Politische Einstellungen - 26.11.2024
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Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
2024
Dr. Christina-Marie Juen
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This document is a lecture on political attitudes, focusing on party systems. It includes various aspects of political systems, such as types of party systems, and how they're connected to individual attitudes. It features diagrams and insights on the subject.
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EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Politische Einstellungen Dr. Christina-Marie Juen 26.11.2024 Aktuelles Seite 2 Ziele und Inhalt – Was sind Parteiensysteme? – Was sind politische Einstellungen? – Was ist links und rechts in der Politik?...
EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Politische Einstellungen Dr. Christina-Marie Juen 26.11.2024 Aktuelles Seite 2 Ziele und Inhalt – Was sind Parteiensysteme? – Was sind politische Einstellungen? – Was ist links und rechts in der Politik? Seite 3 Was sind Parteiensysteme? Seite 4 Parteiensysteme Parteiensysteme hauptsächlich strukturiert durch die Anzahl der Parteien und die ideologische Distanz – Wie zählen wir Parteien? (Laakso und Taagepera 1979) – Effektive Anzahl der Parteien (sowohl Wahl- als auch Parlamentsparteien) – Was bedeutet ideologische Distanz? – Grad der Polarisierung – Existenz von Anti-System Parteien – Ideologische Distanz zwischen Parteien Seite 5 1) Dominante-Partei-Systeme – Eine große Partei mit absoluter Mehrheit an Stimmen und Sitzen im Parlament – Es gibt keine anderen Parteien, die viele Stimmen erreichen kann – Es gibt keine wechselnde Regierung – Regierung oft Einparteienregierung – Beispiel: Österreich in den 70er/80er Jahren Seite 6 2) Zweiparteiensysteme – Zwei große Parteien teilen sich Stimmen und Sitze – Immer Phasen, in denen die Parteien die Mehrheit abwechseln – Regierung fast ausschließlich Einparteienregierung – Zweiparteiensysteme werden oft durch ein Mehrheitswahlrecht begünstigt – Beispiel: USA, Österreich bis 2000, UK (zweieinhalb) Seite 7 House of Commons (UK) und House of Representatives (US) Seite 8 3) Mehrparteiensysteme – Mehrere Parteien, von denen jedoch keine eine Mehrheit von 50% der Stimmen und Sitze erreichen kann – Parteien unterscheiden sich in ihrer Größe – kleinere Parteien häufig an den Rändern des politischen Spektrums – Mitte-Parteien mit vielen Wähler:innen – Regierung in den meisten Fällen Koalitionsregierungen oder seltener Minderheitsregierungen – Beispiel: Deutschland, Israel, Niederlande Seite 9 Bundestag (Deutschland) und Knesset (Israel) Seite 10 Welche Effekte haben Parteiensysteme? Seite 11 Mehrparteiensysteme und Regierungsbildung – In Mehrparteiensystemen gibt es selten Alleinregierungen einer Partei – Parteien sind auf Koalitionen angewiesen, wenn sie mir einer Mehrheit regieren wollen – Zunehmende Fragmentierung vieler Parteiensysteme (Cheibub et al., 2022; Valentim und Dinas, 2024) – Auswirkungen auf Koalitionsbildung – erschwerte Mehrheitsfindung – Koalitionen mit mehreren Parteien für Mehrheitsregierungen – größere ideologische Spannweite zwischen den Parteien Seite 12 5 Minuten Pause Seite 13 Was sind politische Einstellungen? Individualebene Seite 14 Erklärungsebenen Einteilung der politischen und soziologischen Realität in “Ebenen” – Makroebene: Gesamtgesellschaftliche Phänomene – Stimmenanteil der SPD bei einer Wahl, Anteil an Frauen im Parlament, Anzahl der Personen, die Bürgergeld beziehen – Mesoebene: Vermittlung zwischen Makro-Mikro – Interaktion mit anderen Menschen, bspw. in Vereinen oder der Nachbarschaft – Mikroebene: Individuum – Einstellungen (Präferenzen, Orientierungen, Wissen) und Verhalten Seite 15 Politische Einstellungen – Menschen sind von Natur aus politische Wesen – Unabhängig vom politischen System oder Regierungstyp sind alle Entscheidungen durch politische Einstellungen getrieben – Daher Analyse politischer Einstellung zentrales Anliegen der Politikwissenschaft – Themenfeld der politischen Soziologie – Politische Soziologie = Wie kann man das politische Handeln von Menschen in und mit ihren sozialen Bezügen erklären? Seite 16 Einstellungen und Ideologien Werte und Ideologien – Wenn wir von politische Einstellungen sprechen dann in erster Linie von ideologischen Einstellungen – Zentrale Grundlage sind Ideologien – = Kohärente politische Weltanschauung – = “Verhältnis der Befragten zu den zentralen Werten Demokratie, Freiheit und Gleichheit, sowie ihre Vorstellungen über die Tätigkeit der Regierung” (Arzheimer, 2009, 92) – relativ stabile Ansichten Seite 17 Ideologien – Entwicklung politischer Theorien seit der Antike – Ideologien im modernen Sinne erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – Theorien wirken nicht mehr nur auf die Eliten, sondern die breite Bevölkerung – Ideologien seit der Inklusion größerer Teile der Beölkerung in politische Prozesse – Erst dadurch entstanden große Ideologien (Arzheimer, 2009) Seite 18 Moderne Ideologien – Ansätze der ersten modernen Ideologie – entstand in Frankreich durch die Idee einer freien, von Autoritäten unabhängigeren Gestaltung der Politik und des Staates – Bildung von politischen “Parteien” – In Deutschland vor allem Marx und Engels als zentrale Vordenker – Annahme, dass Ideologien nur gesellschaftliche Widersprüche vereinfachen – Zentrale Annahme, dass Ideologie und Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zusammenhängen Seite 19 Liberalismus und Konservatismus – Erste bedeuteten Ideologie war der Liberalismus – Idee der Freiheit des Individuums – Gestaltung des eigenen Lebens nach den eigenen Wünschen ist zentral – Staat soll für die Interessen der Bürger:innen handeln – Als Gegensatz dazu entstand etwa zeitgleich der Konservatismus – entstand unter denen, die von der vorrevolutionären Situation in Frankreich profitiert haben – Gestaltung der Politik soll durch alle geschehen (durch das Kollektiv) – Das Kollektiv wird dem Individuum voran gestellt Seite 20 Christdemokratie – Weitere wichtige Ideologie für den politischen Wettbewerb in Europa ist Christdemokratie – Gegenbewegung zum Liberalismus – Kritik an der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft – oft nah an Konservatismus, wenn es keine religiöse Spaltung gab – Kirche und deren Bedeutung für die Gesellschaft und den Staat als zentrales Thema in dieser Ideologie Seite 21 Sozialismus – Als weitere bedeuteten Ideologie entstand der Sozialismus – Schlechte Lebensverhältnisse der Arbeiter:innen im 19. Jahrhundert – Kritik an kapitalistischen Lebens- und Produktsionsverhältnisse – Starke Unterschiede in dieser Strömung – Marxismus (“Diktatur des Proletariats”) vs. Sozialdemokratie – Vollumfängliche Ablehnung von Kapitalismus unter Marx und Engels – Stärkere Anpassung an Kapitalismus in Demokratie durch andere, mit dem Ziel von Reformen Seite 22 Nationalismus – Liberalismus, Konservatismus und Sozialismus dominierten das politische Denken – Dann kam Nationalismus hinzu – Nationen werden als die “natürlichen” politischen Handlungseinheiten gesehen – Nation = Menschen, die eine gemeinsame Sprache und Kultur haben – Nationen sollten souverän sein und sich vor allem um die eigene Stabilität und das Wohlergehen der eignen Bürger:innen kümmern – Bis heute werden Probleme vor allem auf Ebene des Nationalstaates gelöst – “Selbstbestimmungsrecht der Völker” ist zentrales Prinzip des internationalen Rechts – Aber: in vielen Staaten entstand undemokratischer Nationalismus Seite 23 Politische Einstellungen Links vs. rechts – Ideologien vereinfachen die komplexe Realität politischer Einstellungen (Converse, 1964) – Zur Vereinfachung in der Forschung werden häufig Skalen oder Schemata verwendet – Bekannteste Vereinfachung und zentrales Schemata der Politischen Soziologie ist links-rechts Einstufung – in Europa: linke vs. rechte politische Haltung – in anderen Staaten: liberal vs. konservativ – So gut wie immer, wenn wir von Politik sprechen, verwenden wir dafür ‘links’ und ‘rechts’ Seite 24 Links vs. rechts – Links vs. rechts nützlich um Präferenzen für bestimmte zentrale politische Themen einzuordnen – Einstufung der politischen Einstellung auf links-rechts Dimension zum Thema Wirtschaft: – links (= staatlicher Eingriff in die Wirtschaft, Umverteilung von Ressourcen) vs. rechts (= neoliberale Ansichten, weniger Staat) – Einheitliche Dimension zentral für Wähler:innen und Parteien – Aber: eine Dimension erklärt nicht die Haltung zu unterschiedlichen Sachfragen der Politik Seite 25 Links vs. rechts – Heute nicht mehr nur eine links-rechts Dimension sondern mindestens zwei Dimensionen (Mehrdimensionaler Politikraum) – Einstufung der politischen Einstellung zu kulturellen Themen: – links (= Befürwortung von Migration, offene Gesellschaft und individuelle Freiheiten) vs. rechts (= Ablehnung von Migration, Beschränkung von Rechten für marginalisierte Gruppen) – Sowohl Parteien als auch Wähler:innen können auf einer Dimension links/rechts sein und auf der anderen rechts/links Seite 26 Links-rechts Einstellungen Seite 27 Links-rechts Einstellungen Seite 28 Links-rechts Einstellungen Seite 29 Links-rechts Einstellungen Seite 30 Links-rechts Einstellungen Seite 31 Links-rechts Einstellungen Seite 32 Links vs. rechts – Links-rechts Einordnung strukturiert zum einen Parteienwettberwerb und Parteienlandschaft – Parteien gründen sich durch Zusammenschlüsse von Individuen mit bestimmter ideologischer Position – Zum anderen werden dadurch Wähler:innen-Präferenzen und Verhalten strukturiert – linke oder rechts politische Grundeinstellung strukturieren auch andere politische Einstellungen – daraus lässt sich unter anderem auch Wahlverhalten ableiten Seite 33 Links-rechts Selbsteinstufung in der Vorlesung 40 30 Anzahl 20 10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Links−Rechts Selbsteinstufung Seite 34 Abschließend... Diskussionsfragen – Inwieweit haben sich die traditionellen politischen Ideologien von links und rechts in den letzten Jahrzehnten verändert, und welche neuen politischen Dimensionen sind heute für die politische Ausrichtung von Wähler:innen relevant? Seite 35 Woche 8, 3.12.2024 Wahlverhalten – Welche Faktoren beeinflussen Wahlverhalten? – Was erklärt die Wahl bestimmter Parteien? Seite 36 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 37 Literatur Arzheimer, Kai. 2009. “Ideologien.” In Politische Soziologie. Springer. Cheibub, José Antonio, Thiago Moreira, Gisela Sin und Keigo Tanabe. 2022. “Dynamic party system fragmentation.” Electoral Studies 76: 102440. Converse, Philip E. 1964. “The Nature of Belief Systems in Mass Publics.” In David Apter, ed., Ideology and Discontent. New York: Free Press.”. Valentim, Vicente und Elias Dinas. 2024. “Does party-system fragmentation affect the quality of democracy?” British Journal of Political Science 54 (1): 152–178. Seite 38