbnisses konkretisieren: – International Code of Medical Ethics – zuerst veröffentlicht im Oktober 1949 – zuletzt angepasst im Oktober 2006 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 25 Der International Code of Medical Ethics Dem eher abstrakten Genfer Gelöbnis hat die WMA anschließend eine Sammlung ganz konkreter Handlungsanweisungen für Ärzte beiseite gestellt, die die Prinzipen des Genfer Gelöbnisses konkretisieren: – International Code of Medical Ethics – zuerst veröffentlicht im Oktober 1949 – zuletzt angepasst im Oktober 2006 EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 26 Die Deklaration von Helsinki Deklaration des Weltärztebundes zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen. Sie wurde von der 18. Generalversammlung des Weltärztebundes in Helsinki im Juni 1964 verabschiedet. Der Text wurde mehrfach revidiert, zuletzt im Oktober 2013. Sie wird in vielen Ländern angewendet, allerdings in unterschiedlichen Fassungen. Auch in Deutschland beziehen sich die Ethikkommissionen im Rahmen klinischer Studien derzeit auf verschiedene Revisionen dieser Deklaration. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 27 Die Deklaration von Helsinki Deklaration des Weltärztebundes zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen. Sie wurde von der 18. Generalversammlung des Weltärztebundes in Helsinki im Juni 1964 verabschiedet. Der Text wurde mehrfach revidiert, zuletzt im Oktober 2013. Sie wird in vielen Ländern angewendet, allerdings in unterschiedlichen Fassungen. Auch in Deutschland beziehen sich die Ethikkommissionen im Rahmen klinischer Studien derzeit auf verschiedene Revisionen dieser Deklaration. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 28 Die Deklaration von Helsinki Beispiele: EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 29 Die Deklaration von Helsinki Beispiele: EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 30 Die Deklaration von Helsinki Beispiele: EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 31 Ethikkodex für in Medizintechnik und Medizininformatik tätige Personen? Im europäischen Raum als explizites Werk unbekannt. Hier kann man sich eher allgemein auf den Absatz 2 der Präambel der Deklaration von Helsinki beziehen und daraus ethische Prinzipien ableiten. Anders im amerikanischen Raum. Dort hat der Berufsverband der „Klinikingenieure“ (American College of Clinical engineering, ACCE) einen „Code of Ethics“ herausgegeben. – NB: Hier nur zu Informationszwecken gezeigt!! – In Europa beziehen wir uns ausschließlich auf die Deklaration von Helsinki!! EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 32 Ethikkodex für in Medizintechnik und Medizininformatik tätige Personen? Im europäischen Raum als explizites Werk unbekannt. Hier kann man sich eher allgemein auf den Absatz 2 der Präambel der Deklaration von Helsinki beziehen und daraus ethische Prinzipien ableiten. Anders im amerikanischen Raum. Dort hat der Berufsverband der „Klinikingenieure“ (American College of Clinical engineering, ACCE) einen „Code of Ethics“ herausgegeben. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 33 Ethikkodex für in Medizintechnik und Medizininformatik tätige Personen? Im europäischen Raum als explizites Werk unbekannt. Hier kann man sich eher allgemein auf den Absatz 2 der Präambel der Deklaration von Helsinki beziehen und daraus ethische Prinzipien ableiten. Anders im amerikanischen Raum. Dort hat der Berufsverband der „Klinikingenieure“ (American College of Clinical engineering, ACCE) einen „Code of Ethics“ herausgegeben. EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 34 Die ethische Dimension des technischen Fortschritts Moralische Dilemmata durch Technikeinsatz – Beispiel 1: Bei einem Verkehrsunfall erleidet ein Patient erhebliche Kopfverletzungen. Bei Eintreffen des Rettungsdienstes ist der Patient bewusstlos, zeigt aber Atmung und Herzschlag. Nach Notfalleinlieferung ins Krankenhaus wird ein CT durchgeführt, das erhebliche Hirnverletzungen zeigt. Ein zusätzlich durchgeführtes EEG zeigt starke Anomalien. Lebt der Patient oder ist er tot? EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 35 Die ethische Dimension des technischen Fortschritts Moralische Dilemmata durch Technikeinsatz – Beispiel 2: Ein Patient wird am offenen Herzen operiert. Eine Herz-Lungen-Maschine hält den Kreislauf während der Operation in Gang. Während der komplizierten und lange dauernden Operation zeigt das EEG, das anfangs unauffällig war, plötzlich nur noch schwache elektrische Aktivität. Die Herz-Lungen-Maschine hält die „Lebenszeichen“ weiterhin aufrecht. Lebt der Patient oder ist er tot? EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 36 Todesdefinitionen Klassische Todesdefinition: – Atemstillstand – Problem: Scheintod (Historische „Abhilfe“: Klingel im Sarg) Einführung sicherer Todeszeichen – erloschene Atmung, erloschener Herzschlag, Blässe, Totenflecken, Leichenstarre, … – Todesfeststellung durch Ärzte Erster Versuch einer praktikablen Todesdefinition – Herzstillstand (Herztod) – Aber: Nach Einführung von Reanimationstechniken häufig reversibel EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 37 Todesdefinitionen Zweiter Versuch einer praktikablen Todesdefinition – Hirntod: Erloschene Hirnaktivität (messbar durch EEG) bedeutet den Tod des Menschen. – Definition des „klinischen Todes“ anhand der fehlenden Funktion von Atmung, Herzschlag und Hirnaktivität. – Problem: Transplantationsmedizin Organentnahme ist nur von Toten erlaubt, dabei sind aber möglichst wenig von Todeszeichen betroffene Organe erforderlich. technische Hilfsmittel erlauben es, Atmung und Herzschlag nahezu beliebig auszudehnen. – „Der Tod, der mich ins Jenseits führt, ist ein anderer als der Tod, der erlaubt, meine Organe zu entnehmen.“ » Claudia Wiesemann (2006) EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 38 Todesdefinitionen Die Entstehung der Hirntod-Definition – Durch eine Ad Hoc-Kommission der Harvard Medical School 1968 – „Hirntod“ = Zeitpunkt der Unumkehrbarkeit des Sterbeprozesses Dieser Zeitpunkt kann aber nur indirekt durch Überprüfung geeigneter Kriterien angegeben werden. Die folgenden Kriterien definieren demnach den Tod eines Patienten: – irreversibles Koma: keine Wahrnehmung, keine Reaktion – keine Atembewegung ohne Beatmungsgerät – keine Reflexe – „Nulllinie“ im EEG seit mindestens 24 Stunden – Zusätzlich: Empfehlung, die Todesfeststellung gem. der o.g. Definition nicht von Personen durchführen zu lassen, die von Organ- oder Gewebeentnahmen profitieren würden! „Unserer primäres Anliegen ist, das irreversible Koma (Coma dépassé) als neues Todeskriterium zu definieren...“ EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 39 Todesdefinitionen Konsequenzen der Hirntod-Definition: – Eine physisch intakte aber gem. der o.g. Definition hirntote Person ist keine menschliche Person. – Eine technisch mit Lebensfunktionen beaufschlagte Leiche ist trotzdem eine Leiche! – Problem: Neokortikaler Tod: Wachkoma (Apallisches Syndrom) aufgrund massiver Hirnschädigung, die jedoch selbständige Atmung und Herzschlag erhält, aber künstl. Ernährung, Nierendialyse und andere technische Lebenserhaltungsmaßnahmen unwiderruflich und dauerhaft erfordert. Dies wird häufig von Angehörigen nicht als Tod akzeptiert! EMI - Vorlesung Teil 2 - 2023/24 40 Vielen Dank Prof. Dr. Kai Hahn Am Eichenhang 50 57076 Siegen [email protected] Einführung in die Medizinische Informatik 28. Oktober 2024 41

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