VL Einführung in die Publizistikwissenschaft WiSe 2023-24 PDF
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Johannes Gutenberg Universität Mainz
2023
Christian Schemer
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Lecture notes for the course "Introduction to the Science of Journalism" given by Christian Schemer during the Winter Semester 2023/2024 at Johannes Gutenberg University Mainz. The lecture covers topics such as communication models, journalistic roles, and the functioning of news agencies.
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VL Einführung in die Publizistikwissenschaft Christian Schemer WiSe 2023-24 Sechste Sitzung – 25. November 2023 WO STEHEN WIR HEUTE? Datum Thema 1 21.10.24 Einführung 2 28.10.24 Grundbegriffe und Modelle...
VL Einführung in die Publizistikwissenschaft Christian Schemer WiSe 2023-24 Sechste Sitzung – 25. November 2023 WO STEHEN WIR HEUTE? Datum Thema 1 21.10.24 Einführung 2 28.10.24 Grundbegriffe und Modelle: Kommunikation & Medien und Öffentlichkeit 3 04.11.24 Grundbegriffe und Modelle: Öffentlichkeit und öffentliche Kommunikation 4 11.11.24 Fach und Fachgeschichte 5 18.11.24 Kontexte der Massenkommunikation: Medienrecht & -politik 6 25.11.24 Kommunikator:innenforschung: Nachrichtenproduktion 7 02.12.24 Theorien der Nachrichtenauswahl 8 09.12.24 Medienrealität: Welche Realität berichten Medien? 9 16.12.24 Medienqualität: Was sollen und können Medien leisten? 10 06.01.25 Mediennutzung: Aktive und passive Nutzung von Medien 11 13.01.25 Medienrezeption: Wahrnehmung und Verarbeitung von Medieninformationen 12 20.01.25 Medienwirkung: Welchen Einfluss haben Medien auf Menschen? 13 27.01.25 Abschluss 14 03.02.25 E-Klausur 12.15-14Uhr 2 LASSWELL-FORMEL In With Says To Who Which What What Whom Channel Effect? Kommuni Medien- Medien- Medien- Nutzungs- -kator- inhalts- wirkungs- forschung forschung forschung forschung forschung Quelle: Lasswell (1948) 3 AGENDA ▪ Bedeutung und Fragestellungen der Kommunikatorforschung ▪ Journalist*innen als Kommunikator*innen ▪ Ansätze & Erkenntnisse der Journalismusforschung ▪ Nachrichtenagenturen 4 KOMMUNIKATOR*INNEN UND JOURNALISTISCHE KOMMUNIKATOR*INNEN 5 BEGRIFF KOMMUNIKATOR*IN Welche konkreten Beispiele für Kommunikator*innen fallen Ihnen ein? ▪ Wer oder Was ist überhaupt ein Kommunikator oder eine Kommunikatorin? ▪ = eine Person, eine Gruppe von Personen oder eine Institution, die direkt oder über ein Massenmedium Aussagen an eine unbegrenzte Zahl von Rezipienten mitteilt ▪ Mit Bezug auf Massenkommunikation: Sammelbezeichnung für alle Personen, die - in welcher Form auch immer - an der Produktion und Publikation von Medieninhalten beteiligt sind 6 TÄTIGKEITSFELDER ▪ bei Vorarbeiten: Rechercheure, Archivare, Programm-/Sendungsplaner etc. ▪ bei Auswahl, Schreiben und Redigieren: Reporter, Fotoreporter, Redakteure, Hörspiel- oder Drehbuchautoren sowie Literaten ▪ beim Gestalten und Präsentieren: Layouter, Grafiker, Producer, Moderatoren und Präsentatoren ▪ bei der Einwirkung auf die technische Herstellung: Texterfasser, Drucker, Cutter, Bild- und Toningenieure, Kameraleute ▪ bei Organisation und Kontrolle: Chefredakteure, Herausgeber, Verleger, Programmdirektoren, Intendanten etc. ▪ Texter oder Gestalter in der Werbung, Public Relations-Manager in der Öffentlichkeitsarbeit oder Medienreferenten in der Organisationskommunikation 7 IM FOKUS: JOURNALISTISCHE KOMMUNIKATOR:INNEN ▪ Die Kommunikationswissenschaft fokussierte lange Zeit auf Journalist*innen ▪ Letzte Jahrzehnte: auch andere Akteure wichtiger und neue Akteure hinzugekommen, z. B. PR-Praktiker:innen, Influencer:innen 8 WAS IST JOURNALISMUS? ▪ „Der Journalist sammelt, sichtet und verarbeitet Nachrichten von öffentlichem Interesse.“ (Dovifat, 1976, S. 38) ▪ „Ausrichtung auf die Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“ (Rühl, 1980, S. 323) ▪ „Journalismus … beobachtet die Gesellschaft im Rahmen spezieller Organisationen (Medien, Redaktionen), bestimmter Handlungsprogramme (Recherche, Selektion, Darstellungsformen) und journalistischer Rollendifferenzierung. Auf der Basis von Realitäts- bzw. Faktizitätstests werden Themen ausgewählt, bearbeitet und publiziert, die als informativ und relevant gelten. Diese generellen Leistungen und Strukturen kennzeichnen den Journalismus seit dem Übergang vom schriftstellerischen zum redaktionellen Journalismus, also seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.“ (Löffelholz & Rothenberger, 2016, S. 17) 9 VERÄNDERUNGEN IM JOURNALISMUS ▪ Ein Einblick: Interview mit Sven Gösmann (DPA) „So arbeiten Journalisten heute“ (2016): https://www.youtube.com/watch?v=QTjT7Pvf_Ko 10 WAS IST EIN*E JOURNALIST*IN? ▪ Keine feste Berufsbezeichnung – jede*r darf sich Journalist*in nennen ▪ Definition Deutscher Journalisten Verband (DJV, 2015): Journalist*in ist, wer nach folgenden Kriterien hauptberuflich an der Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombinationen dieser Darstellungsmittel beteiligt ist: 11 WAS IST EIN*E JOURNALIST*IN? 1. fest angestellt oder freiberuflich tätig für Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter oder aktuelle Verlagsproduktionen), Rundfunksender (Hörfunk und Fernsehen), digitale Medien, soweit sie an publizistischen Ansprüchen orientierte Angebote und Dienstleistungen schaffen, Nachrichtenagenturen, Pressedienste, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Wirtschaft, Verwaltung und Organisationen sowie in der medienbezogenen Bildungsarbeit und Beratung 2. Zu journalistischen Leistungen gehören vornehmlich die Erarbeitung von Wort- und Bildinformationen durch Recherchieren (Sammeln und Prüfen) sowie Auswählen und Bearbeiten der Informationsinhalte, deren eigenschöpferische medienspezifische Aufbereitung (Berichterstattung und Kommentierung), Gestaltung und Vermittlung, ferner disponierende Tätigkeiten im Bereich von Organisation, Technik und Personal 12 WAS IST EIN*E JOURNALIST*IN? 3. üben ihren Beruf aus als freiberuflich Tätige oder als Angestellte eines Medienunter-nehmens bzw. im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Wirtschaftsunternehmens, einer Verwaltung oder einer Organisation 4. Freie Journalistinnen und freie Journalisten sind tätig – regelmäßig für ein oder mehrere Auftraggeber auf der Grundlage individueller Vereinbarungen oder tariflicher Verträge, – für ein oder mehrere Unternehmen auf der Grundlage von Vereinbarungen im Einzelfall oder ohne Auftrag, indem sie journalistische Beiträge erarbeiten und den Medien anbieten. Freie Journalistin / freier Journalist ist auch, wer Inhaber oder Anteilseigner eines Medienbüros ist oder im Zusammenschluss mit anderen freien Journalistinnen oder Journalisten arbeitet, sofern die journalistische Tätigkeit dabei im Vordergrund steht. 13 BERUFSZUGANG ▪ Wie ist der freie Berufszugang gesetzlich verankert? Und warum? ▪ Berufszugang und Ausbildung ▪ Bundesverfassungsgericht: zur Gewährleistung der Pressefreiheit darf Journalismus nicht an eine formalisierte Ausbildung gebunden sein ▪ Gründe für prinzipielle Entscheidung, Berufszugang nicht zu kontrollieren − Kontrolle des Berufszugangs im Nationalsozialismus: − Reichskulturkammergesetz (Sept. 1933), Schriftleitergesetz (Okt. 1933) − Festlegung, dass nur noch Personen "arischer" Abstammung als Journalisten arbeiten durften ▪ Staat soll keine reglementierende Einflussnahme (mehr) ausüben, um die Funktionen von Öffentlichkeit und Meinungspluralismus nicht zu gefährden, die für das Funktionieren einer Demokratie unverzichtbar sind 14 WAS IST EIN*E JOURNALIST*IN? ▪ Wandel des Berufsbildes seit dem Gründungsjahr 1949 des DJV ▪ Journalismus wird nicht länger als Begabungsberuf angesehen, sondern wandelt sich zum Ausbildungs- und Qualifikationsberuf ▪ der sogenannte "subsidiäre Journalismus", also Tätigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit, wird in das Berufsbild integriert ▪ Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsformen werden an die technischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Medienwelt angepasst 15 JOURNALISMUSFORSCHUNG 16 JOURNALISMUSFORSCHUNG ▪ Journalismusforschung … − beschäftigt sich mit Leistungen und Funktionen, die der Journalismus oder Journalisten für die Gesellschaft erbringen − untersucht, welchen Einfluss die Gesellschaft, Redaktionen oder die soziale Umwelt und individuelle Faktoren dabei haben − erklärt, wie Nachrichten ausgewählt werden 17 JOURNALISMUSFORSCHUNG ▪ Handlungstheoretische, systemtheoretische und integrative Ansätze von journalistischem Handeln oder journalistischer Leistung ▪ Unterschiedliche Analyseebenen: − System: z.B. Leistungen des Journalismus für die Gesellschaft − Organisation: z.B. Funktionsweise von und Einflüsse durch Redaktionen − Individuum: z.B. Rollenvorstellungen und Nachrichtenauswahl − Integrativer Zugang: Verbindung handlungs- und systemtheoretischer Zugänge, z. B. Zwiebel-Modell (Weischenberg), Faktorenmodell (Donsbach) 18 JOURNALISMUSFORSCHUNG Handlungstheoretischer Zugang I: Journalismus als Beruf ▪ Fragen: Herkunft, Rekrutierung, Ausbildung, Arbeitsbedingungen… ▪ Professionalisierungs-These (1970er Jahre): Kriterien die für einen Beruf erfüllt sein müssen, um als Profession zu gelten (Berufszugang, Standesorganisationen, Verhaltenskodizes,…) – Ist der „Journalistenberuf“ eine Profession? Welche Trends gibt es? ▪ Repräsentative Journalismusstudien − Deutschland: Weischenberg & Scholl (1998); Weischenberg, Malik & Scholl (2006), Hanitzsch et al. (2016) − USA: Weaver (2007): The American Journalist 19 JOURNALISMUSFORSCHUNG Handlungstheoretischer Zugang II: Nachrichtenselektionsforschung ▪ Frage: Welche Eigenschaften des einzelnen Journalisten beeinflussen die Nachrichtenauswahl? ▪ Journalist als Gatekeeper = Schleusenwärter ▪ Anfänge der empirischen Berufsforschung: Kommunikatorstudien in den USA (White 1950; Breed 1955) ▪ Rolle der beruflichen Sozialisation: Einfluss von Ausbildung und redaktioneller Linie auf journalistisches Handeln ▪ Journalist keine Einzelperson, sondern Träger von Rollen 20 JOURNALISMUSFORSCHUNG Handlungstheoretischer Zugang III: Nachrichtenselektionsforschung ▪ Fragen: Wie beeinflusst das redaktionelle Umfeld (z. B. strukturelle Zwänge oder organisationale Einflüsse) das Handeln von Journalisten? ▪ Ausweitung von individuen-zentrierter zu struktur- und regelgeleiteter Redaktionsforschung in Handlungsperspektive ▪ Nachrichtenproduktion als weitgehend standardisierter und routinisierter Prozess: „news factory“ (Tuchman 1978) 21 JOURNALISMUSFORSCHUNG Systemtheoretische Perspektive: Nachrichtenselektionsforschung ▪ Fragen: Welche Strukturen weist das Funktionssystem Journalismus auf und welche Leistungen erbringt es für die Gesellschaft? ▪ „Journalismus wird als ein strukturdeterminiertes System konzipiert, das durch interne Differenzierungen (z. B. Ressortbildung, Wandel der Darstellungsformen, Spezialisierung der Berufsrollen) seine Fähigkeit zur Vermittlung aktueller Informationen zur öffentlichen Kommunikation vergrößert und damit seine gesellschaftliche Funktion aufrechterhält“ (Blöbaum, 2016) 22 JOURNALISMUSFORSCHUNG Systemtheoretische Perspektive: Nachrichtenselektionsforschung ▪ Redaktionen als organisiertes soziales System (Rühl 1979) ▪ Trennung von Journalist*innen als Einzelpersonen vom Journalismus als System ▪ Starke systemtheoretische Prägung der deutschsprachigen Journalismusforschung 23 JOURNALISMUSFORSCHUNG Integrative Zugänge ▪ Ansätze, die die Dichotomie zwischen System und Subjekt überbrücken − Faktorenmodell von Wolfgang Donsbach (1987) − Zwiebelmodell von Siegfried Weischenberg (1992) 24 EINFLUSSFAKTOREN IM JOURNALISMUS NACH DONSBACH 1987 Donsbach (1987: 112) 25 EINFLUSSFAKTOREN IM JOURNALISMUS NACH WEISCHENBERG 1994 26 Quelle: Weischenberg 1994, S. 431. FORSCHUNG ZU JOURNALISMUS ▪ Befragung von Journalistinnen und Journalisten zu Themen wie: − Berufssituation (z.B. Haben sie einen festen, unbefristeten Arbeitsvertrag? Wie viele Stunden arbeiten sie durchschnittlich?) − Welche Rollenvorstellungen haben sie (sehen Sie sich z.B. als neutrale*r Berichterstatter*in oder Aufklärer*in)? − Welche Arbeitsroutinen gibt es (Arbeitsalltag, Anteil von Recherche/Redigieren/ auswärtigen Terminen…)? − Welche politische Orientierungen haben Journalist*innen? 27 JOURNALIST*INNEN IN DEUTSCHLAND ▪ Steindl, N., Lauerer, C. & Hanitzsch, T. (2017). Journalismus in Deutschland. Aktuelle Befunde zu Kontinuität und Wandel im deutschen Journalismus. Publizistik, 62 (4), 401-423. DOI: 10.1007/s11616-017-0378-9. ▪ Hanitzsch, T., Steindl, N., & Lauerer, C. (2016). Country Report: Journalists in Germany. Worlds of Journalism Study, urn:nbn:de:bvb:19-epub-28095-3. ▪ Update: WoJ 2023: https://www.youtube.com/watch?v=GwHjA7YRHs8 28 BEISPIELSTUDIE: JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND ▪ Schritt 1: „Zielpersonen“: − Personen, die 1. vorwiegend mit journalistischen – und nicht mit organisatorischen, administrativen oder technischen – Aufgaben betraut sind, 2. nach professionellen Normen, Werten und Regeln Nachrichten auswählen, bearbeiten und veröffentlichen, dadurch eine gesellschaftliche Funktion erfüllen und einen öffentlichen Diskurs ermöglichen sowie 3. zum Zeitpunkt der Erhebung hauptberuflich als Journalisten arbeiten, also mindestens 50% ihres Einkommens aus einer journalistischen Tätigkeit beziehen. Dabei kann es sich sowohl um Festangestellte (in Voll- oder Teilzeit) als auch um Pauschalisten, feste Freie und freie Journalisten handeln 29 BEISPIELSTUDIE: JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND ▪ Schritt 1: „Zielpersonen“: − Wer ist raus? Wer nur sporadisch Beiträge für Medienangebote liefert oder sich überwiegend aus verwandten Kommunikationsbereichen finanziert (wie aus PR oder Werbung), gilt ebenso wenig als professioneller Journalist wie Personen, die als Amateur- oder Hobby-Journalisten tätig sind (z. B. als Blogger). 30 BEISPIELSTUDIE: JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND ▪ Schritt 2: Ermittlung redaktioneller Einheiten − jede Redaktion, die eigenständig journalistische Inhalte produziert – unabhängig von der Anzahl der von ihr produzierten oder bedienten Medienangebote und der übergeordneten Medienorganisation. − Sichtung der journalistischen Medienangebote, für die jeweils geprüft wurde, von welchen redaktionellen Einheiten sie erstellt werden. 31 BEISPIELSTUDIE: JOURNALISMUS IN DEUTSCHLAND ▪ Schritt 2: Ermittlung redaktioneller Einheiten − Die Medienangebote mussten folgende Kriterien erfüllen: 1. Periodizität (entsprechend der jeweiligen Mediengattung) 2. Reichweite (Mindestpublikumsreichweite bzw. verkaufte Auflage über 10.000) 3. Redaktionsgröße (mindestens drei Journalisten). + Nachrichtenagenturen und Mediendienste, sofern diese nicht ausschließlich oder überwiegend mit PR-,Werbe-, Unternehmens oder Marketing-Kommunikation betraut waren. 32 REDAKTIONELLE EINHEITEN & JOURNALISTISCHE POPULATION Steindl, Lauerer & Hanitzsch (2017), S. 410 + 411 33 MERKMALE VON JOURNALIST*INNEN 34 ROLLENVERSTÄNDNIS VON JOURNALIST*INNEN ▪ N = 775 Interviews (online & telefonisch) ▪ 310 Frauen, Alter Ø: 45,58 Jahre ▪ Bildung: 64% MA Abschluss, 4% promoviert, 56% anderer Studieninhalt als KoWi ▪ 75% Vollzeit angestellt Hanitzsch, Steindl & Lauerer (2016) 35 EINFLUSSFAKTOREN AUF DIE ARBEIT VON JOURNALIST*INNEN 36 EINFLÜSSE AUF JOURNALIST*INNEN 37 EINFLÜSSE AUF JOURNALIST*INNEN - WELTWEIT 38 https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2022 NACHRICHTENAGENTUREN 39 NACHRICHTENAGENTUREN Entstehungsgeschichte ▪ 1835: Charles-Louis Havas gründet in Paris die erste Nachrichtenagentur ▪ 1848: 6 Zeitungen gründen in New York Harbour News Association (spätere AP) ▪ 1849: Preußen gibt als erstes kontinental-europäisches Land Telegraphie zur öffentlichen Benutzung frei ▪ 1849: Bernhard Wolff gründet Wolff‘s Telegraphisches Korrespondenzbureau (WTB) in Berlin ▪ 1850: Paul Julius Reuter gründet Brieftaubenpost zwischen Aachen und Brüssel, um Lücke zwischen preußischen und französischen Telegraphenlinien zu überbrücken ▪ 1851: „Mr. Reuters Cabled Messages“ in London gegründet (spätere Agentur Reuters) 40 NACHRICHTENAGENTUREN Weiterentwicklung des internationalen Nachrichtensystems ▪ Industrialisierung ▪ Internationalisierung des Handels ▪ Entstehung der Massenpresse ▪ Neue Nachrichtenübermittlungstechniken 41 NACHRICHTENAGENTUREN Kartellverträge der Nachrichtenagenturen Havas Reuters WTB AP Deutschland Schweden Frankreich & Kolonien Norwegen England & Kolonien Dänemark 1870 Italien Spanien Holland & Kolonien Moskau & St. Portugal Belgien Petersburg Ottoman. Reich Ägypten Hamburg Ostasien 1890 Südamerika Türkei Nordamerika 1893 Mittelamerika Hagen (1995, S. 20) 1919 Nur noch Deutschland 42 NACHRICHTENAGENTUREN Weltagenturen veröffentlichen ihre Dienste in mehreren Sprachen und sammeln und verbreiten weltweit Nachrichten: ▪ Thomson Reuters Corporation (New York; Organisation: Medienkonzern in Privatbesitz) ▪ Agence France Presse AFP (hervorgegangen aus Havas; Paris; Organisation: de jure öffentlich-rechtlich, aber staatlicher Einfluss) ▪ Associated Press AP (New York; Organisation: Genossenschaft von Zeitungen, Radio- und TV-Sendern) 43 NACHRICHTENAGENTUREN Internationale Agenturen unterhalten größeres Netz von Auslandskorrespondenten, verkaufen an Kunden im Ausland in verschiedenen Sprachen, haben keinen kontinuierlichen und vollständigen Weltdienst: ▪ Deutsche Presse-Agentur dpa ▪ ITAR-Tass (Russland) ▪ Xinhua (China) ▪ ANSA (Italien) ▪ Kyodo (Japan) ▪ Agencia Efe (Spanien) 44 NACHRICHTENAGENTUREN Regionalagenturen sammeln Nachrichten aus bestimmten Regionen: ▪ Pan African News Agency (PANA) ▪ Asia News Agency (ANN) ▪ Caribbean News Agency (CANA) ▪ Inter Press Service (IPS) 45 NACHRICHTENAGENTUREN Nationalagenturen verbreiten nur im eigenen Land Nachrichten Universalagenturen berichten inhaltlich universell und für unterschiedliche Typen von Kunden (bzw. Medien) Spezialagenturen sind auf bestimmte Themen und/oder Kunden spezialisiert 46 NACHRICHTENAGENTUREN Universalagenturen berichten inhaltlich universell und für unterschiedliche Typen von Kunden (bzw. Medien): Beispiel Deutschland Kürzel Name Zentrale Schwerpunkte dpa Deutsche Presse-Agentur Hamburg thematisch sehr breit, (GmbH) Bundesländer AP Associated Press (GmbH) Frankfurt a.M. Nord- und Südamerika Soft News Reuters Thomson Reuters Frankfurt a.M. Ausland, Commonwealth- Staaten, knapper Stil AFP Agence France Presse Berlin Ausland, West-Afrika, (GmbH) Südamerika, Boulevard- Stil ddp/ADN Deutscher Berlin Inland, Osteuropa, neue Depeschendienst (GmbH) Bundesländer 47 NACHRICHTENAGENTUREN Spezialagenturen sind auf bestimmte Themen und/oder Kunden spezialisiert Kürzel Name Zentrale Schwerpunkte VWD Vereinigte Frankfurt a.M. Wirtschaft Wirtschaftsdienste sid Sport-Informations-Dienst Neuss Sport epd Evangelischer Frankfurt a.M. Evangelische Kirche, Pressedienst sozialkritische Themen KNA Katholische - Bonn Katholische Kirche, Nachrichtenagentur Vatikan IPS Inter Press Service Berlin Dritte Welt, Entwicklungspolitik 48 NACHRICHTENAGENTUREN Einfluss von Agenturen auf Berichterstattung ▪ Ergebnisse einer Input-Output-Analyse der ersten beiden Seiten von 26 deutschen publizistischen Einheiten (Minneé 1972, zit. n. Hagen, 1995, S. 20): ▪ Zwei Drittel der Beiträge der ersten beiden Seiten deutscher Tageszeitungen beruhen auf Agenturmaterial ▪ Drei Viertel davon enthalten ausschließlich Information aus Meldungen von einer einzigen Agentur ▪ Zwei Drittel aller übernommenen Sätze werden unverändert aus Agenturmaterial übernommen 49 ZUSAMMENFASSUNG ▪ Journalismusforschung … − beschäftigt sich mit Leistungen und Funktionen des Journalismus für Gesellschaft − untersucht, welchen Einfluss Gesellschaft, Redaktionen oder soziale Umwelt und individuelle Faktoren auf Journalismus haben − erklärt, wie Nachrichten ausgewählt werden ▪ Nachrichtenagenturen − Agenturen wichtige Institutionen im internationalen Nachrichtensystem − Unterscheidung von Nachrichtenagenturen nach räumlichem und thematischen Fokus − Nachrichten von Agenturen mit bedeutsamem Einfluss auf die Nachrichtenberichterstattung 50 LITERATUR ZUR SITZUNG Deutscher Journalisten-Verband DJV (2015). Berufsbild Journalist. Onnlie verfügbar unter https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/Infos_PDFs/Flyer_Broschuren/DJV_Wissen_4_Berufsbild_Febr._2015.pdf [abgerufen am 23.11.2022]. Donsbach, W. (1987). Journalismusforschung in der Bundesrepublik: Offene Fragen trotz „Forschungsboom“. In J. Wilke (Hrsg.), Zwischenbilanz der Journalistenausbildung. München, 105-142. Dovifat, Emil (1976). Zeitungslehre / Theoretische und rechtliche Grundlagen. Nachricht und Meinung. Sprache und Form. De Gruyter. Engelmann, I. (2016). Gatekeeping. Baden-Baden: Nomos Hanitzsch, T., Steindl, N., & Lauerer, C. (2016): Country Report: Journalists in Germany. Worlds of Journalism Study. Online verfügbar unter https://epub.ub.uni-muenchen.de/28095/ [abgerufen am 23.11.2022]. Lasswell, H. D. (1948). The structure and function of communication in society. In: Bryson, L. (Ed.), The Communication of Ideas (pp. 37–51). New York: The Institute for Religious and Social Studies. Lewin, K. (1947). Channels of Group Life; Social Planning and Action Research. Human Relations 1, 143–153 Löffelholz, M. & Rothenberger, L. (Hrsg.) (2016). Handbuch Journalismustheorien. Wiesbaden: Springer. Tuchman, G. (1978). Making News: A Study In The Construction Of Reality. Free Press. Reinemann, C. & Baugut, P. (2014). Alter Streit unter neuen Bedingungen. Einflüsse politischer Einstellungen von Journalisten auf ihre Arbeit. Zeitschrift für Politik 61, 480-505 Rühl, M. (1980). Journalismus und Gesellschaft Bestandsaufnahme und Theorieentwurf. Mainz: Hase und Koehler. Steindl, N., Lauerer, C. & Hanitzsch, T. (2017). Journalismus in Deutschland. Aktuelle Befunde zu Kontinuität und Wandel im deutschen Journalismus. Publizistik, 62, 401-423. Weaver, D. (2007). The American Journalist in the 21st Century. L. Erlbaum Associates. Breed, W. (1955). Social Control in the Newsroom: A Functional Analysis. Social Forces 33, 326–336. White, D. M. (1950). The ‚Gate Keeper‘: A Case Study in the Selection of News. Journalism Quarterly, 27, 383-384. Weischenberg, S. (2004). Journalistik: Medienkommunikation: Theorie und Praxis Band 1: Mediensysteme – Medienethik – Medieninstitutionen. 3. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag. Weischenberg, S. & Scholl, A. (1998). Journalismus in der Gesellschaft: Theorie, Methodologie und Empirie. Opladen [u.a.] : Westdt. Verl. Weischenberg, S.; Malik, M. & Scholl, A. (2006). Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK 51