Qualitative Methoden - 2. Vorlesung PDF
Document Details
Uploaded by BetterKnownPrairieDog535
Universität Wien
Tags
Related
Summary
This document covers qualitative research methods, focusing on participant observation and ethnography. It details the characteristics and processes of field research, including accessing and defining a research field.
Full Transcript
# Qualitative Methoden ## 2. Vorlesung ### Teilnehmende Beobachtung & Ethnografie - Qualitative Forschung = Feldforschung - Im natürlichen sozialen Kontext = Forschungsfeld - Forschungsfeld #klar abgegrenzter Ort - Ufasst soziale Prozesse, Beziehungskontexte - Kann durch I...
# Qualitative Methoden ## 2. Vorlesung ### Teilnehmende Beobachtung & Ethnografie - Qualitative Forschung = Feldforschung - Im natürlichen sozialen Kontext = Forschungsfeld - Forschungsfeld #klar abgegrenzter Ort - Ufasst soziale Prozesse, Beziehungskontexte - Kann durch Institutionen, Netzwerke / Soziale Interaktionen definiert sein - Voraussetzungen der Felderschließung - Feld verstehen & abstecken - Reflexion über Bedingungen / Dynamiken des Forschungsfelds - Erste Beobachtungen: Relevantes identifizieren, geeignete Forschungsmethoden wählen - Was war gehört zum Feld? - Bestimmung des Forschungsfelds - Anpassung / Erweiterung während Forschung - Felddefinition durch individuelle Personen, institutionelle Kontexte & soziale Gruppen - Theoretisch fundierte & flexible Bestimmung der Grenzen - Dynamische Felder: Forschungsgrenzen verschwimmen sich kontinuierlich - Zugang zum Feld - Indirekter Zugang - Durch Institutionen, Schlüsselpersonen, Bekanntmachungen - Direkter Zugang - Persönliche Kontakte, wiederholte Präsenz im Feld - Offene Forschung - Forschende geben sich zu erkennen & erläutern ihre Ziele - Verdeckte Forschung - Bei sensiblen Themen sinnvoll, nicht als Forschender auftreten - Ethikfragen, Gedächtnisprotokolle statt schriftliche Dokumentation ## Rolle der Forschenden im Feld - Teilnehmende Beobachtung - Forschende #neutrale Beobachter - Einflussnahme aufs Feld durch ihre Präsenz - Balance zwischen Nähe & Distanz - Nähe baut Vertrauen auf, hilft soziale Dynamiken zu verstehen - Distanz ist nötig, um analytische Reflexion zu gewährleisten - Selbstreflexion - Eigene Position im Feld beobachten & protokollieren - Wechsel: intensive Teilnahme - analytische Distanz - Forscher können als neutrale Beobachter / als Teil der Gruppe wahrgenommen werden - Persönliche Grenzen - Emotionales & sozialer Abstand - Professionelle Ergebnisse - Übermäßige Nähe - Verzerrung des Verhältnisses ## Beobachtung - Grundlegende Technik & Methode qualitative Forschung - Bestandteil der Feldforschung - Im Rahmen Feldzugang / Feldkontakte - Im Rahmen Anwendung anderer Methoden (z.B. während Interview) - Als eigenständige Methode - Im Rahmen systematischer Selbstbeobachtung ## Beobachten als alltägliche & wissenschaftliche Methode - Alltägliches Beobachten - Bestandteil alltäglicher Handlungsvollzüge - Methode des alltäglichen Erkennens - Voraussetzung basaler alltäglicher Orientierungsleistungen ## Wissenschaftliche Praxis des Beobachtens - Beobachter\*in hat andere wissenschaftliche / forschende Rolle - Eigene Deutungen zurückstellen - Eigene Deutungen reflektieren & systematisch im Erkenntnisprozess nutzen - Eigenes Beobachten beobachten - Dokumentieren - Intersubjektive Nachvollziehbarkeit - Dimensionen von Beobachtung - Strukturiert - unstrukturiert (alltäglich) - Offen - verdeckt (ethische Implikationen) - Vermittelt - unvermittelt (mit / ohne Aufzeichnung) - Labor - Feld - Fremd - Selbstbeobachtung - nicht teilnehmend - Teilnehmende Beobachtung - Beobachter*in #Teil der Situation - Passiv: andere nehmen Beobachter*in wahr - Aktiv: andere stehen mit Beobachter*in in Interaktion - Versch. Grade der Hingabe (= Kontinuum) - Verhältnis muss für jede Forschung neu bestimmt werden - Dynamik von Inklusion & Exklusion - Balance von Nähe & Distanz ## Ethnografie - Methode zur Erforschung sozialer Lebenswelten & soziokulturellen Leben in natürlicher Umgebung - Methodenschluales Vorgehen - Zentral: Feldforschung & teilnehmende Beobachtung - Lang andauernde Vor-Ort-Forschung, leibliche Anwesenheit im Feld - Kopräsenz: Teilhabe an Prozessen der handelnden Bedeutungskonstruktion - Heuristik der Befremdung (künstlich fremd machen) - Deutungen vermeiden & Erkenntnismöglichkeiten offen halten ## Potentiale & Herausforderungen der Ethnografie für die Psychologie ### Potentiale: - Forschungsprozess in realer Lebenswelt - Real beobachtbare Handlungsweisen können rekonstruiert werden - Interesse an Bedeutung- und Handlungsstrukturen des Feldes/ - Sinnzuschreibungen Lebenspraxisformen der Akteure - Gegenstandsangemessenheit der Theoriebildung durch Fremdheitspostulat & prozessuale Entfaltung des Forschungsprozesses - Rejustierung der Forschung auf konkrete Alltagswelten - Fokus auf Einbettung Individuum in sozialen Kontexten - Chance, an Gegenwartsdiagnosen der Sozialwissenschaften anzuschließen ### Herausforderungen - Hoher Ressourceneinsatz - Schwieriger Status der eigenen Subjektivität im Forschungsprozess - Herausforderungen des ethnographischen Schreibens ## Zentrale Aspekte der Feldforschung - Ausdehnung / Grenzen des Feldes klären - Strategien des Feldzugangs - Teilnehmergewinnung - Kommunikation beim Feldkontakt - Darlegung des Forschungsinteresses - Reflexion der eigenen Rolle im Feld - Felderschließung = integraler Bestandteil des Forschungsprozesses - Prinzip von Forschung als Kommunikation - Keine Patentrezepte, aber Erfahrungsworte ## 4. Vorlesung ## Gruppendiskussionsverfahren - Gruppenförmige Erhebungsformate - Gruppendiskussion - Gruppenbefragung - Group Discussion - Gruppendiskussionsverfahren - Gruppeninterview - Focus Group - Focus Group Interview ## Fokusgruppe - Dimensionen der Unterscheidung - Forschungsinteresse & Zielsetzung - Strukturierung: offen - restriktiv - Rolle der Diskussionsleitung - Bedeutung der Gruppeninteraktion - Fokusgruppe = Summe der Individuen (Gruppendiskussion: Repräsentation eines Kollektivs) - Merton & Kendall - Ziel: unterschiedliche Meinungen, Einstellungen & Wahrnehmungen erfassen - Analyseeinstellung = subjektiver Sinn - Fokus auf manifesten Sinn des Gesagten - Deskriptiv, inhaltlich fokussiert - Ökonomisierung durch Gruppenerfahrung, trotzdem Individuen relevant - Heterogene Gruppen - Direktive Gruppenleitung (inhaltlich & formal) - Inhaltsanalytische Auswertung entlang individueller Redebeiträge - Geht auf Merton & Kendall (Focus Group Interview zurück - Inzwischen eher hypotheseprüfende Forschungslogik - Keine methodisch-stringente Fundierung / keine (Meta-)Theorie ## Anwendungsbereiche - Markt- und Meinungsforschung - Medizin - Psychologie - Gesundheits- und Pflegewissenschaften ## Gruppendiskussion - Ralf Bohnsack - Auswertungsmethode = Dokumentarische Methode - Gruppe = Repräsentativ für größeres Kollektiv - Homogene Zusammenstellung - Konjunktiver Erfahrungsraum als grundlagentheoretisches Konzept - Karl Maronlein - Konzept von Kollektivität - Gemeinsame Existenzbedingungen, die Personen einer bestimmten Position im sozialen Raum verbinden - Spezifische implizite Wissens- und Bedeutungsstrukturen / kollektive Orientierungen - Verständigung in Medium der Selbstverständlichen - Kollektiv > Individuum (Primordialität des Kollektivs) - Jede Position im sozialen Raum - Spezifische Überlagerung konjunktiver Erfahrungsräume - Verhältnis von Gruppe & Kollektiv - Gruppe + Kollektiv - Konkrete Gruppe repräsentiert ein Kollektiv / einen Erfahrungsraum - Repräsentantenmodell - Gruppe = Ort der Artikulation & Repräsentation kollektiver Wissensbestände / Orientierungen - Emergenzmodell - Gruppe ≠ Ort, an dem die zum Ausdruck gebrachten Bedeutungen entstehen ## Fokussierungsmetapher - Passage mit folgenden Merkmalen: - Sehr interaktiv - Lebendiq / hitzig - Höhepunkt der Diskussion - Hoch indexikal - Viele Metaphern - Orientierungsdilemma, Zentren der konjunktiven Erfahrungen - Schlüsselstellen der Auswertung - Theoretische Grundlagen - Konjunktiver Erfahrungsraum - Verstehen & Interpretieren - Atheoretisches / konjunktives Wissen - Theoretisches / kommunikatives Wissen - Phänomene der sozialen Welt = Dokumente der spezifischen Handlungs- & Erfahrungszusammenhänge & den in ihnen wirksamen Sinnstrukturen ## Auswahl / Zusammenstellung Gruppen - Voraussetzung: Homologien in der Erfahrungsaufschichtung - Realgruppen: existentielle Gemeinsamkeiten & gemeinsame Erfahrungen - Zusammengestellte Gruppen: Strukturidentische Erfahrungen ## Reflexive Prinzipien der Initiierung & Leitung von Gruppendiskussionen - Interventionen immer an die ganze Gruppe - Ganze Gruppe adressieren - Gruppe = Einheit - Keine Eingriffe in Urteilung des Rederechts, nur unterstützen - Inhaltliche & formale Strukturierung - Zurückhalten im Gespräch - Keine Teilnehmer*innenrolle - Zuhören, unterstützen, Notice ## Themenvorschläge ohne themenbriogenen Orientierungsrahmen - Themen aufwerfen, ohne Rahmen vorzugeben (Vorausnahmen & Grenzen) - Orientierungsrahmen: Man ist an Erfahrungen der Gruppe interessiert ## Demonstrative Vagheit - Initiierung von Themen durch vage Formulierung - Vorsichtige, nicht vollkommen bestimmte Formulierung von Fragen - Vermittelt Interesse - Methodisch kontrollierte Freundlichkeit ## Strategien - Offene Fragen, Fragereihungen, unvollständige Fragen - Anstoßen detailreicher Darstellungen - Zugang zur Rekonstruktion der Handlungspraxis - Fragereihungen, Formulierungen, die Detailliertes hervorrufen ## Ablaufschema - Ugl. narratives Interview - Eingangsstimulus - Abgeschlossene, inhaltlich & formal selbst gestaltete Passage - Thema & Erkenntnisinteresse wiederholen, thematisieren Forschungsformat - Offen & demonstrativ vage, freigesprochen, Nachfragen, wenn nicht in Gang kommt -Schweigen Teilnehmer*innen - Nicht intervenieren! - Kann 2 Dinge bedeuten: - Schweiger*in ist Teil des Kollektivs - keine Konsequenzen - Schweiger*in ist kein Teil des Kollektivs - evtl. eigene Anhebung - Finis des Gruppendiskussionsverfahrens - Fokus auf kollektive Sinstrukturen & Wissensbestände - Keine thematischen Einschränkungen - Grenzen des Verfahrens - Ungeeignet, wenn Individuen die zu untersuchende Einheit darstellen - Ungeeignet, wenn längere Prozesse untersucht werden sollen (narratives Interview)