Arbeitspapier 1 (Wiederholung und Vertiefung) PDF

Summary

This document is an academic paper on public law, specifically focusing on the distinction between public and private law, and the concept of the state. It explores different theories for differentiating public and private law, including the subordination theory, interest theory, and special right theory. The paper also examines the concept of a state in international law and the specific features and components that constitute a state.

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Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler Akad. Rat a.Z. Sascha D. Peters Wintersemester 2023/2024 Arbeitspapier 1 Lerninhalte:  Abgrenzung Öffentliches Recht-Privatrecht  Staatsbegriff  Grundprinzipien der deutschen Verfassungsordnung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen: I. Was ist (Öff...

Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler Akad. Rat a.Z. Sascha D. Peters Wintersemester 2023/2024 Arbeitspapier 1 Lerninhalte:  Abgrenzung Öffentliches Recht-Privatrecht  Staatsbegriff  Grundprinzipien der deutschen Verfassungsordnung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen: I. Was ist (Öffentliches) Recht? 1. Warum und mit Hilfe welcher Theorien unterscheidet man zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht (insbes. dem Bürgerlichen Recht)? Das Öffentliche Recht und das Privatrecht verfolgen unterschiedliche Zwecke: Geht es im Privatrecht darum, die Rechtssphären der Bürger untereinander abzugrenzen, zielt das Öffentliche Recht auf die Organisation staatlicher Macht und die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. Rechtlich relevant wird die Unterscheidung etwa bei der Abgrenzung von Gesetzgebungszuständigkeiten (s. etwa Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG: Vorranggesetzgebung des Bundes für das bürgerliche Recht), bei der Abgrenzung von Gerichtszuständigkeiten (Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, § 40 VwGO) oder der Klärung des anzuwendenden Rechts (z. B. bei Verträgen: öffentlich-rechtliches Vertragsrecht nach den §§ 54 VwVfG, privat-rechtliche Verträge nach BGB). Zu der Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht werden hauptsächlich drei Ansätze vertreten: a) Nach der Subordinationstheorie ist das Vorliegen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses entscheidend. Liegt ein solches vor, tritt der Staat dem Bürger gegenüber also als Hoheitsträger auf, handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis bzw. um öffentlich-rechtliche Normen. b) Die Interessentheorie unterscheidet nach den Interessen, die den Rechtsnormen bzw. Rechtsverhältnissen zu Grunde liegen. Handelt es sich um öffentliche Interessen, ist die Rechtsnorm/das Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich. Liegen private Interessen zu Grunde, handelt es sich um Privatrecht. c) Nach der herrschenden Sonderrechtstheorie („modifizierte Subjekttheorie“) ist eine Norm dann öffentlich-rechtlich, wenn sie auf mindestens einer Seite ausschließlich einen Träger der öffentlichen Gewalt (in dieser Funktion = als solchen) berechtigt oder verpflichtet (Sonderrecht des Staates). Zu diesen Bereichen gehört etwa das Polizeirecht, das Ausländerrecht, das Sozialrecht, das Hochschulrecht oder das Wirtschaftsverwaltungsrecht (Gewerberecht etc.). 2. Worin liegt das Problem der Interessentheorie als Abgrenzungskriterium zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht? Die Problematik liegt in dem weiten Überschneidungsbereich zwischen privaten und öffentlichen Interessen: Etwa dienen Normen, die den wirtschaftlichen Wettbewerb schützen, sowohl dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen Wettbewerb als auch dem Interesse des Einzelnen an der freien Entfaltung seiner Möglichkeiten. 3. Worin liegt das Problem der Subordinationslehre? Das Problem der Subordinationslehre liegt darin begründet, dass das öffentliche Recht nicht nur auf Über- und Unterordnung basiert, sondern – wie etwa das öffentliche Vertragsrecht zeigt (Staatsverträge / Verwaltungsverträge) – auch Fälle der Gleichordnung. Umgekehrt kennt auch das Bürgerliche Recht Konstellationen der Über- und Unterordnung, etwa mit der gesetzlichen Vertretung von Minderjährigen durch deren Eltern. 4. Wenn der Staat für die Mitglieder der Bundesregierung Dienstfahrzeuge einkauft, wird die kaufrechtliche Norm des § 433 BGB dann eine öffentlich-rechtliche Norm? Nein. § 433 BGB setzt nicht zwingend die Beteiligung des Staates an Kaufverträgen voraus, wie dies die „Sonderrechtslehre“ verlangt. Es ist keine Norm, die zwingend auf einer der beiden Seiten (Berechtigter und Verpflichteter) den Staat als Hoheitsträger hat. Zwar kann auch der Staat Kaufverträge abschließen und danach zur Zahlung eines Kaufpreises nach § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet sein. Nach § 433 BGB muss es aber eben nicht immer der Staat sein. Dies unterscheidet die Norm etwa von Normen des Steuerrechts, die „nur“ den Staat berechtigen, Steuern zu erheben. 5. Wohin gehört das Strafrecht? Das Strafrecht wird heute als eigenständige Disziplin neben dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht verstanden. Wenn man davon ausgeht, dass es dem Strafrecht um die Umsetzung des „staatlichen Strafanspruchs“ geht, könnte man das Strafrecht allerdings ohne Probleme als Teil des öffentlichen Rechts ansehen, da die Normen dann „den Staat“ berechtigen. 6. Wer ist „Staat“ im Sinne der Sonderrechtslehre? Staat im Sinne der Sonderrechtslehre sind alle staatlichen Hoheitsträger, also Bund, Länder und Kommunen mit ihren jeweiligen Behörden (Verwaltungen). Auf kommunaler Ebene treten als solche Hoheitsträger die Städte und Gemeinden, die Kreise und – in NRW – die Landschaftsverbände auf. II. Staatslehre 1. Unter welchen Voraussetzungen besteht völkerrechtlich ein Staat? Nach Georg Jellineks anerkannter „Drei-Elemente-Lehre“ erlangt ein Staat bei Vorliegen der drei Merkmale Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt völkerrechtliche Staatsqualität. Es muss also ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche gegeben sein, auf dem ein dauerhafter Personenverband sesshaft ist, der von einer mit originärer Hoheitsgewalt ausgestatteten Staatsgewalt geleitet wird. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei vor allem das Kriterium der unabgeleiteten Staatsgewalt. Es bedeutet, dass öffentliche Körperschaften, die durch übergeordnete staatliche Einheiten errichtet werden und in ihrem Bestand von diesen abhängig sind, nicht Staat im völkerrechtlichen Sinne sind. Dies betrifft in der Bundesrepublik Deutschland etwa Städte und Kreise, die von einem (Bundes-)Land errichtet werden und von diesen – etwa im Rahmen von Neugliederungen – jederzeit wieder beseitigt werden können. Diese sind nicht Staat im völkerrechtlichen Sinne. 2. Ist dieser Begriff identisch mit dem Staatsbegriff der Sonderrechtslehre? Nein. Staat im Sinne der Sonderrechtslehre (also zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht) sind alle als Hoheitsträger tätigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, also z.B. auch Städte und Gemeinden, staatliche Hochschulen u.a. Es geht bei der Sonderrechtslehre also um Normen, die den Staat und alle seine (öffentlich-rechtlichen) Untergliederungen (ausschließlich) berechtigen und verpflichten. 3. Erläutern Sie die Begriffe Bundesstaat, Staatenbund und Staatenverbund und nennen Sie jeweils ein Beispiel. Ein Bundesstaat ist ein aus Gliedstaaten bestehender Gesamtstaat, bei dem sowohl der Bund (als Gesamtstaat) als auch die einzelnen Bundesländer (als sog. Gliedstaaten) Staatsqualität haben (Beispiele: Bundesrepublik Deutschland; Österreich; USA). Ein Staatenbund ist ein Zusammenschluss selbständiger Mitgliedstaaten, meist ohne eine Übertragung von Hoheitsrechten, bei der der Staatenbund selbst keine Staatsqualität aufweist (Beispiele: Afrikanische Union; BeNeLux). Ein Staatenverbund ist ein Zusammenschluss selbständiger Mitgliedstaaten durch Errichtung einer supranationalen Rechtsordnung – bei diesem Begriff handelt es sich um eine Wortneuschöpfung des Bundesverfassungsgerichts zur Beschreibung der Europäischen Union. 4. Warum ist die Europäische Union kein Staat? Der EU fehlt die nach der „Drei-Elemente-Lehre“ erforderliche unabgeleitete Staatsgewalt. Vielmehr erhält die EU ihre Zuständigkeiten im Rahmen begrenzter Einzelermächtigungen von den einzelnen Mitgliedstaaten der EU, die für sich genommen „Herren der Verträge“ bleiben. Insbesondere können die Mitgliedstaaten auch aus der Europäischen Union austreten! 5. Sind die Bundesländer Staaten i.S.d. Drei-Elemente-Lehre? Nein (str.). Auch ihre Hoheitsgewalt ist nicht unabgeleitet. Vielmehr wird die Staatlichkeit der Länder durch das Grundgesetz „verliehen“. Umgekehrt behält sich das Grundgesetz vor, einzelne Länder auflösen zu dürfen (Art. 29 GG). Außerdem bindet das Grundgesetz die Verfassungsautonomie der Länder an die Beachtung grundgesetzlicher Vorgaben (Art. 28 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3 GG u. a.). Die Staatsqualität der Länder ist damit „staatsrechtlicher Natur“, nicht völkerrechtlicher Natur. Sie sind Staaten (sog. Gliedstaaten), weil das Grundgesetz ihnen Staatlichkeit zuerkennt. III. Grundprinzipien der deutschen Verfassungsordnung (Teil 1) 1. Welche Staatsgrundsätze formuliert das Grundgesetz und wofür sind diese Staatsgrundsätze wichtig? Art. 20 Abs. 1 GG formuliert als Grundsätze der Verfassungsordnung: - Republikprinzip - Bundesstaatsprinzip - Sozialstaatsprinzip - Rechtsstaatsprinzip - Demokratieprinzip Relevant werden diese „Grundsätze“ vor allem insoweit, als sie einer Verfassungsänderung grds. entzogen sind (Art. 79 Abs. 3 GG). Ferner bindet Art. 28 Abs. 1 GG die Länder an die Beachtung dieser Grundsätze. Zugleich binden diese Grundsätze auch die Gesetzgebung (Art. 20 Abs. 3 GG). 2. Kann Art. 20 Abs. 1 GG auch ein Grundsatz der „Staatlichkeit“ entnommen werden? Welche Konsequenz hätte dies? Ja! Zu den geschützten Grundsätzen des Art. 20 GG zählt auch, dass Deutschland ein souveräner „Staat“ ist (s. Art. 20 Abs. 1 S. 1: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein … Staat“ – Drei-Elemente-Lehre: „Unabgeleitete“ Staatsgewalt als Voraussetzung genuiner Staatlichkeit!). Folgen hat das insoweit, als die Staatlichkeit nach Art. 79 Abs. 3 GG nicht durch Verfassungsänderung aufgehoben werden kann. Unzulässig wäre also, dass Deutschland im Wege einer bloßen Verfassungsänderung einem europäischen Bundesstaat beiträte und damit zu einem Gliedstaat mutierte. Hier wäre nur der Weg einer originären Verfassungsgebung durch das Volk. Dieser Fall ist in Art. 146 GG geregelt, der die Möglichkeit des Deutschen Volkes benennt, sich – frei von den Bindungen des Grundgesetzes – eine ganz neue Verfassung zu geben. Allerdings wäre die Norm genau genommen hier auch nicht einschlägig, da sich in einem vereinten Europa nicht das deutsche Volk (so aber Art. 146 GG) eine neue Verfassung gäbe, sondern das europäische Volk! Auch dem stünde das GG allerdings nicht entgegen.

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