Bildung und Erziehung PDF
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This document discusses theories of Bildung und Erziehung, with concepts such as socialization and education, covering social dimensions and differing perspectives. The content is academic, likely a postgraduate course or lecture material.
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Bildung und Erziehung Bildung „Bildung bezeichnet Prozesse, in denen sich Individuen ihrer Lernprozesse bewusst werden und sich Kenntnisse und Fertigkeiten reflexiv zu eigen machen, sie in ihr Selbst, ihre Identität integrieren. Dabei gilt es...
Bildung und Erziehung Bildung „Bildung bezeichnet Prozesse, in denen sich Individuen ihrer Lernprozesse bewusst werden und sich Kenntnisse und Fertigkeiten reflexiv zu eigen machen, sie in ihr Selbst, ihre Identität integrieren. Dabei gilt es zwei Seiten des Bildungsbegriffs zu unterscheiden: das bildungstheoretische Verständnis von Subjektivierung als reflexivem Selbst-Welt- Verhältnis und das funktionale Verständnis von Bildung als Faktor der Integration und Reproduktion in ungleichen Gesellschaften; Bildung eröffnet den Einzelnen die Möglichkeit, ihr Leben selbst zu gestalten (Subjektivierung), organisiert und legitimiert über Zertifikate gleichzeitig aber auch ungleiche Erwerbs- und soziale Positionen.“ (Walther 2017, 504) Die soziale Dimension von Bildung „Bildungsprozesse sind einerseits unaufhebbar mit sozialen Verhältnissen und den Formen des Zusammenlebens verflochten; andererseits soll Bildung wiederum einen Beitrag zur Verbesserung des Zusammenlebens und der gesellschaftlichen Verhältnisse leisten. […] Bildung ist immer soziale Bildung. Sie ist von soziokulturellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen abhängig; sie wird von sozialen Strukturen der Verteilung von Macht, Reichtum und Ressourcen beeinflusst und sie ist an konkrete lebensweltliche Situationen und Lebenslagen gebunden. Zugleich verfolgt sie neben der Orientierung an Selbstbildung, Persönlichkeitsentwicklung und individuellem Kompetenzerwerb ganz wesentlich soziale Zielstellungen, die auf soziale Inklusion, Zugehörigkeit und Anerkennung ausgerichtet sind.“ (Sting 2017, 404 und 408) Bildungsbegriff in der Sozialen Arbeit „Zusammenfassend kann ein für die Soziale Arbeit relevanter Bildungsbergriff folgendermaßen umschrieben werden: Bildung ist ein vom sich bildenden Subjekt aktiv betriebener Prozess der Herstellung einer Subjekt-Welt- bzw. Subjekt-Gesellschaft- Relation. Er realisiert sich durch eine reflexive Auseinandersetzung mit der umgebenden Welt und Gesellschaft, die nicht allgemein und abstrakt, sondern nur im Rahmen je konkreter Lebenssituationen und Lebenslagen möglich ist. Und er zielt nicht nur auf die Selbstentfaltung des Subjekts, sondern ebenso auf dessen soziale Inklusion und die Gestaltung der Formen des Zusammenlebens.“ (Sting 2017, 404) Erziehung „Erziehung markiert eine Beziehung, die davon ausgeht, dass eine Person von der Notwendigkeit bzw. Wichtigkeit bestimmter Kenntnisse, Fertigkeiten und Normen überzeugt ist und bei einer anderen Person deren Fehlen ausmacht. Diese wird somit zum Adressaten bzw. zur Adressatin pädagogischer Absichten. Friedrich Schleiermachers Frage in seiner Vorlesung im Jahre 1812 ‚Was will die ältere Generation mit der jüngeren?‘ (2000) markiert ein solches Erziehungsverhältnis als Generationenverhältnis wie es in Familie, Kita, Schule oder Jugendhilfe institutionalisiert ist.“ […] Erziehung bezeichnet also eine Beziehung, die durch die absichtsvolle Anregung und Unterstützung von Lernprozessen Anderer geprägt ist. Sie umfasst damit diejenigen Aspekte der Sozialisation, die den Absichten Anderer – Eltern, Lehrkräften, Ausbilder_innen oder eben Sozialarbeiter_innen und Sozialpädag_innen – entspringen.“ (Walther 2017, 502 und 503) Zwei Beispiele Klaus Mollenhauer (1928-1998) Gilt als Vertreter einer kritischen Erziehungswissenschaft mit dem Hauptfokus auf Erziehung bzw. Bildung, insbesondere die „Erziehungswirklichkeit“ in der modernen Industriegesellschaft, und dem Nebenfokus auf Sozialpädagogik, die er als „Theorie der Jugendhilfe“ versteht Betrachtet Erziehung als Dreh- und Angelpunkt im spannungsreichen und widersprüchlichen Verhältnis von Mensch und Gesellschaft (z.B. Integration des Einzelnen in die Gemeinschaft einerseits, Emanzipation des Einzelnen von der Gemeinschaft andererseits) Die Sozialpädagogik bzw. soziale Arbeit ist für ihn eine Folge der Entwicklung der modernen Industriegesellschaft, insbesondere der sozialen Probleme (z.B. Verwahrlosung bei Jugendlichen), die (sozial-)pädagogisch zu bearbeiten sind (z.B. Erziehungsmaßnahmen, Institutionen der Jugendhilfe) Grundannahmen und Kernaussagen „Sein zentrales Anliegen galt der Frage, ob ein autonomes, kritisches Individuum mit pädagogischen Mitteln hervorgebracht werden kann. Erziehung und Bildung sind für Mollenhauer ein Grundsachverhalt menschlicher Existenz, ohne den das Interagieren, Kommunizieren und Reproduzieren, besser: das Überleben von Menschen in Gesellschaft, nicht möglich ist. Sozialpädagogik erhält nach Mollenhauer ihren Auftrag aus den Unzulänglichkeiten familialer und schulischer Erziehung. Sie muss zur Überwindung der Diskrepanz, die zwischen Individuum und Gesellschaft entstanden ist, beitragen. Sozialpädagogik reagiert mithin auf den pädagogischen Funktionsverlust der herkömmlichen erziehenden Gemeinschaften wie Schule und Familie.“ (Lambers 2018, 90) Erziehungsbegriff bei Mollenhauer „Mollenhauer (1964) argumentiert, dass im Prinzip alle Erziehung insofern Hilfe sei, als sie Unterstützung von Lern- und Entwicklungsprozessen beabsichtige. In der Sozialen Arbeit wird dieses Verständnis häufig dahingehend konkretisiert, dass erst psychosoziale Stabilisierung durch Unterstützung bei der Bewältigung schwieriger Lebenslagen wie etwa Armut, Sucht oder Krankheit, belasteten Familiensituationen oder Migration geleistet werden müsse, bevor gleichberechtigte Bildungs- oder Erwerbsansprüche realisiert werden könnten.“ (Walther 2017, 505) Lutz Rössner (1932-1995) Lutz Rössner gilt als Vertreter der Erziehungswissenschaft und Begründer einer „Sozialarbeitswissenschaft“, welche „die prophylaktischen und korrigierenden Maßnahmen, die von Gruppen einer Gesellschaft oder der Gesellschaft in Bezug auf Dissozialisation und Asozialisation getroffen werden“ (Rössner 1971) untersucht Dabei versteht Rössner Sozialarbeit (bzw. Soziale Arbeit) als „Tertiäre Erziehung“ (durch prophylaktische und korrigierende Maßnahmen) und die Theorie der Sozialarbeit als „Technologie der Sozialarbeits-Maßnahmen“, um „ein Individuum oder eine Gruppe aus einem nicht erwünschten Zustand in den erwünschten (normalisierten) Zustand zu überführen“ (ebd.) Grundannahmen und Kernaussagen Rössner kritisierte den Einfluss normativer Aspekte auf die Theoriebildung (z.B. Normen) und plädierte für eine deskriptive Theoriebildung (z.B. beschreibend, erklärend, prognostisch) Vor diesem Hintergrund entwickelte er ein System aus Begriffen und Sätzen (z.B. Definitionen, Axiome, Theoreme), um daraus erzieherische Maßnahmen für die Praxis abzuleiten Im Zentrum seiner Überlegungen stehen die Sozialisation, das Verhalten und die Erziehung. Das Verhalten kann als „normal“, d.h. sozialisiert, nicht „normal“, d.h. dissozialisiert, sowie in Abstufungen (z.B. auffällig, gefährdet, asozial) betrachtet werden. Erziehungsmaßnahmen müssen ergriffen werden, wenn das Verhalten nicht als „normal“ bzw. sozialisiert bewertet wird Erziehungsbegriff bei Rössner „Sozialarbeit ist nach Rössner, wie dargelegt, tertiäre Erziehung, die auf die Aufrechterhaltung von Werten und Normen zielt (Dissozialisationsprophylaxe und -korrektur), indem sie als diagnostizierende Instanz Normabweichungen registriert und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Normen konzipiert, realisiert und evaluiert.“ Der „Sozialarbeiter“ sei „Sozialdiagnostiker im Hinblick auf befürchtete oder festgestellte Dissozialität, tertiärer Berater sowie Planer und Koordinator (weiteren) tertiären Erziehens mit dem Ziel des Abbauens von Dissozialität und des Aufbauens einer sozialisierten Persönlichkeit“.