ZSF TB Schwangerschaft und Geburt PDF
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This document is a set of lecture notes for a course on pregnancy and childbirth (Schwangerschaft und Geburt). The notes cover topics such as infertility, normal pregnancies, complications, and postpartum care, and are organized in a structured format for easy comprehension. The document also references various experts and sources.
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Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt TB Schwangerschaft und Geburt Ein Grossteil der Inhalte wurde von den Zusammenfassungen der Ibupropheten übernommen und teilweise leicht abgeändert. Ein grosses Dankesch...
Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt TB Schwangerschaft und Geburt Ein Grossteil der Inhalte wurde von den Zusammenfassungen der Ibupropheten übernommen und teilweise leicht abgeändert. Ein grosses Dankeschön an die Ibupropheten. Table of Contents 1 Schwangerschaft.........................................................................................................................3 1.1 Sterilität (Leeners) (3 Lektionen)........................................................................................3 1.1.1 Sterilität – Abklärung (Leeners).....................................................................................3 1.1.2 Sterilität – Therapie (Leeners)........................................................................................7 1.1.3 Artifizielle Reproduktion (Leeners).............................................................................. 13 1.2 Normale Schwangerschaft (Ochsenbein).......................................................................... 17 1.3 Gestörte Frühschwangerschaft und Abort (Witzel)............................................................ 25 1.4 Pränatale Medizin............................................................................................................ 30 1.4.1 Pränatale Medizin (Ochsenbein)................................................................................... 30 1.4.2 Genetische Untersuchungsmethoden (Rauch)............................................................... 35 1.4.3 Genetische Beratung (Rauch)....................................................................................... 38 1.5 Mehrlingsschwangerschaft (Ochsenbein).......................................................................... 40 1.6 Gestörte Spätschwangerschaft.......................................................................................... 45 1.6.1 Infektionen in der Schwangerschaft (Ochsenbein)........................................................ 45 1.6.2 Präeklampsie, Eklampsie, HELLP-Syndrom & IUGR (Ochsenbein)............................. 53 1.6.3 Blutgruppen-Inkompatibilitäten (Ochsenbein).............................................................. 58 1.6.4 Blutungen in der Spätschwangerschaft (Ochsenbein).................................................... 61 1.6.5 Frühgeburt aus geburtshilflicher Perspektive (Ochsenbein)........................................... 65 1.6.6 Frühgeburt aus neonatologischer Perspektive (Bassler)................................................. 69 2 Geburt....................................................................................................................................... 73 2.1 Die normale Geburt (Ochsenbein).................................................................................... 73 2.2 Geburtspathologie (Ochsenbein)....................................................................................... 80 2.3 Vaginal-operative Geburtsbeendigung und Sectio (Ochsenbein)........................................ 87 2.4 Postnatale Adaptation Neugeborenes U1 (Bassler)............................................................ 93 3 Wochenbett............................................................................................................................... 99 3.1 Aus geburtshilflicher Perspektive (Mama)........................................................................ 99 3.1.1 Normales Wochenbett (Krähenmann)........................................................................... 99 3.1.2 Wochenbettpathologie (Krähenmann)......................................................................... 103 3.2 Aus neonatologischer Perspektive (Baby)....................................................................... 108 3.2.1 Wochenbettstatus (U2) und Gesundheitsheft............................................................... 108 3.2.2 Wochenbettprobleme (Boos) (4 Lektionen)................................................................ 114 3.2.3 Atmungs- und Kreislaufstörungen (Rüegger).............................................................. 133 3.2.4 Neonatale Infektionen (Natalucci).............................................................................. 137 3.2.5 Adaptationsstörungen (Rüegger)................................................................................ 142 Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 1 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 2 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt 1 Schwangerschaft 1.1 Sterilität (Leeners) (3 Lektionen) 1.1.1 Sterilität – Abklärung (Leeners) - Sterilität (1. Vorlesung): o Definition Sterilität: Ausbleiben einer Schwangerschaft nach 1 Jahr regelmässigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr. (Begriff bezieht sich auf beide Partner) ▪ Bei einem optimalen Zyklus beträgt die Chance auf eine Schwangerschaft ca. 20% D.h. im Schnitt benötigt ein fertiles Paar 5 Monate bis zur Konzeption ▪ Abklärungen erfolgen je nach Alter der Patientin (>35 Jahre) bereits nach 6 Monaten ▪ Im Falle einer Infertilität untersucht man Frau sowie Mann: 1/3: Weibliche Ursache 1/3: Männliche Ursache 1/3: Teamwork (beide beteiligt)! ▪ Nomenklatur, Wortabgrenzung von «Infertilität»: Infertilität ist im angelsächsischen Raum Synonym für „Sterilität“ Infertilität ist im deutschsprachigen Raum Synonym für „habituellen Abort“ (Unfähigkeit eine Schwangerschaft bis zur Geburt auszutragen, Begriff bezieht sich nur auf die Frau) o Unspezifische Sterilitätsursachen: ▪ Alter (Häufigste Ursache!) Im Alter ist die Fruchtbarkeit einer Frau stark reduziert Gleichzeitig treten mehr Fehlgeburten auf (ab dem 47. LJ sind (fast) alle Eizellen genetisch auffällig) ▪ Stress (somatisch & psychisch) ▪ Gewicht (Unter- & Übergewicht) ▪ Noxen (Rauchen, Medikamente, Umwelt) o Spezifische Sterilitätsursachen (nur in Bezug auf Frau): ▪ Follikel-Reifungsstörung (unzureichende Eizellqualität) ▪ Endometriose ▪ Verwachsungen (Eileiterverschluss, intrauterine Adhäsionen) Mögliche Ursachen: o Ashermann (mechanische Zerstörung des Endometrium nach Kürettagen) o Endometriose o Infekte wie Chlamydien etc. o Spezifische Faktoren die zu Sterilität führen können: Im folgenden Kapitel werden wir nun im Prinzip eine Art Algorithmus lernen um mögliche Ursachen für Sterilität abzuklären. Wir suchen zuerst nach häufigen Faktoren. ▪ Häufige Faktoren: Endokrine, Mechanische sowie Männliche Faktoren ▪ Seltene Faktoren: Zervikale, Immunologische, Psychogenefaktoren sowie Infektparameter ▪ Endokrine Faktoren: Hormonelle Dysfunktionen können zu einer Follikelreifungsstörung mit Infertilität führen. Direkte Analyse der für eine regelrechte Follikelreifung wichtigsten Hormone: o Bei regelrechtem Zyklus: ▪ FSH (Messung am 1-5. Zyklustag): Freisetzung von Hypophyse FSH-Spiegel erhöht: Hypergonadotrop o Die zentrale Sekretion funktioniert, aber die neg. Rückkopplung bleibt aus o Entsprechend reagieren die Ovarien nicht adäquat auf die Hormone FSH-Spiegel erniedrigt: Hypogonadotrop o Zentrale Ausschüttung funktioniert nicht (Problem bei Hypophyse / Hypothalamus) Wert erhöht sich perimenopausal (keine/weniger Östrogene/Gestagene vom Ovar) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 3 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ AMH (Zyklusunabhängig messbar): Freisetzung von Eizellen in Reserve Hohe Werte prinzipiell als Zeichen einer ausreichenden Ovarialreserve Sehr hohe Werte geben Vd.a. PCO-Syndrom → sehr viele Reserven (poly-cystisch) Tiefe Werte geben den Vd.a. POI → Empfehlung, Eizellen einzufrieren! ▪ TSH (Zyklusunabhängig messbar): Störungen der Schilddrüse können den Zyklus negativ beeinflussen ▪ Anti-TPO (Zyklusunabhängig messbar): Marker für Autoimmunthyreoditis Eig. wenig sinnvoll (Wert ist ja nicht spezifisch für Hashimoto Thyreoiditis) Ist in den Folien aber trotzdem vermerkt ▪ Progesteron (Messung am 21. Zyklustag): Produktion von Corpus Luteum Postovulatorischer Anstieg ist hinweisend auf eine korrekte Ovulation Normwert am 21. Zyklustag: >15nmol/L = Ovulation ist erfolgt! Wert ist eine Art Surrogat für eine adäquate Eizellreifung o Ausgedehntere Abklärungen bei Oligo-/Amenorrhoe! Funktionelle Beurteilung der Hormonwirkung mit transvaginalem Ultraschall: o Uterus: Beurteilung des Endometriums vor der Ovulation ▪ Über 7mm dick Postovulatorischer? Abgrenzung vom Myometrium möglich? o Ovar: Beurteilung der Reifung bzw. des Wachstums der Follikel ▪ Durchmesser eines Follikels sollte vor dem Eisprung ca. 2cm betragen Basaltemperaturkurve (BTK): o Physiologie: Progesteron verfügt über einen thermogenen Effekt o Normale Basaltemperaturkurve: ▪ Ovulation: Temperaturtief ▪ Postovulatorisch (Progesteronproduktion aus dem Gelbkörper): Temperaturanstieg um 0.4 - 0.7° C während ≥10 Tagen o Vorgehen: Rektalmessung Morgens unmittelbar nach dem Aufwachen (> 6h Schlaf) Ava Armband (Ein Digitales Diagnostikum für meine St.Galler Medizinfreunde – Kowatsch freut’s): o Armband misst über die Nacht diverse Parameter (Hauttemperatur, Durchblutung, Puls, Atemfrequenz, Schlafdauer bzw. Phasen etc.), welche sich im Laufe des Zyklus verändern. o Über die Integration der Parameter kann man dann ziemlich genau Aussagen darüber treffen an welchem Zykluspunkt sich die Frau befindet resp. das fruchtbare Fenster voraussagen. ▪ Mechanische Faktoren: Anatomische Veränderungen (meist der Tuben) verhindern das Aufeinandertreffen von Oozyte und Spermien Risiken für die Entwicklung einer mechanisch bedingten Sterilität: Grundsätzlich kann man alles was zu Entzündungen, Blockaden oder Verwachsungen führt anamnestisch erfragen bzw. eine entsprechende Verdachtsdiagnose stellen. Eine Ausnahme bilden Chlamydien (Abstrich/Serologie erforderlich). o Adnexitis o Endometriose (Leitsymptom sekundäre Dysmenorrhoe) o IUD (Intra Uterine Device, Intrauterinpessare) (Wenn es dadurch zu Entzündungen gekommen ist) o EUG (= Extrauteringravidität) o Unterbauchoperationen o Adhäsionen des Endometriums (Ashermann-Syndrom) o Chlamydien Infekt Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 4 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt Diagnostische Abklärungen mechanischer Faktoren: o Hystero-Hydrosonografie (Bevorzugte Methode weil am wenigsten unangenehm): ▪ Füllt Uterus mit NaCl-Lösung (gute Darstellung des Cavum Uteri wegen Aufdehnung) ▪ Nachweis allfälliger Synechien wie z.B. beim partiellen Asherman-Syndrom o Hysterosalpingo-Kontrastsonographie (HyCoSy): ▪ Katheter in Uterushöhle geschoben ▪ Kontrastmittel fliesst normalerweise über die Tuben in Richtung Bauchhöhle ab ▪ Nachweis einer Sactosalpinx bzw. eines Tubenverschlusses Tuben blähen sich in diesem Fall auf (Kontrastmittel fliesst nicht ab) o Hysterosalpingographie: Röntgen mit intrauterinem röntgendichte KM (obsolet) o Chromolaparoskopie + Hysteroskopie: ▪ Indiziert falls obige Methoden unklare Resultate liefern od. Vd.a. Endometriose ▪ Durchführung von Chromolaparoskopie + Hysteroskopie in der gleichen Sitzung: Hysteroskopische Exploration des Cavum uteri Laparoskopische Exploration von Uterus- und Tubenanatomie sowie der Tubendurchgängigkeit mit Methylenblau o Tuben füllen mit Methylenlau → läuft bei durchgängiger Tube über Fimbrientrichter in Dougalsraum o (vgl. Bild Pathologisch: Methylenblau schimmert durch Tube; Diagnose Sactosalpinx rechts) ▪ Männliche Faktoren: Weil pathologisches Sperma die Fertilität reduziert lohnt es sich ein Spermiogramm zu machen: Folgende «Mindestwerte» sollten erreicht werden: o Konzentration: ≥ 16 Mio./ml ▪ Es braucht eine hohe Anzahl Spermien (resp. deren Enzym im Akrosom) um die Zona Pellucida zu durchbrechen o Motilität: ≥ 30% progressiv motile Spermien ▪ Man kann Spermien nach Motilität in verschiedene Kategorien einteilen o Morphologie: ≥ 4% normalgeformte Spermien (96% können auffällige Form aufweisen!) ▪ Spermien mit auffälliger Form schwimmen nicht schnell oder zielgerichtet Weitere Schritte zur Abklärung männlicher Fertilität: o Untersuch bzw. US der Hoden o Hormonelles Panel von Gonaden-Hormonen (FSH, LH, Testosteron) ▪ Zervikale Faktoren (ab jetzt besprechen wir die seltenen Faktoren): Der Mukus verändert sich im Zyklusverlauf. Im fruchtbaren Fenster richten sich die Mukusfilamente so aus, dass sie für die Spermien passierbar werden. Ein pathologischer Zervikalmukus verhindert diese Aszension der Spermien. Zervikale Faktoren lassen sich mithilfe des Cervixindex beurteilen: Cervixindex (CI): Offener Muttermund (3 Pkt) mit viel spinnbarem Mucus (3 Pkt) periovulär = gut o In die Beurteilung fliessen 4 Kriterien mit ein: (Viele Punkte = Gut, max. ist 12 Pkt.) ▪ Muttermund: Geschlossen = 0, Offen = 3 ▪ Mucus Menge: Kein = 0, Viel = 3 ▪ Spinnbarkeit des Mucus: 0cm = 0, 8-12cm = 3 Länge des zw. Pinzette aufspannbaren Fadens, siehe Bild ▪ Farnkrautphänomen: amorph = 0, vollständig = 3 Mukus sollte kurz vor der Ovulation unter dem Mikroskop kristallartig aussehen Man spricht von einer sog. Farnkraut Struktur o Ein Mittzyklischer CI-Score von < 8 spricht für Dysmukorrhoe (=Störung zervikaler Faktoren) ▪ Häufige Ursachen: Infekte, St.n. Zervix OP, Clomiphen-Stimulation (siehe später) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 5 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Immunologische Faktoren (Testet man nur selten weil die Prävalenz sehr tief ist): Spermienantikörper im Seminalplasma und/oder Zervikalmukus reduzieren die Fertilität, weil sie Spermien quasi aneinanderhaften (Motilität ist trotz ausreichender Zahl Spermien mit normaler Form reduziert). Hinweise auf Spermienantikörper im Seminalplasma beim Mann: o Positiver MAR (=mixed antiglobulin reaction)-Test: ▪ Latexkugeln mit gegen Spermienantikörper gerichteten Ak ▪ Latexkugeln werden mit dem Ejakulat vermischt ▪ Sind Spermienantikörper vorhanden, heften sich die Latexkugeln bei positivem MAR-Test an die Spermien. o Agglutinationen: Agglutination von Spermatozoen im Spermiogramm Hinweise auf Spermienantikörper im Zervikalmukus bei der Frau: o Positiver PCT (Postkoital-Test) (wird heute nicht mehr oft gemacht) ▪ Entnahme von Zervikalmucus 6-10 Std. nach Geschlechtsverkehr ▪ Schaut mikroskopisch ob Spermien regelrecht eindringen konnten (Mikroskopische Prüfung von Zahl und Motilität der Spermien) ▪ Wenn trotz normalem Spermiogramm + Cervixindex nur Immobilie Spermien vorliegen, ist dies ein Hinweis auf einen immunologischen Einflussfaktor bei der Frau ▪ Infekte: Infekte können sowohl Ursache einer Sterilität sein als auch ein Gesundheitsrisiko für Partner/In und/oder (potenzieller) Kinder darstellen. Bakteriologische Screening-Untersuchungen: (Mann und Frau) o Chlamydien (Risiko: Tubenverschluss oder Ansteckung des Partners) ▪ Diagnostik mittels PCR (Abstrich aus Zervikalkanal) ▪ CAVE: Chlamydien-Infektionen verlaufen oft unbemerkt! Abklären! o Weitere Bakteriologische Abklärungen bei Indikation (z.B. Gonorrhoe) Serologische Screening-Abklärungen: (Mann und Frau) o HIV (Risiko: Ansteckung des Partners und/oder des Kindes) o Hepatitis B (Risiko: Ansteckung des Partners und/oder des Kindes) o Hepatitis C (Risiko: Ansteckung des Kindes) o Empfohlen: CMV (wird aber nicht von der KK übernommen) o Weitere serologische Abklärungen bei Indikation (z.B. Lues) Abklärung resp. Überprüfung des Impfstatus nur bei der Frau auf: o Röteln (Risiko: Ansteckung des Kindes) o Varizellen (Risiko: Ansteckung des Kindes) ▪ Psychogene Faktoren: Partnerkonflikte und/oder sexuelle Störungen reduzieren die Fertilität, kommen als primäre Ursachen aber nur selten in Frage (psychogene Faktoren haben minimalen Einfluss. Bei normalem Zyklus haben sie keinen Effekt.)! Im Rahmen einer langen Sterilitätsbehandlung treten psychogene Faktoren oft sekundär als iatrogen induzierter Kofaktor auf (logisch; für das Paar nur mässig lustig, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht funktioniert). Die Abklärung sieht wie folgt aus: Anamnese Positiver PCT (Postkoital Test) o Kann nebst immunologischem Hinweis auch Hinweis auf psychogene Faktoren sein (man sieht z.B. wie oft das Paar GV hat… teilweise haben diese Paare sehr selten GV… GV ist noch relativ wichtig um schwanger zu werden…) Psychosomatische Beurteilung Sekundäre Sexuelle Störungen (Vaginismus, erektile Dysfunktion) sind relativ häufig → GV-Frequenz nimmt ab (siehe oben: GV ist wichtig um schwanger zu werden) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 6 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Unerklärte Sterilität (≠ Psychogene Sterilität!): Hat man alle pathologischen Faktoren (auch psychogene) von denen wir wissen, dass sie eine Rolle spielen für die Sterilität untersucht und es funktioniert trotzdem nicht mit dem Kinderwunsch, handelt es sich um eine sog. unerklärten Sterilität. Bei solchen paaren versucht man eine assistierte Sterilitätstherapie: o IVF (in vitro Fertilisation) oder ICSI (Intracytoplasmatic Sperm Injection) ▪ IVF: Man gibt tausende Spermien im Labor zu einer Eizelle Idee: Eines der Spermien durchdringt Schutzhülle der Eizelle bzw. befruchtet diese ▪ ICSI: Man spritzt Spermium direkt in das innere der Eizelle 1.1.2 Sterilität – Therapie (Leeners) - Sterilitätstherapie (2. Vorlesung): o Grundsätze: ▪ 1. Optimierung der Ausgangslage anstreben! Gewicht (BMI18), Nikotinstopp, Stressabbau etc. ▪ 2. Ausführliche Paarinformation! Ablauf, Chancen, Risiken, (finanzielle) Belastung, Dauer (1-2 Jahre!) ▪ 3. Berücksichtigung des FMedG (Fortpflanzungsmedizingesetz) o Neben allgemeinen sowie unterstützenden Massnahmen (Coaching, Akupunktur, TCM, etc.) mit mehr oder weniger evidenzbasierten Effekten existieren prinzipiell 3 Therapiepfeiler: ▪ Hormonelle Stimulation (= Unterstützung der Eizellen Reifung) ▪ Insemination (= Samenübertragung in den weiblichen Genitaltrakt nach Aufbereitung) ▪ Assistierte Reproduktionsmedizin (kommt in eigener VL) o Hormonelle Stimulation: ▪ Allgemeine Prinzipien: Grundsätzlich macht man eine hormonelle Stimulation um die Eizellreifung zu unterstützen. Ziel ist es entweder eine (maximal zwei) reife Eizellen (= Monofollikuläre Stimulation) oder mehrere reife Eizellen (= Multifollikuläre Stimulation) zu erhalten: o Bei Monofollikuläre Stimulation: Befruchtung der Eizelle per GV oder Insemination ▪ Realistische Schwangerschaftschancen sind 8-14% o Bei Multifollikuläre Superstimulation: Befruchtung der Eizelle per IVF/ICSI ▪ Realistische Schwangerschaftschance 35-40% Die hormonelle Stimulation beruht auf folgendem Prinzip: o FSH: Rekrutierung eines/der Follikel (Mono vs. Multi) und für dessen/deren Reifung o LH bzw. hCG (hCG hat längere HWZ, darum öfters eingesetzt als LH): ▪ Endausreifung der Oozyte sowie Induktion der Ovulation (= Follikelruptur) ▪ Induktion der Umwandlung des Follikels in ein Corpus luteum (vermehrte LH-R Expression auf dem Corpus luteum) ▪ Stimulation des Corpus Luteum zur Progesteron Produktion Folgendes ist weiter zu beachten: o Die iatrogene Ovulationsinduktion mittels exogenem hCG am Ende der Stimulationsphase mit FSH ist wichtig, weil die endogene LH Ausschüttung bei hormoneller Stimulation meist nicht ausreicht o Folsäureprophylaxe ist obligat (Spina Bifida vermeiden & Schwangerschaftschancen verbessern) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 7 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt Anmerkung zur Lutealinsuffizienz: o Im Spontanzyklus (= ohne hormonelle Stimulation) ist eine Lutealinsuffizienz ein Zeichen dafür, dass auch die Eizellreifung nicht adäquat war. Folglich ist keine funktionsfähige Eizelle da, welche befruchtet werden könnte. ▪ Um die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zu verbessern, müsste man vor dem Eisprung ansetzen, also frühzyklisch mit FSH (→ sorgt dafür, dass Follikel reifen) – ist dann ein funktionsfähiger dominanter Follikel vorhanden, entsteht nach dem Eisprung auch ein funktionsfähiges Corpus luteum. ▪ (NB: Östrogen und Progesteron bewirkt das Gegenteil: Es hemmt die FSH Freisetzung und führt zur Kontrazeption, wer also als dachte, Östrogen-Gabe oder Progesteron-Gabe würde die SS-Chance verbessern, sollte sich nochmal das Konzept der Pille durch den Kopf gehen lassen.) o Im stimulierten Zyklus ist eine Lutealinsuffizienz ein Zeichen dafür, dass eine ungenügende Induktion von LH-Rezeptoren stattgefunden hat (bei aber funktionsfähiger Eizelle, die Eizellreifung war also adäquat, bloss halt mit zu wenig LH-Rezeptoren). ▪ D.h. die LH-Rezeptor-Stimulation des Corpus luteum genügt nicht aus, um genügend Progesteron zu produzieren. → Ungenügende sekretorische Umwandlung des Endometriums (aufgrund Progesteron-Mangel) → Reduziertes Implantationspotential des Endometriums → Reduzierte SS-Chance ▪ Man hat nun zwei Möglichkeiten dieser Lutealinsuffizienz zu unterstützen: Substitutionstherapie mit Progesteron (→ Ersetzt direkt Progesteron) Stimulationstherapie mit hCG (→ Stimuliert Corpus luteum zur vermehrten Progesteronsynthese) ▪ Monofollikuläre Stimulation mit Clomiphen oder Letrozol: Beide Medikamente erfordern regelmässiges Monitoring mit dem Ultraschall, bei der Verwendung von Clomiphen muss zudem ein Monitoring des Cervikal Index (CI) erfolgen. Clomiphen: o Wirkstoff: Nichtsteroidales Triphenyläthylenderivat (als Tablette erhältlich) o Wirkung: Blockiert Östrogenrezeptor durch wochenlange (!!) kompetitive Hemmung ▪ Signalisiert dem Körper einen vermeintlichen Östrogenmangel ▪ Führt somit reaktiv zu einer verstärkten endogenen Sekretion von FSH/LH Dies induziert/verbessert nun wiederum die Follikelreifung o Nebenwirkungen aufgrund des Antiöstrogenen Effekts: ▪ Dysmukorrhoe! (Häufigste NW, für eine Schwangerschaft kontraproduktiv, vgl. oben) ▪ Proliferationsstörung des Endometriums! (Östrogen ist wichtig für die Proliferation des Endometriums während des Zyklus) ▪ Visusstörungen (sehr selten, es kann zum thrombotischen Verschluss der V. centralis retinae mit Skotombildung auftreten) ▪ Hitzewallungen o Indikation: (Lernziel!) ▪ Follikelreifungsstörungen Bsp.: Normogonadotroper Amenorrhoe, Polymenorrhoe, Oligomenorrhoe, … Findet man eine primäre Ursache behandelt man diese logischerweise zuerst! o Beispiel für primäre Ursachen: Hyperprolaktinämie ▪ Inseminationsbehandlungen Bei Inseminationsbehandlungen oder eingeschränkter Spermienqualität bevorzugt man stimulierte Zyklen, weil die Erfolgschancen steigen (epidemiologisch bestätigt) ▪ Unerklärte Sterilität (?) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 8 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Vorteile: ▪ Preisgünstig ▪ einfaches Monitoring (US) (Sieht man im US >2 Eizellen, bricht man ab (= keine iatrogene Ovulationsinduktion). Risiko für Mehrlings-SS ist dann zu hoch.) ▪ Geringe Belastung der Patientin ▪ Da es zu einer iatrogene Ovulationsinduktion mittels exogenem HCG am Ende der Stimulationsphase mit FSH kommt, weiss das Paar den exakten Zeitpunkt der Ovulation. oNachteil: ▪ Periphere Antiöstrogener Effekt (vgl. NW) ▪ Clomiphen-Resistenz (=keine ausreichende Follikelreifung) (v.a. bei PCO-Syndrom) Letrozol (off-label, grundsätzlich aber gleiche Indikation wie Clomiphen): o Wirkstoff: Nichtsteroidaler Aromatasehemmer (als Tablette erhältlich) o Wirkung: Inhibition der Aromataseaktivität bewirkt Reduktion des Östrogenspiegels ▪ Führt somit reaktiv zu einer verstärkten endogenen Sekretion von FSH/LH o Nebenwirkung: Hitzewallung o Indikation: Vgl. Clomiphen o Vorteil: Keine antiöstrogenen Effekte auf Endometrium und zervikalen Mukus ▪ Führt somit auch zu etwas höheren Schwangerschaftschancen als Clomiphen!! ▪ (bisschen unlogisch für mich… es wird ja weniger Östrogen produziert, was für mich ziemlich nach einem antiöstrogenem Effekt klingt…) ▪ Da es zu einer iatrogene Ovulationsinduktion mittels exogenem HCG am Ende der Stimulationsphase mit FSH kommt, weiss das Paar den exakten Zeitpunkt der Ovulation. ▪ Mono-/Multifollikuläre Stimulation mit Gonadotropinen: Wirkstoff: reines FSH oder reines LH oder eine Mischung von beiden (nur als Spritze erhältlich) Wirkung: Exogene Applikation der für die Follikelreifung wichtigen Gonadotropine Indikationen: (Lernziel!) o Superstimulation (Multifollikuläre Follikelreifung!) für assistierte Sterilitätstherapie o Hypogonadotrope Amenorrhoe (zu wenig FSH kommt aus der Hypophyse) o Clomiphen-Probleme (Resistenz, z.B. beim PCO-Syndrom oder Dysmukorrhoe) o Inseminationsbehandlungen Vorteile: o Potenter als Clomiphen oder Letrozol o Keine Antiöstrogenen Effekte auf Endometrium und zervikalem Mukus o Da es zu einer iatrogene Ovulationsinduktion mittels exogenem HCG am Ende der Stimulationsphase mit FSH kommt, weiss das Paar den exakten Zeitpunkt der Ovulation. Nachteile: o Teurer o Aufwendigeres Monitoring sowie höhere Patientenbelastung! ▪ Man muss alle paar Tage erscheinen und sich eine Dosis spitzen lassen ▪ Es existieren verschiedene Protokolle Beispiel PCO-Syndrom: Man muss mit tiefer Dosis starten bzw. abwarten wie die Eizellen reagieren, weil man max. 1-2 Eizellen pro Zyklus anregen will ▪ Mit der Zeit ändert sich zudem die Rezeptor-Dichte, weshalb man bei einem neuen Zyklus nicht einfach wieder mit den vorherig wirksamen Dosen starten kann o Vorzeitiger LH-Anstieg (Eisprung kann zufällig mal ein paar Tage zu früh stattfinden) o Höhere Risiken für Mehrlinge sowie OHSS (siehe gleich) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 9 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Wichtige Risiken der hormonellen Stimulation: Mehrlinge: Merke IVF & Follikuläre Stimulationen gehen häufiger mit Mehrlingen einher! o Eine hormonelle Stimulation birgt immer die Gefahr das man zu viele Follikel stimuliert werden. Dies ist bei Zwillingen evtl. noch vertretbar, sobald es aber mehr Kinder werden ist es problematisch bzw. geht mit hohen Risiken für die Frau einher. o Das Risiko für Zwillinge (Normal: 1%) sowie Drillinge (Normal 0.1%) ist insgesamt ca. 10-20 höher! o Ursachen: ▪ Zu intensive Stimulation ▪ Fehlerhaftes Monitoring (US) (iatrogene Ovulationsinduktion trotz >2 reifen Eizellen im US) ▪ Transfer mehrerer Embryonen bei assistierter Sterilitätstherapie Man hat früher viele Embryonen in die Frau zurücktransferiert nach IVF, weil die SS-Chancen sowieso schlecht waren, heute hat man bessere Ergebnisse (transferiert max. 1-2 Embryonen). ▪Fehlende Paarcompliance Sieht man im US zu viele Eizellen heranreifen, muss das Paar verhüten und es erfolgt ein Abbruch des Behandlungszyklus (= keine iatrogene Ovulationsinduktion) Ob das Paar nun aber verhüten oder nicht kontrolliert man natürlich nicht… Ovarielles Hyperstimulationssyndrom (OHSS): o Definition: Zystische Vergrösserung der Ovarien und erhöhte Permeabilität v.a. peritonealer Kapillaren mit Flüssigkeits- und Elektrolytverlust in die Körperhöhlen o Befunde: (Durch erhöhte Kapillarpermeabilität bedingt) ▪ Aszites-Bildung, Perikarderguss, Pleuraerguss ▪ Hk-Anstieg (Serum ↓) ▪ Elektrolytverschiebung (Flüssigkeitsverlust) ▪ Schwerer Verlauf: Nierenversagen (Hypovolämie), Thromboembolie (Hk-Anstieg) o Ursache: unklar. Man weiss nur, dass die hCG-Spritze am Ende der Stimulationsphase zu einem erhöhten Kapillarpermeabilität führen kann. o Verlauf: ▪ Beginn: 7-10 Tage nach Stimulationsende ▪ Dauer: Grundsätzlich solange wie der hCG-Einfluss vorhanden ist Ohne Schwangerschaft: Bis zu Beginn der Menstruation (14 Tage) Bei Schwangerschaft: 6-8 Wochen o Risikofaktoren: Grundsätzlich: Je mehr Follikel heranreifen desto höher ist das Risiko! ▪ Forcierte hormonelle Stimulation (regt einfach zu viele Follikel an!) ▪ Konstitution der Frau (PCO-Syndrom, junge- oder untergewichtige Frauen → reagieren stärker auf Hormonstimulation) o Häufigkeit: ▪ Milde Formen in 20-40%, je nach Stimulation ▪ Schwere, hospitalisationsbedürftige Formen < 1% Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 10 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Insemination (Weitere Behandlungskonzepte wie IVF oder ICSI in eigener VL): ▪ Techniken: Intravaginal (macht man heute nicht mehr): o Ohne Aufreinigung Injektion der Spermien in die Vagina am rechten Zeitpunkt des Zyklus (basically genau das, was auch der Penis macht, einfach schlechter) Intra-/Perizervikal: o Ebenfalls mit Nativsperma möglich (durch Passage in der Zervix trennen sich die Spermien vom Rest des Ejakulats) o Bringt Spermien so nahe wie möglich an die Zervix o Ist prinzipiell nur bei Ejakulationsstörungen indiziert (weil sonst kann es auch einfach der Penis selbst machen… das ist ja genau sein Job…) Intrauterin (macht man in der Regel): o Geeignet für alle Indikationen o Benötigt hierfür eine Sperma-Aufbereitung (weil keine Auftrennung der Spermien vom Rest des Ejakulates in der Zervix) und ist technisch schwierig: ▪ Man geht mit einem Katheter bis zur Tuba Uteri und platziert Sperma so nah wie möglich an der ovuliertern Eizelle ▪ Homologe vs. heterologe Insemination: Homologe Insemination: Spermien sind vom Ehe- bzw. Lebenspartner Heterologe Insemination: Spermien sind von Samenspende, d.h. nicht vom Partner ▪ Spermaaufbereitung: Ziel: Erreichung der Kapazitation sowie eine Verbesserung der Spermienqualität Kapazitation: Entfernung des Seminalplasmas, welches Fertilisationsinhibitoren, Prostaglandine und evtl. Spermien-Antikörper enthält. Verbesserung der Spermienqualität: Trennung der beweglichen, befruchtungsfähigen von den unbeweglichen, nicht-befruchtungsfähigen Spermien und von infektiösem Detritus. Durchführung: o Ejakulat wird mit Gel überschichtet ▪ Nur normalgeformte (motile/befruchtungsfähige) Spermien können durch Gel schwimmen o Nach Inkubation wird der Überstand abpipettiert und direkt ins Cavum uteri gegeben ▪ Indikation: Unbestrittene Indikationen: o Ejakulationsstörungen (anatomisch, neurogen, psychogen, vaskulär, …) o Zervikaler Sterilitätsfaktor (z.B. Konisation (operative Entfernung eines Teils der Cervix)) (gilt nicht für Clomiphen-induzierte Dysmukorrhoe!) Kontroverse Indikationen: o Männliche Subfertiliät (insb. bei starker Ausprägung → Menge fruchtbarer Spermien reicht nicht) o Immunologischer Sterilitätsfaktor o Unerklärte Sterilität ▪ Erfolgschancen: 8-14% ▪ NB: Meines Wissens werden 2 Inseminationen von der KK bezahlt. Erst danach kommen teurere Methoden (IVF etc.) zum Einsatz. Je nach Glaubensauslebung (bei denen IVF verboten ist) ist die Insemination meist die letzte Station. Funktioniert auch das nicht, müssen (wollen) sie es bleiben lassen. Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 11 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt - Habitueller Abort (= wiederholter Spontanabort): Habituelle Aborte können auch eine Ursache von unerfülltem Kinderwunsch darstellen. o Definition Habitueller Aborte: ▪ Entwerder ≥2 aufeinanderfolgende Aborte von klinischen Schwangerschaften ▪ Oder ≥3 aufeinanderfolgende Aborte klinischer und/oder biochemischer Schwangerschaften ▪ Biochemische Schwangerschaft: Schwangerschaft nur biochemisch mit positivem hCG-Test diagnostiziert ▪ Klinische Schwangerschaft: Schwangerschaft sonographisch und/oder histologisch verifiziert o Häufigkeit: Betrifft ca. 1% aller Kinderwunschpaare (NB: normale Abortrate ist 20%, d.h. jede 5. SS endet in einem Abort, auch bei optimalen Bedingungen.) o Risikofaktoren: ▪ Mütterliches Alter (Risiko eines Aborts steigt ab 35J. stark an (von 10% auf 30%, also x3)) ▪ Vorangegangene Aborte ▪ Familiäre Häufung o Gesicherte Ursachen: ▪ Fetale de-novo-Aneuploidien (50-70%; Meist Trisomien) Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter der Mutter ▪ Parenterale chromosomale Anomalien (5%; meist balancierte Translokationen) ▪ Antiphospholipid-Syndrom (autoimmune Erkrankung; sorgt für erhöhte Blutgerinnung) ▪ Toxine: Alkohol, Lösungsmittel, Schwermetalle ▪ Adipositas ▪ PCO-Syndrom (evtl. sekundär wegen Adipositas?) ▪ Uterurspathologien (Submuköse Myome die in Uterus ragen oder ein Uterus subseptus) o Therapie: schwierig, meist keine klare Ursache erkennbar ▪ Therapie der Grunderkrankung ▪ Gewichtsreduktion ▪ Verzicht auf Alkohol ▪ Je nach Ursache ggf. Präimplantationsdiagnostik (z.B. bei chromosomalen Aberrationen maternaler Genese) o Geburtschancen bei ungeklärter Abortursache: Die Chancen auf eine Geburt nach einem ungeklärten Abort sind abhängig vom mütterlichen Alter und der Anzahl vorangegangen Aborten. Generelle sieht es rel. gut aus und man kann das Paar beruhigen. ▪ Wahrscheinlichkeit eines Erfolges bei der nächsten Schwangerschaft: (Zahlen beziehen sich aber auf sonst vollständig fertile Frauen/Männer) Nach 2 Aborten mit 25 Jahren hat man noch eine Wahrscheinlichkeit von über 89% Nach 5 Aborten mit 45 Jahren hat man noch eine Wahrscheinlichkeit von 42% ▪ → Heisst: auch Paare mit habituellem Abort haben gute Chance auf ein eigenes Kind. Einfach weiterhin fleissig GV haben und positiv bleiben (sie sind ja sonst vollständig fertil)! Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 12 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt 1.1.3 Artifizielle Reproduktion (Leeners) - Assistierte Reproduktionstherapie (ART): o Recap. Superstimulation: Für die assistierte Sterilitätstherapie wird superstimuliert mittels externem FSH / LH um Multifollikuläre Follikelreifung zu induzieren (s. vorherige VL von Leeners) ▪ Gründe für Superstimulation (= multifollikuläre Follikelreifung): Oozyten haben eine Fertilisationsrate von 60% (im Spontanzyklus) o d.h. von 10 Oozyten lassen sich im Schnitt nur 6 befruchten (Vorkernstadien)! Befruchtete Oozyten (Zygoten) haben eine Implantationsrate von 16% (im Spontanzyklus) o d.h. von 6 befruchteten Eizellen entwickelt sich im Schnitt nur 1 weiter zu einem Kind! → Superstimulation (ca. 10 Oozyten) verbessert Schwangerschaftschance massiv! o Rechtliche Grundlage der Assistierten Reproduktionsmedizin: Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) ▪ IVF & ICSI mit Transfer/Implantation von befruchteten Eizellen schon länger erlaubt in CH ▪ Seit 01.09.2017 auch in der Schweiz erlaubt: Kryokonservierung von Embryonen (Implantation neu also auch mit Embryonen möglich) Präimplantationsdiagnostik (PID) ▪ Weiterhin verboten sind u.a. in der Schweiz: Eizellspende (vom Parlament verabschiedet, wird aktuell vorbereitet) Leihmutterschaft Klonen CRISPR o Arten von künstlicher Befruchtung: ▪ Intrauterine Insemination (IUI): siehe vorherige VL von Leeners ▪ In-vitro-Fertilisation (IVF): Basistherapie der assistierten Reproduktionsmedizin Indikation: o Primäre Indikation: Mechanische Faktoren (v.a. Tubenverschluss beidseits) o Sekundäre Indikationen: ▪ Unerklärte Sterilität ▪ Immunologische Sterilität ▪ Reduktion des Mehrlingsrisikos ▪ St.n. erfolglosen IUI ▪ Zeitdruck ▪ Multifollikuläre Reaktion bei ovarieller Stimulation Durchführung: o Hormonelle Follikelstimulation → Gewinnung der Oozyten (genauer: Oozyten-Cumulus-Komplex) mittels transvaginaler Follikelpunktion unter sonographischer Kontrolle → Zugabe aufbereiteter Spermien (s. vorherige VL) zu den gewonnenen Eizellen (Spermien müssen Oozyte selbst finden) o Inkubation der Zygoten → Intrauteriner Transfer von Embryonen im Achtzellstadium (Tag 2-5) ▪ Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Indikation: o Primäre Indikation: Männliche Subfertilität o Sekundäre Indikation: Unerklärte Nichtfertilisation bei IVF (wenn IVF nicht funktioniert, funktioniert aber auch ICSI in den allermeisten Fällen nicht) Durchführung: Analog zur IVF, jedoch werden die Spermien zu den gewonnen Eizellen nicht nur hinzugegeben, sondern ein Spermium wird mittels einer Punktionskanüle unter mikroskopischer Sicht direkt in eine Eizelle eingebracht. o Heisst: Vorbehandlung für beide Varianten gleich, der Unterschied liegt im Labor Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 13 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Präimplantationsdiagnostik (PID): siehe auch VL Rauch Indikation: o Primäre Indikation: Schwerste, nicht therapierbare Erbkrankheiten (mit Ausbruch vorm 50. LJ) o Sekundäre Indikation: ▪ Mütterliches Alter >37 (?) (ab diesem Alter sind viele Oozyten genetisch auffällig) ▪ Idiopathische habituelle Aborte (?) (PID führt nicht zu erhöhter SS-Rate, deshalb umstrittene Indikation) Durchführung: Entnahme von Zellen aus der Blastozyten am Tag 5 der Embryogenese und genetische Analyse (bevor man sie implantiert). ▪ Testikuläre Spermienextraktion (TESE): Indikation: Azoospermie (= keine Spermien im Ejakulat) Durchführung: Entnahme von Hodengewebe und auf das Vorhandensein von Spermien untersuchen. Werden Spermien gefunden, können sie im Rahmen einer ICSI-Behandlung zur Befruchtung der Eizelle verwendet werden. o Entwicklungsstadien der Zygote: ▪ Tag 1: Vorkernstadium ▪ Tag 2-5: Blastogenese (= Furchungsteilungen) ▪ Tag: 5: Blastozyte (mit Trophoblast, Embryoblast und Blastozytenhöhle) ▪ Am ende des 5. Tag: Hatching; Befreiung aus der umhüllenden Zona pellucida o Verschiedene Behandlungsprotokolle zur Kinderwunschbehandlung (unwichtig): ▪ Vorabklärungen der Sterilität (siehe vorherige VL von Leeners) ▪ 3 mögliche Protokolle: (vor der hormonellen Follikelstimulation macht man noch kurz eine hormonelle Kontrazeption, damit alle Follikel im gleichen Stadium = synchron sind) Kurzprotokoll: Vorbereitungsphase mittels Gestagen (Downregulation von LH- und FSH) zur Synchronisation der Follikeln (basically Einnahme der Anti-Baby-Pille) Langprotokoll: Vorbereitungsphase mittels kontinuierlichen Gabe von GnRH-Analoga (Downregulation von LH- und FSH) zur Synchronisation der Follikeln Antagonistenprotokoll: Vorbereitungsphase mittels Antagonist (Downregulation von LH- und FSH) zur Synchronisation der Follikeln o Vorteil Antagonistenprotokoll: Risiko für Überstimulationssyndrom deutlich niedriger ▪ Nach Vorbereitungsphase 9-13 tägige Stimulationsphase mittels Gonadotropinen (FSH mit ein bisschen LH) (s. hormonelle Stimulation in der vorherigen VL) ▪ Am 11.-13. Tag: hCG-Spritze zur Ovulationsinduktion ▪ 36h später: transvaginale Eizellentnahme aus Ovar (NB: nur reife Eizellen sind befruchtungsfähig) ▪ 2-5 Tage später: Embryotransfer (intrauterin passiert dann das Hatching; Embryo schlüpft aus Zona pellucida und implantiert sich am Endometrium) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 14 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Nebenwirkungen / Risiken einer IVF- oder ICSI-Behandlung: ▪ Nebenwirkungen: Reizbarkeit in Vorbereitungsphase (Downregulation LH/FSH→ weniger Sexualhormone→ Reizbar) Überstimulationssyndrom nach Behandlung ▪ Risiken: Fehlgeburtsrisiko leicht erhöht ICSI: Fehlbildungsrisiko ca. 0.8% erhöht Langzeitentwicklung: minimale – keine Unterschiede o Kosten einer künstlichen Befruchtung: ▪ Pro IVF/ICSI-Behandlungszyklus: Ca. CHF 5‘000.- bis 10‘000.- ▪ Zusatzkosten bei PID: Ca. CHF 2’000.- bis 5‘000.- ▪ IVF, ICSI und PID sind keine Pflichtleistungen der Krankenkasse! ▪ Seit 2019: Finanzielle Unterstützungen bei Medical freezing (wenn man z.B. eine Ovarektomie braucht im Rahmen einer Malignomtherapie, darf man seine Eizellen einfrieren oder auch bei POI) o Erfolgsrate von Kinderwunschbehandlungen: ▪ Insgesamt ca. 35-40% ▪ Auch hier gilt: je älter die Mutter, desto schlechter die Erfolgsraten (>40 jährig → 48) wünschenswert? Erhöhtes Risiko für eine Palette von Komplikationen für die Mutter: o ↑ Diabetes o ↑ Präeklampsie o ↑ Thrombosegefahr (Myocardinfarkt, Apoplex) o ↑ Sectiorate o ↑ Aufenthalt Intensivstation Erhöhtes Risiko für Komplikationen für das Kind: o ↑ Frühgeburtlichkeit o ↑ Geringes Geburtsgewicht Belastungsfähigkeit Eltern? Lebenserwartung Eltern? Grosseltern? - Leeners Wunsch: In der Schule nicht nur Sexualkunde und Verhütung, sondern auch Fertilitätsaufklärung und Familienplanung! Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 16 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt 1.2 Normale Schwangerschaft (Ochsenbein) - Demographische Veränderungen der Reproduktion in der Schweiz: o Über die Zeit kam es zu einigen Veränderungen der Geburtenrate: ▪ Nach dem 2. Weltkrieg gab’s nen’Babyboom (Geburtenzunahme) (1955-1969 = «Boomers» DE) ▪ In den 70er Jahren kam es mit der Einführung der Pille zum Pillenknick (Geburtenabnahme) ▪ Mittlerweile erholt sich die Geburtenzahl wieder langsam (Plateauphase) Die Kinderzahl pro Frau hat insgesamt aber abgenommen Das Bevölkerungswachstum in der CH ist somit v.a. auf Zuwanderung zurückzuführen ▪ Im Lockdown (2021) gab es einen Mini-Babyboom, im 2022 aber wieder ein Rückgang oDas Durchschnittsalter von Müttern/Väter nimmt tendenziell immer mehr zu ▪ Man verschiebt die Reproduktion in einen späteren Lebensabschnitt o Im Schnitt bekommen Ausländerinnen (1.8) in der CH mehr Kinder als Schweizerinnen (1.4) o Exkurs: Mit der bevorstehenden Pensionierung der Babyboom-Generation werden Herausforderungen mit der AHV-Finanzierung auftreten. Dies ist in Anbetracht der Pilz- bzw. Urnenförmigen Altersverteilung relativ logisch (wenige Junge müssen viele Alte tragen). - Schwangerschaft in der Schweiz – gesetzliche Regelungen o Krankenpflegeleistungsverordnung (KLV): ▪ Schwangerschaftskontrollen: Durch Arzt oder Hebamme (also nicht zwingend durch Arzt) 7 Kontrollen in der SS inkl. 2 US-Untersuchungen (11-13 SSW & 18-22 SSW) o 1. US (11-13 SSW): Nackentransparenz-Messung o 2. US (18-22 SSW): Organscreening NIPT (non invasive prenatal test) bei Risiko ≥ 1:1000; Karyotyp bei Risiko ≥ 1:380 Risiko-SS: Sämtliche Kontrollintervall im Ermessen des Arztes werden vergütet 1 Nachkontrolle nach Geburt (6 Wochen postpartum, pp) ▪ Abort: bis 12. SSW für jede Frau erlaubt, danach nur in seelischer Notlage der Frau o Mutterschutzverordnung: ▪ Arbeiten in der Schwangerschaft: Arbeiten bei physiologischer SS bis zum Ende der SS o Aber: Beschränkung der Arbeitszeit auf max. 9h o Aber: Ruhezeiten am Arbeitsplatz auf Verlangen müssen gewährt werden o Aber: Die Schwangere hat grundsätzlich kein Arbeitszwang, Lohnfortzahlung gibt’s aber nur, wenn die Absenz ärztlich begründet ist (AUF) Bei Schichtarbeit oder gefährlichen Tätigkeiten: Gleichwertiger Arbeitsersatz (Tagarbeit) o Die Schwangeren darf keine Arbeit verrichten, die für sie unzumutbar ist ▪ Beispiel: Eine Schwangere darf nicht in einem Fumoir arbeiten o Kann keine anderweitige Beschäftigung vom Arbeitgeber gefunden werden, spricht der Arzt ein Arbeitsverbot aus bei weiterhin 80% Lohnfortzahlung ▪ (CAVE: ≠ Arbeitsunfähigkeitszeugnis (AUF); Die Schwangere könnte die Arbeit ja theoretisch ausüben.) Kündigungsschutz eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses: Während der Schwangerschaft und bis 16 Wochen nach der Geburt Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 17 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Mutterschaftsurlaub: 98 Tage (14 Wochen) (Arbeitsverbot die ersten 8 Wochen) Lohnfortzahlung während diesen 98 Tagen: 80% des Lohns (bis max. 196 CHF/Tag) Vorraussetzung für Mutterschaftsurlaub: o SS muss mindestens 23 Wochen gedauert haben (= Abort vor der 23. SSW gibt kein Mutterschaftsurlaub) o Es muss ein bestehendes Arbeitsverhältnis vorliegen Grosser Durchbruch: Seit 2021 Anspruch auf Vaterschaftsurlaub (14 Taggelder) – Jupi! - Bestimmung des Schwangerschaftsalter: o Die SS dauert i.d.R. 40 Wo post menstruationem (p.m.) (bzw. 38 Wo post conceptionem (p.c.)). ▪ Aufteilung in 3 Teilabschnitte (aka Trimenon, Trimester) (ein Trimenon umfasst 12 Wo) o Begriffe: ▪ Embryo: Ungeborenes bis zur 12. SSW p.m. (also im 1. Trimenon) ▪ Fetus: Ungeborenes ab der 13. SSW p.m. bis zur Geburt ▪ Gravidität (G): Anzahl der SS ▪ Parität (P): Anzahl der Geburten (Zwillinge gelten als eine Geburt) o Schwangerschaft erkennen: ▪ Unsichere, unspezifische SS-Zeichen: Übelkeit und Erbrechen Schwindel, Benommenheit Nidationsblutung, Pollakisurie ▪ Unsichere, spezifische SS-Zeichen: Ausbleiben der Menstruation Erhöhte Basaltemperatur Vergrösserung des Uterus (Fundusstand) Hyperpigmentation der Areola mammae und der Linea fusca ▪ Sichere Schwangerschaftszeichen: Positiver SS-Test (hCG-Test) (ab ca. 6.-9. Tage nach Befruchtung (p.c.)) Embryo im US (ab 5.-6. SSW) Kindsbewegungen (ab 18.-20. SSW) o Schwangerschaftswochen (SSW) richtig zählen: ▪ Abgeschlossene SSW + abgeschlossene Tage (0–6) der laufenden SSW 1. SSW = 0+0 bis 0+6 (Vergleichbar mit den Lebensjahren. Ich bin zwar 21-jährig, aber im 22. Lebensjahr.) 2. SSW = 1+0 bis 1+6 23. SSW = 22+0 bis 22+6 ▪ Cave: Der Punkt machts! → Wircklich sehr dumm von wem auch immer der das eingeführt hat 23. SSW = 22+0 bis 22+6 23 SSW = 23+0 bis 23+6 o Berechnung des Geburtstermins bzw. des Gestationsalters: ▪ Amenorrhoe: Nägele-Regel: 1. Tag der letzten Periode + 9 Monate + 7 Tage ▪ Ultraschall: (US ist genauer als Nägele-Regel; falls Nägele-Regel und US einen anderen Geburtstermin ergeben, wird der US als Referenz genommen) Scheitel-Steiss-Länge (SSL) (benutzt man bis zur 12. SSW): o Misst Länge vom Scheitel bis zum Steiss («Grösste Embryolänge») o Vergleich mit Datenbank ermöglicht Bestimmung des Alters +/- 5 Tage Biparietalduchmesser (benutzt man bis zur 20. SSW): o Misst Querdurchmesser des Kindlichen Kopfes o Vergleich mit Datenbank ermöglicht Bestimmung des Alters +/- 7 Tage o Frühgeburt, Termingeburt, Übertragung: ▪ Frühgeburt: ≤ 36+6 SSW (ab 22+0 Lebensfähig) ▪ Termingeburt: 37+0 SSW bis 41+6 SSW (also 38. SSW bis 42. SSW) ▪ Übertragung: ≥ 42+0 SSW Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 18 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt - Gefahren einer Schwangerschaft & Geburt: o Mortalität: ▪ Mütterliche Sterblichkeit in CH (2014): 0.003% (also 3 pro 100’000 Geburten) ▪ Säuglingssterblichkeit (pro 1000 Lebendgeburten) in CH (2022): 4, also 0.4% ▪ Totgeburtenrate (pro 1000 Geburten) in CH (2022): 4, also 0.4% o Die häufigste Ursache mütterlicher Sterblichkeit in CH (absteigende Häufigkeit): ▪ Hämorrhagischer Schock ▪ Präeklampsie / HELLP ▪ Fruchtwasserembolie ▪ Thromboembolien ▪ Infektion, Sepsis ▪ Andere ▪ Anästhesiekomplikationen: 0% → Anästhesie ist das sicherste Fach der Medizin! o Gefahren einer Schwangerschaft & Geburt: ▪ Frühgeburt 7% ▪ Präeklampsie 3-4% ▪ Infekte >15% ▪ Fetale Wachstumsstörungen 15% ▪ Hämatologische Komplikationen 5% ▪ Fetale Fehlbildungen 3-5% ▪ Medizinische Grundkrankheiten von Müttern → können sich Verschlechtern in SS o Risikostratifizierung der Schwangerschaft: ▪ Auf Basis einer ausführlichen Untersuchung können Schwangerschaften in low bzw. high risk eingeteilt werden. Hierbei werden u.a. folgende Aspekte berücksichtigt: 1. Anamnese: Geburtshilflich, gynäkologisch, allgemein 2. Klinische Untersuchung 3. Laboruntersuchungen 4. Ultraschall ▪ Prinzipiell ist eine Schwangerschaft als «high risk» zu vermerken, sofern eine auffällige Anamnese resp. ungewöhnliche Untersuchungsbefunde vorliegen. Weiter spricht man von Risikoschwangerschaften, wenn die Mutter ≥35J. alt ist oder Mehrlinge im US entdeckt werden. Jede Risikoschwangerschaft muss eine individuelle Schwangerschaftsvorsorge erhalten! o Risiko-SS erhalten so viele SS-Kontrollen, wie es der Arzt für Ermessen findet - Schwangerschaftskontrollen & Ziele der Schwangerschaftsvorsorge: o Vorsorge: (Die wichtigen Konzepte werden in separaten Vorlesungen besprochen, hier nur ein Vorgeschmack) ▪ Verhindern oder frühzeitiges Erkennen und Abfedern von Komplikationen für Mutter & Kind. Dies beinhaltet: 1. Mehrlingsvorsorge 2. Infektvorsorge 3. Hämatologische Vorsorge 4. Frühgeburtsvorsorge 5. Metabolische Vorsorge 6. Präeklampsievorsorge 7. Fetale Fehlbildungsvorsorge & Versorgung 8. Soziale Vorsorge Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 19 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Mehrlingsvorsorge: Siehe eigene VL Wichtig ist an dieser Stelle wie man Mehrlinge im US beschreibt: o Man zählt die Anzahl Embryonen im 1. Trimester o Im Anschluss muss man beurteilen ob eine Trennung der Plazenta und/oder der Eihäute vorliegt ▪ Monochorial (= Embryos teilen Plazenta) vs. Dichorial (=Jeder Embryo hat eigene Plazenta) Monochorialität ist ein wichtiger Risikofaktor für Nabelschnur-Komplikationen ▪ Monaoamniot (= eine Eihaut) vs. Diamniot (= zwei Eihäute) o NB: am liebsten hat man dichorial-diamniot (am wenigsten Komplikationen) ▪ Infektvorsorge: siehe eigene VL (Infektionen in der SS) Anamnese: Hinweise auf Varizellen oder Herpes? Expositionsprophylaxe: Listerien (tierische Produkte), Toxoplasmose (Katzen), CMV (Kinder) Serologisches Screening: o Lues, HIV und Hepatitis B o Röteln (Screening nur fall keine 2 MMR-Impfungen vor der SS!) o Parvovirus B19 bei Verdacht, nicht routinemässig o Varizellen (Screening nur falls anamn. keine VZV-Infektion oder keine VZV-Impfung vor der SS!) Kulturelles Screening: Streptokokken der Gruppe B? PCR: Chlamydien immer, Gonokokken nur bei Risikopopulationen Mikroskopie: Bakterieller Vaginose? Empfohlene Impfungen: Covid 19, Grippe, Keuchhusten, VZV, MMR o Cave: Einige Impfungen müssen vor der SS erfolgen! (Lebendimpfstoffe) ▪ Hämatologische Vorsorge: Wichtig, Hämorrhagien sowie Embolien vermeiden! Blutuntersuchung: o Blutgruppe sowie Irreguläre Antikörper bestimmen (vgl. Rhesus Inkompatibilität) o Hämoglobin (2-3x in der SS) (Anämie?) & Ferritin (Eisenmangel?) o MCV (Hämoglobinopathien vorhanden?) Anamnese: Thrombose- sowie Blutungsanamnese (z.B. Anomalien des von Willebrand-Faktor) Ernährung: Eisen- und Folsäure Substitution Anti-D: Rhesus D Prophylaxe (falls Kind D+ und Mutter D-) (fetaler Rhesus-Faktor bestimmt man in der 18.-24. SSW) ▪ Frühgeburtsvorsorge: Schwanger werden vor 32 Jahren Single Embryo Transfer bei IVF (in vitro Fertilisation) Zervixring (Ring um Zervix, damit dieser nicht zu früh aufgeht) Lungenreifungsinduktion mit Betamethason intramuskulär bei Gefahr einer Frühgeburt Frühdiagnostik der bakterielle Vaginose (ggf. Verabreichung von Clindamycin) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 20 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪Metabolische Vorsorge: Guter BMI (2.5 mm → Risiko ≥ 380 → invasive Abklärung (CVS / AC) o Möglicher Hinweis für drohendes FFTS (fetofetales Transfusionssyndrom) bei Gemini 3. PAPP-A (zinktragendes Plazentaprotein im mütterlichen Blut, von Synzytiotrophoblasten produziert) o ≤ 0.5 MoM erhöhtes Risiko Trisomie 21 o ≤ 0.3 MoM erhöhtes Risiko Trisomie 13, 18 4. Freies β-HCG (im mütterliche Blut) o Erhöht bei Trisomie 21 o Erniedrigt bei Trisomie 18 ▪ Konsequenz des ETT: Bei erhöhtem Risiko ggf. weiterführende Diagnostik Risiko ≥ 1000 → NIPT Risiko ≥ 380 → Chorionbiopsie oder Fruchtwasserpunktion Risiko ≥ 10 → Zuweisung an fetomaternale Spezialisten ▪ Hinweise zum ETT: Die ETT wird bei einer SSL von 45-84mm (11+0 bis 13+6 SSW) durchgeführt Bei Zwillingen geschieht die Risikoberechnung für Trisomien ohne serologische Parameter (= ohne PAPP-A und hCG) o Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT): ▪ Bezahlt von der KK bei Aneuploidie-Risiko ≥ 1000 ▪ Prinzip: Nach Implantation treten Trophoblastzellen ins mütterliche Blut über (man schaut sich eigentlich einfach zellfreie DNA an, welche nicht der Mutter zugeordnet werden kann… ob dass nun wircklich fetale DNA ist, ist nicht sicher gegeben → darum gibt’s falsch positive Resultate) ▪ Falsch positive Tests bei: (→ Deshalb ist das NIPT nur ein Screening! Ein auffälliges Resultat muss immer verifiziert werden.) Vanishing twin (ein Zwilling mit chromosomaler Auffälligkeit stirbt ab. Analysiert man nun seine Zellen, ist der NIPT auffällig, obwohl der vitale Zwilling gesund wäre.) Plazentamosaik (Im NIPT betrachtet man nur fetale Plazenta-DNA. Die Plazenta entsteht aus den Zellen der äusseren Zellmasse (= zukünftiger Trophoblast). Entstehen nun Aneuploidien nicht direkt bei der ersten Zellteilung, sondern erst ab dem Stadium der Blastocyste, kann es sein, dass diese Aneuploidien isoliert auf die Zellen der äusseren Zellmasse beschränkt sind, die Zellen der inneren Zellmasse aber unauffällig sind. → Resultat: fetale Plazenta hat Aneuploidien, Fetus hat aber normale Anzahl Chromosomen) Maternale chromosomale Rearrangements Maternale Organtransplantation Maternale Malignome (Malignome haben ja immer auffällige DNA) ▪ Vorteile: Trisomie 13, 18 und 21 werden zu >99% erkannt (Der NIPT Plus schaut sich alle Chromosomen an, mit diesem können also alle Chromosomendefekte erkannt werden. NIPT Plus gibt’s aber nur für Selbstzahler.) Teilweise können auch andere genetische Störungen erkannt werden Es besteht kein Risiko, dass durch diesen Test ein Abort induziert wird (nicht-invasiv) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 31 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Nachteile: Auffällige Resultate müssen mittels invasiver Diagnostik (=AC) verifiziert werden o Warum AC und nicht CVS? → Weil der CVS ebenfalls Plazenta-Zellen betrachtet (wie auch der NIPT), man will nun aber wicklich nur fetale Zellen betrachten. → AC o (Ausnahme: Bei Vd.a. auf letale genetische Störung (z.B. Trisomie 7) macht man eine CVS, damit man nach der Bestätigung eine Curettage machen kann und nicht auf eine AC warten muss, bei der man danach die Geburt einleiten muss.) Begrenzte Aussage bei Anomalien der Geschlechtschromosomen, Gendefekten oder Syndromen o Chorionzottenbiopsie (CVS) und Amniozentese (AC): ▪ Bezahlt von der KK bei Aneuploidie-Risiko ≥ 380 oder auffälliges Resultat im NIPT ▪ Chorionbiopsie (Punktion in Plazenta): Gewinnung von Chorionzotten mittels transabdominaler Punktion/Aspiration. ▪ Amniozentese (Punktion in Fruchtblase): Gewinnung von Fruchtwasserzellen mittels transabdominaler Punktion/Aspiration. ▪ Was schaut sich der CVS / AC an? Aneuploidie-Test Mikroarray-Analyse Mutationsscreening, falls spezifischer Verdacht im US oder Familienanamnese ▪ Unterschiede zwischen CVS und AC: Vorteil der AC: Möglichkeit der Biochemische Analysen (Bestimmung des α-Fetoprotein mit Hinweis auf Spina bifida oder Bauchwanddefekt (falls AFP erhöht)) Nachteil der AC: Kann erst ab der 15. SSW erfolgen. Dadurch muss bei der Entscheidung eines SS-Abbruch dies über eine Geburtseinleitung geschehen. Vorteil der CVS: Kann bereits aber der 11. SSW erfolgen. Dadurch kann bei der Entscheidung eines SS-Abbruch dies immernoch mittels Curettage geschehen. Nachteil der CVS: Verminderte diagnostische Sicherheit wegen der Möglichkeit von Mosaik-Zellproben (vgl. NIPT – gleiches Problem wie bei NIPT) ▪ Vorteile CVS und AC: Zuverlässigste Methode (Aneuploidien werden zu 100% erkannt) ▪ Nachteile CVS und AC: Eingriffsrisiko inkl. Induktion eines Aborts (punktionsbedingter Abort) ▪ Einordnung von unklaren Varianten beim Mutationsscreening: Wird bei der invasiven Diagnostik (CVS / AC) ein Mutationsscreening gemacht, analysiert man auch noch das maternale und paternale Erbgut, so können milde Gendefekte (Mutationsscreening) besser eingeordnet werden (nicht jeder Gendefekt muss zur Erkrankung führen) → Eltern als Referenz mitsequenzieren (Das Erbgut der Mutter oder des Vaters kann ja auch auffällig sein, obwohl beide kerngesund sind. Aus diesem Grund wird meist auch noch das Blut von Vater und Mutter angeschaut, um genau diese Konstellation auszuschliessen.) ▪ Was muss nach einer CVS / AC gemacht werden? Gabe einer Rhesusprophylaxe bei Rhesus-neg. Müttern (ist ein invasiver Test → Fetale Zellen könnten in maternalen Kreislauf gelangen) Kontrolle der Herzaktion des Feten (geht’s dem Fetus noch gut?) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 32 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Ultraschalldiagnostik 2. Trimester (18.-22. SSW): Organscreening ▪ Vitalität? ▪ Plazenta: Lage, Morphologie? ▪ Fruchtwassermenge? (Nieren angelegt?) ▪ Fehlbildungen? (wenn man Fehlbildungen sieht → AC / CVS mit den Eltern besprechen!) ▪ Zervixlänge? (Risikofaktor für Frühgeburt!) ▪ Doppler der Aa. uterinae (falls Auffällig, besteht erhöhtes Risiko für SS-Vergiftung) - Konsequenzen aus den Resultaten der pränatalen Diagnostik: o 1. Möglichkeit eines SS-Abbruchs o 2. Entbindung am Zentrum, z.B. beim Herzfehler o 3. Intrauterine Therapie in ausgewählten Fällen, z.B. MMC, feto-fetalem Transfusions- Syndrom, Megavesica o 4. Wahl des richtigen Geburtsmodus, Vermeidung einer Sektio mit Verkürzung des Intervalls bis zur nächsten SS, z.B. bei Trisomie 18 o 5. Einfachere Geburt bei vorzeitiger Einleitung, z.B. bei schwerer Ventrikulomegalie - Rechtliche Voraussetzungen für pränatalen Diagnostik: o Bundesgesetz: Genetische Untersuchungen am Menschen ▪ Im Bundesgesetzt ist definiert, wann welche Form der Pränatalen-Diagnostik erlaubt ist. ▪ Wichtig: Es ist Pflicht werdende Eltern vorgängig über vorhandene Möglichkeiten aufzuklären! (auch US! Man darf nicht ohne Einwilligung einen US mit Suche nach Auffälligkeiten machen.) (wenn für die Eltern bspw. eine Abtreibung in keinem Fall in Frage kommt, macht man auch keine genetische Diagnostik, heisst kein US mit Suche nach Auffälligkeiten (Nackentransparenz etc.) und auch kein ETT) Deshalb vor jeder pränatalen Diagnostik: aufklären, beraten und dokumentieren! ▪Dies sollte von einem Facharzt mit entsprechender Zusatzausbildung erfolgen (Fähigkeitsausweis Schwangerschaftsultraschall). o Strafgesetz: Schwangerschaftsabbruch ▪ Wann ein strafloser Schwangerschaftsabbruch erfolgen kann ist im Strafgesetzbuch festgelegt. Im Zentrum steht hierbei das physische bzw. psychische Wohl der Mutter! ▪ Theoretisch kann eine SS in jedem Stadium noch abgebrochen werden, allerdings muss ab 12+0 eine besonders hohe Gefahr einer physischen bzw. psychischen Schädigung der Mutter bestehen (hier geht’s nur um die Mutter, das Kind ist juristisch egal) ! → ärztliche Gutachten ab 12+0 nötig! o Krankenpflegeleistungsverordnung: Kostenübernahme ▪ Ersttrimestertest (ETT): In jedem Fall Kassenpflichtig! ▪ NIPT: Kassenpflichtig falls Risiko ≥ 1:1000 für Trisomie 21, 18 oder 13 im ETT ▪ Invasive Abklärungen (CVS/AC): Kassenpflichtig falls: Risiko ≥ 1:380 für Trisomie 21, 18 oder 13 im ETT abnorme Resultate im NIPT (Mutter ≥35-jährig oder NT >2.5mm gibt direkt Risiko ≥ 1:380) Ultraschall-Befund, Familienanamnese (z.B. schwerer angeborener Herzfehler in der Familie), Frau ≥35-jährig, oder anderer Grund mit Risiko ≥ 1:380, dass beim Kind eine ausschliesslich genetisch bedingte Erkrankung vorliegt. Gefährdung des Feten durch Schwangerschaftskomplikation, Erkrankung der Mutter oder eine nicht genetisch bedingte Erkrankung oder Entwicklungsstörung des Feten. Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 33 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt - Fetus als Patient: o Fetale Therapien: ▪ Kriterien für eine fetale Therapie: 1. Isolierte Störung oder Fehlbildung 2. Normaler Karyotyp (???) 3. Ohne Therapie letal oder schwere Behinderung 4. Therapierisiko < spontanes Risiko - Take-Home: o Insbesondere für genetische Anomalien existieren kaum therapeutische Interventionsmöglichkeiten. Dies muss unbedingt vor der Durchführung einer pränatalen Genetischen-Diagnostik mit den Eltern besprochen werden! Wichtig ist es zudem über das Risiko eines Aborts im Rahmen einer invasiven DNA-Entnahme zu informieren. Letztendlich müssen sich die Eltern folgende Fragen stellen: ▪ Was will ich wissen? Was mache ich mit dem Resultat? Für einige Eltern kommt ein Abort ohnehin nie in Frage (Braucht in diesem Fall z.B. kein ETT!) Welche diagnostischen Risiken will ich eingehen? o Eine invasive DNA-Entnahme hat hohe Aussagekraft aber dafür existiert ein Abortrisiko o Auf Basis der obigen Fragen kann man mit Hilfe von folgendem Schema eine Empfehlung aussprechen: ▪ Für die Eltern kommt ein SS-Abbruch so oder so nicht in Frage: keinen Test! ▪ Eltern möchten häufige Anomalien entdecken, haben aber hohe Angst vor diagnostischen Risiken: ETT, evtl. NIPT (cave: Selbstzahlung falls Risiko 4'700 Krankheitsgene ▪ Klare pathogene Mutationen o Was pränatal noch nicht erkannt wird: ▪ >4'700 Krankheitsgene ▪ Unklare oder unerkannte Mutationen ▪ 15'000 Gene unklarer Bedeutung ▪ Wenn pathologisch i.d.R. vom Facharzt für Medizinische Genetik gemacht → Nicht direktive Aufklärung über zu erwartendes Krankheitsbild → Bei Fortsetzung der Schwangerschaft Empfehlungen für das Krankheitsmanagement → Bei Wunsch nach Interruptio Gutachten zur Schwangerschaftserstehungsfähigkeit → Wiederholungsrisiko - Beispiel von Rauch, warum das Erkennen und Einordnen von Mutationen nicht so einfach ist: Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 39 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt 1.5 Mehrlingsschwangerschaft (Ochsenbein) - Mehrlingsschwangerschaften: o Mehrlinge – Häufigkeit nach Lebendgeburten ▪ Hellin‘sche „Regel“ (durch Spontankonzeption) (stimmt aber überhaupt nicht, vgl. Realität in der CH): Zwillinge 1:89 = 1.1% Realität in der CH: ca. 2% aller Geburten Drillinge 1:892 = 0.013% Realität in der CH: ca. 0.3% aller Geburten Vierlinge 1:89 = 0.00014% 3 ▪ Realität in der CH: Zwillinge: ca. 2% aller Geburten Drillinge & Vierlinge: ca. 0.3% aller Geburten ▪ Ursachen für die Zunahme von Mehrlingsschwangerschaften: (ART=assistierte Reproduktionstherapie) Bei Zwillingen: Zunehmendes Alter der Mutter & ART (50% : 50%) Bei Drillingen: > ¾ aller Schwangerschaften bedingt durch ART ▪ Epidemiologie von Zwillingen nach Ethnie: Dizygote Zwillinge: In verschiedenen ethnischen Gruppen unterschiedlich häufig (0.1% der Geburten in Japan, 5% der Geburten in Nigeria) Monozygote Zwillinge: Bei allen ethnischen Gruppen gleich häufig, 3-5/1000 Geburten ▪ Amboss: Mehrlingsschwangerschaften birgen ein deutlich erhöhtes Abortrisiko, sodass die Häufigkeit von Mehrlingsschwangerschaften deutlich höher ist als die Anzahl an Mehrlingsgeburten. o Diagnose von Mehrlingen: Mittels Ultraschall im 1. Trimester! Was sollte alles im 1. Trimester-Ultraschall bestimmt werden: ▪ 1. Festlegung der Anzahl der Feten ▪ 2. Korrekte Datierung der Schwangerschaft Scheitel-Steiss-Länge (SSL) 45-84mm (11+0 bis 13+6 SSW) Bei spontan konzipierten Zwillingen: Grössere Zwilling (SSL) ausschlaggebend für die Berechnung des Geburtstermin ▪ 3. Chorionizität/Amnionizität bestimmen o Begriffe: ▪ Dizygote Zwillinge = zwei Zygoten = Zweieiig Zwillinge ▪ Monozygote Zwillinge = eine Zygote mit Teilung = Eineiige Zwillinge ▪ Dichorial = zwei Plazenten ▪ Diamnot = zwei Eihäute ▪ Monochorial = eine Plazenta ▪ Monoamniot = eine Eihaut o Durchschnittliche Schwangerschaftsdauer bei Mehrlingen: ▪ Zwillinge: 36 SSW (→ Zwillinge kommen im Schnitt 4 Wochen früher) ▪ Drillinge: 32 SSW ▪ Vierlinge: 30 SSW ▪ Fazit: Mehrlinge = Frühgeburten!!! o Möglichkeiten der Plazenta- und Eihautverhältnisse von Zwillingen: ▪ Dizygote Zwillinge (70%): immer dichorial-diamniot ▪ Monozygote Zwillinge (30%): dichorial-diamniot (30%), monochorial-diamniot (65%), monochorial-monoamniot (4%), siamesisch (1%) je nach Zeitpunkt der Teilung ▪ Anmerkung: Im US kann man nur die Choriozität und Amniozität bestimmen, nicht ob sie Dizygot oder Monozygot sind… Heisst: bei dichorial-diamniot ist es unklar, ob es eineiige oder zweieiige Zwillinge sind (ausser natürlich bei verschiedenen Geschlechtern… dann ist es logisch zweieiig) Bei allem anderen ist es klar: monochorial-diamniot, monochorial-monoamniot und siamesisch müssen eineiige Zwillinge sein o Zeitpunkt für die Bestimmung der Chorionizität (gleiches gilt auch für die Amnionizität): ▪ Bis 12 SSW mit Ultraschall sehr leicht ▪ Später u.U. ausserordentlich schwierig… Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 40 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Eihaut- und Plazentaverhältnisse Monozygoter Zwillinge und deren Entstehung: nicht-prüfungsrelevantes Zusatzwissen – ich finde Embryogenese spannend und faszinierend :) (Dizygote Zwillinge sind immer dichorial-diamniot und damit einfach. Wir schauen uns jetzt Monozygote Zwillinge an – hier kann das Verhältnis von Eihäuten und Plazenta verschieden sein.) ▪ Bei Trennung der Zellen im Stadium der Blastomeren/Morula entwickeln sich eineiige Zwillinge, die je eine getrennte Plazenta (dichorial) und getrennte Amnionhöhle (diamniot) aufweisen. → Trennung an Tag 1-3 = dichorial-diamniot Da die Trennung während der Blastogenese passiert und so alle Zellen noch pluripotent sind, entstehen aus beiden Embryonen noch eine eigene äussere und innere Zellmasse. ▪ Bei Trennung des Embryoblasten (Stadium der Blastozyste, vor Ausbildung der Amnionhöhle) teilen sich die eineiigen Zwillinge eine Plazenta (monochorial), weisen jedoch getrennte Amnionhöhlen (diamniot) auf. → Trennung an Tag 4-6 = monochorial-diamniot Da die Trennung nach der Blastogenese passiert, sind die Zellen der inneren Zellmasse nur noch multipotent und somit nicht mehr in der Lage, eine eigne äussere Zellmasse zu bilden. → die beiden inneren Zellmassen teilen sich bei Trennung die gleiche äussere Zellmasse. (NB: Sie haben zwar zwei verschiedene Amnionhöhlen, die Chorionhöhle haben sie trotzdem die gleiche. Die Chorionhöhle geht nämlich aus der äusseren Zellmasse resp. Trophoblasten hervor.) ▪ Bei Trennung des Epiblasten (Stadium der zweiblättrigen Keimscheibe, nach Ausbildung der Amnionhöhle) teilen sich die eineiigen Zwillinge eine Plazenta (monochorial) sowie eine Amnionhöhle (monoamniot). → Trennung an Tag 8-13 = monochorial-monoamniot Da sich in diesem Stadium die innere Zellmasse bereits in Hypoblast und Epiblast differenziert hat, teilen sich die beiden Epiblasten bei Trennung denselben Hypoblast und damit auch die gleiche Amnionhöhle (und logischerweise auch die gleiche Plazenta). ▪ Siamesische Zwillinge entwickeln sich bei einer (unvollständigen) Trennung zu einem sehr späten Zeitpunkt (ca. ab 14. Entwicklungstag). Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 41 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Probleme bei Mehrlingsschwangerschaften: ▪ Erhöhte Abortrate (12-23 SSW) (je mehr Mehrlinge desto höhere Abortrate) ▪ Erhöhte Frühgeburtsrate (24-32 SSW) (je mehr Mehrlinge desto höhere Frühgeburtsrate) ▪ Erhöhte Perinatale Mortalität (!) (je mehr Mehrlinge desto höhere perinatale Mortalität) ▪ Erhöhte 1-J. Mortalität (je mehr Mehrlinge desto höhere 1-J. Mortalität) ▪ Erhöhte Zerebralparese-Rate (je mehr Mehrlinge desto höhere Zerebralparese-Rate) ▪ Je höhergradiger eine Schwangerschaft, desto grösser die Probleme! o Komplikationen von Mehrlingen: ▪ Alle Mehrlinge: Hyperemesis (mehr Feten = mehr β-hCG = mehr Emesis) Wachstumsretardierung (konkordant – diskordant) Singulärer Fruchttod (= einer der Mehrlinge verstirbt, der andere überlebt) Frühgeburtlichkeit Präeklampsie Schwangerschafts-Cholestase (grosser Uterus drückt auf Leber) o erhöhte Gallensäuren im Blut sind gefährlich für die Feten! Darum therapieren (Ursodeoxycholsäure). dichorial-diamniot: 2% Mortalität beider Zwillinge 80% überlebt wenigstens einer der Zwillinge, in >50% überleben beide) ▪ Twin anemia polycythemia sequence (TAPS): Epidemiologie: 3-5% bei monochorial-diamnioten Zwillingen Definition: Verschiebung von Blutvolumen vom einen Zwilling zum anderen über dünne Anastomosen (Durchmesser 1.5 MoM bei Zwilling 1 (anämisch → tiefe Viskosität des Blut → schneller Fluss) und MCA-PV < 1 MoM bei Zwilling 2 (polycythämisch → hohe Viskosität des Blut → langsammer Fluss) Therapie: keine Evidenz, daher individuelles Management o Lungenreifungsinduktion und dann Entbindung o Laserkoagulation der plazentaren Gefässverbindungen o Nabelschnurtransfusion von Erys beim Donor und von Flüssigkeit beim Empfänger ▪ Twin reversed arterial perfusion (TRAP)-Sequenz (= Acardius Acranius): Epidemiologie: 1% aller monochorialen Zwillingen Definition: inkomplette Fetus-Anlage („parasitärer Zwillings“) (Akzeptor) wird von gesundem Fetus via Gefässanastomose mit Blut versorgt (schwerste Art eines feto-fetalen Transfusionssyndrom, nur halt, das der Akzeptor kein ganzer Fetus ist sondern nur eine tumoröse Gewebeanlage ist) und wächst dadurch (eigentlich ein Tumor). Dies führt zur Herzbelastung des gesunden Fetus mit Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Kausale Therapie: Nabelschnurkoagulation des parasitären Zwillings o Besonderheiten und Gefahren monochorial-monoamnioter Zwillinge: ▪ Nabelschnurverdrillung in >80% d.F.! → Vorzeitige Entbindung (>33. SSW) zur Reduktion der Mortalität o Management bei Mehrlingen: (Mehrlinge = Risikoschwangerschaft =so viele SS-Kontrollen wie für Ermessen erachtet) ▪ Das gehört immer in jede Schwangerschaftskontrolle: Vitalparameter: Blutdruck, Puls Urinkontrolle Gewicht (Ödeme?) Ultraschall mit Wachstumskontrolle der Feten o Unkomplizierte dichoriale Zwillinge: US alle 3-4 Wochen ▪ Gewichtsdiskrepanz ≥ 25%? → Zuweisung an ein Zentrum! o Unkomplizierte mo-di Zwillinge: Ab 16 SSW alle 2 Wochen US! ▪ Cave: Feto-fetales Transfusions-Syndrom (FFTS) ▪ Cave: Twin anemia polycythemia sequence (TAPS) ▪ Cave: Fetal growth retardation (FGR) Frage nach Allgemeinbefinden/ Schwangerschaftsbeschwerden Gute Instruktion zu Symptomen der Frühgeburtlichkeit/Präeklampsie Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 43 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪ Erkennen von Frühgeburtsbestrebungen! ab 24. SSW: Klinische Kontrollen alle 2-3 Wochen, Portiobefund/Zervixmessung o Cut-off der Zervixlänge: < 25 mm im 2. Trimester ab 28. SSW: Schonung, Arbeitsunfähigkeit ausstellen Bei vorzeitigen Wehen: Bettruhe, evtl. Tokolyse o Aber: Keine prophylaktische Hospitalisierung! Keine Zerklage! (Unwirksam bei Mehrlingen) Bei drohender Frühgeburt: Lungenreifungsinduktion (LRI) & Magnesiumneuroprotektion (für die Feten!) - Noch’en paar US-Bilder: - Wann ist eine spontane Geminigeburt möglich (USZ)? (bei Mehrlingen (≥3) immer Sektio) o Beide Feten in SL oder erster Fet in SL, zweiter Fet in BEL Lage o Am USZ >34 SSW (international >32 SSW) o Bei unterschiedlichem Gewicht ist der führende der schwerere Fet (der erste soll also schwerer sein, damit er den Geburtskanal besser bahnt) o Keine Gewichtsdiskrepanz >500g o Keine Uterusoperationen (= kein St.n. Sektio) o Kein Uterus myomatosus o Physiologisches Becken (= kein kleines Becken) o (Walking)-PDA (Beckenboden muss nach der Geburt des ersten entspannt bleiben für die Geburt des zweiten) o Detaillierte Beratung und Aufklärung, Motivierte Patientin (Verständigung möglich) Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 44 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt 1.6 Gestörte Spätschwangerschaft 1.6.1 Infektionen in der Schwangerschaft (Ochsenbein) - Immunsystem der Schwangeren und des Neugeborenen: o Anpassungen des mütterlichen Immunsystems: ▪ Immunologische Phasen: 1. Immunaktivierung und Inflammation zur Unterstützung der Zelldifferenzierung 2. Immuntoleranz und Antiinflammation zur Unterstützung der fetalen Entwicklung 3. Phase der Inflammation Unterstützung der Geburtseinleitung ▪ Komplexes Zusammenspiel aus fetalen Trophoblastzellen, maternalen Immunzellen und dezidualen Stromazellen o Entwicklung der kindlichen Immunabwehr: ▪ Leihimmunität durch aktiven materno-fetalen IgG-Transport (nicht für IgM, IgA, IgE) ▪ Fetale IgM ab 10 SSW, IgG ab 16 SSW, IgA ab 30 SSW ▪ T- Zell- Aktivität ab ca. 20 SSW, bis zur Geburt auf Toleranz getrimmt ▪ CAVE! Immuntoleranz bei frühem Infekt ▪ Neugeborene haben eine Transiente Immundefizienz, wenn sie keine Antikörper durch die Muttermilch erhalten! (Ak aus der Plazenta sind weg und können selbst noch keine Ak bilden → sind auf Ak aus Muttermilch angewiesen!) - Infekte in der Schwangerschaft: o Infektionen und Übertragungswege – Überblick o Mögliche Auswirkungen: ▪ 1. Infekte, die das Kind betreffen ▪ 2. Infekte assoziiert mit vorzeitigen Wehen ▪ 3. Infekte, die vorwiegend die Mutter betreffen o Ansteckungswege: ▪ Hämatogen ▪ Aufsteigend (Amnioninfektsyndrom = AIS = Triple I) ▪ Im Geburtskanal Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 45 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Recap.: Vertikale Infektionen (aus TB Infektiologie, 6. Semester) ▪ Syphilis: Therapie für Schwangere (Penicillin!) ▪ Toxoplasmose: Primärprävention ▪ Others: Varizellen: Impfung vor SS! Weitere: Parvovirus, Zika ▪ Rubeolen: Impfung vor SS! ▪ Cytomegalie: Expositionsprophylaxe, Therapie des Neugeborenen ▪ Hepatitis, HIV, Herpes, HPV Werden v.a. vaginal übertragen, also perinatal HIV: Antivirale Therapie Mutter HBV: Postexpositionsprophylaxe Kind o Hämatogene Infekte (intrauterin): ▪ Syphilis (= Lues): Epidemiologie: o In CH selten, meist Seronarbe o Epidemisch in Afrika, Südamerika und ehem. Ostblockländer Fetale Auswirkungen: o Spätabort, Totgeburt, (Frühgeburt; 2. SS- Hälfte) o Lues connata präcox: Exanthem, blutiger Schnupfen, Organmanifestation (Hepatomegalie; Osteochondritis) o Lues connata tarda: Hutchinson-Trias mit Keratitis, Innenohrschwerhörigkeit, tonnenförmige Schneidezähne; evtl. Sattelnase Therapie: o Procain-Penicillin über 14 d o Ceftriaxon über 14d o Erythromycin über 21d Screening − Generell! o THPA (Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Assay), VDRL (Venereal Disease Research Laboratory) o Falls positiver THPA → FTA (Treponema-pallidum-Antikörper-Fluoreszenztest) ▪ Toxoplasmose: Epidemiologie: o 35% der Frauen zw. 20-40 Jahren sind immun − 65% sind infektgefährdet o 4 schwere kongenitale Fälle/ Jahr in CH Übertragung: o 15% in Früh-SS → schwere Schäden o 70% in Spät-SS → geringere Schäden Fetale Auswirkungen: o Spätabort, Totgeburt o Chorioretinitis o Hydrocephalus, Mikrocephalie, Hirnverkalkung o Selten Hepatosplenomegalie Screening − Generelles Screening 2009 in der CH abgeschafft o Toxo IgM/IgG/IgA nur noch bei Verdacht o Nachweis der fetalen Infektion: PCR im Fruchtwasser Therapie: Sofort bei Verdacht beginnen mit Clindamycin + Daraprim Probleme: o Infektionsgefahr ist klein und schwere Toxoplasmose ist selten o Diagnostik kommt bei Screening meist zu spät (darum wurde Screening abgeschafft) o D.h. Therapie hat meist keinen grossen Nutzen mehr – Schaden ist gesetzt Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 46 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt Primärprophylaxe ist zentral! o Kein rohes Fleisch essen o Hygienisches Verhalten in der Küche bei der Verarbeitung von Fleisch o Gemüse gut waschen o Katzenkiste mit Handschuhen reinigen (oder den Partner machen lassen) ▪ Parvovirus B19 (Ringelröteln): Epidemiologie: o Typisch epidemieartiges Auftreten gefolgt von freien Jahren (häufig 2-Jahres Zyklus) Übertragung: o Intrauterines Übertragungsrisiko ca. 10% o Risiko höher im 1. und 2. Trimenon Fetale Auswirkungen: o Aplastische Anämie o Hydrops o Fruchttod, z.T. erst 2 Monate nach mütterlicher Infektion! Therapie: o Keine spezifische (antivirale) Therapie vorhanden o Symptomatisch 1-2x Nabelschnurtransfusion zur Behandlung der fetalen Anämie Screening − Gezielt bei Exposition o Fetaler US-Kontrollen bei nachgewiesener Serokonversion ▪ Varizellen: Epidemiologie: o CH: Fast alle immun, 96% haben AK o Asien (Tamilen!): Geringere Immunität! Übertragung: o Übertragungsrisiko ca. 1% im 1. und frühes 2. Trimenon o Peripartal (Mortalität 8% bei neonatalen Varizellen) Fetale Auswirkungen: Varizellenembryo/-fetopathie (gürtelrosenartig mit Befall, auch der inneren Organe) Neonatale Auswirkung: Sepsis Screening: o Impfung vor der SS! Kontrolle des Impfbüchleins o Serologie gezielt bei Exposition und ungewissem Immunstatus o Fruchtwasser PCR bei sonographischem Verdacht Therapie: o Bei Exposition: Gabe von Varizellen-IgG (Varitect) o Antiviral: Aciclovir für 5-10 Tage o Sektio? SS-Abbruch? ▪ Rubella (Röteln): Epidemiologie: o CH: fast inexistent, da >95% durchgeimpft o Cave: Impfverweigerer in 20-30 Jahren Übertragung: Höchstes Risiko im 1. Trimenon Fetale Auswirkungen: o Rubeolenembryopathie (Herz, Auge, Ohr, Hirn, Mikrozephalie, Retardierung) o Rubeolenfetopathie: Isolierte Innenohrschwerhörigkeit Therapie: o Keine antivirale Therapie vorhanden o Bei Exposition: Rubeolenausgangstiter gefolgt von Rubeolenimmunglobulin i.v. o SS-Abbruch? Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 47 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt Screening: o Generell und postpartale Impfung aller Seronegativer o Fruchtwasser-PCR bei sonographischem Verdacht ▪ Cytomegalievirus (CMV): Epidemiologie: o CH: 5-10% “immun” o Übertragung: Körperkontakt, Speichel Übertragung: o Höchstes Risiko im 1. und 2. Trimenon (-40% bei Erstinfekt) o Geringeres Risiko im 3. Trimenon und peripartal o Stillen o Risiko bei Re-Infekt ca. 2%, aber ähnlich schlimm Fetale Auswirkungen: o Fruchttod o Retardierung, Hepatomegalie o Mikro-Hydrozephalie o Chorioretinitis, Sprach- & Hörstörungen Therapie: o Antivirale Therapie Valacyclovir (Ersttrimester-Infekt) o Bei Exposition: Immunglobulin o SS-Abbruch? Screening: o Nach Aufklärung der Schwangeren o Diagnostisch: PCR im Fruchtwasser, frühestens 6-8 Wochen nach maternalem Infekt (ab 21 SSW wg fetaler Urinproduktion) Outcome: o 90% der kongenital infizierten Kinder sind asymptomatisch bei Geburt ▪ 10% davon entwickeln neurologische Defizite & Taubheit (also 10% der initial asymptomatischen Kinder werden im Verlauf noch symptomatisch) o 10% symptomatische Kinder: Mild-schwere Symptome (Taubheit, mentale Retardierung, Zerbrallähmungen, etc.) Primärprävention! Kleine Kinder meiden (resp. deren Speichel)! o Heisst: Kinder nicht küssen, deren Löffel nicht abschlecken, gute Händehygiene, … ▪ Listerien – Listeria monocytogenes Epidemiologie: In der CH selten Übertragung: 12-fach höheres Risiko in der Schwangerschaft Fetale Auswirkungen: o Kurzer febriler Infekt der Mutter o Ca. 1-2 Wochen später febriler Abort/Spätabort/IUFT o In Terminnähe neonatale early onset Sepsis Primärprävention ist zentral! o Keine rohen tierischen Produkte (rohe Eier, Rohmilch, Weichkäse aus roher Milch…) ▪ Pertussis (Keuchhusten): Prävention: Impfung in der SS vor der 25. SSW! Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 48 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt o Infektionen im Geburtskanal (perinatal): ▪ HSV I und II: Epidemiologie: CH: Prävalenz 20-30% seropositiv (Rezidivrisiko) Übertragung: (nur wenn die Frau Bläschen = Läsionen hat) o sehr selten Herpes-Embryopathie o peripartal bei frischen Läsionen, cave: Erstinfekt Neonatale Auswirkungen: Neonatale Sepsis Screening, Diagnostik − Kein Screening o Viruskultur aus Bläscheninhalt (Kultur, PCR) Therapie: Sectio, falls frische Läsionen bei Geburt (falls keine Läsionen, dann Spontangeburt mgl) Prophylaxe (ab 36 SSW bis Geburt): Aciclovir oder Valaciclovir ▪ HIV: Epidemiologie: o Ca. 0.5‰ der Schwangeren HIV-infiziert o d.h. jährlich ca. 50 Geburten von HIV-infizierten Müttern o Mutter-Kind-Übertragungen 2017: 4 Fälle Übertragung in der Schwangerschaft: o Vertikal sub partu und mit Stillen in Abhängigkeit des viral loads o Ca. 25-30% ohne Therapie! Transmissionsreduktion: o Antivirale Therapie (ART) von Mutter (3er/2er Kombination): Möglichst bereits vor SS; Ziel: Vollständig supprimierte Viruslast (< 50 HIV-RNA Kopien/ml Blut) spätestens Wochen vor Geburt o Ggf. antivirale Therapie des Kindes o Bei negativer Viruslast ist Spontangeburt und Stillen möglich Screening: Bei allen Schwangeren ▪ Hepatitis B (HBV): Übertragung auf das Kind: 99% peripartal, 1% intrauterin Neonatale Auswirkung: Leberzirrhose und Leberzell-Karzinom sind häufiger Screening: Generelles Screening der Mutter auf HbsAg Therapie: Postexpositionsprophylaxe des Neugeborenen (aktiv und passive Impfung) falls Mutter HbsAg-positiv ▪ Hepatitis C (HCV): Epidemiologie: CH: Prävalenz 0.3% Übertragung: vertikal ca. 10-20%, bei HIV Positiven höher; peripartal? Fetale Auswirkungen: o keine Fehlbildungen o Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht oder Hepatitis Neonatale Auswirkungen: Leberzirrhose u. Leberzell-Karzinom vor 25 Jahren: 3-5% Transmissionsreduktion: o Eine wirksame Transmissionsverhinderung ist nicht bekannt. o Bei tiefer Viruslast ist Spontangeburt und Stillen möglich Therapie: Keine antivirale HCV-Therapie in der Schwangerschaft Screening: Gezieltes Screening von Risikogruppen Herbst 2023 4SJ-Med-UZH 49 Nils ZSF TB Schwangerschaft und Geburt ▪Humane Papillomaviren (HPV): Epidemiologie: CH: