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DIE STRUKTUREN DES ZIVILRECHTS HARALD LANGELS BGB AT 1 DIE RECHTSGESCHÄFTSLEHRE 1. TEILBAND EINE NACH STRUKTURELEMENTEN GEORDNETE DARSTELLUNG DES EXAMENSRELEVANTEN ZIVILRECHT...

DIE STRUKTUREN DES ZIVILRECHTS HARALD LANGELS BGB AT 1 DIE RECHTSGESCHÄFTSLEHRE 1. TEILBAND EINE NACH STRUKTURELEMENTEN GEORDNETE DARSTELLUNG DES EXAMENSRELEVANTEN ZIVILRECHTS 7. ÜBERARBEITETE UND ERWEITERTE AUFLAGE ABELS & LANGELS HARALD LANGELS BGB AT 1 DIE RECHTSGESCHÄFTSLEHRE 1. TEILBAND Eine nach Strukturelementen geordnete Darstellung des examensrelevanten Zivilrechts 7. überarbeitete und erweiterte Auflage © Harald Langels Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.al-online.de Vorwort zur 1. Auflage Dieses Buch ist Teil einer Schriftenreihe, die auf der Basis meiner langjährigen Tätigkeit als Repetitor in Berlin, Bochum, Bonn, Hamburg, Kiel, Köln, München, Münster und Tübingen entstanden ist. Diese Schriftenreihe löst dabei einen Zielkonflikt, der im Rahmen der juristischen Ausbildung entstanden ist: Einerseits soll die Stoffmenge über- schaubar sein, andererseits soll der gesamte examensrelevante Prüfungsstoff transparent dargestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, unterscheidet sich die Art der Darstellung von anderen Lehrbüchern und Skripten: Basierend auf der Methodik des strukturellen Lernens bleibt durch konsequente Datenreduktion auf Kosten nicht endend wollender Meinungsstreitigkeiten die Stoffmenge überschaubar, ohne das Detailwissen zu vernachlässigen, das für das Erreichen eines Prädikatsexamens unerlässlich ist. Dabei werden die Strukturen durch Beispiele erläutert, ohne die Sicht auf die examensrelevanten Probleme durch eine Unzahl von Fällen und Fallabwandlungen zu verstellen, da sich nach meiner Erfahrung das ausschließliche „Lernen am Fall“ als Trugschluss erweist: Es provoziert nur die im Examen von Prüfern äußerst negativ bewertete Suche nach einem ähnlich „gelernten“ Fall. Da es aber keinen „numerus clausus“ von Examensklausuren gibt, besteht Ihre Aufgabe und Chance darin, die innere Struktur des Falles zu erkennen und diesen einer angesichts von grundlegenden Wertentscheidungen des Straf- und Zivil- rechts vertretbaren Lösung zuzuführen. Sollten Sie darüber hinaus noch in der Lage sein, das so gefundene Ergebnis von einem anderen dogmatischen Fundament aus zu hinterfragen, wird Ihnen ein Prädikatsexamen sicher sein. Ein besonderer Synergie-Effekt besteht dabei innerhalb der Examensvorbereitungen in der Verknüpfung der Lehr- bücher mit der jeweiligen Lerneinheit unserer Kurse, da beide der Methodik des Strukturdenkens folgen. Die Lehr- bücher ermöglichen eine optimale Vor- bzw. Nachbereitung der Lerneinheiten; diese wiederholen noch einmal die Strukturelemente, die anschließend zur Verbesserung der Klausurstrategie auf examenstypische Problemstellungen angewandt werden; auch die zahlreichen Tests und Examensklausuren innerhalb unseres Kursangebotes sind auf dieser Methodik aufgebaut. Andererseits habe ich mich bemüht, die Verweise auf die jeweilige Kursmitschrift so gering als möglich zu halten, um auch außerhalb bzw. im Vorfeld der Kursteilnahme eine stringente Examens- vorbereitung zu ermöglichen. Informationen zum didaktischen Konzept unserer Kurse, die jeweils im April bzw. Oktober eines Jahres beginnen, würden hier den Rahmen sprengen, können aber im jeweiligen kursbetreuenden Büro bzw. für die Kursstädte Hamburg, Berlin, Köln, Bonn, Bochum, Bielefeld, Münster und Osnabrück unter folgender Adresse erfragt werden: ABELS & LANGELS, Basteistraße 28 b, 53173 Bonn, Tel.: 0228 95 63 403 (9 – 13 Uhr). Konzept und Inhalt unserer Kurse sind auch auf unserer Homepage unter www.al-online.de ausführlich beschrieben. Dort finden Sie ferner als kostenlosen „Download“ Leseproben zu all unseren Skripten sowie Muster von Klausuren und Lerneinheiten unserer Kurse. Bonn, im Oktober 1993 Harald Langels Vorwort zur 7. Auflage Die 7. Auflage zum BGB AT 1 bringt mein Lehrbuch auf den Stand von Juli 2017. Ich habe zahlreiche Gesetzesänderungen zum Verbraucherschutz sowie viele neue Entscheidungen zum Internetrecht, zum Verbraucherschutz und zum AGB-Recht eingefügt. Sollten wir uns im Rahmen meines Individualunterrichts nicht persönlich kennenlernen, so wünsche ich Ihnen jetzt bereits viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg im Staatsexamen. Bonn, im Juli 2017 Harald Langels Als farbiges Poster in DIN A 2 erhältlich! Harald Langels: BGB AT 1 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Teil: Grundbegriffe des Zivilrechts................................................................................................. 1 §1 Die Entstehungsgeschichte des BGB..................................................................................... 1 I. Die Entwicklung des Zivilrechts bis zum Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900.............. 1 II. Die Entwicklung des BGB seit seiner Entstehung............................................................. 3 1) BGB AT........................................................................................................................ 3 2) Schuldrecht.................................................................................................................... 3 3) Sachenrecht................................................................................................................... 4 4) Familienrecht................................................................................................................. 4 5) Erbrecht......................................................................................................................... 4 §2 Bürgerliches Recht und Privatrecht...................................................................................... 5 I. Privatrecht / Öffentliches Recht......................................................................................... 5 II. Bürgerliches Recht und Sonderprivatrecht........................................................................ 6 1) Bürgerliches Recht........................................................................................................ 6 2) Sonderprivatrecht.......................................................................................................... 6 3) Das Verhältnis des BGB zum Sonderprivatrecht.......................................................... 7 §3 Die Struktur des BGB............................................................................................................. 8 I. Der AT des BGB: §§ 1 - 240............................................................................................. 8 1) Personen: §§ 1 - 89........................................................................................................ 8 2) Sachen, Tiere, Rechte: §§ 90 - 103............................................................................... 8 3) Rechtsgeschäfte: §§ 104 - 185...................................................................................... 8 II. Das Schuldrecht: §§ 241 - 853........................................................................................... 9 III. Das Sachenrecht: §§ 854 - 1296........................................................................................ 9 IV. Das Familienrecht: §§ 1297 - 1921.................................................................................... 9 V. Das Erbrecht: §§ 1922 - 2385.......................................................................................... 10 §4 Rechtssubjekt - Rechtsobjekt............................................................................................... 11 I. Die Rechtssubjekte.......................................................................................................... 11 1) Natürliche Personen.................................................................................................... 11 2) Juristische Personen.................................................................................................... 11 3) ”Quasi”- juristische Personen..................................................................................... 11 II. Die Rechtsobjekte............................................................................................................ 12 §5 Einwendungen und Einreden............................................................................................... 14 I. Einwendungen................................................................................................................. 14 1) Rechtshindernde Einwendungen................................................................................. 14 2) Rechtsvernichtende Einwendungen............................................................................ 15 II. Einreden........................................................................................................................... 15 §6 Die Verjährung...................................................................................................................... 17 I. Die Funktion der Verjährung........................................................................................... 17 II. Die Verjährungsfrist........................................................................................................ 17 1) Die Regel: § 195.......................................................................................................... 17 2) Die Ausnahmen: §§ 196, 197...................................................................................... 17 III. Der Beginn der Verjährung.............................................................................................. 18 www.al-online.de – BGB AT 1 I Inhaltsverzeichnis Harald Langels: BGB AT 1 IV. Hemmung und Unterbrechung der Verjährung............................................................... 19 1) Die Hemmung der Verjährung: §§ 203 – 211............................................................ 19 2) Die Unterbrechung der Verjährung: § 212................................................................. 19 V. Die Konsequenzen der Verjährung................................................................................. 20 §7 Die Privatautonomie............................................................................................................. 21 I. Die Freiheit des Eigentums............................................................................................. 21 II. Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung.................................................................. 21 III. Die Beurteilung der Privatautonomie.............................................................................. 22 1) Die Vorteile der Privatautonomie............................................................................... 22 2) Kritik an der Privatautonomie.................................................................................... 22 3) Die Reaktionen........................................................................................................... 22 §8 Rechtsgeschäft und Willenserklärung – Realakt – geschäftsähnliche Handlung.......... 25 I. Die Willenserklärung (Überblick)................................................................................... 25 1) Die Erklärung.............................................................................................................. 25 2) Der Wille.................................................................................................................... 26 II. Das Rechtsgeschäft.......................................................................................................... 26 1) Die Elemente des Rechtsgeschäfts............................................................................. 26 2) Einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte............................................................... 27 III. Der Realakt...................................................................................................................... 27 IV. Geschäftsähnliche Handlungen....................................................................................... 28 §9 Verpflichtungsgeschäfte und Verfügungsgeschäfte.......................................................... 29 I. Das Verpflichtungsgeschäft............................................................................................. 29 1) Der einseitig verpflichtende Vertrag.......................................................................... 29 2) Der gegenseitige Vertrag............................................................................................ 29 3) Der unvollkommen zweiseitig verpflichtende Vertrag............................................... 29 II. Verfügungen.................................................................................................................... 30 1) Die Definition der Verfügung..................................................................................... 30 2) Die Berechtigung des Verfügenden............................................................................ 30 3) Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten........................................................ 30 4) Spezialität und Publizität der Verfügungen................................................................ 30 § 10 Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte............................................................................. 31 I. Kausale Geschäfte........................................................................................................... 31 II. Abstrakte Rechtsgeschäfte............................................................................................... 31 § 11 Trennungsprinzip und Abstraktionsprinzip...................................................................... 32 I. Das Trennungsprinzip..................................................................................................... 32 1) Die Wirkungsweise des Trennungsprinzips............................................................... 32 2) Die Konsequenzen des Trennungsprinzips................................................................. 32 II. Das Abstraktionsprinzip und die Fehleridentität............................................................. 32 1) Das Abstraktionsprinzip............................................................................................. 32 2) Die Fehleridentität...................................................................................................... 33 § 12 Rechtsfähigkeit – Geschäftsfähigkeit – Deliktsfähigkeit................................................... 36 I. Die Rechtsfähigkeit......................................................................................................... 36 II. Die Geschäftsfähigkeit.................................................................................................... 36 III. Die Deliktsfähigkeit........................................................................................................ 36 II www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 Inhaltsverzeichnis 2. Teil: Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Willenserklärung................................................. 37 § 13 Die Elemente der Willenserklärung.................................................................................... 37 I. Der Wille.......................................................................................................................... 38 1) Der Handlungswille.................................................................................................... 38 2) Das Erklärungsbewusstsein......................................................................................... 38 3) Der Rechtsbindungswille............................................................................................ 39 II. Der äußere Erklärungstatbestand..................................................................................... 46 1) Die ausdrückliche Erklärung....................................................................................... 46 2) Die konkludente Erklärung......................................................................................... 46 3) Das Schweigen............................................................................................................ 46 § 14 Die Geschäftsfähigkeit.......................................................................................................... 55 Vorbemerkung........................................................................................................................ 57 1) Der Begriff der Geschäftsfähigkeit............................................................................. 57 2) Der Schutzzweck der §§ 104 ff................................................................................... 57 3) Der Schutz des Geschäftsgegners............................................................................... 57 4) Die Durchbrechung des Minderjährigenschutzes....................................................... 58 I. Die Geschäftsunfähigkeit................................................................................................. 59 1) Der Kreis der Geschäftsunfähigen.............................................................................. 59 2) Die Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit................................................................ 59 3) Die Beweislastverteilung............................................................................................ 60 4) Die Geschäfte des täglichen Lebens........................................................................... 60 II. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit................................................................................. 62 1) Lediglich rechtlich vorteilhafte Geschäfte.................................................................. 62 2) Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte................................................................... 67 III. Die gesetzlichen Vertreter............................................................................................... 72 1) Das elterliche Sorgerecht für eheliche Kinder: §§ 1626 ff......................................... 72 2) Die gesetzliche Vertretung des nichtehelichen Kindes............................................... 72 3) Die Vormundschaft über Minderjährige: §§ 1773 ff.................................................. 73 4) Die Pflegschaft: § 1909............................................................................................... 73 IV. Beschränkung und Ausschluss der gesetzlichen Vertretungsmacht................................ 74 1) Die Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht............................................... 74 2) Der Ausschluss der gesetzlichen Vertretungsmacht................................................... 75 § 15 Die Form des Rechtsgeschäfts.............................................................................................. 77 I. Die Kategorien der gesetzlich vorgeschriebenen Form................................................... 78 1) Die Schriftform des § 126 BGB.................................................................................. 78 2) Die Textform des § 126 b............................................................................................ 79 3) Die elektronische Form des § 126 a............................................................................ 80 4) Die öffentliche Beglaubigung..................................................................................... 81 5) Die notarielle Beurkundung........................................................................................ 81 6) Der gerichtlich protokollierte Prozessvergleich.......................................................... 82 II. Der Umfang des Formerfordernisses............................................................................... 83 III. Der Anwendungsbereich der Formvorschriften.............................................................. 83 IV. Die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen eine gesetzlich vorgeschriebene Form.................. 84 1) Der Grundsatz der Formnichtigkeit............................................................................ 84 2) Gesetzliche Ausnahmetatbestände.............................................................................. 84 3) Die Heilung des Formmangels.................................................................................... 85 4) Problemfälle................................................................................................................ 86 V. Der Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte Form..................................................... 88 www.al-online.de – BGB AT 1 III Inhaltsverzeichnis Harald Langels: BGB AT 1 § 16 Abgabe und Zugang von Willenserklärungen................................................................... 90 I. Die Abgabe der Erklärung............................................................................................... 91 II. Der Zugang...................................................................................................................... 92 1) Der Zugang verkörperter Erklärungen unter Abwesenden......................................... 92 2) Der Zugang einer verkörperten Erklärung unter Anwesenden................................... 96 3) Der Zugang einer mündlichen Erklärung unter Anwesenden.................................... 96 4) Der Zugang einer mündlichen Erklärung unter Abwesenden.................................... 97 III. Die Einschaltung von Hilfspersonen............................................................................... 97 1) Vertreter: § 164 I, III.................................................................................................. 97 2) Erklärungsboten und Empfangsboten......................................................................... 97 IV. Der Widerruf der Erklärung gemäß § 130 I 2................................................................. 98 § 17 Die Inhaltskontrolle des Rechtsgeschäfts: §§ 134 – 138.................................................... 99 I. Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz gemäß § 134........................................................ 99 1) Die Verbotsgesetze..................................................................................................... 99 2) Die Nichtigkeitsfolge.................................................................................................. 99 II. Die Verfügungsbeschränkungen der §§ 135 – 137....................................................... 100 1) Absolute Verfügungsbeschränkungen...................................................................... 100 2) Relative Verfügungsbeschränkungen....................................................................... 101 3) Das rechtsgeschäftliche Verfügungsverbot des § 137.............................................. 102 III. Die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 138 I............................................. 102 1) Der Begriff der Sittenwidrigkeit............................................................................... 102 2) Die Ermittlung der Sittenwidrigkeit......................................................................... 103 3) Fallgruppen............................................................................................................... 104 4) Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit............................................................................. 105 5) Schadensersatzansprüche bei Sittenverstoß.............................................................. 106 IV. Der Wucher des § 138 II............................................................................................... 106 1) Die objektive Komponente....................................................................................... 106 2) Die subjektive Komponente..................................................................................... 107 3) Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit............................................................................. 107 § 18 Teilnichtigkeit, Umdeutung und Bestätigung eines Rechtsgeschäfts............................. 108 I. Die Teilnichtigkeit des § 139........................................................................................ 108 1) Die Voraussetzungen................................................................................................ 108 2) Die Folgen der Teilnichtigkeit.................................................................................. 108 II. Die Umdeutung eines Rechtsgeschäfts gemäß § 140.................................................... 109 III. Die Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 141...................................... 110 § 19 Die Auslegung..................................................................................................................... 111 I. Die Prüfungsreihenfolge in Ihrer Klausur..................................................................... 111 II. Empfangsbedürftige Erklärungen – nicht empfangsbedürftige Erklärungen................ 112 1) Die Auslegung empfangsbedürftiger Erklärungen................................................... 112 2) Die Auslegung nicht empfangsbedürftiger Erklärungen.......................................... 113 III. Die Auslegung formbedürftiger Erklärungen................................................................ 114 1) Die Auslegung.......................................................................................................... 114 2) Die Formwirksamkeit des durch Auslegung ermittelten Willens............................. 114 Index................................................................................................................................................... 116 IV www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 1 Die Entstehungsgeschichte des BGB 1. Teil: Grundbegriffe des Zivilrechts § 1 Die Entstehungsgeschichte des BGB I. Die Entwicklung des Zivilrechts bis zum Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 1) Bis zur Schaffung des BGB war das Recht in Deutschland über die Jahrhunderte hinweg zersplittert. In manchen Ländern war das Zivilrecht umfassend kodifiziert (z.B. Codex Maximilianeus Bavaricus von 1756 in Bayern, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794) , in anderen Ländern galt Partikularrecht, in einigen linksrheinischen Gebieten und in Baden der dort übernommene Code Civil von 1804. Das aus dem corpus iuris civilis des oströmischen Kaisers Iustinian (527 - 565) im 15. und 16. Jahrhundert rezipierte römische Recht wurde zwar auf die damaligen Verhältnisse zugeschnitten, galt aber in Form des „Gemeinen Rechts“ nur subsidiär und konnte daher die Rechtszersplitterung nicht verhindern. 2) Nach dem Sieg über Napoleon in den Befreiungskriegen 1813 - 1815 entbrannte eine Debatte in Deutschland, ob weiterhin die partikulären Rechtsordnungen gelten sollten oder ob man nicht nach dem Vorbild des Code Civil das Zivilrecht für das gesamte Deutschland kodifizieren sollte. Bereits im Jahre 1814 forderte der Heidelberger Rechtsgelehrte Thibaut in seiner Schrift ”Über die Notwendig- keit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland” ein in allen deutschen Staaten geltendes allgemeines deutsches Bürgerliches Gesetzbuch, doch war dafür die Zeit noch nicht reif; insbesondere Savigny wies diese Forderung in seiner Schrift ”Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtsprechung” im gleichen Jahr zurück, indem er dem durch Wissenschaft und Rechtsprechung auf der Basis des römischen Rechts entwickelten Gewohnheitsrecht den Vorzug vor dem geschriebenen Gesetz gab. Savigny ging sogar so weit, zu behaupten, dass niemand zu dieser Zeit ein wirkliches gutes Gesetzbuch schaffen könne und versuchte, dies anhand der damals bereits bestehenden Gesetzeswerke des Allgemeinen Preußischen Landrechts und des Code Civil nachzuweisen. ”Wir werden entweder gar keine juristische Literatur haben oder eine so flache, fabrikmäßige, unerträgliche, wie sie uns unter der Herrschaft des Code Civil zu überschütten angefangen hatte. Es könnte leicht kommen, dass der Zustand des bürgerlichen Rechts bei uns schlechter als in Frankreich sein würde, denn das Bestreben nach wissenschaftlicher Begründung gehört nicht zu den nationalen Bedürfnissen der Franzosen, wohl aber zu den unsrigen.” 3) Die einheitliche Kodifikation des Zivilrechts war aber im 19. Jahrhundert auf Dauer nicht aufzu- halten, da insbesondere im Bereich des Handels die Zersplitterung des Rechts als störend empfunden wurde, weil der Handel selbstverständlich über die Ländergrenzen hinweg erfolgte. Zusätzlich be- dingt durch das Streben nach nationaler Einheit wurde daher der Ruf nach einer Vereinheitlichung des Rechts immer lauter. Da aber der Deutsche Bund keine Gesetzgebungsgewalt hatte, konnte eine Vereinheitlichung des Rechts zunächst nur durch inhaltlich gleichlautende Gesetze der Einzelstaaten des Bundes erfolgen; auf diesem Weg entstand 1848 die Allgemeine Deutsche Wechselordnung und 1861 das Allgemeine Deutsche Handelsbuch, die jeweils für das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes galten. 4) Auch nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 sah die Reichsverfassung Bismarcks nur für bestimmte Teile des Privatrechts (Handelsrecht, Wechselrecht, Obligationsrecht = Schuldrecht) eine Gesetzgebungskompetenz des Reiches vor, so dass für eine vollständige Vereinheitlichung des Zivilrechts zunächst einmal die verfassungsrechtliche Grundlage in Form einer nationalen Gesetz- gebungskompetenz des Reiches geschaffen werden musste. Aufgrund der entsprechenden Anträge der Abgeordneten Miquel und Lasker wurde im Jahre 1873 die Gesetzgebungskompetenz des Reiches auf das gesamte Zivilrecht erweitert. Eine aus 5 Mitgliedern bestehende Vorkommission entwickelte im Jahre 1874 einen Vorentwurf des BGB, der bereits basierend auf der Struktur von pandektenwissenschaftlichen Lehrbüchern eine Unterteilung in 4 Bücher und eine Voranstellung eines Allgemeinen Teils vorsah. www.al-online.de – BGB AT 1 1 § 1 Die Entstehungsgeschichte des BGB Harald Langels: BGB AT 1 a) Im gleichen Jahr wurde eine 1. Kommission eingesetzt, die aus 11 Juristen bestand: 6 Richter, 3 Ministerialbeamte und 2 Professoren, unter ihnen Bernhard Windscheid, der in Leipzig römisches Recht lehrte und dessen Lehrbuch über das römische Pandektenrecht die damalige Rechtswissenschaft stark beeinflusste. Nach 13 Jahren war im Jahre 1888 der „Erste Entwurf“ fertig gestellt, der 5 Bücher eines Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie die Begründungen in weiteren 5 Bänden (= Motive) enthielt. Kritik kam aus nahezu allen Richtungen: Zum einen wurde die sprachliche Darstellung gerügt (die Kommission bestand ausschließlich aus Juristen...), zum anderen, dass der Entwurf zu stark durch das römische Recht geprägt und daher ”undeutsch” sei; im übrigen sei der Schutz der sozial Schwächeren zu kurz gekommen. b) Auf diese Kritik hin wurde 1890 eine 2. Kommission unter Federführung von Gottlieb Planck eingesetzt, der nicht nur Juristen, sondern auch Nationalökonomen sowie Vertreter von Wirtschaftsverbänden angehörten. Diese 2. Kommission legte 1895 einen 2. Entwurf vor, der zwar das deutsche Recht stärker berücksichtigte, aber mit der Grundkonzeption des 1. Entwurfs weitestgehend identisch war und aufgrund seines hohen Abstraktionsgrades auch nicht verständlicher war. Die Beratungen wurden in 7 Bänden (= Protokolle) zusammengefasst. c) Der Bundesrat nahm insbesondere im Vereinsrecht einige Änderungen vor; im Jahre 1896 wurde dieser 3. Entwurf als „Reichstagsvorlage“ gemeinsam mit einer Denkschrift des Reichsjustiz- amtes dem Reichstag vorgelegt. Mit einigen Änderungen wurde dieses Gesetz im Jahre 1896 vom Reichstag angenommen, vom Bundesrat gebilligt, vom Kaiser ausgefertigt und im Reichsgesetzblatt veröffentlicht. Das BGB trat am 1. 1. 1900 in Kraft und gilt mit den im Laufe der Zeit erfolgten Änderungen gemäß den Art. 123, 125 Nr. 1 GG als Bundesrecht fort. d) Die Entwürfe, Motive und Protokolle haben mit dem Inkrafttreten des BGB ihre Bedeutung nicht verloren, sondern sind auch heute noch bei der historischen Auslegung des Gesetzes heranzuziehen. Diese Materialien sind bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, in 5 Bänden jeweils nach den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen geordnet. 5) Gemeinsam mit dem BGB wurde auch die Grundbuchordnung (GBO), das Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken (ZVG) und das Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) in Kraft gesetzt; die Zivilprozessordnung (ZPO), das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die Konkursordnung (KO; am 1.1. 1999 abgelöst durch die InsO) wurden in erheblichem Umfang geändert. Das HGB war bereits im Jahre 1897 im Vorgriff auf das neue BGB geändert worden. Wie jedes andere Gesetz auch spiegelt das BGB den Geist der Zeit wider, in der es entstand. Rechtspositivistischem Denken folgend versucht es, möglichst jeden Sachverhalt durch eine eigene Gesetzesnorm zu erfassen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden abstrakte Begriffssysteme gebildet, die allerdings auf Kosten der Verständlichkeit gehen. Zugleich ist das BGB Ausdruck der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse des Deutschen Kaiserreichs. Das mit der Schaffung des BGB verfolgte Ziel bestand in der Vereinheitlichung des Zivilrechts, nicht aber in einer Reform des bestehenden Rechts oder der gesellschaftlichen Verhältnisse. So wird das Vermögensrecht, unter dem Einfluss des Wirtschaftsliberalismus stehend, durch die Freiheit des Eigentums und die Vertrags- Gewerbe- und Testierfreiheit als Ausfluss der Privatautonomie geprägt. Sozialpolitische Belange wie der Schutz der sozial Schwächeren treten dahinter zurück; Härtefälle werden entweder nur vereinzelt über die §§ 315, 343, 616 - 619 oder über die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit der §§ 138, 826 und Treu und Glauben gemäß § 242 korrigiert. 2 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 1 Die Entstehungsgeschichte des BGB II. Die Entwicklung des BGB seit seiner Entstehung Die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen des 20. Jahrhunderts haben natürlich auch das Zivilrecht erfasst, jedoch nicht alle Bereiche des BGB in gleichem Maße. 1) BGB AT a) Innerhalb des AT ist die Altersgrenze der Volljährigkeit und damit der Beginn der unein- geschränkten Geschäftsfähigkeit von 21 auf 18 Jahre gesenkt worden. b) Die gesetzlichen Pressionen der §§ 43 III, 61 II BGB gegen Vereine mit politischer Zielsetzung sind seit deren verfassungsrechtlicher Anerkennung in Art. 9 GG aufgehoben worden. Zuvor befanden sich Vereine in einem Dilemma: Sie konnten ihre Rechtsfähigkeit nur durch Eintragung ins staatliche Vereinsregister erreichen, standen dann aber unter der Kontrolle des Staates; ohne diese Eintragung wurden sie als nicht eingetragene und damit nicht rechtsfähige Vereine durch § 54, 1 den Regeln der BGB-Gesellschaft unterworfen, mit der Folge, dass der nicht eingetragene Verein nicht rechtsfähig und daher auch nicht grundbuchfähig war; ferner würden alle Mitglieder des Vereins als Gesellschafter für die Verbindlichkeiten des nicht eingetragenen Vereins gesamt- schuldnerisch gemäß den §§ 421, 427 haften. Zwar hat sich auch heute noch nichts am Wortlaut des § 54, 1 geändert, doch haben Rechtsprechung und Lehre den nicht eingetragenen Verein weitestgehend dem e.V. gleichgestellt. c) Innerhalb der Rechtsgeschäftslehre hat sich durch die richterrechtlich entwickelte Lehre von der culpa in contrahendo (jetzt: §§ 311 II, 241 II, 280 I 1) und durch die Ausdehnung der Rechtsscheins- und Vertrauenshaftung (z.B. Anscheins- und Duldungsvollmacht) die Haftung derjenigen verschärft, die durch ihr Auftreten im Rechtsverkehr Vertrauen für sich in Anspruch genommen und anderen dadurch einen Schaden zugefügt haben. d) Durch die Anerkennung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage (jetzt: § 313) kann bei der Veränderung von äußeren Umständen, die nicht in den Risikobereich einer Partei fallen, eine Vertragsanpassung bzw. eine Vertragsauflösung verlangt werden, wenn ein Festhalten am Vertrag zu unveränderten Bedingungen der einen Seite nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann. 2) Schuldrecht a) Im Schuldrecht wurden durch eigenständige Rechtsinstitute wie das der positiven Forderungs- verletzung (jetzt: § 280 I 1) und des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte Haftungsumfang und geschützter Personenkreis erweitert. b) Überwiegend durch Sondergesetze wurden Konsumentenschutzbestimmungen durch Verän- derungen im Mietrecht, durch das AGBG, das HaustürgeschäftewiderrufsG und das VerbrKrG verankert. c) Das Reisevertragsrecht der §§ 651 a - k überlagert die Bestimmungen des Werkvertrags, die Vorschrift des § 611 a stellt Mann und Frau am Arbeitsplatz einander gleich. www.al-online.de – BGB AT 1 3 § 1 Die Entstehungsgeschichte des BGB Harald Langels: BGB AT 1 d) Im Deliktsrecht schützt § 823 I nunmehr auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wobei sich durch die Durch- brechung des § 253 und die Zubilligung von Schmerzensgeld bei Verletzung des Persönlichkeits- rechts auch der Haftungsumfang vergrößert hat. Die deliktische Haftung des Herstellers wurde durch eine partielle Beweislastumkehr im Rahmen der verschuldensabhängigen Produzenten- haftung und durch das Produkthaftungsgesetz wesentlich erweitert. e) Die Mietrechtsreform hat 2001 die Zersplitterung des Mietrechts beseitigt. Das neue Schadens- ersatzrecht vom 01.08.2002 hat die Haftungshöchstgrenzen der Gefährdungshaftung hoch gesetzt und vor allem die Zahlung von Schmerzensgeld in den Allgemeinen Teil des Schuldrechts verlagert mit der Folge, dass Schmerzensgeld unabhängig von der Wahl der Anspruchsgrundlage geschuldet wird. Vor allem aber hat sich das Schuldrecht natürlich durch die Schuldrechtsreform verändert: Das Recht der Leistungsstörungen wurde insbesondere durch die Schaffung von Generalklauseln und Verweisungsvorschriften vereinfacht, das Rücktrittsrecht neu geregelt, Konsumentenschutzgesetze wie das AGB-Gesetz, das Haustür- geschäftswiderrufsgesetz oder das Verbraucherkreditgesetz ins BGB integriert sowie der Verbraucherschutz durch Sonderregeln verbessert. 3) Sachenrecht Das Sachenrecht hat sich durch die ErbbRVO und durch die Schaffung von Wohnungseigentum durch das WEG verändert, da durch das WEG die §§ 93, 94 durchbrochen werden: Der Allein- eigentümer einer Wohnung muss nicht mehr Alleineigentümer des Grundstücks sein; dadurch wurde breiten Kreisen der Bevölkerung die Schaffung von Wohnungseigentum ermöglicht. Durch Richter- recht wurden das Sicherungseigentum gemäß den §§ 929, 930 trotz des Konfliktes mit dem Publizitätsprinzip sowie das Anwartschaftsrecht anerkannt. 4) Familienrecht Das Familienrecht ist umfassend reformiert worden. Durch das EheG von 1938 wurden die Vor- schriften über die Eheschließung ausgegliedert, durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 die Ehefrau dem Ehemann in ihren Rechten gleichgestellt. Das ehemalige Scheidungsrecht wurde durch das Ehereformgesetz von 1977 grundlegend verändert, Unterhaltspflichten durch das Unterhalts- änderungsgesetz reformiert. Nichteheliche Kinder werden seit 1969 durch das NichtehelichenG sowie durch die Familienrechtsreform im Jahre 1998 den ehelichen Kindern weitestgehend gleichgestellt. Die Entmündigung Volljähriger ist durch das Betreuungsgesetz von 1992 zugunsten einer Betreuung abgeschafft worden. Die Haftung Minderjähriger ist 1999 durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz (§§ 1629 a, 1990 ff.) beschränkt worden. Die rechtliche Stellung von – in der Regel – homosexuellen – Lebenspartnern ist durch das Lebens- partnerschaftsgesetz gestärkt worden. Die Neuregelung des Familienrechts durch das FamFG betrifft vor allem Fragestellungen des Unterhaltsrechts sowie Verfahrensfragen. 5) Erbrecht Das Erbrecht wurde vor allem durch die Änderungen des Familienrechts beeinflusst: Die Gleich- stellung nichtehelicher Kinder beeinflusste die gesetzliche Erbfolge ebenso wie der nunmehrige gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft in § 1371. Dies hatte gleichzeitig Konsequenzen für das Pflichtteilsrecht der §§ 2303 ff.. 4 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 2 Bürgerliches Recht und Privatrecht § 2 Bürgerliches Recht und Privatrecht I. Privatrecht / Öffentliches Recht Das Privatrecht (= Zivilrecht) ist im Gegensatz zum öffentlichen Recht der Teil des Rechts, bei dem sich die beteiligten Personen auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Selbstbestimmung gleichgeordnet gegenüberstehen. Demgegenüber regelt das öffentliche Recht die Beziehung des Staates zum Bürger sowie das Verhältnis der verschiedenen Organe des Staates untereinander. Es muss daher als grundlegende Weichenstellung in der gesamten Rechtsordnung zunächst einmal zwischen dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht unterschieden werden. Diese Unterscheidung ist vor allem für den Rechtsweg von Bedeutung, den die Beteiligten bei Rechtsstreitigkeiten einschlagen müssen (detailliert dazu Langels, ZPO § 3): Gemäß § 13 GVG werden bürgerlichrechtliche Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten (AG, LG, OLG, BGH) ausgetragen. Nach § 40 VwGO werden öffentlichrechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art vor den Verwaltungsgerichten geführt, wenn keine ausdrückliche anderweitige Zuweisung erfolgt. Bei der Abgrenzung zwischen dem Zivilrecht und dem öffentlichen Recht ist das öffentliche Recht nicht bereits allein deshalb anwendbar, weil eine Person des öffentlichen Rechts tätig geworden ist, da auch der Staat fiskalische Hilfsgeschäfte tätigt, um öffentliche Aufgaben erfüllen zu können (z.B. Arbeitsverträge schließt, Büroflächen mietet). Ob der Staat öffentlichrechtlich oder privatrechtlich handelt, hängt also nicht davon ab, ob er öffentliche Aufgaben erfüllt, sondern davon, wie er dabei vorgeht. Der Staat kann aufgrund der ihm zukommenden Staatsgewalt hoheitliche Machtmittel einsetzen, also öffentliche Gewalt ausüben. Die intensivste Form dieser Ausübung hoheitlicher Gewalt finden wir im Strafrecht, wo der Staat als Inhaber des Strafmonopols das Recht hat, Sanktionen über die seiner Staatsgewalt unterworfenen Bürger zu verhängen. Auch außerhalb des Strafrechts ist der Bürger der staatlichen Gewalt unterworfen (z.B. im Polizeirecht, Baurecht, Steuerrecht), wobei der Staat hier typischerweise durch Verwaltungsakt handelt. Das Privatrecht ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die beteiligten Personen gleichgeordnet gegenüberstehen. Übt der Staat keine hoheitliche Gewalt aus, sondern gibt er Willenserklärungen ab, z.B. um Verträge zu schließen, so wird er privatrechtlich tätig. Bei der Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Zivilrecht werden im Wesentlichen die folgenden Theorien vertreten: 1) Nach der Interessentheorie (Ulpian, Digesten 1, 1, 1) handelt es sich um öffentliches Recht, wenn öffentliche Interessen betroffen sind. An der Interessentheorie wird kritisiert, dass Teile des Privatrechts wie z.B. das Grundbuchrecht, das Ehe- und Familienrecht oder ein ausgewogenes Miet- und Arbeitsrecht auch öffentliche Interessen wahren, aber zweifellos dem Privatrecht angehören; auf der anderen Seite müssen auch im öffentlichen Recht die Interessen des einzelnen gewahrt werden. 2) Nach der Subjektionstheorie handelt es sich um öffentliches Recht, wenn zwischen dem Staat und dem beteiligten Bürger in der betreffenden Situation ein Über-Unterordnungsverhältnis besteht. www.al-online.de – BGB AT 1 5 § 2 Bürgerliches Recht und Privatrecht Harald Langels: BGB AT 1 Gegen die uneingeschränkte Anwendung dieser Theorie spricht aber, dass auch im Verhältnis von Eltern zu ihren minderjährigen Kindern oder bei Beschlüssen eines Vereins, die das einzelne Mitglied binden, ein vergleichbares Über-Unterordnungsverhältnis besteht; im Übrigen können auch im Bereich des öffentlichen Rechts gleichgeordnete Beteiligte einander gegenübertreten. Beispiel: 2 Bundesländer treffen die Vereinbarung, dass sie gegenseitig das jeweilige Abitur des anderen Landes anerkennen. 3) Nach der Subjektstheorie gilt öffentliches Recht, wenn sich der Staat gerade in seiner Eigen- schaft als Hoheitsträger an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt hat bzw. der Staat gerade die ihm vorbehaltenen Gestaltungsmittel des öffentlichen Rechts benutzt; unterstellt der Staat sein Handeln dem für alle geltenden Recht, so gilt Privatrecht (BGHZ 102, 280, 283). Als Kontrollüberlegung kann man sich daher fragen, ob eine derartige Vereinbarung mit identischem Inhalt auch unter 2 Privatpersonen denkbar gewesen wäre. Es handelt sich also dann um eine öffentlichrechtliche Norm, wenn ihr Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger hoheit- licher Gewalt ist. Beispiele: Verkauft der Staat an den Käufer ein Grundstück, so handelt es sich um einen privatrechtlichen Vorgang, der den §§ 433, 311 b I folgt. Beantragt der Käufer eine Baugenehmigung, so gilt öffentliches Recht, weil der Staat jetzt durch einen Verwaltungsakt und damit hoheitlich handelt. II. Bürgerliches Recht und Sonderprivatrecht 1) Bürgerliches Recht Das bürgerliche Recht ist der Teil des Privatrechts, der für jedermann gilt. Während früher das bürgerliche Recht mit dem Privatrecht deckungsgleich war, haben sich in der letzten Zeit zahlreiche Materien für bestimmte Personengruppen und bestimmte Situationen herausgebildet, deren rechtliche Normen nicht für jedermann gelten, sondern nur für die Mitglieder dieser Gruppierungen (z.B. HGB / Kaufleute) bzw. für diejenigen, die sich in einer bestimmten Situation befinden (z.B. einen Wechsel (WG) oder Scheck (ScheckG) ausgestellt haben. Man spricht daher von Sonderprivatrechten, die das bürgerliche Recht des BGB ergänzen und überlagern. 2) Sonderprivatrecht a) Das Handelsrecht ist das Sonderrecht der Kaufleute. So wird im HGB zunächst durch die Definition des Kaufmannsbegriffs der Anwendungsbereich festgelegt, also die Zielgruppe derer, für die das HGB gilt. Es folgen Regeln über das Handelsregister und die Firma, also den Namen, unter dem Kaufleute am Rechtsverkehr teilnehmen. Prokura und Handlungsvollmacht sind Sonder- formen der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht und überlagern die §§ 164 ff. BGB. Ferner enthält das HGB Bestimmungen über die Personengesellschaften (OHG, KG, Stille Gesellschaft), während die Kapitalgesellschaften in eigenständigen Gesetzen (GmbHG, AktG) geregelt sind. b) Das Wirtschaftsrecht ist das Sonderprivatrecht der gewerblichen Wirtschaft und umfasst z.B. das Wettbewerbsrecht (UWG, GWB). c) Das Immaterialgüterrecht ist das Recht der Urheberrechte und der gewerblichen Schutz- rechte (UrheberrechtsG, PatentG, GebrauchsmusterG). d) Das Arbeitsrecht ist das Recht der unselbständigen, abhängigen Arbeitnehmer. Diese werden über die §§ 611 ff. BGB hinaus durch Sondergesetze wie das KSchG, das MutterschutzG und das BundesurlaubsG geschützt. 6 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 2 Bürgerliches Recht und Privatrecht 3) Das Verhältnis des BGB zum Sonderprivatrecht Das bürgerliche Recht des BGB enthält gerade in den ersten 3 Büchern des BGB die Regeln, die auch in den jeweiligen Bereichen des Sonderprivatrechts gelten, wenn sie nicht durch besondere Rechtsinstitute verdrängt werden, die der jeweiligen spezifischen Situation besser gerecht werden. Beispiele: 1) Auch ein Gesellschaftsvertrag, der zur Gründung einer OHG oder KG (§§ 105 ff.; 161 II HGB) führt, wird nach den Regeln geschlossen, die das BGB für das Zustandekommen von Verträgen vorsieht, also gemäß den §§ 145 ff. BGB. Hat sich einer der Gesellschafter verpflichtet, ein Grundstück in die Gesellschaft einzubringen, so muss der Ge- sellschaftsvertrag gemäß § 311 b I BGB notariell beurkundet werden; die Übereignung folgt den §§ 873, 925 BGB. Ficht jedoch einer der Gesellschafter die Willenserklärung an, durch die er der Gesellschaft beigetreten ist, so passt die „normale“ Rückwirkungsfiktion des § 142 I BGB nicht mehr zu dieser spezifischen Situation des Gesellschafts- rechts: Eine Gesellschaft, die bereits Gesellschaftsvermögen gebildet hat oder die bereits seit geraumer Zeit am Rechtsgeschäftsleben teilnimmt, kann nicht mit rückwirkender Kraft aufgelöst werden; zum Schutz außenstehender Dritter kann nicht so getan werden, als ob es die Gesellschaft niemals gegeben hätte. Hier wird das BGB durch die Sonderregeln über die fehlerhafte Gesellschaft überlagert (dazu detailliert unten § 23 IV 2). 2) Wenn sich ein Kaufmann verbürgt, so folgt die Bürgschaft den Regeln der §§ 765 ff. BGB, da das HGB keine eigenständige Form der Bürgschaft kennt. Die Regeln der §§ 765 ff. BGB werden allerdings durch die §§ 349, 350 HGB überlagert, so dass die Bürgschaftserklärung eines Kaufmannes entgegen § 766, 1 BGB mündlich erfolgen kann und dem Bürgen die Einrede der Vorausklage des § 771 BGB von Haus aus nicht zusteht. 3) Bei einem beiderseitigen Handelskauf folgt der zwischen Verkäufer und Käufer geschlossene Kaufvertrag den Regeln der §§ 433 ff. BGB: Auch hier kann der Käufer innerhalb der Frist des § 438 BGB bei mangelhafter Kaufsache gemäß § 437 Nr. 2 zurücktreten oder mindern. Im Gegensatz zu einem Privatmann muss sich aber der Kaufmann gemäß §§ 377 HGB seine Gewährleistungsrechte dadurch erhalten, dass er die gelieferte Ware unverzüglich untersucht und festgestellte Mängel unverzüglich rügt, da ansonsten die gelieferte Ware als vom Käufer als erfüllungstauglich genehmigt gilt. Die Definition des „unverzüglich“ i.S.d. § 377 HGB ergibt sich aber wiederum aus § 121 BGB. Der Unterschied zwischen dem bürgerlichen Recht des BGB und dem Sonderprivatrecht zeigt sich auch in der Gerichtsorganisation und im gerichtlichen Verfahrensablauf: Für Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen sind nicht die ordentlichen Gerichte (AG, LG, OLG, BGH), sondern gemäß § 2 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig. Arbeitsgerichte sind bundes- rechtlich bestellte, neben den ordentlichen Gerichten selbständige Gerichte. Im Arbeitsgericht wirken neben dem Berufsrichter noch 2 Laienrichter mit, von denen einer aus dem Kreis der Arbeitgeber, der andere aus dem der Arbeitnehmer stammt. Im Verfahren vor den Arbeits- gerichten gelten die Regeln des ArbGG, das die ZPO überlagert. Beispiel: Entgegen § 91 ZPO hat im Arbeitsgerichtsprozess die obsiegende Partei gemäß § 12 a ArbGG keinen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten. In Handelssachen werden bei den Landgerichten gemäß § 93 GVG Kammern für Handels- sachen gebildet, die mit einem Berufsrichter und 2 ehrenamtlichen Richtern, den Handelsrichtern, besetzt sind. Die Handelsrichter stammen aus dem kaufmännischen Bereich und bringen ihre Kenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge und der Handelsbräuche in den Rechtsstreit ein. Die Kammer für Handelssachen und die Zivilkammer sind gleichrangige Spruchkörper. Die Zuweisung zur KfH erfolgt nur, wenn der Kläger dies nach § 96 GVG oder der Beklagte dies nach § 98 GVG beantragt. Im Wechsel- und Scheckrecht kann der Kläger gemäß den §§ 602 - 605 a ZPO einen Wechsel- und Scheckprozess führen, bei dem das Gesetz den Beweis erleichtert (§ 605 I ZPO) und die Ladungsfrist nach § 604 II ZPO verkürzt (dazu Langels, ZPO § 20). www.al-online.de – BGB AT 1 7 § 3 Die Struktur des BGB Harald Langels: BGB AT 1 § 3 Die Struktur des BGB Um die Paragraphenflut des BGB nicht ausufern zu lassen, hat der Gesetzgeber wie auch im Strafrecht (§§ 1 - 79 b StGB) und in der Zivilprozessordnung (§§ 1 - 252 ZPO) allgemein geltende Regeln und Begriffe vor die Klammer besonders geregelter Lebenssachverhalte gezogen. Die Besonderheit der jeweiligen Situation kann aber Sonderregeln erforderlich machen, die den allgemeinen Regeln vorgehen. Beispiel: Die in den §§ 195 ff. genannten Regeln über die Verjährung gelten für alle Arten von Ansprüchen, sofern nicht besondere Regelungen (z.B.: §§ 438, 634 a) diese allgemeinen Regeln verdrängen. I. Der AT des BGB: §§ 1 - 240 Der AT des BGB enthält in den §§ 1 - 240 Begriffe und Regeln, die nicht nur für alle anderen Bücher des BGB gelten, sondern auch das gesamte Privatrecht erfassen, wenn sie nicht durch Sonderregeln verdrängt werden (z.B. Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, s.o.). Der AT des BGB ist also der AT des gesamten Zivilrechts! 1) Personen: §§ 1 - 89 Der AT beginnt in den §§ 1 - 89 mit den Personen als den Trägern von Rechten und Pflichten. Diesen Rechtssubjekten werden die Rechtsobjekte zugeordnet: Sachen haben einen oder mehrere Eigen- tümer, die Forderung wird einem Gläubiger zugeordnet. Diese Person ist das Rechtssubjekt. Dabei unterscheidet der AT noch einmal zwischen den Menschen als den natürlichen Personen der §§ 1 ff., die mit der Geburt Träger von Rechten und Pflichten werden können, und den juristischen Personen der §§ 21 ff., die ihre Rechtsfähigkeit erst durch die Eintragung in ein staatliches Register erlangen. 2) Sachen, Tiere, Rechte: §§ 90 - 103 In den §§ 90 - 103 folgen die Rechtsobjekte, auf die sich das Recht des Rechtssubjekts bezieht, wobei hier zwischen den (körperlichen) Sachen und den (unkörperlichen) Rechten unterschieden wird. 3) Rechtsgeschäfte: §§ 104 - 185 Das Kernstück des AT ist die Rechtsgeschäftslehre. Sie enthält Vorschriften über die Rechts- geschäfte, durch die die Parteien eine Rechtsfolge als Ausfluss ihrer Privatautonomie abhängig von ihrem Willen herbeiführen können. Wiederum werden die allgemeinen Regeln vor die Klammer der besonderen gezogen: Ausgehend von der Geschäftsfähigkeit der §§ 104 - 113 als Wirksamkeits- voraussetzung eines jeden Rechtsgeschäfts werden die Regeln über die Willenserklärung der §§ 116 - 144 (bewusste und unbewusste Willensmängel, Formvorschriften, Zugang, etc.) und den Vertrags- schluss (§§ 145 - 157) erläutert. Es folgen Vorschriften über die Bedingung und Zeitbestimmung (§§ 158 - 163), die Stellvertretung (§§ 164 - 181) und über Einwilligung und Genehmigung (§§ 182 - 185). Weitere Abschnitte des AT sind den Fristen und Terminen (§§ 186 -193), der Verjährung (§§ 194 - 225) sowie der Rechtsausübung (§§ 226 - 231) und der Sicherheitsleistung (§§ 232 - 240) gewidmet. 8 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 3 Die Struktur des BGB II. Das Schuldrecht: §§ 241 - 853 Das 2. Buch des BGB enthält das Recht der Schuldverhältnisse. Dabei definiert § 241 ein Schuld- verhältnis als das Recht des Gläubigers, von einem Schuldner ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Die aus einem Schuldverhältnis resultierenden Rechte können vertraglich begründet werden (vertragliche Schuldverhältnisse; z.B.: Kauf, Tausch, Miete, Leihe, Darlehen) oder durch ein rein tatsächliches Verhalten kraft Gesetzes entstehen (gesetzliche Schuldverhältnisse; GoA, ungerechtfertigte Bereicherung, unerlaubte Handlung). Wiederum hat der Gesetzgeber allgemeine Regeln über Schuldverhältnisse (1. - 7. Abschnitt) vor die Klammer der besonderen Schuldverhältnisse (8. Abschnitt) gezogen. So müssen sowohl die Pflichten aus vertraglichen Schuldverhältnissen als auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen nach den Regeln über die Erfüllung gemäß den §§ 362 ff. erfüllt werden. Der Schuldner kann mit der Erfüllung dieser Pflichten gemäß § 286 in Verzug geraten oder ihm kann die Erfüllung dieser Pflicht gemäß § 275 I unmöglich werden. Gemeinsames Merkmal aller Schuldverhältnisse ist dabei, dass Rechte und Pflichten grundsätzlich nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen bestehen können: Nur der Vertragspartner muss den Vertrag erfüllen, nur der Schädiger als deliktischer Schuldner den verursachten Schaden ersetzen. Das Schuldrecht enthält also relative Rechte der einen im Verhältnis zu einer anderen Person. III. Das Sachenrecht: §§ 854 - 1296 Das 3. Buch des BGB regelt das Sachenrecht und damit die rechtliche Beziehung einer (natürlichen oder juristischen) Person zu einer (beweglichen oder unbeweglichen) Sache. Kennzeichnend für das Sachenrecht ist, dass die dingliche Zuordnung einer Sache zu einer Person im Gegensatz zum Schuldrecht absolut ist und damit gegenüber jedermann wirkt. Die Trennung zwischen dem Schuldrecht und dem Sachenrecht beruht auf dem römischen Recht und der dort geltenden Unterscheidung zwischen dem (relativ wirkenden) ius in personam und dem (absolut wirkenden) ius in rem. Die Unterscheidung zwischen Schuldrecht und Sachenrecht darf aber nicht mit der Unterscheidung zwischen Verpflichtung und Verfügung verwechselt werden, da auch das Schuldrecht in Form von Aufrechnung gemäß § 387 und Abtretung gemäß § 398 Verfügungen über eine Forderung enthält! IV. Das Familienrecht: §§ 1297 - 1921 Das 4. Buch des BGB enthält das Familienrecht und regelt die rechtlichen Beziehungen eines Menschen zu seinem Verlobten, Ehegatten und seinen Verwandten sowie die gesetzliche Vertretung einer Person durch Bestellung eines Vormunds, Pflegers oder Betreuers. Familienrechtliche Vorschriften überlagern die des AT: So sind Verlöbnis und Eheschließung zwar Verträge, doch können die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen der Beteiligten als höchstpersönliche Erklärungen nicht durch Vertreter erfolgen. Das Familienrecht sieht für die Ehe- schließung zudem ein besonderes Verfahren vor, bei dem die Verlobten gemäß den §§ 1310, 1311 gegenüber einem Standesbeamten bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Partner ohne Bedingung und Zeitbestimmung erklären, dass sie einander heiraten wollen. Trotz arglistiger Täuschung über die Vermögensverhältnisse kann die Ehe entgegen § 123 I BGB gemäß § 1314 II Nr. 3 nicht aufgehoben werden. www.al-online.de – BGB AT 1 9 § 3 Die Struktur des BGB Harald Langels: BGB AT 1 V. Das Erbrecht: §§ 1922 - 2385 Das Erbrecht regelt als 5. Buch des BGB die vermögensrechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem Tod eines Menschen ergeben. Da der verstorbene Erblasser mit dem Tod seine Rechtsfähigkeit verloren hat und somit nicht mehr Träger von Rechten und Pflichten sein kann, müssen dessen Aktiva unter den durch Willkürakt bestimmten oder die gesetzlichen Erben verteilt werden, die allerdings aufgrund des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Erbenhaftung auch für die Nachlassverbindlichkeiten einstehen müssen. Auch im Erbrecht verdrängen an einigen Stellen die Sonderregeln des Erbrechts die des AT: So kann ein minderjähriger Erblasser auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gemäß § 2229 I bereits ab dem 16. Lebensjahr ein Testament errichten; gemäß § 2065 II kann entgegen den §§ 164 ff. die Bestimmung der durch ein Testament bedachten Person und des ihm zugewandten Gegenstandes nicht durch Dritte erfolgen. Auch die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung gemäß den §§ 2078 ff. weicht von den §§ 119 ff. ab, wobei insbesondere auch der Motivirrtum des Erblassers zur Anfechtung berechtigt. Bevor wir uns nun der Rechtsgeschäftslehre als dem Kernstück des AT zuwenden, wollen wir zunächst die Grundbegriffe des Zivilrechts erarbeiten, deren sichere Beherrschung nicht nur für das Verständnis des AT, sondern auch des gesamten Zivilrechts unerlässlich ist. Schenken Sie bitte diesen Grundbegriffen große Sorgfalt; Sie werden sehen, dass dies unsere weitere Arbeit sehr stark erleichtern wird. 10 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 4 Rechtssubjekt - Rechtsobjekt § 4 Rechtssubjekt - Rechtsobjekt Das BGB unterscheidet zwischen den Rechtsträgern als Rechtssubjekten in Form von natürlichen und juristischen Personen (§§ 1 - 89) und den Rechtsobjekten (§§ 90 - 103). I. Die Rechtssubjekte Die Rechtssubjekte sind als Rechtsträger jeweils die Inhaber der ihnen von der Rechtsordnung zugewiesenen Rechte. Man unterscheidet zwischen natürlichen und juristischen Personen. 1) Natürliche Personen Natürliche Personen sind alle lebenden Menschen unabhängig von ihrem Alter und ihrer Geschäftsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, beginnt nach § 1 BGB mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod. Auch ein neugeborenes Kind kann daher Träger von Rechten sein, was im Erbrecht von besonderer Bedeutung ist: Erbe kann nach § 1923 I nur sein, wer zur Zeit des Erbfalls lebt; also muss das Kind lebend zur Welt kommen. Ist dies der Fall, so wird das Kind Erbe und nach seinem Tod von seinen Eltern beerbt. Um bereits gezeugte, aber noch nicht geborene Kinder (gerade beim Tod des Vaters) im Verhältnis zu bereits lebenden Kindern nicht zu benachteiligen, gilt § 1923 II: Wer zur Zeit des Erbfalls bereits gezeugt, aber noch nicht geboren war, gilt als vor dem Erbfall geboren und kann daher Erbe sein, wenn er lebend zur Welt kommt. 2) Juristische Personen Juristische Personen erhalten die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, dadurch, dass der Gesetzgeber sie ihnen ausdrücklich zubilligt. Dabei erlangen die juristischen Personen des Privatrechts (Verein, GmbH, AG, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Genossenschaft) ihre Rechtsfähigkeit durch Eintragung in ein bei staatlichen Stellen geführtes Register (Vereinsregister, Handelsregister, Genossenschaftsregister). Die juristischen Personen sind zwar rechtsfähig (dem eingetragenen Verein gehört das Grundstück), jedoch nicht ohne weiteres handlungsfähig: Die rechtliche Handlungsfähigkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr erlangen die juristischen Perso- nen durch ihre Organe (z.B. der Verein durch seinen Vorstand). 3) ”Quasi”-juristische Personen Eine Mittelstellung nehmen die nach außen hin auftretende GbR, die Partnerschaft, die OHG und die KG als „quasi“-juristische Personen ein: Sie sind zwar keine juristischen Personen, können aber dennoch gemäß den §§ 124, 161 II HGB Träger von Rechten und Pflichten sein (die GbR, Partnerschaft, OHG / KG können Verbindlichkeiten begründen; die Gesellschaft schuldet / die Gesellschafter haften). www.al-online.de – BGB AT 1 11 § 4 Rechtssubjekt - Rechtsobjekt Harald Langels: BGB AT 1 II. Die Rechtsobjekte Rechtsobjekte sind die Gegenstände des Rechtsverkehrs, wobei man zwischen körperlichen und unkörperlichen Gegenständen unterscheiden kann. 1) Körperliche Gegenstände sind die Sachen der §§ 90 ff. (zur Unterscheidung von Sachen in Bestandteile und Zubehör vgl. Langels, Sachenrecht I § 1 IV). 2) Unkörperliche Gegenstände sind Rechte. Innerhalb der Rechte kann man nach der Person des Verpflichteten und nach dem Inhalt des Rechts unterscheiden: a) Die Person des Verpflichteten: aa) Absolute Rechte wirken gegen jedermann. Der Inhaber hat also einen gegenüber allen anderen wirkenden Anspruch darauf, die ihm zugewiesene Rechtsposition zu respektieren. Jeder Inhaber eines absoluten Rechts kann daher die Störung seines Rechts über § 1004 ab- wenden; Beschädigungen der Sache verpflichten nach § 823 I zum Schadensersatz, wenn dadurch das absolute Recht widerrechtlich und schuldhaft verletzt wird. Absolute Rechte sind: (1) Eigentum und die beschränkt dinglichen Rechte des Sachenrechts: Hypothek, Grund- schuld, Pfandrecht, Erbbaurecht, Dienstbarkeiten, Nießbrauch, Reallast. Die Befugnis des Eigentümers, ihm aus dem Eigentum heraus zustehende Rechte abzuspalten und auf Dritte zu übertragen, ist dabei auf eine begrenzte Anzahl von Typen beschränkt = numerus clausus der dinglichen Rechte. Andere dingliche Rechte als die nach dem Gesetz abschließend aufgezählten kann der Eigentümer nicht begründen (BVerfG NJW 1977, 2349 ff.). (2) Das Persönlichkeitsrecht des einzelnen: - Namensrecht i.S.d. § 12 - sonstiges Recht i.S.d. § 823 I bb) Relative Rechte bestehen gegenüber bestimmten einzelnen Personen. So wird ein Anspruch gemäß § 194 I als das Recht definiert, von einem anderen (= Schuldner) ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Der Inhaber eines Anspruchs kann gegen einen Dritten (der nicht Anspruchsgegner, also nicht Schuldner ist) nur ausnahmsweise vorgehen: nach § 816 I, wenn dieser durch wirksame Ver- fügung über den geschuldeten Gegenstand (z.B. §§ 929, 932 I; 873, 925, 892 I) etwas erlangt hat, oder nach § 816 II, wenn der Dritte durch Annahme der dem Gläubiger geschuldeten Leistung i.S.d. § 407 dem Gläubiger dessen Anspruch gegen seinen eigentlichen Schuldner entzieht. b) Der Inhalt der Rechte: aa) Herrschaftsrechte sind dingliche Rechte bezüglich der Herrschaft über einen Gegenstand auf Zeit oder auf Dauer. Sie gewähren eine von der Rechtsordnung inhaltlich ausgestaltete Zuweisung von Befugnissen, die durch die einzelne Rechtsposition eingeräumt werden. So darf der Eigentümer nach § 903 BGB mit der Sache nach Belieben verfahren, der Hypothekar das Grundstück bei Verwertungsreife gemäß § 1147 zwangsweise verwerten; der Inhaber eines Nießbrauchs die Sache gemäß § 1030 umfassend nutzen. 12 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 4 Rechtssubjekt - Rechtsobjekt bb) Aneignungsrechte gewähren ihrem Inhaber das Recht, sich unter dem Ausschluss aller anderen eine Sache anzueignen, so z.B. das Jagdrecht des Jagdpächters, das durch § 292 StGB auch strafrechtlich bewehrt ist. Hier wird der Aneignungsberechtigte gemäß § 958 I Eigentümer, wenn er eine bisher herrenlose Sache in Eigenbesitz nimmt. cc) Abwehrrechte können sich aus dem Namensrecht (§ 12), dem Besitz (§§ 861 ff.), dem Eigentum (§ 1004), dem Nießbrauch (§ 1065) und dem Pfandrecht (§ 1227) ergeben. dd) Gestaltungsrechte gewähren dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, einseitig auf ein bestehendes Recht einzuwirken. (1) Grundsätzlich hat der Inhaber die Möglichkeit, durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ohne erforderliche Mitwirkung der Gegenseite mit für diese bindender Wirkung ein Rechtsverhältnis umzugestalten (z.B. §§ 119 ff, 323, 346, 387, 620, 723). (2) In Ausnahmefällen muss wegen der besonderen Bedeutung des Rechtsverhältnisses (z.B. Ehe) und aus Gründen der Rechtssicherheit (z.B. Auflösung einer Gesellschaft, Ausschluss eines Gesell- schafters) die Umgestaltung durch richterlichen Gestaltungsakt (= Gestaltungsurteil) erfolgen: §§ 1564 ff. BGB; 133, 140 HGB. Das Rechtsverhältnis ist mit Rechtskraft des Urteils umge- staltet. -Klausurtipp: Beachten Sie, dass die Ausübung eines Gestaltungsrechts grundsätzlich unwiderruflich und bedingungsfeindlich ist, um eine Unsicherheit über die Umgestaltung des Rechtsverhältnisses zu verhindern. Eine Ausnahme besteht in Fällen, in denen der Eintritt der Bedingung allein vom Verhalten des Erklärungsgegners abhängt (= Potestativbedingung). Beispiel: Änderungskündigung: Die Kündigung wird nur wirksam, wenn sich der Erklärungsgegner nicht in einer bestimmten Weise verhält, z.B. in seinem Arbeitsbereich eine andere Tätigkeit nicht akzeptiert. ee) Ansprüche gewähren ihrem Inhaber nach § 194 ein subjektives Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Ansprüche können aus einem Rechtsverhältnis des Schuldrechts resultieren (z.B. §§ 433 I, II), aber auch aus dem Sachenrecht (z.B. §§ 985, 987, 989, 1007), dem Familienrecht (z.B. §§ 1353; 1361; 1378, 1601) oder dem Erbrecht (z.B. §§ 2018, 2023 - 2025; 2174) stammen. Der Bestand eines Anspruchs ist unabhängig davon, ob der Inhaber davon weiß und ob er diesen Anspruch geltend macht. Beispiel: Der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung bei mangelhafter Kaufsache besteht unabhängig davon, ob der Käufer den Mangel bereits erkannt hat. -Klausurtipp: Der Unterschied zwischen einem Recht und einem Anspruch zeigt sich bei der Verjährung: Gemäß § 194 verjährt der Anspruch, aber nicht das Recht selbst, aus dem sich der Anspruch ergibt (dazu unten § 6). www.al-online.de – BGB AT 1 13 § 5 Einwendungen und Einreden Harald Langels: BGB AT 1 § 5 Einwendungen und Einreden Vorbemerkung: Die Inanspruchnahme eines Schuldners setzt voraus:   Der Anspruch des Gläubigers muss entstanden sein.   Der Anspruch darf nach seiner Entstehung nicht untergegangen sein.   Der Anspruch muss zur Zeit der Inanspruchnahme des Schuldners noch durchsetzbar sein. Auf jeder einzelnen Stufe bestehen jedoch Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners, die dem Anspruch entgegengehalten werden können. Innerhalb dieser Verteidigungsmittel unterscheidet man zwischen Einwendungen und Einreden. I. Einwendungen Einwendungen sind Verteidigungsmittel des Schuldners, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, sobald sich ihr Vorliegen aus dem Tatsachenstoff ergibt, den die Parteien dem Gericht vorgetragen haben. Diese Einwendungen hat der Richter auch dann zu berücksichti- gen, wenn sich keine der Parteien auf sie beruft. -Klausurtipp: Beachten Sie aber bitte folgendes: Im Zivilprozess gilt die Verhandlungs- maxime, so dass die streitentscheidenden Tatsachen von den Parteien in den Prozess eingeführt werden müssen. Den Richter trifft also bezüglich möglicher Einwendungen keine Nach- forschungspflicht. Die Parteien müssen zumindest die Tatsachen in den Prozess einbringen, aus denen sich das Vorliegen einer Einwendung ergibt (dazu Langels, § 8 III ZPO). Innerhalb der Einwendungen müssen Sie wie folgt unterscheiden: 1) Rechtshindernde Einwendungen Rechtshindernde Einwendungen lassen den Anspruch des Gläubigers erst gar nicht entstehen. Zu den rechtshindernden Einwendungen zählen: – §§ 104 ff.: fehlende Geschäftsfähigkeit – § 116, 2: Kenntnis eines geheimen Vorbehalts – § 117, 1: Scheingeschäft – § 118: mangelnde Ernstlichkeit – §§ 119 ff.: Irrtumsanfechtung – § 125: Formmangel – § 134: Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot – § 138 I / II: Sittenwidrigkeit / Wucher – §§ 154, 155: Dissens – § 275 I: Anfängliche Unmöglichkeit -Klausurtipp: Da es sich um Ausnahmevorschriften handelt, trägt der in Anspruch genom- mene Schuldner im Zivilprozess die Beweislast für deren Vorliegen. In der Klausur sollten Sie rechtshindernde Einwendungen nur dann in Erwägung ziehen, wenn sich aus dem Sachverhalt An- haltspunkte für ihr Vorliegen ergeben. 14 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 5 Einwendungen und Einreden 2) Rechtsvernichtende Einwendungen Rechtsvernichtende Einwendungen lassen den ursprünglich wirksam entstandenen Anspruch nachträglich wieder untergehen. Dazu zählen: – § 362: Erfüllung – § 364 I: Annahme an Erfüllung Statt – § 372: Hinterlegung – § 387: Aufrechnung } Erfüllungssurrogate – § 275: Nachträglicher Ausschluss der Leistungspflicht – § 326 I: Wegfall der Gegenleistungsverpflichtung bei Ausschluss der Leistungspflicht gemäß § 275 – Rücktritt: – vertraglicher Rücktritt: § 346 – gesetzliches Rücktrittsrecht: §§ 323 I; 326 V – §§ 414, 415: privative (= befreiende) Schuldübernahme – § 818 III: nachträglicher Wegfall der Bereicherung II. Einreden Einreden ändern nichts daran, dass der Anspruch entstanden und noch nicht untergegangen ist (somit noch besteht); sie geben dem Schuldner lediglich das Recht, die Leistung zu verweigern. Einreden sind Verteidigungsmittel des Schuldners, auf die sich der Schuldner im Prozess berufen muss, da sie nicht von Amts wegen zu beachten sind. Beispiel: Selbst wenn sich aus dem Tatsachenvortrag des Klägers die Verjährung seines Anspruchs ergibt, wird der Beklagte zur Leistung verurteilt, wenn er sich nicht auf die Verjährungseinrede des § 214 I beruft. 1) Bezüglich der Wirkung der Einreden können wir wie folgt unterscheiden: a) Peremptorische Einreden schließen auf Dauer die Inanspruchnahme des Schuldners aus. Hat der Schuldner sich einmal auf eine peremptorische Einrede berufen, so wird im Prozess die Klage abgewiesen, da der Kläger seinen Anspruch auch in Zukunft nicht wird durchsetzen können und er die peremptorische Einrede nicht abwenden kann. Zu diesen peremptorischen Einreden zählen: – die Einrede der Verjährung: § 214 I – die Einrede der Mangelhaftigkeit: §§ 438 IV 2, 634 a IV 2 – die Einrede, die Verbindlichkeit sei ohne rechtlichen Grund eingegangen (sine causa): § 821 – die Einrede, der Gläubiger habe seine Forderung durch eine unerlaubte Handlung erlangt: § 853 – die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung: dolo agit – die Einrede der Haftungsbeschränkung: §§ 1990, 1991 III (Diese Einrede gilt auch im Rahmen der Haftungsbeschränkung Minderjähriger über § 1629 a!) b) Dilatorische Einreden können die Inanspruchnahme des Schuldners nicht auf Dauer verhin- dern, aber die Inanspruchnahme für einen bestimmten Zeitraum hemmen. Dazu zählen: – die Einrede der Stundung: § 202 – die Einrede des Zurückbehaltungsrechts: § 273 – die Einrede des noch (!) nicht erfüllten Vertrags: § 320 – die Einreden des Bürgen: – der Vorausklage: § 771 – der Anfechtbarkeit der Hauptverbindlichkeit: § 770 I – der Aufrechenbarkeit: § 770 II – die Einrede, der Hauptschuldner könne zurücktreten: § 770 I analog – die Einreden des Erben: – 3–Monats–Einrede: § 2014 – Einrede des Aufgebotsverfahrens: § 2015 www.al-online.de – BGB AT 1 15 § 5 Einwendungen und Einreden Harald Langels: BGB AT 1 2) Zivilprozessual sind im Rahmen der Einreden folgende Besonderheiten zu beachten: a) Die Einreden der §§ 273 und 320 ändern nichts an der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs, sondern bewirken nur eine Verurteilung des Beklagten Zug um Zug gegen die Erfüllung der dem Beklagten zustehenden Gegenansprüche. b) Gemäß § 780 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Haftungs- beschränkung der §§ 1990, 1991 nur geltend machen, wenn sie ihm auf seinen Antrag hin im Urteil vorbehalten ist. Der verklagte Erbe muss sich also bis zur letzten mündlichen Verhandlung auf die Haftungsbeschränkung berufen, um nicht endgültig uneingeschränkt auch mit seinem ursprünglichen Privatvermögen für die Nachlassverbindlichkeiten zu haften. c) Ist der Beklagte im Prozess nicht erschienen, so bleibt das Bestehen der Einrede unbeachtet, es sei denn, dass sich bereits aus dem Klägervortrag ergibt, dass der Beklagte sich in seinem vor- prozessualen Verhalten auf diese Einrede berufen hat. In diesem Fall wäre die Klage nicht schlüssig, so dass ein Versäumnisurteil gegen den säumigen Beklagten nicht ergehen kann. Beispiel: Der Beklagte hatte schon auf die 1. Mahnung des Klägers hin den Verjährungseinwand erhoben. Der Kläger trägt dies vor Gericht vor, hält aber den Verjährungseinwand wegen der Kürze der Verjährungsfrist fälschlicherweise für unzulässig. 3) Forderungen, denen eine dauerhaft wirkende (peremptorische) Einrede entgegensteht, werden streckenweise so behandelt, als ob die Forderung gar nicht bestünde: a) § 813 I: Hatte der Schuldner in Unkenntnis einer dauerhaft wirkenden Einrede an den Gläubiger geleistet, so kann er das Geleistete zurückfordern. Dies gilt gemäß § 214 II 1 allerdings nicht für die Einrede der Verjährung. b) §§ 1169, 1254: War für die mittlerweile verjährte Forderung eine Hypothek oder ein Pfand bestellt, so kann der Eigentümer des Grundstücks bzw. der verpfändeten beweglichen Sache gemäß § 1169 den Verzicht auf die Hypothek bzw. nach § 1254 Rückgabe der Pfandsache fordern, wodurch das Pfandrecht gemäß § 1253 erlischt. Auch hier führt die Verjährung als dauerhaft wirkende Einrede wiederum ein Eigenleben: Nach § 216 II 1 hindert die Verjährung der durch eine Hypothek oder Pfand gesicherten Forderung den Sicherungsnehmer nicht, sich aus der haftenden Sache zu befriedigen. Der Eigentümer der haftenden Sache muss also trotz verjährter Forderung den Gläubiger befriedigen, um die Verwertung der Sache zu verhindern. c) § 390: Mit einer Forderung, die aufgrund bestehender (dauerhaft oder zeitweise wirkender) Einreden nicht durchsetzbar ist, kann gegen eine andere Forderung nicht aufgerechnet werden. 4) -Klausurtipp zur terminologischen Unterscheidung: Im Zivilprozessrecht spricht man von Einreden, wenn der Beklagte über das bloße Bestreiten des Klägervortrags hinaus (”das stimmt doch alles gar nicht”) zusätzliche Tatsachen vorträgt, die der In- anspruchnahme entgegenstehen (”ich habe angefochten, ich habe erfüllt, aufgerechnet etc.”). Diese Tatsachen sind die Einreden der ZPO. Für das Bestehen dieser Einreden trägt der Beklagte, wie oben bereits erwähnt, die Beweislast. In der Terminologie des Zivilprozesses sind also sowohl rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen als auch rechtshemmende Einreden „Einreden“. Der Gegenbegriff zur zivilprozessualen „Einrede“ ist daher nicht die „Einwendung“, sondern das einfache Klageleugnen, das einfache Bestreiten des Anspruchs, ohne Gegenrechte vorzutragen. 16 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 6 Die Verjährung § 6 Die Verjährung Die Verjährung eines Anspruchs gewährt dem Schuldner gemäß § 214 I ein dauerhaft wirkendes Leistungsverweigerungsrecht. Nach § 194 I unterliegt dabei nur der Anspruch der Verjährung, nicht aber das Recht, aus dem sich der Anspruch ergibt. Beispiel: Dem Eigentümer E ist vor 35 Jahren ein wertvolles Bild durch den Dieb D gestohlen worden, der wegen § 937 II mangels Gutgläubigkeit auch nach 30 Jahren noch nicht durch Ersitzung Eigentum erwerben konnte. E ist daher immer noch Eigen- tümer des Bildes, doch ist sein aus dem Eigentum (Recht) folgender Herausgabeanspruch aus § 985 gemäß § 197 I Nr. 1 nach 30 Jahren verjährt. D kann daher dem Herausgabeanspruch des E aus § 985 die Verjährungseinrede entgegenhalten. Da sich der Herausgabeanspruch des § 985 aber gegen den jeweiligen Besitzer der Sache richtet, entsteht ein neuer Heraus- gabeanspruch mit einer eigenständigen Verjährung, wenn die Sache in die Hände eines neuen Besitzers gelangt. Hatte der Dieb die Sache an seinen Freund F verliehen, so kann E auch nach 35 Jahren Besitzverlust die Sache von F gemäß § 985 herausverlangen. Konsequenz: gestohlene Sachen weder vermieten noch verleihen! I. Die Funktion der Verjährung Die Verjährung des Anspruchs berechtigt den Schuldner gemäß § 214 I, die Befriedigung des Gläubigers zu verweigern. Es handelt sich um eine dauerhaft wirkende (peremptorische) Einrede. Der Anspruch besteht zwar noch und kann auch vom Schuldner erfüllt, aber gegen dessen Willen nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden. Da der Anspruch noch besteht, erlöschen akzessorische Sicherheiten gemäß § 216 II nicht. Der Gläubiger muss daher die ihm eingeräumten Sicherheiten nicht zurückgeben, sondern kann sich aus den Sicherheiten auch für die verjährte Forderung befriedigen und daher den Schuldner mittelbar zwingen, die Forderung trotz ihrer Verjährung zu erfüllen, um dies zu verhindern. Rechtshistorisch lässt sich die Funktion der Verjährung mit dem dadurch erzielten Rechtsfrieden erläutern. Es ist nicht der Sinn der Verjährung, dem Berechtigten sein Recht zu entziehen, sondern dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen, ohne auf die Berechtigung des Anspruchs eingehen zu müssen, da er nach langer Zeit möglicherweise keine entlastenden Umstände mehr vortragen kann. II. Die Verjährungsfrist 1) Die Regel: § 195 Die Verjährungsfrist beträgt nach § 195 grundsätzlich 3 Jahre. Diese Verjährung gilt für alle Ansprüche, wenn sie nicht durch Gesetz (z.B. § 438, 548, 634 a) oder Vertrag (beachte: § 202!) verkürzt wurde. § 195 gilt auch für die Verjährung von Ansprüchen, die aus gesetzlichen Schuldverhältnissen stammen, wie z.B. aus GoA, 812 ff. oder dem EBV. Ist ein Anspruch rechtskräftig festgestellt, so gilt gemäß § 197 I Nr. 3 auch dann die 30jährige Verjährung, wenn der Anspruch ansonsten in wesentlich kürzerer Zeit verjährt wäre. 2) Die Ausnahmen: §§ 196, 197 a) Die 10jährige Verjährungsfrist des § 196 Gemäß § 196 verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück in 10 Jahren. Diese Frist wurde verlängert, weil gerade beim Grundstückskauf wegen der oft notwendigen Vermessung oder der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung zeitliche Verzögerungen www.al-online.de – BGB AT 1 17 § 6 Die Verjährung Harald Langels: BGB AT 1 eintreten können, die die Vertragsparteien nicht beeinflussen können. Auch bei der Bestellung einer Grundschuld wird die Grundschuld oftmals nicht sofort gelöscht, wenn der gesicherte Kredit zurückgezahlt wurde, sondern stehengelassen für den Fall, dass der Grundstücks- eigentümer in nächster Zeit weitere Kredite sichern will. b) Die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 Gemäß § 197 verjähren erst innerhalb von 30 Jahren: aa) Schadensersatzansprüche bei vorsätzlicher Tötung oder Körperverletzung bb) Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten gemäß den §§ 985, 1036 (Nießbrauch), 1227, 1231, 1251 (Pfandrecht), 562 b II 1 (Vermieterpfandrecht). -Klausurtipp: Die lange Frist des § 197 gilt nur für Herausgabeansprüche, die auf ein dingliches Recht gestützt werden, also nicht für rein schuldrechtliche Ansprüche gemäß den §§ 346, 546 oder 812. Auch für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gilt die kurze Regelverjährung des § 195. cc) Familien- und erbrechtliche Ansprüche: Dies bedeutet aber, dass die Ansprüche ihre Grundlage im Familien- oder Erbrecht haben müssen, wie z.B. bei Verletzung ehelicher Pflichten oder bei Pflichtverletzungen von Eltern gegenüber ihren Kindern gemäß § 1664. Ansprüche aus einer Ehegatten-Innengesellschaft oder aus einer Schenkung zwischen Ehe- leuten verjähren gemäß § 195. Dies gilt erst recht für Ansprüche innerhalb einer nichtehe- lichen Lebensgemeinschaft, da diese Ansprüche keine familienrechtlichen Ansprüche sind. Beachte: Unterhaltsansprüche verjähren gemäß § 197 II in der kurzen Frist des § 195. Erbrechtliche Ansprüche sind z.B. die erbrechtlichen Herausgabeansprüche der §§ 2018, 1959, 681 ff., der Anspruch des Vermächtnisnehmers gemäß § 2174 oder der Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker bei Pflichtverletzung gemäß § 2219. dd) Rechtskräftig durch Leistungs-, Feststellungs- oder Vorbehaltsurteil bzw. durch Voll- streckungsbescheid oder Schiedsspruch (§ 1055 ZPO) festgestellte Ansprüche. Dies gilt auch für Ansprüche aus einem vollstreckbaren Vergleich gemäß § 794 I Nr. 1 ZPO oder einer vollstreckbaren Urkunde gemäß § 794 I Nr. 5 ZPO. Den Verjährungsbeginn regelt § 201. III. Der Beginn der Verjährung 1) Nach § 199 I beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die kurze Verjährung des § 195 beginnt also erst, wenn der Gläubiger den Anspruch hätte gerichtlich geltend machen können. Der Verjährungsbeginn des § 199 I gilt sowohl für vertragliche Erfüllungsansprüche als auch für vertragliche, deliktische oder sonstige (z.B. §§ 122, 179 I, II) Schadensersatzansprüche: Hier beginnt die Verjährungsfrist am Ende des Jahres, in dem der Schaden entstanden ist. 18 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 6 Die Verjährung 2) Unabhängig von der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände verjähren Schadensersatz- ansprüche gemäß § 199 II in 30 Jahren, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen. 3) Sonstige Schadensersatzansprüche (z.B. Verletzung des Eigentums, des Vermögens oder des Persönlichkeits- rechts) sowie andere Ansprüche verjähren gemäß § 199 III, IV spätestens nach Ablauf von 10 Jahren. IV. Hemmung und Unterbrechung der Verjährung Um die Verjährung seines Anspruchs zu verhindern, stehen dem Gläubiger 2 Möglichkeiten zur Verfügung: 1) Die Hemmung der Verjährung: §§ 203 – 211 Eine Hemmung der Verjährung bewirkt gemäß § 209, dass der Zeitraum, währenddessen die Ver- jährung gehemmt ist, in den Fristablauf nicht mit einbezogen wird; der Zeitraum zwischen Fälligkeit des Anspruchs und dem hemmenden Ereignis bleibt jedoch für die Fristberechnung erhalten. Die Hemmung der Verjährung erfolgt u.a. durch: a) Vergleichsverhandlungen: § 203 b) Rechtsverfolgung: § 204, z.B. durch Klageerhebung oder Zustellung eines Mahnbescheids. Zwar bedeutet Erhebung der Klage gemäß § 253 ZPO, dass die Klage dem Beklagten zugestellt wird, doch wird der Zeitpunkt für die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung nach vorn verlagert, wenn durch die Klageerhebung eine Frist gewahrt werden soll: Gemäß § 167 ZPO genügt der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, damit nicht das Tempo, mit dem die Klage bei Gericht bearbeitet wird, zu Lasten des Klägers geht. c) Leistungsverweigerungsrechte: § 205 d) Familiäre Gründe: § 207, z.B. bei Ansprüchen innerhalb von Eheleuten oder minderjähriger Kinder gegenüber ihren Eltern 2) Die Unterbrechung der Verjährung: § 212 Aus der Sicht des Anspruchsinhabers wäre es effektiver, die Verjährung zu unterbrechen, da dann die bereits verstrichene Zeit bei der Fristberechnung außer Betracht bleibt; die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 212 nach Ende des unterbrechenden Ereignisses von neuem zu laufen. Für die Berechnung der Frist gilt wiederum die volle Verjährungsfrist. Die Verjährung wird aber nur noch in den folgenden Fällen unterbrochen: a) Anerkenntnis des Schuldners: Dafür genügt jedes Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, das zeigt, dass sich der Schuldner seiner Verpflichtung bewusst ist (BGH NJW 1988, 1259). Beispiele: Bitte um Stundung; Abschlagszahlung, Anerkennung des Anspruchs dem Grunde nach. b) Beantragung einer gerichtlichen Vollstreckungshandlung. www.al-online.de – BGB AT 1 19 § 6 Die Verjährung Harald Langels: BGB AT 1 V. Die Konsequenzen der Verjährung 1) Dem Schuldner steht nach § 214 I ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht zu. 2) Verjährte Ansprüche können trotz der Verjährung noch einredeweise geltend gemacht werden, z.B.: §§ 438 IV 2, 634 a IV 2, 821, 853. 3) Mit einer verjährten Forderung kann § 215 noch aufgerechnet werden, wenn die Aufrechnungslage schon vor dem Eintritt der Verjährung entstanden war. Hier zeigt sich die Rückwirkung der Aufrechnung nach § 389. 4) Dingliche Sicherheiten bleiben trotz Verjährung der gesicherten Forderung über § 216 erhalten: a) § 216 I: Ist die durch eine Hypothek gesicherte Forderung verjährt (§ 214 I), so kann der Hypothekar immer noch aus der Hypothek gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks vorgehen und gemäß § 1147 Duldung der Zwangsvollstreckung verlangen. Die Akzessorietät der Einwendungen (z.B. § 1137) wird daher durch § 216 I durchbrochen. b) § 216 II: Selbst wenn die gesicherte Forderung verjährt ist, kann die Rückübertragung von Sicherheiten nicht verlangt werden. Dies hat zur Folge, dass der Sicherungsgeber trotz Verjährung die Schuld wird erfüllen müssen, um die Sicherheit zurückzuerlangen. 20 www.al-online.de – BGB AT 1 Harald Langels: BGB AT 1 § 7 Die Privatautonomie § 7 Die Privatautonomie Vorbemerkung Die im 17. und 18. Jahrhundert vorherrschende Staatsform des Absolutismus war dadurch gekenn- zeichnet, dass die im Staat vorhandene Staatsgewalt in den Händen einer einzigen Person – typischer- weise des Monarchen – lag, dem seine Untertanen ohne eigene Rechte bedingungslos unterworfen waren. Um diesen gesellschaftlichen Missstand zu überwinden, wurde im Zeitalter der Aufklärung die Idee des Liberalismus entwickelt, deren Positionen sich wie folgt zusammenfassen lassen: Der Staat ist für den Bürger da, nicht umgekehrt. Seine Aufgabe besteht ausschließlich darin, als Vereinigung seiner Staatsbürger die Rechte und die Sicherheit eines jeden einzelnen zu gewährleis- ten. Anschaulich wird diese Idee durch die naturrechtlich geprägte Idee vom Gesellschaftsvertrag (contrat social): In der Entwicklung der Menschheit gab es zun?

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