Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders - Wie Gesprächsführung gelingt - Zwischen Achtsamkeit und Pragmatismus - PDF

Document Details

HonorableAnecdote

Uploaded by HonorableAnecdote

ZHAW - Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

C. Lehner, S. Weihe

Tags

Kommunikation Gesprächsführung Psychologie Wahrnehmung

Summary

Diese Auszüge aus dem Dokument präsentieren ein Kapitel über Kommunikation. Die Schlüsselbegriffe sind Kommunikation und Gesprächsführung. Es beschreibt die verschiedenen Ebenen der Kommunikation und wie die individuelle Wahrnehmung die Kommunikation beeinflusst.

Full Transcript

55 5 „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt 5.1 Die „Filterbrille“ und der Autopilot – 56 5.2 Wahr ist nicht, was ich gesagt habe – Das Sender-Empfänger-Modell – 59 5.3 Warmduscher sind im Vorteil – Ebenen der Kommunikation – 60 5.4 Der Strichmä...

55 5 „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt 5.1 Die „Filterbrille“ und der Autopilot – 56 5.2 Wahr ist nicht, was ich gesagt habe – Das Sender-Empfänger-Modell – 59 5.3 Warmduscher sind im Vorteil – Ebenen der Kommunikation – 60 5.4 Der Strichmännchen-Test – die Ok-Positionen – 63 Literatur – 65 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Lehner, S. Weihe, Zwischen Achtsamkeit und Pragmatismus, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58915-1_5 56 Kapitel 5 · „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt Kommunikation kann gelingen, wenn … … wir uns vergegenwärtigen, dass jeder Mensch seine eigene Weltsicht hat, die sich in der Kommunikation niederschlägt – in Mimik, Gestik, Tonfall und Inhalt. … wir uns die Perspektive unseres Gesprächspartners vergegen- wärtigen. … wir auf den verschiedenen Ebenen der Kommunikation klare, widerspruchsfreie Informationen und Signale senden. … wir angemessene Rahmenbedingungen schaffen – zum Beispiel Situation, Ort oder Dauer. 5 … wir lernen, Ich-Botschaften zu senden. Konrad Lorenz, der österreichische Verhaltensforscher, bringt die Herausforderungen einer Kommunikationssituation prägnant auf den Punkt (österr. Verhaltensforscher, 1973 Nobelpreis): » Gedacht heißt nicht immer gesagt, gesagt heißt nicht immer gehört, gehört heißt nicht immer richtig verstanden, verstanden heißt nicht immer einverstanden, einverstanden heißt nicht immer angewendet, angewendet heißt nicht immer beibehalten Auch hier ist der zentrale Ausgangspunkt die eigene persön- liche Wahrnehmung. Kommunikation (lat. communicare „mit- teilen, gemeinschaftlich machen“) bedeutet eine Verbindung zu meinem Kommunikations-Partner – das heißt, es geht darum, meine eigenen Inhalte, Vorstellungen und Ideen so verständlich zu machen, dass der andere möglichst genau das versteht, was ich meine. Was sich im Grunde sehr banal anhört, ist oft in der persönlichen wie auch geschäftlichen Praxis genau das Gegenteil. Rein physisch haben wir alle Ohren, unsere Gehirne sind jedoch sehr unterschiedlich geprägt. Kommunikation beginnt im Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders, in der sub- Gehirn des Senders jektiven Konstruktion der eigenen Welt und endet in einem ebenso komplexen Kontext, nämlich im Gehirn des Empfängers (Philipp 2010). Oder mit Paul Watzlawicks Worten: „Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist“ (1983). 5.1  Die „Filterbrille“ und der Autopilot Jeder Mensch verhält sich anders, denn wir orientieren uns an einer eigenen inneren Landkarte. Wir sehen das Gleiche wie die anderen, doch wir nehmen nicht das Gleiche wahr. Die Fülle an 5.1 · Die „Filterbrille“ und der Autopilot 57 5 Sinneseindrücken in unserer Umgebung zwingt uns dazu, eine Auswahl zu treffen. Unsere innere Landkarte umfasst beispiels- weise unsere inneren Einstellungen (z. B. Wie wichtig ist mir Karriere? Was verstehe ich darunter?), unsere Werte (z. B. Was heißt für mich ein erfülltes Leben? Woran mache ich das fest?), unser persönliches Umfeld und unsere Kultur (z. B. Wie wird die Geschlechtsrolle in der Gesellschaft, in der ich lebe, definiert? Wie definiere ich mich selbst in meiner Rolle als Mann/Frau?). Ihre Welt ist nicht meine Welt. Wir beide selektieren und geben dem, was wir registrieren, unterschiedliche Bedeutung: Wir konstruieren unsere eigene Wirklichkeit und Wahrheit. Wir setzen also bestimmte Wahrnehmungsmuster, bildlich Modell Filterbrille in der gesprochen: verschiedene Brillen auf. Jede Brille ist von unseren Kommunikation eigenen Werten, Einstellungen und Erfahrungen, Zielen, Bedürf- nissen oder Gefühlen geprägt. Wir sind der Maßstab unserer eigenen Wahrnehmung. Dadurch ergibt sich eine komplexe Wahrnehmungskette. Vom Wahrnehmen zum Handeln 58 Kapitel 5 · „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt 1 Wahrnehmen 3 Fühlen 4 Handeln Dafür ein konkretes Beispiel: Beispiel Ich nehme wahr und kann hören, dass sich zwei Kollegen laut- 5 stark im ihrem Büro unterhalten. Ich denke und interpretiere: Die beiden sind sehr laut, also han- delt es sich um einen Streit oder Auseinandersetzung. Ich bewerte: Streiten ist schlecht, fühle mich selbst angegriffen und handle, indem ich ins das besagte Zimmer gehe und sage, dass die beiden Streithähne doch besser aufhören und sich nicht so kindisch benehmen sollen. Dabei haben sie gar nicht gestritten, sondern sich lautstark über die Fußball Ergebnisse der Saison und über den miesen Schiedsrichter im letzten Fußball- spiel der Champions-League unterhalten. Wenn eine Person auf eine andere reagiert, durchläuft sie in der Regel diese vier Stufen – bewusst oder unbewusst. Interpretation der Wir reagieren nicht auf unsere Wahrnehmung. Wir reagieren Wahrnehmung stets auf die Interpretation unserer Wahrnehmung einer Situa- tion. Das erzeugt Missverständnisse, sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich. Ein anderes Beispiel: Sie sehen einen sehr angespannten Kollegen und schlussfolgern: „Er sieht heute aber sehr schlecht gelaunt aus, vielleicht habe ich ja letzte Woche was falsches gesagt in unserem Teamtreffen.“ Oder aber: „Vielleicht hatte er ja ein schlechtes Wochenende mit viel Arbeit zu Hause. Mit mir hat das gar nichts zu tun.“ Unsere persönliche Filterbrille funktioniert wie der Auto-Pi- lot, den wir in 7 Kap. 1 dargestellt haben. Wir entwickeln sie von klein auf, indem wir die begrenzte Realität, in der wir auf- wachsen, als absolute Wirklichkeit erleben und interpretieren. Wir tendieren dazu, stets unsere eigene Sichtweise zu bestätigen. Denn das scheint uns Sicherheit, Konstanz und Stabilität zu geben. Indem wir selektieren, verallgemeinern, bewerten und erst dann handeln, halten wir an unserem Wahr- nehmungsfilter fest. Der Entscheidungsprozess, ob wir etwas gut oder schlecht finden, geht verhältnismäßig schnell. Im Ver- triebsbereich wird dieser Prozess mit der „7-Sekunden-Regel“ beschrieben: In nur sieben Sekunden entscheidet sich, ob wir die Verkäuferin oder den Kunden sympathisch finden oder nicht. 5.2 · Wahr ist nicht, was ich gesagt habe – Das Sender-Empfänger-Modell 59 5 In belastenden Situationen schränkt der wachsende Druck unsere Wahrnehmung, Denkfähigkeit und letztendlich unsere Handlungskompetenzen stark ein, wie wir schon mit dem Auf- zugmodell in 7 Kap. 1 beschrieben haben. Bei einem Konflikt mit dem Chef etwa geraten viele Mitarbeiter schnell unter Stress. Wenn dann das Verhalten des Gegenübers uns beispielsweise an unseren autoritären Vater erinnert, werden unbewusste alte Reaktionsweisen in uns „angetriggert“. Unsere Fähigkeit, ruhig zu bleiben und nach einer rationalen Lösung zu suchen, kann dadurch eingeschränkt werden. Sekündlich zunehmend laufen in unseren Köpfen unbewusste Prozesse ab, von denen wir nichts mitbekommen – und doch steuern sie unwillkürlich unsere Bewertungen und somit unser Handeln. Doch es ist möglich, sich dieser Abläufe bewusst zu werden: Wir sprechen von der Kompetenz des Frontalhirns (s. 7 Kap. 1), wenn wir die Selbstreflexion immer mehr zu einem automatischen Prozess machen. Für souveräne, konstruktive Kommunikation bedeutet dies konkret, die alte gewohnte Wahrnehmungsbrille kennenzulernen und – da wo es für uns Sinn macht – eine „Umprogrammierung“ anzusteuern. Ziel ist es, den inneren Beobachter und das „Stopp- schild“ (s. 7 Kap. 1) auch in unserem Kommunikationsverhalten zu etablieren. Der innere Beobachter hinterfragt unsere ersten Interpretationen, er fordert uns auf, ruhig zu bleiben und weitere Beobachtungen zu sammeln. Erst nach diesem Innehalten kön- nen wir souverän handeln. Kommunikation ist immer ein Dialog zwischen zwei oder Verstehen heißt nicht mehreren Gesprächspartnern, sie entsteht in einem Miteinander, einverstanden sein sie drückt soziales Verhalten aus. Niemals steht sie nur für die Weitergabe von Informationen. Deshalb ist Kommunikation erst dann gelungen, wenn alle Beteiligten eine gemeinsame Grund- lage, sachliche Meinung oder Überzeugung geschaffen haben – wenn sie sich wirklich verständigt haben. Dabei geht es nicht darum, dass alle inhaltlich übereinstimmen; entscheidend ist vielmehr, dass sich alle gegenseitig verstehen und die Position der anderen begreifen. 5.2  Wahr ist nicht, was ich gesagt habe – Das Sender-Empfänger-Modell Das Sender-Empfänger-Modell ist ein altbewährtes, zentrales und in vielen Untersuchungen herangezogenes Kommunika- tions-Modell (Birkenbihl 1991). Es fasst Kommunikation als komplexen, multidimensionalen Prozess auf, bei dem Sender und Empfänger versuchen, ihre Sichtweise der subjektiven Realität mitzuteilen bzw. zu verstehen. 60 Kapitel 5 · „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt Kurz gesagt: Wahr ist nicht, was A gesagt hat, sondern was B verstanden hat (jedenfalls für B). 5 Die Übermittlung der Botschaft vom Sender an den Empfän- ger kann dabei von vielen Faktoren behindert werden, wie z. B. einer unvollständigen oder unklaren Mitteilung, der Wahl ungeeigneter Worte, einer falsch interpretierten Gestik und Mimik oder auch eines ungeeigneten Kommunikationskanals (beispielsweise nur E-Mail-Austausch statt persönlich zu spre- chen) (Doser 2006). 5.3  Warmduscher sind im Vorteil – Ebenen der Kommunikation 4 Ebenen der Kommunikation findet auf verschiedenen Ebenen statt – Sie hal- Kommunikation ten dabei wie beim Jonglieren mehrere Bälle in der Luft. 5.3 · Warmduscher sind im Vorteil – Ebenen der Kommunikation 61 5 5 Inhalts- oder Sachebene Was? Hier werden Fakten, Informationen, Zahlen und Daten aus- getauscht. 5 Beziehungsebene Wie? Auf dieser Ebene geht es um die Qualität der Begegnung – um Atmosphäre, Gefühle, Stimmigkeit und körpersprach- liche Elemente wie Mimik, Gestik oder Körperhaltung. Die Beziehungsebene ist von extrem großer Bedeutung, wenn Kommunikation gelingen soll – das zeigt sich schon in all- tagssprachlichen Redewendungen wie „der Ton macht die Musik“, „einen guten Draht haben“ oder „auf einer Wellen- länge sein“. 5 Prozessebene Womit? Hier steht der Kontext, die Rahmenbedingung der konkreten Situation im Mittelpunkt. Denn auch der Ort, die Sitz- ordnung, das Entscheidungsverfahren, die Art und Weise der 62 Kapitel 5 · „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt Besprechungsleitung oder die Besprechungstechnik dürfen bei dem Ziel einer gelungenen Kommunikation nicht außer Acht gelassen werden. 5 Persönlichkeitsebene Wer? Sie ist ein Hauptfaktor, wie im Kapitel „Filterbrille“ schon deutlich wurde. Neben der grundsätzlichen inneren Land- karte, die jeden und jede Einzelne von uns prägt, beeinflusst auch das Engagement, abhängig vom aktuellen Energielevel des Gesprächspartners, die Möglichkeit, ein Thema ernsthaft und ergebnisreich zu besprechen. 5 „Lassen Sie uns doch bitte sachlich bleiben“ – ein Satz, den wir wohl alle schon gehört haben und der alles andere als inhalt- lich zu verstehen ist. Vielmehr ist er ein Indikator dafür, dass wir bereits tief in die Beziehungsebene abgetaucht sind. Eine Grundbedingung für ein gutes Gespräch ist, gleich beim ersten Kontakt eine gute Beziehung aufzubauen. Erst dann kann auf die Sachebene gewechselt werden. Deshalb beginnen wir ein Gespräch meist mit dem sogenannten „Smalltalk“ – wir tau- schen uns über mehr oder weniger belanglose Dinge aus, fragen nach dem Wochenende, dem Urlaub oder der Familie des ande- ren. In vielen Rollenspielen wird gerade dieser Prozess-Start auf der Beziehungsebene – erst dann Inhaltsebene, zum Ende des Gesprächs erneut Beziehungsebene – vernachlässigt. In Übungs- gesprächen wird direkt in die inhaltliche Ebene eingestiegen (z. B. „Diesen Fehler in Ihrer Excel-Auswertung habe ich Ihnen rot angestrichen.“) Oft haben die Seminarleiter oder Coaches die Befürchtung, dass sie als „gefühlsduselig“ oder „Warmduscher“ abgestempelt werden, wenn sie nicht sofort zum Kern der Sache kommen. Oder sie gehen davon aus, dass Kommunikation auf Beziehungs- ebene als „angelernte, künstliche Strategie“ belächelt wird („Aha, da war wohl jemand im Kommunikationsseminar und will mir gerade ein wenig Honig ums Maul schmieren, bevor er zum Punkt kommt.“) Stolperstein Genau das ist aber der Stolperstein vieler Kommunikations- Beziehungsebene prozesse – die Verletztheit des Gegenübers auf Beziehungs- oder Prozessebene. Denn auf diesen Ebenen zu beginnen ist nicht nur etwas für nette, harmoniebedürftige Menschen – es ist essenziell, um echten Kontakt zum Gegenüber herzustellen, mit „Schwä- che“ hat das nichts zu tun. Übrigens haben wir durch unsere interkulturelle Trainingserfahrung festgestellt, dass es eine typisch deutsche Angewohnheit ist, ohne viel „Drumherum“ auf den Kern der Sache stoßen zu wollen. Deshalb gelten „die Deut- schen“ im Geschäftsleben auch gerne als unhöflich und arrogant (Doser 2006). 5.4 · Der Strichmännchen-Test – die Ok-Positionen 63 5 5.4  Der Strichmännchen-Test – die Ok-Positionen Wie unverzichtbar die bewusste Herangehensweise an wich- tige Themen ist, zeigt sich, wenn man die Wechselwirkungen versteht, die bei Kommunikationsprozessen im Hintergrund ablaufen: Je mehr wir uns selbst akzeptieren, desto besser können wir unseren Gesprächspartner akzeptieren. Das gilt selbstver- ständlich auch umgekehrt: Je leichter es fällt, das Gegenüber als „okay“ zu betrachten, desto besser fühle ich mich selbst (Birken- bihl 1991). Übung Stellen Sie sich die Situation „Kritik von Ihrem Chef“ vor. Zu welcher Reaktion neigen Sie am ehesten, wenn Ihr Chef Sie direct kritisiert, wenn Sie z. B. die Zahlen für den Bericht noch nicht geliefert hätten? Der Strichmännchen-Test (Birkenbihl 1991) verdeutlicht das Strichmännchen-Test Prinzip der inneren Einstellung in der Kommunikation. verdeutlicht innere Einstellung 64 Kapitel 5 · „Kommunikation beginnt im Gehirn des Senders“ – wie Gesprächsführung gelingt Sie malen auf einem Blatt beispielsweise Ihren Chef/Ihre Chefin, Kollegen, Freunde etc. als Strichmännchen und dann zeichnen Sie sich selbst auf das Papier. Überlegen Sie: Sehe ich mich größer/kleiner/genauso groß, wenn ich meine innere Einstellung mit der der anderen beschriebenen Personen vergleiche? Ok – Nicht Ok: - „Der Idiot meckert schon wieder an mir rum.“ Nicht Ok – Ok: - „Ich bin aber auch zu blöd, ich werd’s nie hinkriegen.“ Nicht Ok – Nicht Ok: - „Ich stell mich blöd an, – aber der Chef hat auch keine Ahnung.“ Ok – Ok: - „Ich weiß, dass ich grundsätzlich gut arbeite. Mal sehen, ob an 5 der Kritik etwas dran ist. Wenn ja, dann korrigiere ich das; wenn nicht, dann spreche ich den Chef noch mal an und klär das mit ihm” Erinnern Sie sich an die Macht innerer Bilder und Ein- stellungen? (s. 7 Kap. 2) Wer grundsätzlich davon ausgeht, dass in einem Menschen etwas Konstruktives steckt, wird seine Kommunikation von Anfang an anders gestalten können und sie in ein Miteinander verwandeln! Das erklärt auch, weshalb Kommunikationstechniken nicht wie Patentrezepte angewendet werden können. Unsere innere Einstellung wird durch verbale wie nonverbale Elemente im Kommunikationsprozess mitgeteilt, ob wir wollen oder nicht. Lassen wir beispielsweise immer die Schultern hän- gen, sprechen leise und verschränken die Arme über der Brust, wenn der Chef unseren Bericht kritisiert, dann machen wir uns kleiner als wir sind. Aber auch das Gegenteil ist möglich: Wir stemmen unsere Arme in die Hüften und schmettern unserem Kollegen unseren Ärger darüber entgegen, dass er eine ver- sprochene Mail immer noch nicht gesendet hat. Das Ok-Ok-Modell macht auch klar: Es geht nicht darum, die Menschen in unserer Umgebung zu „blenden“. Wir brau- chen nicht immer der oder die Größte sein, wir brauchen uns aber ebenso wenig klein machen und so unsere Wahrheit und unsere Kompetenzen verstecken. Das Prinzip der„Ich-­ Botschaften“ meint in der Kommunikation, dass ich meine persönliche Botschaft klar aussprechen und adressieren kann, z. B. „Ich habe gerade den Eindruck, dass wir aneinander vorbei reden“ oder „ich bin gerade sehr irritiert“. Wenn wir bewuss- ter auf unsere aktuelle innere Einstellung achten und gleich- zeitig mit den Kommunikationsebenen umgehen können, wird unsere Gesprächsführung authentischer, konstruktiver und über- zeugender! Literatur 65 5 Literatur Birkenbihl V (1991) Kommunikationstraining. Zwischenmenschliche Bezie­ hungen erfolgreich gestalten, 11. Aufl. mvg-Verlag, München Doser S (2006) 30 Minuten für interkulturelle Kompetenz. Gabal Verlag, Offenbach Konrad L Berühmte Zitat wird Prof. Konrad Lorenz österr. Verhaltensforscher, 1973 Nobelpreis zugeschrieben Philipp AF (2010) Die Kunst des ganzheitlichen Führens. Literatur-VSM, Wien Watzlawick P (1983) Anleitung zum Unglücklichsein, 4. Aufl. Piper, München 67 6 „Ziele dürfen SMART sein“ – auf Kurs bleiben durch klare Ziele 6.1 Die großen Steine – 68 6.2 Zielrichtung „hin zu…“ – 71 6.3 Exkurs: polynesisches Segeln – 71 6.4 SMARTE Ziele – 72 Literatur – 73 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Lehner, S. Weihe, Zwischen Achtsamkeit und Pragmatismus, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58915-1_6 68 Kapitel 6 · „Ziele dürfen SMART sein“ – auf Kurs bleiben durch klare Ziele Folgende Schritte erleichtern es, in einer Kommunikation das Ziel im Auge zu behalten: 1. Verwenden Sie einfache Sätze und sprechen Sie präzise, vermeiden Sie umständliches „Drumrumreden“. Verwenden Sie eine einfache Struktur: Einleitung, Hauptteil, Schluss. 2. Setzen Sie sich klare Ziele auf der Basis des SMART-Modells: Motivierende Ziele ergänzen Ihre Argumente auf der Sachebene. 3. Visualisieren Sie ein positives Zielbild, statt „weg von“ lieber „hin zu“ 4. Setzen Sie sich Prioritäten im Sinne von „was ist Ihnen wirklich wichtig“ (die großen Steine) 5. Lassen Sie sich auf Ihren Gesprächspartner ein: 6 5 Erkennen Sie die Motive und Interessen Ihres Gesprächs- partners. 5 Leisten Sie Überzeugungsarbeit! Wer beim Segeln einen sicheren Hafen erreichen will, wird sich morgens ein Ziel stecken, an dem er sich orientieren und entlang navigieren kann. Oft machen wir uns keine genauen Vorstellungen von unseren Gesprächszielen. Wir gehen unvor- bereitet, mit vielen inneren Unklarheiten in wichtige Gespräche – und erleiden dadurch nicht selten ziemlichen „Schiffbruch“: in Besprechungen, Kundengesprächen oder auch im Gespräch mit einem pubertierenden Teenager im Privatleben. Im Folgenden möchten wir Sie mit verschiedenen Facetten zum Thema Ziele vertraut machen. 6.1  Die großen Steine Wirklich wichtigen Zunächst eine Geschichte: Dinge = Zielbilder Die wirklich wichtigen Dinge Eines Tages hielt ein Experte für Zeit-Management einen Vor- trag vor einer Gruppe Wirtschaftsstudenten und verwendete, zur Veranschaulichung seiner Botschaft, ein Bild, das diese Studen- ten nie mehr vergessen würden. Als er so vor der Gruppe Hoch- leistungs-Überflieger stand, sagte er: „Okay, es ist an der Zeit für ein Rätsel.“. Dann holte er einen Steingut-Topf mit einer großen Öffnung und einem Fassungsvermögen von einer Gallone her- vor, den er auf den Tisch vor sich stellte. Dann holte er etwa ein Dutzend Faust-große Steine heraus, die er vorsichtig, einen nach dem anderen, in den Topf legte. Als er bis oben hin gefüllt war und kein weiterer Stein mehr hinein- gepasst hätte, fragte er: „Ist dieser Topf voll?“ Jeder in der Klasse sagte: „Ja!“ Daraufhin sagte er: „Wirklich?“ Er langte unter den Tisch und zog einen Eimer Kies hervor. 6.1 · Die großen Steine 69 6 Dann schüttete er ein bisschen Kies in den Topf und rüttelte daran, so dass sich die einzelnen Kieselsteine ihren Weg hinunter in die Hohlräume zwischen den großen Steinen bahnten. Dann fragte er die Gruppe erneut: „Ist dieser Topf voll?“. Diesmal war die Gruppe aber auf der Hut. „Wahrscheinlich nicht.“, antwortete einer von ihnen. „Sehr gut!“, gab er zurück. Er langte wiederum unter den Tisch und brachte einen Eimer mit Sand hervor. Er begann den Sand in den Topf zu gießen, der dann in den Platz zwischen den Steinen und dem Schotter rie- selte. Und wieder stellte er die Frage: „Ist dieser Topf voll?“ „Nein!“, schrie die Klasse. Erneut sagte er: „Sehr gut!“. Er griff nach einem Eimer Wasser und goss es in den Topf, bis dieser randvoll war. Daraufhin sah der Fachmann für Zeit-Management die Klasse an und fragte: „Was ist die Moral dieser Demonstration?“. Ein eifriger Student hob seine Hand und sagte: „Die Aussage ist, dass man, wenn man es nur wirklich versucht, immer noch etwas in seinen Terminkalender pressen kann, egal, wie voll er bereits ist.“ „Nein“, antwortete der Redner, das ist es nicht, was ich damit sagen will. Die Wahrheit, die uns diese Vorführung klarmachen will, ist die folgende: Wenn man die großen Steine nicht zuerst hineinlegt, wird man sie niemals mehr alle unterbringen kön- nen. Was sind die „großen Steine“ in Ihrem Leben? Ihre Kin- der. Ihre Ehepartner. Diejenigen, die Ihnen am Herzen liegen. Ihre Freunde. Ihre Träume. Eine bedeutsame Aufgabe. Anderen etwas beizubringen und sie zu unterstützen. Dinge tun, die Ihnen etwas bedeuten. Zeit für sich selber. Ihre Gesundheit. Denken Sie immer daran, diese „GROSSEN STEINE“ zuerst unterzu- bringen, anderenfalls wird Ihnen dies nie mehr gelingen. Wenn Sie sich immer nur mit dem Kleinkram (also dem Kies und dem Sand) herumplagen, dann werden Sie sich Ihr Leben lang mit unwichtigen Nebensächlichkeiten auseinandersetzen, die eigent- lich gar nicht von Bedeutung sind und Sie werden niemals die wirklich wertvolle Zeit haben, die Sie für die großen, wichtigen Dinge (die großen Steine) aufwenden müssten. Also, überlegen Sie sich, heute Nacht oder morgen Früh, wenn Sie über diese Geschichte nachdenken: „Was sind diese „großen Steine“ in meinem Leben? Und legen Sie diese dann zuerst in Ihren Topf “ (Covey et al. 2005). Größere und auch kleinere „Steine = Ziele“ werden selten ausdrücklich formuliert – die meisten Menschen halten es für selbstverständlich, dass sie wissen, was sie wollen. Für Gespräche und Verhandlungen kann es aber sehr nutzbringend sein zu prü- fen, ob wir eine ganz klare Vorstellung oder Zielbild von unse- rem Ziel oder Anliegen haben. Wikipedia definiert ein Ziel als „einen in der Zukunft Ziele beschreiben liegenden, gegenüber dem Gegenwärtigen im Allgemeinen ­ 70 Kapitel 6 · „Ziele dürfen SMART sein“ – auf Kurs bleiben durch klare Ziele v­eränderten, erstrebenswerten und angestrebten Zustand“. Ein Ziel liegt also – logischerweise – in der Zukunft. Es beschreibt einen positiven Endzustand und kann auch als Absichts- erklärung betrachtet werden. Ein Ziel ist etwas, was wir selbst aktiv erreichen können, auch wenn der Weg möglicherweise nicht ohne Hindernisse ist. Ziele werden sehr viel eher erreicht, wenn wir unsere Sinne schärfen und wenn wir unser Sehen, Hören und Fühlen bewusst auf das Ziel ausrichten. Wenn Sie sich beispielsweise ein neues Auto kaufen möchten, kann es sein, dass Sie auf den Straßen ständig dieses Modell sehen, obwohl Sie es vorher kaum wahr- genommen haben. Ziele wollen wohlüberlegt sein – es gibt Sachziele, in denen 6 es zum Beispiel darum geht, Kernargumente darzustellen oder Entscheidungen herbeizuführen. Und es gibt Beziehungsziele, wie das Ziel, das Image der Abteilung zu verbessern oder den eigenen Sympathiefaktor zu erhöhen. Wir müssen uns genau überlegen, welche Ziele wir uns setzen, welche Konsequenzen sich aus ihnen ergeben können und wie unsere Umwelt wohl darauf reagieren wird. Wenn wir das Beispiel des Autokaufs weiterführen, dann könnte eine mögliche Folge auch sein, dass wir einen weiteren Kredit aufnehmen müssen und dass unser Lebenspartner darüber gar nicht erfreut ist. Auch diese Begleit- erscheinungen müssen wir mit in Betracht ziehen. Ziele formulieren Der erste Schritt zu einer gelungenen Zielformulierung ist wieder unsere persönliche Einstimmung. Auch hier können Sie das mentale Gedankentraining aus 7 Kap. 1 einsetzen: 5 Ebene Sprache: Sie formulieren eine positive Grundhaltung – zum Beispiel durch positive Selbstsuggestionen wie „Ich schaffe das!“ oder „Ich kann das!“. 5 Ebene Bild (Visualisierung): Stimmen Sie sich auf die Situation ein, indem Sie sich die Gesprächssituation genau vorstellen – vor allem, wenn ein schwieriges Gespräch bevorsteht. Versetzen Sie sich in die Perspektive Ihres Gegenübers. Wie könnte die Reaktion ausfallen? Welche Gegenargumente könnte er/sie haben? In welcher Ausgangssituation befindet sich der Gesprächspartner („ZDF-Formel”: konkrete Zahlen, Daten, Fakten – adressiert ganz klar die Sachebene, also die inhaltliche Ebene, die natürlich zentral ist.) Stimmt die „Chemie“ oder nicht? Wie sind die Sitz- positionen? An welchem Ort wird das Gespräch stattfinden? Was wollen wir mindestens/maximal erreichen, was ist der end- gültige Stolperdraht, an dem wir nicht mehr von unserer Position abrücken können? 6.3 · Exkurs: polynesisches Segeln 71 6 All das sind entscheidende Faktoren für eine strategische Gesprächsvorbereitung – so ähnlich werden auch Einkäufer und Lieferanten in Verhandlungstrainings geschult. Es macht auch in unserer schnelllebigen Zeit durchaus Sinn, sich mittel- und langfristige Ziele zu setzen – ein klares, lang- fristiges Ziel kann die Energie unseres inneren Feuers sein. Das hilft uns, dranzubleiben und andere zu überzeugen. 6.2  Zielrichtung „hin zu…“ Bei der oben genannten Visualisierung, also der konkreten Vor- Zielrichtung „hin zu“ statt stellung des Zielzustands ist es wichtig, folgende Punkte zu „weg von“ beachten: Stellen Sie sich ganz konkret, mit allen Sinnen vor: 5 Was soll dann sein (statt was soll dann weg sein) 5 Was beginnt dann neu (statt was hört dann auf) 5 Woran merken Sie konkret, dass das Ziel erreicht ist (bei sich selbst? Bei anderen?) Ein einfaches Beispiel: Beispiel A: „Weg von“: „Ich möchte endlich, dass ich in Teamsitzungen meine Vorschläge nicht mehr so zurückhalte und mein innerer Angsthase endlich Ruhe gibt“ B: „Hin zu“ Ich möchte mich in Teamsitzungen aufrecht hinsetzen, gut atmen und meine Vorschläge souverän mit sicherer, ruhiger Stimme ein- bringen. 6.3  Exkurs: polynesisches Segeln Gunther Schmidt hat zum Thema Ziele die Metapher des „Poly- Exkurs: Metapher nesischen Segelns“ verwendet, die in dem Buch des Seglers und „Polynesisches Segeln“ Schriftstellers David Lewis, „We, the Navigators“ (1994) auf- gezeigt wird. Lewis beschrieb, wie die Polynesier einst ohne jeg- liches technisches Navigationssystem losgesegelt waren, weil sie der Überzeugung waren, da draußen gäbe es Inseln. Diese Geschichte steht für ihn für die Kunst, sich Ziele zu setzen und sie anzustreben, ohne sich von der Möglichkeit des Erreichens abhängig zu machen. 72 Kapitel 6 · „Ziele dürfen SMART sein“ – auf Kurs bleiben durch klare Ziele 6.4  SMARTE Ziele Klassiker „SMARTE“ Ziele Das Modell der smarten Zielformulierung gehört zu den Klassi- kern der Gesprächsführung und hilft zuverlässig dabei, ganz kon- krete, persönliche oder berufliche Zielformulierungen zu finden. S wie „spezifisch“ → klar und konkret formulieren: „Ich verbessere mein Geschäftsenglisch.“ M wie „messbar“ → mit quantitativen und qualitativen Mess- indikatoren: „Ich verbessere mein Geschäftsenglisch, sodass ich Schulungen auf Englisch durchführen kann.“ A wie „attraktiv“ → ein positiver Anreiz, das Ziel zu erreichen: „Der Vorteil von gutem Geschäftsenglisch ist, dass ich als Trainer 6 mehr Aufträge erhalte, wenn ich auch auf Englisch Trainings durchführen könnte. R wie „realistisch“ → ein erreichbares Ziel, bei dem die ersten Schrit- ­te klar sind und das nicht von anderen Personen abhängig ist: „Mein Englisch zu verbessern, liegt allein bei mir; zuerst einmal recherchiere ich im Internet nach Instituten in erreichbarer Nähe, die entsprechende Kurse anbieten.“ T wie „terminiert“ → klare Terminsetzung mit Zwischenstopps: „Ich verbessere mein Geschäftsenglisch bis zum Jahresende. Im nächsten Jahr kann ich Trainings und Präsentationen auf Englisch durchführen. Wenn wir unsere Ziele dann auch noch schriftlich formulieren, machen wir uns selbst klar, was genau wir erreichen wollen – und auch, was uns im Gespräch besonders wichtig ist. Ein smartes Ziel formulieren S pezifisch ____________________________________________________________________________ M essbar ____________________________________________________________________________ A ttraktiv ____________________________________________________________________________ R ealistisch ____________________________________________________________________________ T erminiert ____________________________________________________________________________ Literatur 73 6 Smarte Ziele sind zunächst kognitiv, sie werden also im Großhirn formuliert. Wenn sie attraktiv sind und möglichst mit konkreten Bildern verbunden werden, haben wir schon das Gefühlshirn aktiviert bei der Zielformulierung. Wie können Sie nun die Regie im Gefühlshirn noch über die bildliche Vorstellung hinaus akti- vieren? Wie die unwillkürlichen Anteile und das eigene intuitive Wissen mit an Bord holen? Schreiben Sie das Ziel auf ein Blatt und legen Sie es im Raum auf den Boden. Stellen Sie sich neben das Ziel und nehmen Sie wahr: Wie reagiert mein Organismus darauf? Wie atme ich, wie fühlt sich mein Körper an? Welche Gefühle löst es in mir aus, mir das erreichte Ziel vorzustellen? Erst wenn wir das rationale Ziel auch im Gefühlshirn stim- mig „abgesegnet“ haben, können wir mit ganzer Kraft loslegen. Literatur Covey S, Merill AR, Merrill RR (2005) Covey Leadership Center: Der Weg zum Wesentlichen. Campus, Frankfurt/Main Lewis D (1994) We the navigators: ancient art of landfinding in the Pacific (Englisch) Taschenbuch. University of Hawai’i Press, Honolulu Schmidt G. Handout: 7 www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/Psycho- somatische_Klinik/Ringvorlesung/Hypnosystemische_Strategien_hand- out.pdf

Use Quizgecko on...
Browser
Browser