BSP-2 Einführung in die Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit PDF

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2024

Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin

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early childhood education social work child development kindergarten history

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This document discusses the historical and current developments of kindergartens, focusing on the tension between family and educational institutions. It examines the evolution of early childhood education from historical perspectives. The document also looks at early childhood education in the context of social work and analyzes the role of kindergartens in social and educational policies.

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BSP-2 Einführung in die Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit Historische und aktuelle Entwicklungen der Kindertageseinrichtungen Text zur Sitzung: Franke-Meyer, Diana (2018): Frühe Kindheit im Prof. D...

BSP-2 Einführung in die Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit Historische und aktuelle Entwicklungen der Kindertageseinrichtungen Text zur Sitzung: Franke-Meyer, Diana (2018): Frühe Kindheit im Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin Spannungsfeld zwischen Familie und pädagogischer Institution. Eine historische 22.10.2024, 11:45-13:15 Uhr Betrachtung der Anfangszeit öffentlicher Kleinkindererziehung. In: Bloch, Bianca/Cloos, Peter/ Koch, Sandra/ Schulz, Marc/ Smidt, Wilfried (Hrsg.): Kinder und Kindheiten. Frühpädagogische Perspektiven. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S.96-108. Konstitutionsprozesse der Pädagogik der Kindheit Kindertageseinrichtungen – bildungspolitische Diskurse AGENDA v Kleinkinderschulen (Oberlin, Fliedner) v (Klein)Kinderbewahranstalten (Wirth) v Kindergarten (Fröbel) und Fröbelbewegung v Kindertageseinrichtungen im 21.Jahrhundert im Fokus bildungspolitischer Diskurse rimi- r historische K tw fü n (h er*inne Liebhab liothek) Bib Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 2 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Deutscher_Bund.svg Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit Gemeinsame Wurzeln Armut Fürsorge Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin Familie Anfang des 19.Jahrhunderts Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ist durch einen enormen Bevölkerungszuwachs gekennzeichnet. Massenhafte Verarmung (Pauperismus) führte zur Notwendigkeit, dass immer mehr Mütter „aus den „arbeitenden Classen“, einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit“ (Franke-Meyer 2011, S. 31) nachgehen mussten. Die massenhafte Verarmung der unteren Schichten führt zu Einrichtung nebenfamilialen Betreuungseinrichtungen für Kinder durch das Bürgertum (Franke-Meyer 2011, S.31) Eine größere Anzahl von Betreuungseinrichtungen für kleine Kinder entstand in Deutschland und in anderen Ländern (Reyer/ Franke-Meyer 2014, S. 169. Aufgenommen wurden laut der Autor*innen nur Kinder, „deren Mütter die Notwendigkeit einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachweisen konnten“ (ebd. , S. 170) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 4 Historie der Armenfürsorge Feudalgesellschaft ☞ Arme bekamen Almosen, „der dazu Fähige gab Almosen“(Huster 2018, S.343) Die Ordnung kam gegen Ende des Hochmittelalters (15./ 16. Jahrhunderts) an seine Grenzen Entstehung von Manufakturen – Wandel der Gesellschaft, Wandel der Zünfte, Auflösung des „Ganzen Hauses“ und Freisetzung des Einzelnen Industrialisierung im „ Deutschen Bund“ ab ca. 1850. Deutsches Reich ab 1871 Albert Anker, Die Armensuppe in Ins II, 1893, Öl auf Leinwand, 85 x 137 cm. Quellennachweis: Kunstmuseum Bern, Staat Bern. https://www.geschichtedersozialensicherheit.ch/risikogeschichte/armut/ Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 5 Betreuungseinrichtungen „Wenn unserer Gesellschaft nicht in einem gewissen krankhaften Zustand wäre, so wäre die allgemeine Einführung der Kleinkinderschulen etwas sehr Unnatürliches und Überflüssiges. Denn es ist viel besser und natürlicher, daß die Eltern ihre Kinder selbst erziehen und zu Hause in der Familie pflegen, als daß man gleichsam große, künstliche Familien zu diesem Zwecke einrichtet“ (Fölsing/Lauckhard 1848, S. 6, zit. n. Franke-Meyer 2011, S. 76). Kinder wurden in im 18./19. Jahrhundert in kleinbürgerlichen Handwerkshaushalten , der bäuerlichen, unterständischen Schichten der Heimarbeiter, Tagelöhner und Landarbeiter als Belastung für die Erwerbstätigkeit der Mütter begriffen. Sofern Kinder noch nicht selbst arbeiten konnten (Boten, Hüte, Haushalt) wurden sie entweder zu Hause eingeschlossen, mit älteren Kindern in die Schule geschickt oder älteren Frauen anvertraut (Erning 1987, S. 17) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 6 „Arme Schusterfamilie“. Zeichnung von Th. Hosemann, 1845. Acht Kinder und Eltern leben in einem Raum (vgl. Erning 1987, S.49) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 7 Frauenerwerbsverhalten in Preußen (1816-1861) (Frevert 1986, S. 82) http://www.forumfrauengeschichte.de/inhalte/2002_rundgang/_bild/arbeiterinnen.jpg 1816 1846 1855 1861 Weibliche Wohnbevölkerung über 14 Jahren 33990000 5260000 5640000 610000 Weibliche Erwerbspersonen 984619 1345808 1445303 1910181 Davon Dienstboten zur persönlichen Bequemlichkeit der Herrschaft 71855 133018 152148 214472 Mägde und Dienstboten in der Landwirtschaft 532788 558716 571168 500532 Im Gewerbe 70752 Handarbeiterinnen/ Tagelöhnerinnen In der Landwirtschaft 368537 596805 647115 565705 Im Gewerbe 450068 Gehilfinnen in Gewerbebetrieben 11439 18292 Fabrikarbeiterinnen 57269 74872 90360 Weibliche Erwerbsquote 29% 25,6% 25,6% 31,3% Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 8 Das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie. Radierung H. Brückner 1854 (Erning 1987, S. 48) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 9 Frühe Kindheit im Blickfeld bürgerlicher Sorge (Franke- Meyer 2018, S.98) Mit der Entstehung der bürgerlichen Familie und der neuen Blicks auf Kindheit fallen alle Formen auf, die nicht dem bürgerlichen Leitbild und den bürgerlichen Normen entsprechen. Dem erklärten Ideal der Mutterliebe und des familialen Haushaltes wird bei Vernachlässigung (durch die Erwerbstätigkeit der Mutter) durch die sozialfürsorgerische Betreuung in Einrichtungen ersetzt. Kinder sollten eine standesgemäße Erziehung erfahren. Hauptziel so Franke Meyer (2018, S. 102) der konfessionellen Kindertageseinrichtungen die „Kinder zu Religiosität [..] proletarischer Sittlichkeit“, „Fleiß, Unterordnung und Disziplin“(ebd.) zu erziehen. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 10 Schulen Erziehungs-Schule, Hüteschule, Warteschule, Strickschule, Aufsichtsschule, Kinder-Schule, Spielschule, Vorschule, Bewahrschule, Kinderbewahrschule, Kleinkinderschule (Reyer, 2015, S. 12) „Warteschule Mainz 1840, Der große Lehnstuhl und der lange Stock sind die Requisiten, die die Autorität der Wartefrau unterstreichen“ (Erning 1987, S. 44) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 11 Gründung der Strickschule (Oberlin 1770) „Es sind ungefähr siebenzwanzig Jahre, seitdem ich für acht Dörfer und Weiler acht Lehrerinnen aufstellte. Diese guten Mädchen, die meine verstorbene Frau und ich unterrichteten, belehrten ihre jungen Zöglinge mittels Figuren aus der Geschichte oder dem Thier- und Pflanzenreich, auf welchen ich die Namen auf Französisch und auf Patois neben einer kurzen Beschreibung geschrieben habe. [..]Um ihre Hände zu gleicher Zeit zu beschäftigen, lehrten sie die Kinder das Stricken, welches damals in jener Gegend noch unbekannt war. Hierauf machten Sie denselben Vergnügungen durch solche Spiele, die den Körper üben, die Gliedmaßen gelenkig machen, zur Gesundheit beitragen und wodurch sie hauptsächlich in Ehrbarkeit und ohne Streit spielen lernten […]“(Johann Friedrich Oberlin, nach Burckhardt 1843, zit.n. Erning 1975, S. 12) https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_Oberlin Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 12 Auszug Statuten Oberlin´schen Anstalten „Art.9 Die Vorsteherinnen (Kleinkinderlehrerinnen) werden die Kinder vom dritten bis siebten Jahr, dem Eintritt in die Primärschule unter ihrer Leitung haben“. Die Versammlungen sollen zweimal die Woche, drei Stunden gehalten werden. Ziele waren die Förderung von: religiösen Gefühlen, Moral, Ästhetik, Tugendhaftigkeit „2.) Liebe zur Ordnung, zur Arbeit, zur Reinlichkeit, zur Wohlanständigkeit, zur Wohltätigkeit, zur Wahrhaftigkeit [..] Lernen der französischen Sprache und Abgewöhnen des unverständlichen Dialektes (Patois), Singen für das Mitsingen beim Gottesdienst, Bekanntmachen mit der Pflanzenkunde …..(vgl. Johann Friedrich Oberlin, nach Burckhardt 1843, zit. Erning 1975, S. 13f.) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 13 Kleinkinderschulen (Fliedner 1836, zit. n. Franke Meyer 2016) http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/zukunft-bildung/239356/fruehkindlich-bildung. „Wir haben niemals verkannt, daß die Kinder in ihrem zarten Alter am besten in dem häuslichen Kreise, von den Aeltern, erzogen werden, wenn diese, namentlich die Mutter, die hinreichende Zeit, die rechte Liebe und Weisheit zu ihrer Erziehung besitzen. Aber in hiesiger Stadt gibt es, wie an andern größeren Orten, eine Menge Aeltern, welche durch ihren Broderwerb [sic!], durch Fabrik- und andere Arbeit den größten Theil des Tages ausser dem Hause zubringen müssen, oder durch strenge Berufsarbeit im Hause von der Pflege und Beaufsichtigung ihrer Kinder abgezogen werden, sodaß diese die meiste Zeit sich selbst überlassen bleiben. Fliedner, Theodor (1836): Erster Jahresbericht über die evangelische Kleinkinderschule zu Düsseldorf. Hrsg. von den dasigen Vereinen für evangel. Kleinkinderschulen. Zum Besten der evangel. Kleinkinderschule zu Kaiserswerth. Düsseldorf: Jof. Wolf, S. 3. Es ist freilich wahr, es wäre viel besser, die äußern Verhältnisse ließen es nicht zu, und alle Eltern wären fähig, ihre Kinder zu erziehen – Kleinkinderschulen sind nur Notheinrichtungen – geboten von der Noth und um abzuhelfen der Noth. Ranke, Johann Friedrich 1853, zit. nach Erning, G. (Hrsg.) (1976): Quellen zur Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung. Von der ersten Bewahranstalt bis zur vorschulischen Erziehung der Gegenwart. Kastellaun: Aloys Henn, S. 116. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 14 Kleinkinderschulen für Kinder aller Stände Der ev. Pfarrer Friedrich Hüffel (1841) formulierte, dass “die Kleinkinderschule eine notwendige Einrichtung für Kinder aller Stände wäre“ (Franke-Meyer 2010, S. 74). Ziel der Kleinkinderschule war die Vorbereitung auf die Elementarschule und eine Ergänzung zur Familie. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 15 (Erning 1987, S. 99) Kleinkinderschule für Kinder aller Stände Der Lehrer und Kleinkinderpädagoge Johann Földing argumentiert ebenfalls für einen Besuch aller Kinder in einer Kleinkinderschule. Nach Franke-Meyer forderte er, „dass in jedem größeren Dorfe und in jeder Stadt, ohne Ausnahme Kleinkinderschulen gegründet [werden sollen] als unterste Stufe des gesamten Schul-Organismus“ (2010, S. 74). Aufsicht sollten Staatsbehörden erhalten, gleichwohl sollte die Gründung im Auftrag des Staates erfolgen. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 16 (Erning 1987) Aufgabe der Bewahranstalten ist es die häusliche Erziehung zu ersetzen oder zu unterstützen, insbesondere dort wo die Kinder weniger häusliche Kleinkinderbewahranstalten Erziehung erhalten. Insbesondere wenn „die (Johann Georg Wirth 1807-1851) Unfähigkeit mancher Eltern ihre Kinder auf eine 1844 Schkeudiz vernünftige Weise auf den künftigen Unterricht http://www.lvz.de/Region/Schkeuditz/Kinderbewahranstalt-wird-170 vorzubereiten“ sowie sie vor den Uebeln, die ihnen in leiblicher und geistiger Hinsicht drohen, zu wahren“ Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin (Franke-Meyer 2010, S. 37) 17 Kleinkinderbewahranstalten (Wirth 1840) „Wie stände es wohl um die Kleinkindererziehung, wenn jede Mutter eine Mutter wäre? Gewiss höchst erfreulich! Die Erfahrung lehrt aber, dass es in vielen Fällen besser ist, wenn fremde Personen die Erziehung an den armen Kleinen besorgen, als eine Mutter, die ihren Kindern keine wahre Mutter ist“ (Wirth 1840, S. 4, Reyer/ Franke-Meyer 2014, S. 173) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 18 Kleinkinderbewahranstalten- Curriculum (Wirth 1838) „Lehrgegenstände, Handarbeiten und Spiel [..] Gebet, Gesang und Vorbereitungen zum künftigen Religionsunterricht auch Sinnesübungen, Verstandesübungen, Sprachübungen, Gedächtnisübungen, Lautübungen, Buchstabenübungen, Zählen, Zeichnen, Anstandsübungen, Farbenübungen, Gruppenübungen und körperliche Übungen“ (vgl. Wirth 1838, S. 53- 233, zit. n. Franke-Meyer 2010, S. 38) Schulvorbereitende Aufgaben in nebenfamilialen Betreuungseinrichtungen Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 19 2 0 Stundenplan einer Kleinkinderschule Stundenplan aus der Darmstädter Kleinkinderschule für höhere Stände (Fölsing 1844, Franke-Meyer 2010, S. 67) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin Abgrenzung von Schule und Kleinkinderschule (1839) durch einen Erlass in Bayern (König Ludwig I) Regelung zur Gründung und Betrieb der Kleinkinderbewahranstalten „Die erwähnten Anstalten sollten keinen anderen Zweck haben, als den kleinen, für die öffentlichen Schulen noch nicht reifen Kindern, Aufenthalt und Pflege in der Art und Weise angedeihen zu lassen, wie solche von verständigen und gewissenhaften Eltern zu gedeihlicher Entwicklung geistiger und leiblicher Kräfte für dieses zarte Jugendalter gewährt zu werden pflegen. Auf diese Bestimmungen sind sie allenthalben zu beschränken, und es daher auch nicht zu gestatten, daß ihnen der noch hie und da übliche Name der Kleinkinderschule beilegt, oder daß den dabei beschäftigten Personen der Titel des Lehrers oder einer Lehrerin verliehen wird“ (Reyer 2006: 53) ✍ Verbot Lesen, Schreiben und Rechnens (Reyer 2006) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 21 Kinder-Garten Friedrich Wilhem August Fröbel (1782-1852) Geb. 1782 in Oberweißbach (Thüringen) als Sohn eines Pfarrers 1783 Tod der Mutter, die die Entwicklung der pädagogischen Lehre entscheidend beeinflusst Bildungsweg durch Brüche gekennzeichnet (8jährige Schulausbildung, Feldmesserlehre, Studium der Mathematik u. Naturwissenschaften, Mineralogie) Tätigkeiten als Landvermesser, Sekretär, Lehrer, Assistent an der Universität Berlin 1826 Hauptwerk „Menschenerziehung“ Erziehungsanstalt in Keilhau (Thüringen) 1837 Autodidaktische Anstalt → Anstalt zur Pflege des Beschäftigungsbetriebes in der Kindheit und Jugend (Bad Blankenburg) Herstellung von Spiel- und Beschäftigungsmittel 1839 Gründung der Modelleinrichtung einer Spiel und Beschäftigungsanstalt (→ Kurse für Kinderführer) 1840 Gründung „Allgemeiner Deutscher Kindergarten“ 1851 Verbot der Fröbel-Kindergärten (Preußen) Quelle: Das Bauen. Aus: Festgeschenk für die Kinder zur Feier des 100jährigen Geburtstages Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin von Friedrich Fröbel. Ohne Orts-, Verlags- und Jahresangabe. Zugleich Einband zum 22 Band 4 der Schriften des Friedrich-Fröbel-Museums Bad Blankenburg, 1. Aufl. 2002. „Spiel ist mehr als Spielerei es hat hohen Ernst und tiefe Bedeutung.“ Zentral für die kindliche Entwicklung sind die Selbsttätigkeit → (Nach-Denken, Selbst-Tun). Damit verbunden ist religiöse Naturerleben und das Erfassen der Natur mit ihrer Gesetzmäßigkeit → (Struktur) „In allem, was das Kind tut, zeigt es sich als ein nach Bewusstsein strebendes Wesen. Es ist Aufgabe der Erzieherin, das Kind zu solchen selbstbewussten Wesen zu erheben, das sich klar wird über den Menschen innerstes Wesen über die Natur und das Verhältnis zu Andern“ (Heiland 2003, S. 38). Quelle: Das Bauen. Aus: Festgeschenk für die Kinder zur Feier des 100jährigen Geburtstages Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin von Friedrich Fröbel. Ohne Orts-, Verlags- und Jahresangabe. Zugleich Einband zum 23 Band 4 der Schriften des Friedrich-Fröbel-Museums Bad Blankenburg, 1. Aufl. 2002. Bildung für Alle (3-6 Jähringen) – Fröbel/ Fröbelianer Forderung nach Menschenbildung für Alle Ziel im „Kinder-Garten“ Mütter in den Spielmaterialien zu unterweisen, Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung Ziel war die Förderung der Selbsttätigkeit, der Entwicklung der Anlagen des Kindes, die insgesamt auf der Freiwilligkeit für das Kind basierte. Idee nur eine Öffnung des Kindergartens vormittags, um die Zuständigkeit der Mutter für das Kind weiter zu befördern. Öffnung des Kindergartens für Kinder aller Stände, was für z.B. preußische Behörden als gefährliche Idee eingeschätzt wurde Fröbel sah die Kompetenzen der Mütter kritisch, da die „wahre Pflege des Lebens- und Tätigkeitstriebes des Kindes […] den bestehenden Lebensverhältnissen nach von den Müttern oft schwierig, meistens gar nicht den Kindern gegeben werden könne“ (Fröbel 1840/1964, S.116 zit. n. Reyer/ Franke-Meyer 2014, S. 173) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 24 Kinder-Garten, Kindergarten und Schule Fröbel begriff den Kindergarten als unterste Ebene des Schulsystems Forderung des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins (1848) in Eisenach eine „einheitlich vom Kindergarten bis zur Hochschule aufwärts gegliederte […] deutsche Volksschule“ (Michael/ Schepp 1973, zit. n. Franke-Meyer 2018, S. 104) Köhler formulierte 1857 „Alle Kinder der Gemeinde, welche das vorschulpflichtige Alter haben, 4-5 Stunden täglich zu versammeln, ihren Tätigkeittrieb zu beleben, den freundlichen Verkehr untereinander zu vermitteln und sie für das Wahre, Schöne und Gute zu gewinnen“(Köhler 1872, S.7 zit. n. Reyer/Franke-Meyer 2014, S. 176) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 25 Geschichte der Kindertageseinrichtungen und des Kindergartens im Podcast Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 26 Internationale Kindergarten – Bewegung Boston – USA 1888 Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 27 Das Morgengebet im Pestalozzi-Fröbel-Kindergarten (1893) Pestalozzi-Fröbel-Kindergarten 1904 (Erning 1987) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 28 Kleinkinderschulen, Kinder-Garten, Kinderbewahranstalten Unterschiedliche Begriffe weisen nicht immer auf Unterschiede im Verständnis von Betreuung, Erziehung und Bildung hin. Kleinkinderschulen wie auch Kinderbewahranstalten sind in der Regel aus dem Motiv der Fürsorge entstanden. Motiv war die fehlende Betreuung und Förderung in der Familie, das heißt „die natürlichen Anlagen des Kindes“ (Reyer 2015, S. 16) wurden nicht im entsprechenden Maße gefördert. Die Einrichtungen haben nach Reyer (ebd.) ein familienunterstützendes Motiv, in den Ordnungs- und Wertvorstellungen des konfessionellen Trägers vermittelt werden sollten Ziel der Einrichtungen war nach Fliedner (1836) die Bannung der Gefährdung der Gesellschaft durch „Verwahrlosung, Verkrüppelung und Verwilderung eines großen Teils der Kinderwelt“ die mit einer „furchtbare[n] zunehmende[n] Armut und Entsichtlichung des Volkes“ (Fliedner 1836/1958, S. 13, zit. n. Reyer 2015, S.19) einhergehen würde. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 29 Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit Historie für Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit zentral, da es nur geringe Möglichkeiten auf Erwerbstätigkeit für bürgerliche Frauen bestanden. Forderung der Frauenbewegung Öffnung von sozial akzeptablen Berufspositionen für Frauen (z.B. Diakonisse, Lehrerin (Volkschule/ Unterstufe Mädchenschule) „Einzig ledige Frauen sollten im Beruf einen ‚Ersatz für das Glück’ suchen, das verheiratete Frauen in Ehe und Mutterschaft fanden (Frevert 1986, S. 76) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 30 Das Ideal der bürgerlichen Frauen Wärme, Emotionalität, Geborgenheit Tugend, Sittsamkeit, Fleiß Sphäre der Familie, des häuslichen Wirkungskreises Berufsausbildung nicht standesgemäß – keine entsprechenden Ausbildungen und Berufsaussichten „Beruf der Mutter“ (Rabe-Kleberg) Männer Rationalität, Geist, Aktivität Sphäre der Öffentlichkeit, gesellschaftliche Auseinandersetzung (© AddF) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 31 https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35252/wie-alles-begann-frauen-um-1800?p=all Trägerschaft der Einrichtungen der Kleinkinderziehung Die Einrichtungen, die Anfang des 19.Jahrhunderts entstanden wurden in der Mehrzahl von privaten Vereinen getragen (192 von 218 Einrichtungen, die von 1825-1848 gegründet wurden, also 88 Prozent (vgl. Reyer/Franke- Meyer 2014, S. 170). Mitglieder der Vereine gehörten den „klein- und gutbürgerlichen Schichten an“(ebd.). Zahl der Einrichtungen stieg auf „500 bis 600“(ebd.) mit einer Betreuungsquote von 1%. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 32 Einrichtungen öffentlicher Kleinkinderziehung Reyer und Franke-Meyer (2014) sprechen von einer Teilung der „kindlichen Betreuungs- und Erziehungssphäre in lebensweltliche (Familie) und anstaltsförmige (Einrichtung)“ (Reyer/ Franke-Meyer 2014, S. 170). „Primo-Loco-Zuständigkeit“ (ebd., S. 171) der Familie – meint nur in der Familie und der Erziehung durch die Mutter können sich die „Anlagen des Kindes natürlich entfalten“ (ebd.). Natur vom Kind und die Natur der Mutter sahen die Familie als Erziehungs- und Bildungsort des Kindes vor, das dass sowohl die Betreuung in einer Einrichtung wie auch die Erwerbstätigkeit der Mütter nicht den bürgerlichen Normen entsprach. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 33 Historie der Idee (Motive) der Einrichtungen „Familienunterstützende und familienergänzende Motive in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Hervorhebung Autorin) Der Aufstieg des familienunterstützenden Nothilfemotivs zur dominierenden Aufgabenzuschreibung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Verankerung der öffentlichen Kleinkindererziehung in der Kinder- und Jugendhilfe (Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, RJWG) während der Zeit der Weimarer Republik Fortbestand des familienunterstützenden Nothilfemotivs im Nationalsozialismus Öffentliche Kleinkindererziehung zwischen Jugendhilfe und Bildungspolitik in der ersten Vorschulreform in der BRD in den 1970er Jahren“ (Reyer/ Franke-Meyer 2014, S. 171-172). Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 34 Historie der Idee (Motive) der Einrichtungen „Familienunterstützende und familienergänzende Motive in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Familienbezogenes Motiv (Gemäßigte) versus schulbezogenens Motiv (Radikale) Der Aufstieg des familienunterstützenden Nothilfemotivs zur dominierenden Aufgabenzuschreibung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Verknüpfung der Ideen Fröbels mit den familienfürsorgerischen Aufgaben konfessioneller Träger in der Konzeption der Volkskindergartens des Pestalozzi-Fröbel-Hauses durch Henriette Schrader-Breymann Reformkonzeption Konzept der Wohnstube (Pestalozzi) verknüpft mit der Beschäftigung (Fröbel) Sozialpädagogische (Bildungs)Idee (Reyer/Franke-Meyer 2014, S.177), die für alle Einrichtungen bestimmend wurde. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 35 Historie der Idee (Motive) der Einrichtungen Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt (1922) RJWG „Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit“(Reyer/ Franke-Meyer 2014, S. 179). Institutionelle Betreuung sollte nur stattfinden, wenn Eltern ihren Erziehungsauftrag nicht erfüllten. Das Jugendamt hat die Aufgabe Einrichtungen der Wohlfahrt für Kleinkinder (§4) zu schaffen, wenn Eltern ihren Pflichten nicht entsprechend nachkommen können. Daher Unterstützung von Kommunen an Träger der Kindereinrichtungen. Einrichtungen stehen unter staatlicher Aufsicht (Jugendbehörden) „Mit den Bestimmungen des RJWG war die öffentliche Kleinkindererziehung im familienfürsorglichen Aufgabengefüge der Kinder- und Jugendhilfegesetzgebung gleichsam gefangen“(Reyer/ Franke-Meyer 2014, S.180) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 36 Historie der Idee (Motive) der Einrichtungen Öffentliche Kleinkindererziehung zwischen Jugendhilfe und Bildungspolitik in der ersten Vorschulreform in der BRD in den 1970er Jahren“ (Reyer/ Franke- Meyer 2014, S. 181-182). BRD o Kindergarten als familienergänzende DDR – Bildungssystem Fürsorgeeinrichtung Kindergarten als unterste Stufe o 1969 Bildungsreform - Vorschulreform des Volksbildungssystem mit o 1970 Verabschiedung von einem „Erziehungs- und Kindergartengesetzen (Ausführungsgesetz Bildungsplan“. zum Jugendwohlfahrtsgesetz o Der Kindergarten hat einen „eigenständigen Bildungsauftrag“, gehört aber zur Kinder- und Jugendhilfe. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 37 Der Erziehungs- , Bildungs- und Betreuungsauftrag der Kindertageseinrichtungen §22 SGB VIII https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/BJNR111630990.html Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 38 39 Trägerschaft von KiTas im Saarland Subsidaritätsprinzip (SGBVIII) (Wiesner 2016; Autorengruppe Fachkräftebarometer (2021, S.23) Paradigmenwandel in der Kindheitspädagogik UN-Kinderrechtskonvention Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 40 Aufwachsen in der Moderne - ‚Kitas‘ https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/_inhalt.html#250462 Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 41 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/_inhalt.html#250462 Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin Aufwachsen in der Moderne - ‚Kitas‘ https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/kindertagesbetreuung-karte.html Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 43 Aufwachsen in der Moderne - ‚Kitas‘ https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/kindertagesbetreuung-karte.html Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 44 Aufwachsen in der Moderne - ‚Kitas‘ https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/kindertagesbetreuung-karte.html Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 45 Beteiligung- und Betreuungsbedarf in Ost- Westdeutschland (3-5 Jahre (BMFSFJ, 2014, S.37) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 46 Beteiligung- und Betreuungsbedarf in Ost- Westdeutschland (3-5 Jahre (BMFSFJ, 2014, S.17) Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 47 Kindergarten Boston und der Schweiz https://www.youtube.com/watch?v=mgM52gzEpE0 Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 48 Murmelrunde – 1+ 2 1. Diskutieren Sie die Chancen, Möglichkeiten und Grenzen des Vorschulbereichs in Deutschland. 2. Diskutieren Sie die Chancen, Möglichkeiten und Grenzen des Kindergartens in der Schweiz und den USA 3. Welches Modell favorisieren Sie? Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 49 Literatur Erning, G. (Hrsg.)(1976): Quellen zur Geschichte der öffentlichen Kleinkinderziehung. Kastellaun, Saarbrücken: Aloys Henn Verlag. Erning, G. (1987): Bilder aus dem Kindergarten. Bilddokumente zur geschichtlichen Entwicklung der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland. Solingen: Lambertus. Bischoff, S., Pardo-Puhlmann, M., de Moll, F. & Betz, T. (2013): Frühe Kindheit als „Grundstein für eine erfolgreiche Bildungsbiografie“. Deutungen ‚guter Kindheit‘ im politischen Diskurs. In Grubenmann, B./ Schöne, M. (Hrsg.): Frühe Kindheit im Fokus. Entwicklungen und Herausforderungen (sozial-)pädagogischer Professionalisierung. Berlin: Frank & Timme, S.15-34 Franke-Meyer, D. (2011): Kleinkindererziehung und Kindergarten im historischen Prozess. Ihre Rolle im Spannungsfeld zwischen Bildungspolitik, Familie und Schule. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Franke-Meyer, D. (2018): Frühe Kindheit im Spannungsfeld zwischen Familie und pädagogischer Institution. Eine historische Betrachtung der Anfangszeit öffentlicher Kleinkinderziehung. In: Bloch, B./Cloos, P./Koch, S./ Schulz, M./ Smidt, W. (Hrsg.): Kinder und Kindheiten. Frühpädagogische Perspektiven. Weinheim und Basel: BeltzJuventa, S. 96-108. Frevert, Ute (1986): Frauen-Geschichte. Zwischen Bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp-Verlag. Reyer, J. (2006): Einführung in die Geschichte des Kindergartens und der Grundschule. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Reyer, J./Franke-Meyer, D. (2014): Funktionsdifferenzierungen zwischen Familie und frühpädagogischen Einrichtungen. Zur Entwicklung des geteilten Betreuungsfeldes. In: Drieschner, E./ Gaus, D. (Hrsg.), Das Bildungssystem und seine strukturellen Kopplungen. Wiesbaden: Springer, S. 169-190. Prof. Dr. Iris Leisner-Ruppin 50

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