Europäische Integration Deutschlands PDF Übungsfragen Sommersemester 2023
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SGH Warsaw School of Economics
2023
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Prof. Dr. Jürgen Wandel
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Summary
These are lecture notes or study material on European integration, covering fundamental economic concepts such as institutions, economic order, market mechanisms, and economic models. The study material is structured as a series of questions and answers, providing a comprehensive overview of core subjects and theories.
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Prof. Dr. Jürgen Wandel Sommersemester 2023 Warsaw School of Economics (SGH) Polsko-Niemieckie Forum Akademickie EUROPÄISCHE INTEGRATION DEUTSCHLANDS Übungsfragen 1. Erläutern Sie die Begriff...
Prof. Dr. Jürgen Wandel Sommersemester 2023 Warsaw School of Economics (SGH) Polsko-Niemieckie Forum Akademickie EUROPÄISCHE INTEGRATION DEUTSCHLANDS Übungsfragen 1. Erläutern Sie die Begriffe Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftssystem! Wirtschaftssystem = Wirtschaftsordnung + wirtschaftliche Beziehungen Wirtschaftsordnung = Institutionen = formale Regeln + informale Regeln Wirtschaftsverfassung = formale Regeln 2. a.) Was versteht man in der Wirtschaftswissenschaft unter „Institutionen“? Regeln + Durchsetzungsmechanismen (“rules of the game”): b.) Welche grundsätzlichen Arten von Institutionen werden unterschieden? Nennen Sie jeweils Beispiele! Formale Institutionen = kodifizierte Gesetze (Verfassung, Wettbewerbsrecht, Handelsrecht) Informale Institutionen = Konventionen, Normen (10 Gebote, Respekt vor Eigentum, Pünktlichkeit) c.) Warum sind Institutionen im Wirtschaftsleben wichtig? Welche Funktion erfüllen sie? Funktion von Institutionen: – Eingrenzung und Stabilisierung von Handlungsspielräumen der Individuen – Stabilisierung der Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens der Individuen – Institutionen senken Transaktionskosten 3. Mithilfe welcher Kriterien lassen sich verschiedene Typen von Wirtschaftssystemen klassifizieren? Welche Typen von Wirtschaftssystemen ergeben sich bei der Verknüpfung dieser Kriterien? 4. Was versteht man unter Ordnungsökonomik? Gehen Sie dabei auch auf den Unterschied zwischen Ordnungstheorie und Ordnungspolitik ein. Ordnungsökonomik beschäftigt sich mit den Regeln und Bedingungen, die in einer Wirtschaft existieren und wie sie das Verhalten der einzelnen Akteure koordinieren. Ordnungstheorie: Die Ordnungstheorie beschäftigt sich mit der Beschreibung, Erklärung und Vorhersage, wie alternative Regeln die Interaktion zwischen Individuen beeinflussen. Ein wichtiger Forschungsbereich ist der Vergleich von Wirtschaftssystemen. Ordnungspolitik: Die Ordnungspolitik untersucht, welche Maßnahmen die Politik im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnungen ergreifen sollte. Dabei sollten diese Maßnahmen ausschließlich darauf abzielen, die Spielregeln (Institutionen) zu verändern, nicht jedoch den direkten Wirtschaftsprozess zu beeinflussen. 5. a.) Der deutsche Ökonom Walter Eucken hat den Ordnungsrahmen einer Marktwirtschaft mit Hilfe sogenannter „konstituierender Prinzipien“ beschrieben. Nennen und erläutern Sie diese kurz! Privateigentum: Vermögenswerte und Produktionsmittel sollten privat sein, um Effizienz und Innovation zu fördern. Vertragsfreiheit: Individuen sollten freiwillige Vereinbarungen treffen können, um Handel und wirtschaftliche Aktivitäten zu ermöglichen. Wettbewerb: Wettbewerb fördert Effizienz und Qualität, da Unternehmen miteinander konkurrieren. Subsidiarität: Entscheidungen sollten auf der niedrigstmöglichen Ebene getroffen werden, um staatliche Eingriffe zu begrenzen und lokale Gemeinschaften zu stärken. Stabilität des Geldwertes: Eine stabile Währung ist wichtig, um Inflation und Unsicherheiten zu vermeiden. b.) Diesen konstituierenden Prinzipien stellt er „regulierende Prinzipien“ zur Seite? Was ist mit „regulierenden Prinzipien“ gemeint? Was gehört im einzelnen zu ihnen? Ja, Walter Eucken stellt den konstituierenden Prinzipien auch sogenannte "regulierende Prinzipien" gegenüber. Die regulierenden Prinzipien ergänzen die konstituierenden Prinzipien und beziehen sich auf die Rolle des Staates bei der Gestaltung und Aufrechterhaltung eines funktionierenden Ordnungsrahmens. Wettbewerbspolitik: Der Staat reguliert Monopole, Kartelle und andere wettbewerbsbeschränkende Praktiken, um einen fairen und freien Wettbewerb sicherzustellen. Geld- und Währungspolitik: Der Staat kontrolliert die Geldmenge, bekämpft Inflation und sorgt für Währungsstabilität, um die Geld- und Währungsordnung zu erhalten. Sozialpolitik: Der Staat ergreift Maßnahmen zur Förderung sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit, wie die Bereitstellung von Sozialversicherungssystemen und Unterstützung für Bedürftige. Umweltpolitik: Der Staat führt Umweltschutzmaßnahmen ein, um Umweltschäden zu begrenzen und nachhaltige Praktiken zu fördern. Bildungs- und Forschungspolitik: Der Staat unterstützt Investitionen in Bildung und Forschung, um Humankapital aufzubauen und Innovationen zu fördern. 6. F.A. v. Hayek hat den Begriff „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ geprägt. Was ist damit gemeint? Wie sind vor diesem Hintergrund wirtschaftspolitische Interventionen in Marktwirtschaften zu bewerten, die zum Ziel haben, den Marktprozess auf bestimmte Ziele oder Ergebnisse hin zu beeinflussen? "Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" bedeutet, dass wirtschaftlich relevantes Wissen, wie was, wie viel, für wen, wann und wo produziert werden soll, nur durch den Wettbewerb auf Märkten erlangt werden kann. Aufgrund der begrenzten kognitiven Fähigkeiten des Menschen kann dieses Wissen nicht von einer einzigen Person oder Behörde erfasst und verarbeitet werden. Deshalb benötigen wir einen Mechanismus, um dieses Wissen nutzbar zu machen, und dieser Mechanismus ist der Wettbewerb. Der Wettbewerb bietet Anreize, kontinuierlich neues Wissen über Präferenzen oder Produktionsverfahren zu erwerben und dieses geschickt zum eigenen Vorteil zu nutzen. Hohe Preise signalisieren Knappheit und Gewinnmöglichkeiten, während niedrige Preise einen geringen Bedarf und kaum Gewinnmöglichkeiten anzeigen. Individuen, die erfolgreich handeln, werden mit Gewinnen belohnt, während Verluste dazu zwingen, ihre Fehlentscheidungen zu korrigieren. Wirtschaftspolitische Interventionen, die den Markt in bestimmte Ziele lenken wollen, werden als problematisch betrachtet, da die Komplexität der Märkte und die begrenzten Kenntnisse der Entscheidungsträger zu unvorhersehbaren Folgen führen können. Beispiel: Die Förderung von Biogas kann zu weniger Agrarrohstoffen für die Nahrungsmittelproduktion führen. 7 a.) Erläutern Sie das Konzept der sozialen Marktwirtschaft! Die soziale Marktwirtschaft ist ein wirtschaftliches Konzept, das darauf abzielt, das Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit auf dem Markt, also freies Unternehmertum auf freien Märkten, mit dem Ziel des sozialen Ausgleichs zu verbinden. b.) Welche Probleme ergaben sich im Laufe Zeit in Deutschland aus dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft, d.h. durch die Verbindung der Marktwirtschaft mit dem Adjektiv „sozial“? Die Gefahr besteht darin, dass das Adjektiv (sozial) zum Hauptwort wird und die Bedeutung des Marktes als zentraler Koordinationsmechanismus in den Hintergrund gedrängt wird. o Verringertes Wirtschaftswachstum und insbes. die Verkrustung des Arbeitsmarktes mit relativ hoher Arbeitslosigkeit. o Wachsende Finanzierungsschwierigkeiten und Verschuldung des Staates o Veränderung der Denk- und Verhaltensweisen: zunehmende Anspruchshaltung an den Staat und abnehmende Anreize für eigenverantwortliches Präventivverhalten; Lobbyieren für Sicherung des Besitzstandes und abnehmende Risikofreude bei den Unternehmen 8. a.) Wie kann die Spielart des Kapitalismus in Frankreich charakterisiert werden. Auf welchen Traditionen beruht sie? Die Spielart des Kapitalismus in Frankreich kann als etatistisch bezeichnet werden, da der Staat eine starke und aktive Rolle im Wirtschaftsleben spielt. Es gibt auch Bezeichnungen wie Staatskapitalismus, lateinisches oder mediterranes Modell der Marktwirtschaft, um die französische Variante zu beschreiben. Die französische Spielart des Kapitalismus hat ihre Wurzeln im Merkantilismus, insbesondere im sogenannten "Colbertismus". Der Merkantilismus war eine politische und wirtschaftliche Doktrin, die auf staatliche Regulierung und Protektionismus setzte, um den nationalen Reichtum zu fördern. Jean-Baptiste Colbert, der Finanzminister unter König Ludwig XIV., prägte den Begriff des Colbertismus und setzte in Frankreich eine Vielzahl von Interventionen und Regulierungen ein, um die Wirtschaft zu lenken und zu fördern. b.) Wie unterscheidet sich die Rolle des Staates in der französischen Vorstellung von Marktwirtschaft von der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland? Zielsetzung: In Frankreich wird dem Staat die Aufgabe zugeschrieben, den Wohlstand aktiv zu steigern und zu sichern. Diese Aufgabe wird nicht allein den freien Marktakteuren überlassen. In Deutschland liegt der Fokus des Staates auf der Sicherung der institutionellen Rahmenbedingungen, während der Wohlstand primär durch das Zusammenspiel der freien Marktkräfte erreicht werden soll. Lenkung der Investitionen: Der französische Staat lenkt die Investitionen aktiv in Sektoren und Projekte, die er als wichtig und zukunftsträchtig erachtet. Dafür werden Instrumente wie selektive Finanz-, Kredit- und Außenwirtschaftspolitik, öffentliche Aufträge und direkte Preiskontrollen eingesetzt. In Deutschland konzentriert sich der Staat hingegen hauptsächlich auf die Sicherung der Rahmenbedingungen und greift weniger aktiv in die Lenkung der Investitionen ein. Schwerpunkt der Sozialpolitik: Beide Länder legen Wert auf einen sozialen Ausgleich in der Gesellschaft. In Deutschland orientiert sich die Sozialpolitik am Subsidiaritätsprinzip, das bedeutet, dass die Marktkräfte nicht außer Kraft gesetzt werden sollen. In Frankreich wird der Staat stärker in die Sozialpolitik involviert und übernimmt eine aktive Rolle bei der Einkommensumverteilung und der Bereitstellung sozialer Leistungen. Konjunkturpolitik: In Deutschland wird seit den 1960er Jahren eine aktive Konjunkturpolitik betrieben, um Arbeitslosigkeit in Zeiten von Rezessionen zu bekämpfen. In Frankreich spielen konjunkturpolitische Maßnahmen ebenfalls eine Rolle, jedoch liegt hier ein stärkerer Fokus auf der staatlichen Lenkung der Investitionen. Umweltpolitik: Beide Länder haben eine Umweltpolitik, jedoch haben in Frankreich interventionistische Maßnahmen, wie das Erneuerbare Energien Gesetz, eine größere Bedeutung erlangt. In Deutschland ist die Umweltpolitik ebenfalls präsent, jedoch findet man hier eine stärkere Betonung der Ordnungspolitik. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die französische Vorstellung von Marktwirtschaft eine aktivere Rolle des Staates in der Lenkung der Wirtschaft und der Umverteilung des Wohlstands betont, während die deutsche soziale Marktwirtschaft stärker auf die Sicherung der institutionellen Rahmenbedingungen und die Begrenzung staatlicher Interventionen setzt. c.) Wie würden Sie die Art des Kapitalismus charakterisieren, die sich in Polen nach dem Zusammenbruch des Sozialismus herausgebildet hat. Hat es im Zeitverlauf Veränderungen gegeben und falls ja, wie erklären Sie sich diese? Anfangs wurden radikale marktorientierte Reformen durchgeführt, die zu wirtschaftlicher Ungleichheit führten. Später wurden jedoch Maßnahmen ergriffen, um soziale Sicherungssysteme einzuführen und den Markt besser zu regulieren. Diese Veränderungen waren das Ergebnis von Lernprozessen, politischen Entwicklungen und dem Streben nach einem ausgewogeneren Modell, das sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch soziale Gerechtigkeit fördert. 9. a.) Was bedeutet „Subsidiaritätsprinzip“? Prinzip zur Verteilung der Aufgaben in einem föderalen Staat. Die Verantwortung für eine Aufgabe soll die jeweils kleinste dafür geeignete Einheit übernehmen. Die übergeordnete Ebene greift nur dann ein, wenn die untergeordnete mit einer Aufgabe überfordert ist. b.) Was würde die strikte Anwendung dieses Prinzips auf die Europäische Integration für die Verteilung der Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik bedeuten? Möglichst wenig Politikfelder sollten auf europäischer Ebene zentralisiert werden. Folgende Reihenfolge der Zuständigkeit ergebe sich: Region (Gemeinde, Landkreis, Bundesstaat) → nationale Zentralregierung → EU 10. a.) Erläutern Sie den Unterschied zwischen „positiver“ und „negativer“ Integration? Lassen sich beide Strategien der Integration mit einander vereinbaren? Begründen Sie Ihre Antwort. Integration durch Wettbewerb - “negative Integration” 🡺 Systemwettbewerb Integration durch Intervention - “positive Integration” 🡺 Bürokratische Planung von oben Positive Integration und negative Integration können sich ergänzen. Negative Integration basiert auf Wettbewerb und freiem Handel, während positive Integration staatliche Intervention und Regulierung beinhaltet. Gemeinsame Organe zur Schlichtung von Streitigkeiten und zur Sicherstellung von Handlungsfreiheit können beide Strategien ergänzen. Positive Integration sorgt für fairen Wettbewerb und Marktregulierung, während negative Integration die Vorteile des freien Marktes und des Wettbewerbs nutzt. b.) Welche Strategie befürwortete die deutsche Ordnungsökonomik für die Europäische Integration und warum? Die deutsche Ordnungsökonomik befürwortete die "negative Integration" für die Europäische Integration. Sie betonte liberale nationale Ordnungspolitiken, die Öffnung der Märkte und den Systemwettbewerb als Voraussetzungen für den Erfolg. Eine starke Zentralisierung von wirtschaftspolitischen Kompetenzen wurde abgelehnt, da sie als Gefahr für die Marktwirtschaft angesehen wurde. Die Entpolitisierung des Wirtschaftslebens und die Öffnung der Märkte sollten die Länder automatisch zusammenbringen. c.) Wie würden Sie den EWG-Vertrag von Rom von 1957 vor diesem Hintergrund bewerten? Der EWG-Vertrag von Rom von 1957 hatte das Ziel, einen gemeinsamen Binnenmarkt durch die Verwirklichung der vier Grundfreiheiten (Freizügigkeit von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital) zu schaffen. In Bezug auf die Bewertung des Vertrages kann gesagt werden, dass er ein Kompromiss zwischen negativer und positiver Integration darstellte. Allerdings wurde der negativen Integration ein größeres Gewicht beigemessen. Die positiven Integrationselemente des Vertrages bestanden darin, Gemeinschaftsorganisationen mit begrenzten Kompetenzen zu errichten. Insgesamt ist die Wirtschaftsverfassung des EWG-Vertrages von 1957 eindeutig marktwirtschaftlich ausgerichtet. Aber sie verankerte keine freie, sondern koordinierte Marktwirtschaft. 11. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) von 1985 hatte zum Ziel, die Stagnation im europäischen Integrationsprozess zu überwinden und den EU-Binnenmarkt bis 1992 zu vollenden. a.) Erläutern Sie was unter „Vollendung des Binnenmarkts“ gemeint ist. Gehen Sie dabei auf den Begriff der „4 Grundfreiheiten“ ein. Vollendung des Binnenmarktes bedeutet die Beseitigung sämtlicher Beschränkungen bei grenzüberschreitenden Handlungen im Wirtschaftsleben zwischen den Mitgliedsstaaten der EU. Verwirklicht sollen dabei die sogenannten 4 Grundfreiheiten. Diese beinhalten: – freier Warenverkehr – freier Dienstleistungsverkehr – freier Personenverkehr – freier Kapitalverkehr b.) Wie sind die wesentlichen Entscheidungen, die in der EEA getroffen wurden, aus ordnungsökonomischer Sicht zu bewerten? Die wesentlichen Entscheidungen in der EEA können aus ordnungsökonomischer Sicht gemischt bewertet werden. Einerseits wurden Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs und der Integration von unten getroffen, wie das Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot im Handel. Andererseits führte die Ausweitung der Zentralisierung und Anreize zur Rentensuche über den Kohäsionsfonds zu Bedenken hinsichtlich der Subsidiarität und Effizienz. 12. Der Vertrag von Maastricht von 1992/93 sah zum Ausbau der Wirtschaftsunion unter anderem eine Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen in den Bereichen Industrie-, Forschungs- und Technologiepolitik, der Kohäsionspolitik sowie der Sozial- und Beschäftigungspolitik vor. a.) Was versteht man unter Kohäsionspolitik? Kohäsionspolitik hat zum Ziel durch weitreichende Umverteilungen die Lebensverhältnisse zwischen reicheren und ärmeren Mitgliedstaaten bzw. Regionen der EU anzugleichen. Die dazu bereit gestellten finanziellen Mittel im Kohäsionsfonds werden u.a. zum Ausbau der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur in abgelegenen Regionen verwendet sowie zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. b.) Warum wird die Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen auf die oben genannten Politikbereiche aus ordnungsökonomischer Sicht skeptisch beurteilt? Aus ordnungsökonomischer Sicht werden Bedenken gegenüber der Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen in den genannten Politikbereichen geäußert. Es wird befürchtet, dass umfangreiche staatliche Eingriffe den Marktmechanismus beeinträchtigen und ineffiziente Industrien schützen könnten. Zudem wird die Umverteilung von Finanzmitteln durch die Kohäsionspolitik kritisiert, da dies die Eigeninitiative der Regionen und Staaten hemmen kann. Die Vereinheitlichung der Sozialpolitik und die Angleichung der Rechtsvorschriften könnten zu Arbeitslosigkeit und übermäßiger Regulierung führen, was den Wettbewerb behindert. Insgesamt wird die Sorge geäußert, dass diese Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen die Marktmechanismen und die individuelle Freiheit einschränken könnte. c.) Wie kann man erklären, dass es seit den Römischen Verträgen bis zu den Verträgen von Maastricht von 1992/93 und Amsterdam 1997/99 zu einer ständigen Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen gekommen ist? Die ständige Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen von den Römischen Verträgen bis zu den Verträgen von Maastricht und Amsterdam kann durch folgende Gründe erklärt werden: o Die Generalklausel ermöglichte der Gemeinschaft, in unvorhergesehenen Fällen tätig zu werden. o Bei Erweiterungen der EU wurden Kompromisse geschlossen, um den Beitritt weniger entwickelter Länder zu ermöglichen. o Die Entscheidungsregeln im Ministerrat führten zu Paketlösungen, bei denen Liberalisierungen und Zentralisierungen kombiniert wurden. o Die Eigeninteressen der EU-Institutionen, wie das Streben nach mehr Einfluss, Macht und Budget, spielten ebenfalls eine Rolle. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass die EU im Laufe der Zeit immer mehr Kompetenzen auf europäischer Ebene erhalten hat. 13. In einem Artikel der Gazeta Wyborcza vom 21. Juni 2012 schrieb der Journalist Piotr Buras, daß Deutschlands ökonomisches Modell bislang die Europäische Integration geprägt habe. Ist diese Aussage Ihrer Meinung nach zutreffend? Begründen Sie Ihre Antwort. Ja, die Aussage ist zutreffend. Deutschlands ökonomisches Modell der sozialen Marktwirtschaft hat die Europäische Integration in verschiedenen Bereichen geprägt. o Im Vertrag von Rom wurde die Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung der Europäischen Gemeinschaft verankert. o In der Landwirtschaft wurden Marktordnungen eingeführt, die das deutsche Modell beeinflussten. o Der Vertrag von Maastricht verlieh der Europäischen Zentralbank Unabhängigkeit und betonte die Bedeutung von Preisstabilität. o Der Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 wurde als Ergänzung zum Vertrag von Maastricht verabschiedet. o In der Euro-Rettungspolitik spielte Deutschland eine maßgebliche Rolle mit Bedingungen und Sparmaßnahmen. 14. Als die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) verhandelt wurden, hatten die sechs Gründerstaaten jeweils unterschiedliche Agrarpolitiken. a.) Warum ist die Beibehaltung unterschiedlicher Politiken für den Agrarsektor mit der Idee eines gemeinsamen Marktes in Europa nicht vereinbar? Die Beibehaltung unterschiedlicher Agrarpolitiken in den Gründerstaaten ist mit der Idee eines gemeinsamen Marktes in Europa nicht vereinbar, da sie den freien Verkehr von Waren und Produktionsfaktoren behindert. Unterschiedliche Handelsbeschränkungen, Subventionen und Preispolitiken führen zu Wettbewerbsverzerrungen und erschweren den reibungslosen Handel innerhalb des gemeinsamen Marktes. b.) Welche grundsätzlichen Optionen für den Agrarsektor mit Blick auf die Europäische Integration stellten sich damals für die Vertragspartner? Agrarsektor aus dem gemeinsamen Markt ausschließen (wie z.B. in der EFTA) Agrarmarkt liberalisieren und vollständiger Verzicht auf Agrarpolitik Vereinheitlichung der Agrarpolitik c.) Welche Regelung für den Agrarsektor bzw. die Agrarpolitik wurde dann tatsächlich für die EWG getroffen? Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang Deutschland? Es wurde die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eingeführt, die auf Marktordnungen basierte. Deutschland spielte eine wichtige Rolle bei der Einführung dieser Marktordnungen, da sie bereits im deutschen Landwirtschaftsgesetz von 1955 praktiziert wurden und ein höheres Preisniveau für deutsche Bauern zur Folge hatten. Eine am deutschen Preisniveau orientierte Agrarmarktregulierung wurde durchgesetzt, um Einkommensverluste für deutsche Bauern zu vermeiden und Einkommenszuwächse für europäische Bauern zu erzielen. 15. Nennen Sie die wichtigsten Ziele und Prinzipien der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EWG bzw. EU? Wichtige Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sind: o Steigerung der Produktivität in der Landwirtschaft. o Erhöhung des Einkommens der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer. o Stabilisierung der Agrarmärkte. o Sicherstellung der Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten. o Gewährleistung angemessener Preise für Landwirte. Die Prinzipien der GAP umfassen: o Einheitlicher Binnenmarkt für Agrargüter: Freier Verkehr landwirtschaftlicher Erzeugnisse innerhalb der EU. o Gemeinschaftspräferenz: Vorzug der Vermarktung von EU-Agrarprodukten gegenüber importierten Produkten. o Finanzielle Solidarität: Finanzierung aller GAP-Ausgaben durch den EU-Haushalt. 16. a.) Mit welchen angeblichen Besonderheiten der Agrarproduktion wird eine spezielle, interventionistische Agrarpolitik in der Europäischen Union, aber auch vielen anderen entwickelten Marktwirtschaften begründet? Erläutern Sie Ihre Antwort mit Hilfe geeigneter Graphiken! Preisunelastische Nachfrage: Auf Agrarmärkten führen Mengenschwankungen zu überproportionalen und gegenläufigen Preisschwankungen. Das bedeutet, dass eine Veränderung der Menge (z.B. durch Missernten) zu einer überproportionalen Preisänderung führt. Engelsches Gesetz: Mit steigendem Einkommen sinkt der Anteil der Nahrungsmittelausgaben am Gesamtkonsum. Das heißt, wenn die Einkommen steigen, geben die Menschen einen geringeren Anteil ihres Geldes für Lebensmittel aus. Angebotsseite: Das Angebot von Agrarprodukten ist langfristig recht elastisch, da technischer Fortschritt und verbesserte Produktionsmethoden eine erhöhte Produktion ermöglichen. Kurzfristig ist das Angebot jedoch aufgrund natürlicher Produktionszyklen und Wetterbedingungen relativ unelastisch und unterliegt starken Schwankungen. Zusammenwirken von preisunelastischer Nachfrage und starkem Angebot: Aufgrund der preisunelastischen Nachfrage und eines starken Angebots durch technischen Fortschritt sinken die Preise stark, während die verkauften Mengen nur geringfügig zunehmen. Dadurch verringert sich der Gesamtumsatz. o Diese Besonderheiten der Agrarproduktion werden als Begründung für eine interventionistische Agrarpolitik verwendet, um Preisschwankungen zu stabilisieren, das Einkommen der Landwirte zu sichern und die Versorgung mit Nahrungsmitteln aufrechtzuerhalten. b.) Rechtfertigen diese Besonderheiten aus ökonomischer Sicht eine besondere wirtschaftspolitische Behandlung des Agrarsektors in einer Marktwirtschaft? Die besonderen Merkmale der Agrarproduktion rechtfertigen aus ökonomischer Sicht keine Sonderbehandlung des Agrarsektors. Preis- und Nachfrageschwankungen können durch Versicherungsmärkte und private Lagerhaltung ausgeglichen werden, während der Freihandel für Marktstabilität sorgt. Effiziente Betriebe können durch Innovation und Investition ihr Einkommen steigern, während weniger effiziente Betriebe dem Wettbewerb weichen. Daher ist eine spezielle wirtschaftspolitische Behandlung nicht notwendig. 17. a.) Mit welchen agrarpolitischen Instrumenten versucht(e) die EU das Ziel der Einkommenssicherung der Bauern zu erreichen? Die EU hat zur Einkommenssicherung der Bauern folgende agrarpolitische Instrumente eingesetzt: o Mindestpreispolitik o Variable Importzölle o Aufkaufgarantien o Exportsubventionen o Produktionsquoten o Direktzahlungen b.) Gab es seit der Einführung der Gemeinsamen Agrarpolitik 1958 Veränderungen beim Einsatz der Instrumente? Falls ja, (i) welche waren das und (ii) warum kam es dazu? Veränderungen der Instrumente: o Abbau der Preisstützungen und schrittweiser Übergang zu flächengebundenen Direktzahlungen in der MacSharry-Reform von 1992. o Einführung der Politik für die ländlichen Räume als zweiter Pfeiler der GAP in der Agenda 2000. o Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion im Jahr 2005 und stärkere Bindung an Umweltauflagen seit 2014. Gründe für die Veränderungen: o Einkommensverluste der Landwirte durch den Abbau der Preisstützungen wurden mit flächengebundenen Direktzahlungen ausgeglichen. o Die Einbindung von Umwelt- und Produktionsstandards (Cross Compliance) in die Direktzahlungen wurde eingeführt, um Umweltaspekte stärker zu berücksichtigen. o Die Reformen wurden auch aufgrund von Druck aus internationalen Handelsvereinbarungen wie dem GATT und der WTO vorgenommen, um protektionistische Agrarpolitiken zu liberalisieren. Diese Veränderungen spiegeln den Wandel der Gemeinsamen Agrarpolitik wider, bei dem die Direktzahlungen an Bedeutung gewonnen haben, während die Preisstützung reduziert wurde, um Überschüsse einzudämmen und den EU-Haushalt zu entlasten. 18. a.) Bei vielen landwirtschaftlichen Produkten waren die Märkte in der EU durch Mindest- preise reguliert. Zeigen Sie die Allokations- und Verteilungswirkungen dieser Maßnahme sowie die Wirkung auf die Gesamtwohlfahrt. o Überproduktion: Die Festlegung von Mindestpreisen über dem Gleichgewichtspreis führt zu einer Überproduktion. Die Bauern werden dazu angeregt, mehr zu produzieren, da sie von den höheren Preisen profitieren können. Dies führt zu Butterbergen, Milchseen, Weinseen und anderen Überschüssen auf den Märkten. o Allokationswirkungen: Die Überproduktion infolge der Mindestpreispolitik führt zu einer ineffizienten Ressourcenallokation. Ressourcen werden in Bereiche gelenkt, in denen sie nicht optimal genutzt werden, da die Produktion über dem tatsächlichen Bedarf liegt. o Verteilungswirkungen: Die Mindestpreispolitik kann zu Verteilungseffekten führen. Wenn die Bauern in der Lage sind, ihren Überschuss zu verkaufen (z. B. durch staatlichen Aufkauf oder Exportsubventionen), erhalten sie eine positive Produzentenrente. Wenn sie jedoch auf ihrer Überproduktion sitzen bleiben und sie nicht verkaufen können, haben sie keinen Vorteil von der Mindestpreispolitik. o Gesamtwohlfahrt: Trotz möglicher positiver Produzentenrenten für einzelne Bauern führt die Mindestpreispolitik insgesamt zu einem Gesamtwohlfahrtsverlust für die EU. Die Kosten für den Staat, wie z. B. der Aufkauf von Überschüssen oder die Gewährung von Exportsubventionen, belasten den Haushalt. Gleichzeitig werden Ressourcen ineffizient genutzt, und Verbraucher müssen möglicherweise höhere Preise für landwirtschaftliche Produkte zahlen. Insgesamt führt die Mindestpreispolitik zu einer verzerrten Allokation von Ressourcen, einer Überproduktion und einem Gesamtwohlfahrtsverlust für die EU. Diese Effekte haben dazu geführt, dass im Laufe der Zeit Reformen in der Gemeinsamen Agrarpolitik durchgeführt wurden, um die Preisstützungen zu reduzieren und die Marktmechanismen stärker wirken zu lassen. b.) Welche Kobra-Effekte hat(te) diese Mindestpreispolitik und welche Interventionsspirale löste sie aus? Der Kobra-Effekt bezeichnet eine Situation, in der eine wirtschafts- oder politikbezogene Maßnahme unerwartete negative Nebenwirkungen hat und das eigentliche Problem verschlimmert. Die Mindestpreispolitik auf Agrarmärkten und die damit verbundenen Interventionen haben verschiedene Kobra-Effekte ausgelöst: o Überschussproduktion: Die Festlegung von Mindestpreisen hat die Anreize für die Bauern erhöht, mehr zu produzieren, um von den höheren Preisen zu profitieren. Dies führte zu einer Überproduktion von landwirtschaftlichen Gütern wie Butter, Milch und Wein. o Höhere Umweltnutzung: Die Mindestpreise haben zu einer intensiveren Nutzung natürlicher Ressourcen und Produktionsmittel geführt. Um mehr zu produzieren, wurden mehr Boden, Düngemittel und Pflanzenschutzmittel eingesetzt, was zu einer erhöhten Umweltbelastung führte. o Verlangsamung des Strukturwandels: Die Mindestpreispolitik hat dazu beigetragen, dass landwirtschaftliche Betriebe, insbesondere Grenzanbieter, länger in der Produktion verbleiben. Durch die künstlich erhöhten Preise wurden Anreize geschaffen, die wirtschaftlich ineffiziente Produktion fortzusetzen, anstatt sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen. o Steigende Staatsausgaben: Um die Überschüsse aufzukaufen und zu vermarkten, mussten staatliche Mittel bereitgestellt werden. Die finanziellen Belastungen für den Staat durch den Aufkauf, die Subventionierung des Exports und andere Maßnahmen zur Marktregulierung stiegen an. Die Interventionsspirale beinhaltet weitere Interventionen als Reaktion auf die unerwarteten Nebenwirkungen der Mindestpreispolitik. Statt die erfolglose Intervention abzuschaffen, reagierten die Politiker mit weiteren Eingriffen in den Marktprozess. 19. a.) Was versteht man unter einem variablen Importzoll (Abschöpfung)? Ein variabler Importzoll, auch als Abschöpfungszoll bezeichnet, bezieht sich auf einen Zoll, dessen Höhe basierend auf der Differenz zwischen dem Inlandsrichtpreis und dem schwankenden Weltmarktpreis festgelegt wird. Das Ziel dieses Zolls besteht darin, die Differenz zwischen den beiden Preisen abzuschöpfen. Wenn der Weltmarktpreis den Richtpreis übersteigt, wird der Zoll erhöht, um die zusätzlichen Gewinne abzuschöpfen. Umgekehrt wird der Zoll verringert oder aufgehoben, wenn der Weltmarktpreis unter dem Richtpreis liegt. Auf diese Weise soll der Inlandspreis geschützt und das Einkommen der heimischen Produzenten gesichert werden. b.) Erläutern Sie graphisch die Allokations- und Verteilungswirkungen dieser Maßnahme unter der Annahme, dass das Land, das die Abschöpfung einführt, ein „kleines Land“ ist und in einem bestimmten Umfang weiterhin Importe zulassen will. c.) Vergleichen Sie damit die Allokations- und Verteilungswirkungen einer Preisausgleichzahlung (deficiency payments) an die landwirtschaftlichen Erzeuger, ebenfalls für den Fall eines kleinen Importlandes? 20. a.) Erläutern Sie graphisch die Allokations- und Verteilungswirkungen einer Quotierung der inländischen Produktion (Inlandskontigentierung, Produktionsquoten). b.) In welchen Bereichen der EU-Agrarpolitik fand dieses Instrument Anwendung und warum? Welche Rolle spielt(e) dabei Deutschland? Die Inlandskontingentierung oder Produktionsquoten wurden im Zucker- und Milchmarkt der EU eingesetzt, um hohe Produktionsüberschüsse abzubauen, ohne die hohen Preise zu senken. Deutschland spielte eine wichtige Rolle bei der Einführung der Milchquotenregelung, da der damalige Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle selbst Milchbauer war und die Interessen der Milchbauern vertrat, um ihre Unterstützung bei Wahlen zu gewinnen. 21. a.) Erläutern Sie die Begriffe: (i) erste und zweite Säule der GAP, (ii) Cross compliance, (iii) Modulation und (iv) Greening. (i) Die erste Säule der GAP umfasst klassische Marktstützungsmaßnahmen für die Landwirtschaft, wie Direktzahlungen an Landwirte und Preisstützungen. Die zweite Säule konzentriert sich auf die Entwicklung der ländlichen Gebiete. (ii) Cross Compliance bedeutet, dass Landwirte bestimmte Standards im Umwelt- und Tierschutz einhalten müssen, um Direktzahlungen zu erhalten. (iii) Modulation teilt die Direktzahlungen in zwei Module auf: eins für die Produktion von Lebensmitteln und die Instandhaltung landwirtschaftlicher Flächen, und eins für die Entwicklung des ländlichen Raums. (iv) Greening bezeichnet die Einbeziehung ökologischer Auflagen in einen Teil der Direktzahlungen, um Umweltziele zu fördern. Dazu gehört beispielsweise der Anbau von ökologischen Vorrangflächen und die Erhaltung von Dauergrünland. Bei Nichteinhaltung dieser Auflagen können die Direktzahlungen gekürzt oder gestrichen werden. b.) Wie beurteilen Sie den Grundcharakter des Reformprozesses für die GAP seit 1992 mit den Elementen aus Aufgabe a? Ist der EU-Agrarsektor dadurch marktwirtschaftlicher geworden? Begründen Sie Ihre Antwort! Die Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seit 1992 hatten einerseits das Ziel, den Einfluss des Marktes zu stärken. Es wurde versucht, Preiskontrollen abzubauen und Beschränkungen für die Produktion von Milch, Zucker und Wein aufzuheben. Exportsubventionen wurden ebenfalls reduziert. Dadurch sollten Verzerrungen beseitigt werden, die zu Verlusten für die Gesellschaft führen. Andererseits gab es auch Vorgaben und Kontrollen für die Agrarstruktur, den Anbau und bestimmte Praktiken. Dadurch wurden die Produktionsprozesse stark gesteuert und hatten einen planwirtschaftlichen Charakter. Trotz einiger marktwirtschaftlicher Elemente bleibt das Hauptziel der GAP nach wie vor die Umverteilung von Ressourcen zugunsten der Bauern. Direktzahlungen werden eingesetzt, um das Einkommen der Landwirte abzusichern, und diese werden größtenteils durch Steuergelder finanziert. Die Begründung dafür ist umstritten und basiert auf angeblichen positiven Auswirkungen der Landwirtschaft. Insgesamt kann man sagen, dass die Reformen zwar einige marktwirtschaftliche Ansätze enthalten, aber die GAP den Agrarsektor insgesamt nicht marktwirtschaftlicher, sondern eher planwirtschaftlicher gemacht hat. Es gibt einen erhöhten administrativen und bürokratischen Aufwand im System. 22. Welches sind die wesentlichen Vor- und Nachteile der Bildung einer Währungsunion? Vorteile: o Verringerung von Transaktionskosten beim Handel durch den Wegfall von Umtauschkosten und Kosten für die Absicherung vor Wechselkursrisiken. o Erhöhung der Preistransparenz, da Preise direkt vergleichbar sind und keine Wechselkursschwankungen berücksichtigt werden müssen. o Stabilisierung der Erwartungen im internationalen Handel und bei grenzüberschreitenden Investitionen, da Wechselkursrisiken entfallen und Planungssicherheit besteht. Nachteile: o Verlust einer eigenständigen Geld- und Wechselkurspolitik, da die Mitgliedsländer ihre Währung aufgeben und eine gemeinsame Währung einführen. o Der Wechselkurs steht nicht mehr als Instrument zur Verfügung, um auf asymmetrische Schocks (wirtschaftliche Krisen) zu reagieren. Die Anpassung an unterschiedliche wirtschaftliche Bedingungen wird erschwert. o Potenzielle Übertragung finanzieller Risiken und Schulden zwischen den Mitgliedsländern, da sie eine gemeinsame Währung teilen. 23. Vor der Einführung einer gemeinsamen Währung für einige Länder der Europäischen Union 1999 bzw. 2002 auf Grundlage des Vertrages von Maastricht von 1992 gab es schon Versuche der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft. Erläutern Sie die Funktionsweise dieser Zusammenarbeit. Gehen Sie dabei auch auf die Probleme ein, die sich dabei ergaben und welche Rolle Deutschland dabei spielte. Vor der Einführung des Euro gab es in Europa verschiedene Versuche der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik. Eines dieser Versuche war der Werner-Plan, der eine schrittweise Wirtschafts- und Währungsunion vorsah. Ein weiteres System war die Währungsschlange, bei der die Schwankungen der Wechselkurse begrenzt werden sollten. Später wurde das Europäische Währungssystem (EWS) eingeführt, bei dem bilaterale Wechselkurse festgelegt wurden. Es gab jedoch Probleme bei dieser Zusammenarbeit. Ein Hauptproblem waren unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen und Stabilitätskulturen in den Ländern. Deutschland bevorzugte niedrige Inflationsraten und geringe Staatsausgaben, während andere Länder höhere Staatsausgaben und Inflation akzeptierten. Die Deutsche Bundesbank spielte eine wichtige Rolle und bestimmte oft die Geldpolitik, was zu Spannungen führte. Die Zusammenarbeit hatte auch Schwierigkeiten mit Interventionen und der Stabilität der Wechselkurse. Länder, deren Währung aufwertete, wollten oft keine Interventionen, während Länder mit abwertender Währung ihre Währung alleine unterstützen mussten. Dies führte zu Problemen und manchmal zu Abwertungen. Insgesamt zeigten diese Versuche der Zusammenarbeit die Herausforderungen und Unterschiede zwischen den Ländern auf dem Weg zur gemeinsamen Währung. Deutschland spielte aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und der Einflussnahme der Deutschen Bundesbank eine wichtige Rolle. 24. Angenommen Norwegen bindet seine Währung an den Euro. Bald darauf erhöht sich aufgrund von Präferenzänderungen auf dem Weltmarkt die Nachfrage nach Produkten aus dem Euroraum. a.) Welche Folgen hat dies für den Wechselkurs der Norwegischen Krone gegenüber Währungen der Länder, die nicht den Euro haben? Eine Nachfrageverschiebung zugunsten der Güter aus dem Euroraum erhöht die Exporte des Euroraumes. Da diese mit Euro bezahlt werden müssen, steigt die Nachfrage nach Euro, so dass der (reale) Wechselkurs des Euros aufwertet. Da die norwegische Krone an den Euro gebunden ist, wertet auch diese gegenüber anderen Währungen auf. b.) Welche Folgen hat das für Norwegen? Wenn die norwegische Krone aufwertet, werden norwegische Waren für die Nicht-Euro-Länder teurer, d.h. diese importieren weniger norwegische Waren. Ceteris paribus würde dann die norwegische Produktion zurückgehen und Arbeitskräfte freigesetzt. Dieser negative Effekt wird jedoch umso geringer ausfallen, je umfangreicher der Anteil ist, den der Handel mit der Eurozone am norwegischen Handel ausmacht (und je geringfügiger daher der Handel zwischen Norwegen und den Ländern außerhalb der Eurozone ist). 25. Die Niederlande hatten bis zum Eintritt in die Währungsunion den Wechselkurs des Guldens fest an die D-Mark gebunden. a.) Erklären Sie, welche Vor- und Nachteile diese Strategie im Vergleich zu einer Politik flexibler Wechselkurse hatte. Vorteile: o Größere Planungssicherheit für niederländische Unternehmen im Außenhandel mit Deutschland: Durch die feste Wechselkursbindung entfällt das Risiko plötzlicher und unvorhersehbarer Auf- und Abwertungen des Wechselkurses. Unternehmen können ihre Geschäftsplanung langfristiger und stabiler gestalten. o Import von Geldwertstabilität: Da die Deutsche Bundesbank eine relativ geringe Inflationsrate anstrebte und aufgrund ihrer Verpflichtungen Geldwertstabilität gewährleistete, profitierte die niederländische Wirtschaft von dieser Stabilität. Nachteile: o Verzicht auf eigenständige Geld- und Zinspolitik: Durch die Bindung des Guldens an die Deutsche Mark verlor die niederländische Wirtschaftspolitik die Möglichkeit, auf wirtschaftliche Krisen mit einer unabhängigen Geldpolitik, Zinspolitik oder einer Auf- bzw. Abwertung der eigenen Währung zu reagieren. Dies kann problematisch sein, wenn die Niederlande unterschiedlichen wirtschaftlichen Schocks ausgesetzt ist als das "Ankerland", in diesem Fall Deutschland. o Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation des Ankerlandes: Die Wirksamkeit der Wechselkursbindung hängt davon ab, ob die niederländische Wirtschaft ähnlichen Angebot- und Nachfrageschocks ausgesetzt ist wie das Ankerland (Deutschland). Wenn sich die wirtschaftliche Situation zwischen beiden Ländern stark unterscheidet, kann dies zu Problemen führen. b.) Hat sich die Situation der Niederlande durch den Eintritt in die Europäische Währungsunion gebessert? Begründen Sie Ihre Antwort. Die Situation der Niederlande hat sich durch den Eintritt in die Europäische Währungsunion sowohl verbessert als auch verschlechtert. Ein Vorteil besteht darin, dass die niederländische Notenbank nun direkt Einfluss auf die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank nehmen kann, da ihr Notenbankpräsident im EZB-Rat vertreten ist. Vorher hatte die Niederlande kein Mitspracherecht bei den zinspolitischen Entscheidungen der Deutschen Bundesbank. Allerdings kann sich auch ein Nachteil ergeben, da Deutschland selbst nur eine Stimme im EZB-Rat hat und seit der Einführung des Rotationsprinzips 2015 alle 5 Monate nicht mitstimmen kann. Die Entscheidungsfindung des EZB-Rats berücksichtigt nun auch die Situation von Ländern, deren Wirtschaft sich anders entwickelt als die der Niederlande und die möglicherweise nicht so stabil sind. Dies kann zu unterschiedlichen Interessen und Prioritäten in Bezug auf die Zinspolitik führen, insbesondere in Ländern wie Italien oder Griechenland. 26. a.) Was ist der Inhalt der Theorie des optimalen Währungsraumes? Die Theorie des optimalen Währungsraumes beschäftigt sich mit den Kriterien, die bestimmen, wann es optimal ist, eine gemeinsame Währung einzuführen. Der Begriff "optimal" bezieht sich dabei darauf, dass die Vorteile einer Währungsunion größer sind als die damit verbundenen Kosten für die teilnehmenden Länder. Es gibt bestimmte Kriterien, die erfüllt sein sollten, um einen optimalen Währungsraum zu schaffen: o Hochgradige Handelsintegration: Die Länder innerhalb des Währungsraumes sollten einen hohen Grad an Handelsbeziehungen und Handelsaktivitäten aufweisen. Ein intensiver Handel zwischen den Ländern erleichtert den reibungslosen Austausch von Gütern und Dienstleistungen. o Hohe Arbeitskräftemobilität: Es sollte eine hohe Mobilität der Arbeitskräfte zwischen den Ländern des Währungsraumes bestehen. Wenn Arbeitskräfte leicht von einem Land zum anderen wechseln können, können sie sich den unterschiedlichen Arbeitsmarktbedingungen anpassen und so zur Ausgleichung von Ungleichgewichten beitragen. o Hohe Reallohnflexibilität: Die Länder sollten in der Lage sein, ihre Löhne flexibel anzupassen, um auf wirtschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Wenn die Reallohnflexibilität hoch ist, können sich die Löhne den unterschiedlichen Produktivitätsniveaus anpassen und so zur Stabilität des Währungsraumes beitragen. o Hohe Finanzmarktintegration: Die Finanzmärkte der Länder sollten stark integriert sein, damit Kapital frei zwischen ihnen fließen kann. Eine hohe Finanzmarktintegration ermöglicht effiziente Kapitalallokation und Risikoteilung. b.) Ist der Euroraum ein optimaler Währungsraum? Ob der Euroraum ein optimaler Währungsraum ist, ist keine eindeutige Frage, aber es gibt Argumente, die darauf hindeuten, dass er derzeit eher kein optimaler Währungsraum ist. Einerseits gibt es eine hohe Handelsintegration und ähnliche Konjunkturverläufe im Euroraum. Andererseits ist die Reallohnflexibilität und Arbeitskräftemobilität gering. Darüber hinaus sind nur die großen Finanzmärkte stark integriert, was zu einer insgesamt geringen Kapitalmobilität führt. 27. Weshalb wurden mit der No-Bailout-Klausel im Vertag von Maastricht und mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 für die Mitglieder des Euroraumes Verhaltensregeln für die nationale Fiskalpolitik vereinbart? Wie schätzen Sie die Glaubwürdigkeit dieser Vereinbarungen ein? Gehen Sie bei Ihren Antworten auch auf die Rolle Deutschlands ein. Die No-Bailout-Klausel im Vertrag von Maastricht und der Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 wurden eingeführt, um Verhaltensregeln für die nationale Fiskalpolitik der Mitglieder des Euroraums festzulegen. Dies geschah, um die negativen Auswirkungen von übermäßiger Verschuldung und Haushaltsdefiziten auf andere Mitgliedsländer zu begrenzen. Durch die Ausgabe von Staatsanleihen und hohe Budgetdefizite eines Landes können beispielsweise die langfristigen Zinsen in der Währungsunion steigen, was die Kosten der Kreditaufnahme für alle Mitglieder erhöht. Die Glaubwürdigkeit dieser Vereinbarungen ist jedoch gering. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde in der Praxis nicht konsequent angewendet, insbesondere von großen Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich, ohne dass Sanktionen verhängt wurden. Die Entscheidung über Sanktionen liegt letztendlich bei den Regierungschefs der Mitgliedsländer, und es besteht ein Anreiz, sich gegenseitig nicht zu sanktionieren. Die No-Bailout-Klausel war von Anfang an unglaubwürdig, da die Kapitalmärkte nicht glauben konnten, dass die anderen Mitglieder einen zahlungsunfähigen Staat der Währungsunion pleitegehen lassen würden. Dies führte dazu, dass die disziplinierende Wirkung der Kapitalmärkte ausgehebelt wurde, da Kreditgeber einem hoch verschuldeten Staat weiterhin Geld leihen konnten, ohne höhere Risikoprämien zu verlangen, da sie darauf vertrauten, dass sie ihr Geld letztendlich von der EU zurückbekommen würden. Die Rolle Deutschlands in diesem Zusammenhang ist wichtig, da es als größte Volkswirtschaft im Euroraum eine starke Stimme hat und einen erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung und Umsetzung dieser Vereinbarungen hat. Deutschland hat jedoch selbst in der Vergangenheit die vereinbarten Kriterien nicht erfüllt, was die Glaubwürdigkeit der Vereinbarungen weiter untergräbt. 28. a.) Was bedeutet „Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB)“? Die "Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB)" bedeutet, dass die EZB nicht den Weisungen von Politikern oder Regierungschefs ihrer Heimatländer bzw. der EU-Kommission folgen muss. Diese Unabhängigkeit manifestiert sich in drei verschiedenen Aspekten: o Funktionelle Unabhängigkeit: Die EZB besitzt die alleinige Zuständigkeit für die Geldpolitik und hat die vorrangige Aufgabe, die Preisstabilität zu gewährleisten. Diese Aufgabenstellung ist klar definiert. o Personelle Unabhängigkeit: Die EZB strebt personelle Unabhängigkeit an, indem sie längere Amtszeiten für das Direktorium (acht Jahre) und eine fünfjährige Amtszeit für den EZB-Präsidenten mit der Möglichkeit einer Wiederwahl einführt. o Instrumentelle Unabhängigkeit: Die EZB hat die Freiheit, die Instrumente zur Durchsetzung des Ziels der Preisstabilität nach eigenem Ermessen zu wählen. Es gibt jedoch auch Herausforderungen im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der EZB: o Die Frage, wie eine gemeinsame Geldpolitik für 25 Länder mit unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen aussehen soll, ist eine große Herausforderung. o Trotz ihrer Unabhängigkeit kann politischer Druck vonseiten der Regierungen auf die EZB ausgeübt werden, insbesondere in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Unabhängigkeit der EZB soll sicherstellen, dass sie ihre Aufgabe der Geldpolitik ohne politische Einflussnahme erfüllen kann. Dies ermöglicht eine effektive Bekämpfung von Inflation und die Gewährleistung der Preisstabilität im Euroraum. b.) Warum wurde diese für die Europäische Währungsunion beschlossen? Die Unabhängigkeit der Zentralbank wurde für die Europäische Währungsunion beschlossen, um das Ziel der Geldwertstabilität (niedrige Inflationsrate) zu gewährleisten. Wenn die Zentralbank den Anweisungen der regierenden Politiker unterliegen würde, bestünde ein zu großer Anreiz für Politiker und Interessengruppen, ihre eigenen Ziele durch eine laxere Geldpolitik zu verfolgen: o Die Regierung könnte versuchen, kurzfristig eine günstigere Beschäftigungssituation zu schaffen, um ihre Wiederwahlchancen zu erhöhen (Philipps-Theorem), selbst auf Kosten der Preisstabilität. o Die Finanzierung des Staatshaushalts durch die Notenpresse würde die Regierungsentwicklung erleichtern. Die daraus resultierende Inflation könnte sogar begrüßt werden, da sie den realen Wert der Staatsschulden reduziert. o Der Finanzsektor profitiert in der Regel von einer höheren Liquidität im System. Die Unabhängigkeit der Zentralbank soll sicherstellen, dass die Geldpolitik auf das übergeordnete Ziel der Preisstabilität ausgerichtet ist und nicht kurzfristigen politischen oder wirtschaftlichen Interessen unterliegt. Dies stärkt das Vertrauen in die Stabilität der Währung und schafft eine solide Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und langfristige Stabilität im Euroraum. c.) Wie bewerten Sie die Unabhängigkeit der EZB in der Realität der Eurokrise und die Rolle Deutschlands in der EZB? In der Realität der Eurokrise ist die Unabhängigkeit der EZB umstritten. Politischer Druck und vermischte Verantwortlichkeiten haben ihre Handlungsfähigkeit beeinflusst. Deutschland spielt als größte Volkswirtschaft eine wichtige Rolle, hat jedoch sowohl Zustimmung als auch Kritik für seine Positionen erhalten. 29. a.) Im Jahre 1998 klagten vier deutsche Professoren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euros. Welche Argumente führten die Kläger gegen die Einführung des Euros an? Die Kläger führten mehrere Argumente gegen die Einführung des Euros an: o Unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung: Die Kläger argumentierten, dass die wirtschaftliche Entwicklung und die Wirtschafts- und Finanzpolitiken der Mitgliedsländer zu unterschiedlich seien. Die Produktivitätsniveaus, Arbeitsmärkte, Steuer- und Sozialsysteme unterscheiden sich stark. Dadurch sei die Stabilität der neuen Währung nicht gesichert. o Konkurrenzkampf um Investitionen: Mit dem Wegfall des Wechselkursmechanismus als Pufferinstrument würden die Unterschiede im Konkurrenzkampf um Investitionen an Bedeutung gewinnen. Die wirtschaftlichen Unterschiede könnten sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit einiger Länder auswirken. o Fehlende Transferleistungen: Unter Berufung auf das Prinzip der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Union argumentierten die Kläger, dass wirtschaftlich schwächere Mitgliedstaaten Transferleistungen einfordern würden. Diese seien jedoch nicht leistbar und könnten zu Hass und Missgunst zwischen den Völkern führen. o Zweifel an der Unabhängigkeit der EZB: Die Kläger zweifelten an der vollständigen Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie argumentierten, dass der Einfluss der Länder, die der Geldwertstabilität keine vorrangige Bedeutung beimessen, groß sei. Jedes Mitgliedsland habe im EZB-Rat nur eine Stimme, was zu Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der EZB führte. o Fehlende fiskalpolitische Disziplin: Aufgrund des Trittbrettfahrerproblems bestanden Zweifel an der fiskalpolitischen Disziplin aller Mitgliedsländer. Hohe Haushaltsdefizite und Verschuldung einiger Länder sowie der steigende Bedarf an Finanzhilfen könnten zu einem Druck auf die Zentralbank führen, diesen Finanzbedarf zu decken. Dies könne zu einer Geldmengenausweitung und einem schwachen Euro führen. Die Kläger unterstützten die sogenannte Krönungstheorie, nach der eine Währungsunion nur dann sinnvoll sei, wenn die Stabilitätsbedingungen im Inneren dauerhaft und glaubwürdig abgesichert seien. Sie argumentierten, dass zunächst die Wirtschafts- und Finanzpolitik in den EU-Staaten vereinheitlicht werden müsse, bevor eine gemeinsame Währung eingeführt werden könne. b.) Im Jahr 2012 und danach gab es erneut Klagen vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Euro. Wer waren die Kläger, gegen was klagten sie und warum? Fraktion "Die Linke": Die Kläger klagten gegen den Sozial- und Demokratieabbau sowie gegen die Milliardenrisiken des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und die Sparvorgaben des Fiskalpaktes. Sie argumentierten, dass diese Maßnahmen den Bundestag seiner Haushaltsrechte berauben. Verein "Mehr Demokratie" und Herta Däubler-Gmelin (SPD): Die Kläger klagten gegen die weitreichenden Eingriffsrechte der EU-Institutionen gegenüber den Mitgliedsstaaten ohne demokratische Legitimation. Sie sahen einen massiven Eingriff in das Budgetrecht des Bundestags. Peter Gauweiler (CSU): Der Kläger reichte eine Klage nur gegen den ESM ein und forderte die Aufhebung des "Bail-out-Verbots". Er argumentierte, dass eine demokratisch nicht legitimierte Organisation über die Verwendung deutscher Steuergelder bestimme. Freie Wähler und die Gruppe um Karl Albrecht Schachtschneider (Euro-Kläger von 1998): Die Kläger argumentierten, dass das Prinzip der Haftung für die eigenen Schulden außer Kraft gesetzt werde. o Am 18. März 2014 wies das Bundesverfassungsgericht alle Verfassungsbeschwerden gegen den ESM endgültig ab. Bereits im Herbst 2012 hatte das Verfassungsgericht in einer Eilentscheidung den ESM grundsätzlich als nicht verfassungswidrig bezeichnet, jedoch Auflagen gestellt. Diese Auflagen beinhalteten unter anderem die Zustimmung des Bundestags zur Erhöhung der deutschen Haftungsobergrenze von 190 Mrd. Euro und umfassende Unterrichtung der Abgeordneten über alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ESM. c.) Welche weiteren Beschwerden gegen die Eurozonen-Währungspolitik gab es seither? Gehen Sie dabei auch kurz auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. Mai 2020 ein. Im Jahr 2016 gab es Beschwerden über die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Kläger wie Peter Gauweiler, Prof. Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel und Prof. Markus Kerber argumentierten, dass der unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen durch die EZB seit 2015 nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht legte diese Fragestellung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Im Dezember 2018 entschied der EuGH gegen die Beschwerden und billigte das Anleihen-Kaufprogramm der EZB. Am 5. Mai 2020 gab das Bundesverfassungsgericht den Klagen gegen das EZB-Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen weitgehend statt. Es sah darin einen teilweisen Verstoß gegen das Grundgesetz. Das Urteil besagte, dass die EZB binnen drei Monaten nachvollziehbare Gründe liefern müsse, dass ihre Anleihekäufe im Rahmen ihres Mandats zur Preisstabilität gerechtfertigt seien. Dieses Urteil führte zu Spannungen zwischen dem BVerfG und dem EuGH, da letzterer die Alleinzuständigkeit für die Auslegung des EU-Rechts beansprucht. Am 4. März 2021 wurde eine Verfassungsbeschwerde gegen das "Pandemic Emergency Purchase Programme" (PEPP) der EZB eingereicht. Die Klägergruppe um Prof. Dr. von Stein und Prof. Markus Kerber argumentierte, dass das PEPP eine Verletzung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung gemäß Artikel 123 AEUV darstelle. 30. Welche der folgenden Aussagen trifft zu? 1. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion A. bedeutete die Einführung einer Einheitswährung und einer einzigen Zentralbank, die für die europäische Geldpolitik zuständig ist. B. beseitigte alle Handelsbarrieren, beispielsweise Unterschiede in der Besteuerung. C. bedeutete die Einführung einer europäischen Einheitsregierung. D. begründete das Agrarabkommen der Gemeinschaft. 2. Die Einführung des Euro A. bedingte feste Wechselkurse zwischen sämtlichen Mitgliedsländern der WWU. B. bedingte flexible Wechselkurse zwischen sämtlichen Mitgliedsländern der WWU. C. bedingte systematische Wechselkursanpassungen zwischen sämtlichen Mitgliedsländern der WWU. D. bedingte von der Zentralbank unabhängige Wechselkurse zwischen sämtlichen Mitgliedsländern der WWU. 3. Der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in der EU A. gehören sämtliche europäischen Länder an. B. gehören sämtliche westeuropäischen Länder an. C. traten im Januar 1999 zunächst 11 Länder als Gründungsmitglieder bei. D. gehören nicht alle westeuropäischen Länder an. 4. Was sind die größten Vorteile der USA gegenüber der EU im Hinblick auf ihre Eigenschaft als optimaler Währungsraum? A. eine geringe Mobilität der Arbeit, eine höhere Arbeitsproduktivität und ein weniger ausgeprägter interregionaler Handel B. der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeitnehmer in den USA C. die hohe Mobilität der Arbeit und die umfangreicheren föderalen Transferzahlungen D. der einheitlichere Geschmack der Verbraucher E. Keine dieser Antworten trifft zu. Begründen Sie ihre Antwort! Begründung: Kommt es in einem Währungsraum zu einem asymmetrischen Nachfrageschock (bei dem ein Mitgliedsland einen Boom erlebt, ein anderes einen Rückgang der Produktion und Beschäftigung) können die Mitgliedsländer darauf nicht mehr mit der Geldpolitik (Zinssenkung bzw. –erhöhung) oder Wechselkurspolitik (Ab- bzw. Aufwertung) reagieren, da diese vereinheitlicht ist. Anpassungen der wirtschaftlichen Entwicklungen können dann nur noch über Wanderungen der Arbeitskräfte von der Krisen- zur Boomregion oder durch Finanztransfers von der Boom- in die Krisenregion erfolgen. 5. Welchen Einfluss hat der Umfang des Außenhandels und das Ausmaß der Faktormobilität auf die Vor- und Nachteile fester grenzüberschreitender Wechselkurse (=Währungsunion)? A. Je weniger umfangreich der Außenhandel und die grenzüberschreitenden Faktorbewegungen, desto größer der Gewinn aus einem festen grenzüberschreitenden Wechselkurs. B. Je umfangreicher der Außenhandel und die grenzüberschreitenden Faktorbewegungen, desto größer der Verlust aus einem festen grenzüberschreitenden Wechselkurs. C. Je umfangreicher der Außenhandel und die grenzüberschreitenden Faktorbewegungen, desto größer der Gewinn aus einem festen grenzüberschreitenden Wechselkurs. D. Je umfangreicher der Außenhandel, desto größer der Verlust aus einem festen grenzüberschreitenden Wechselkurs. E. Je umfangreicher die Faktorbewegungen, desto größer der Verlust aus einem festen grenzüberschreitenden Wechselkurs. Begründen Sie ihre Antwort! Begründung: Je umfangreicher der Außenhandel desto größer fallen die Vorteileaus dem fixierten Wechselkurs an. Diese bestehen in geringeren Transaktionskosten weil Kosten des Umtausches und zur Absicherung des Wechselkursrisikos wegfallen. Außerdem steigt die Planungssicherheit für Investitionen, weil das Wechselkursrisikowegfällt. Je größer die grenzüberschreitenden Faktorbewegungen sind, desto leichter können die Mitgliedsländer auf asymmetrische Nachfrageschocks reagieren. Arbeitskräfte, die infolge des durch den Nachfragerückgang ausgelösten Produktionsrückgangentlassen wurden, können in der Boomregion Arbeit finden. 6. Welche Aussage über die Zukunft der EU und ihrer Institutionen trifft zu? A. Das Fehlen eines starken politischen Zentrums der EU könnte die politische Legitimität der EZB in den Augen der europäischen Öffentlichkeit schmälern. B. Es besteht die Gefahr, dass die Wähler in ganz Europa die EZB als eine abgehobene und keiner politischen Kontrolle unterworfene Technokratengruppe wahrnehmen, die sich nicht um die Bedürfnisse der Bevölkerung kümmert. C. Es wird schwierig sein, asymmetrische wirtschaftliche Entwicklungen in verschiedenen Ländern des Euroraums mit Hilfe geldpolitischer Maßnahmen auszugleichen. D. Der Fortbestand von Barrieren für die Mobilität der Arbeit könnte zu einem anhaltend hohen Niveau der Arbeitslosigkeit führen. E. Alle diese Antworten treffen zu. Nehmen Sie Stellung zu den Aussagen C. und D! Stellungnahme zu C: siehe Begründung zu 4 C Stellungnahme zu D: siehe Begründung zu 5 C 31.) Wie beurteilen Sie die Rolle Deutschlands in der Eurokrise? Handelt Deutschland eher als pragmatischer Retter oder machthungriger Hegemon? Begründen Sie Ihre Antwort. Zusammenfassend kann man sagen, dass Deutschland in der Eurokrise eher als pragmatischer Retter auftritt. Es hat finanzielle Hilfe bereitgestellt, aber gleichzeitig auf Reformen und Sparmaßnahmen bestanden. Deutschland hat begrenzten Einfluss auf die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB), hat aber ein geringes politisches Interesse am Auseinanderbrechen der Eurozone. 32.) Was bedeutet Ihrer Meinung nach a.) der Brexit b.) die Maßnahmen im Zuge der Pandemie für die Rolle Deutschlands in der EU im Hinblick auf die zukünftige Wirtschaftspolitik der EU und der Art und Weise der weiteren Integration in Europa (Stichwort: mehr versus weniger Europa)? a) Der Brexit hat Auswirkungen auf die Rolle Deutschlands in der EU und die zukünftige Wirtschaftspolitik. Durch den Austritt Großbritanniens verliert Deutschland einen Verbündeten für eine marktwirtschaftlichere Ausrichtung in der EU. Deutschland wird nun vermehrt für seine eigenen Interessen und Positionen eintreten müssen, um seine wirtschaftlichen Vorstellungen in der EU zur Geltung zu bringen. b) Die Maßnahmen im Zuge der Pandemie, insbesondere der Aufbau des Next Generation EU-Fonds und die Ausweitung der Geldpolitik durch die EZB, haben zu einer verstärkten Zentralisierung und supranationalen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in der EU geführt. Deutschland hat durch seine Zustimmung zur gemeinsamen Schuldenaufnahme vorerst seinen Widerstand gegen "mehr Europa" aufgegeben. Dadurch wird die EU stärker in die wirtschaftliche Steuerung und Planung der Mitgliedstaaten eingreifen und die Transformation hin zu grüner und digitaler Wirtschaft forcieren. So bezeichnete der damalige deutsche Finanzminister und derzeitige Bundeskanzler Olaf Scholz den Beschluss des NGEU mit gemeinsamer Schuldenaufnahme als “Hamilton Moment”, die die EU ähnlich wie die USA im 18.Jh. näher in Richtung einer Föderation bringt. 33.) Warum drängte insbesondere Frankreich auf die Einführung einer gemeinsamen Währung (des Euros)? Gehen Sie dabei auf die Währungspolitik ein, die in der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union vor Einführung des Euros betrieben wurde und welche Rolle Deutschland dabei spielte. Erläutern Sie Ihre Ausführungen mit Hilfe geeigneter Graphiken. Frankreich drängte insbesondere auf die Einführung einer gemeinsamen Währung, des Euros, aus mehreren Gründen. Zum einen wollten sie bei geldpolitischen Entscheidungen mitreden können und nicht länger der dominanten deutschen Bundesbank folgen müssen. Die Asymmetrie im Europäischen Währungssystem (EWS), in dem Deutschland eine starke Position hatte, zwang Frankreich dazu, die deutsche Geldpolitik mitzutragen, die auf Preisstabilität ausgerichtet war. Ein weiterer Grund für Frankreichs Drängen auf den Euro war die Bedingung, die Frankreich als Gegenleistung für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung stellte. Frankreich verlangte, dass Deutschland der Wirtschafts- und Währungsunion beitritt und die Deutsche Mark aufgibt. Die Einführung des Euros wurde auch als Möglichkeit gesehen, die politische Integration Europas voranzutreiben. Durch eine gemeinsame Währung erhoffte man sich eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit und eine Stärkung der europäischen Identität. Frankreich sah den Euro als einen Schritt in Richtung eines engeren europäischen Einigungsprozesses. Insgesamt spielte Deutschland eine zentrale Rolle bei der Einführung des Euros, da die Zustimmung Deutschlands zur gemeinsamen Währung eng mit der politischen Situation und den Verhandlungen im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung verknüpft war. Frankreich nutzte diese Gelegenheit, um von Deutschland die Zustimmung zum Euro zu erhalten, da dies als wichtiges Instrument für die weitere europäische Integration angesehen wurde.