Einführung in die Politikwissenschaft PDF

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HeroicPearl8096

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Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

2024

Dr. Christina-Marie Juen

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political science democracy political systems political theory

Summary

This document is an introduction to political science, focusing on political systems, particularly democracy. It covers various topics, including the structure, processes, and outcomes of political systems. The author, Dr. Christina-Marie Juen, discusses different approaches and methodologies within political science.

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EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Politische Systeme: Demokratie Dr. Christina-Marie Juen 22.10.2024 Aktuelles Seite 2 https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-jugend-bundeskongress-lux.12wuwa8E9Sy4v9SgxJHg96 Ziele und Inhalt – Was macht Polit...

EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Politische Systeme: Demokratie Dr. Christina-Marie Juen 22.10.2024 Aktuelles Seite 2 https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-jugend-bundeskongress-lux.12wuwa8E9Sy4v9SgxJHg96 Ziele und Inhalt – Was macht Politikwissenschaft? – Was kennzeichnet Demokratien? – Wie kann Demokratie gemessen werden? Seite 3 Politikwissenschaft – Politikwissenschaft liefert ein Set an Werkzeugen mit dem man aktuelle politische Geschehnisse analysieren und erklären kann – Aneignung analytischer Fähigkeiten – Politikwissenschaft ist das wissenschaftliches Studium politischer Strukturen (Polity), Prozesse (Politics) und Inhalte (Policy) (Bernauer et al., 2022) Seite 4 POLITY POLITICS POLICY Strukturen Prozesse Inhalte Seite 5 Politikbereiche Polity Politics Policy Interesse Ausprägung politi- Ausgestaltung politi- Inhalte von Politik scher Strukturen scher Prozesse Ausrichtung Institutionen- Input-orientiert Output-orientiert orientiert Erscheinung Verfassungen, Geset- Entscheidungsfindung Ziele und Ausgestal- ze, Wahlsysteme, Po- und Durchsetzung, tung von Politischen litisches System Demonstrationen, Inhalten öffentliche Diskurse Beispiele Verfassungsrecht, Parteien, Interessen- Wirtschaftspolitik, Herrschaftsformen, gruppen, Verbände Bildungspolitik, Um- Regimetypen, Regie- weltpolitik rungssysteme Seite 6 Politikwissenschaft Die großen Teilbereiche der Politikwissenschaft: – Politische Theorie – Vergleichende Politikwissenschaft – Politisches System Deutschlands (länderspezifisch) – Internationale Beziehungen – Methoden der Politikwissenschaft –... und viele weitere kleine Bereiche der Politikwissenschaft Seite 7 Nachbardisziplinen Bereich Inhalt Recht Entstehung, Beschaffenheit und Veränderung politischer Steuerungsmechanismen Soziologie Politische Soziologie; Verhalten und Einstel- lungen im politischen Kontext Geschichte Historisches Hintergrundwissen für Beschrei- bung, Erklärung von Effekten historischer Ge- gebenheiten Psychologie Verhalten von Akteuren, Theorien oft aus der Psychologie Ökonomie Politische Ökonomie; Wirtschaftspolitik sowie quantitatives methodisches Vorgehen Kommunikation Politische Kampagnen, Einfluss von social me- dia und Medien auf Politik Seite 8 Vorgehensweisen in der Politikwissenschaft Hermeneutische Politikwissenschaft: – Interpretierende Vorgehensweise, keine Ursache-Wirkung – Beschreibung von Zusammenhängen basierend auf Theorien – Wir wollen zum Beispiel verstehen... – ob und inwiefern sich die deutsche Außenpolitik seit dem Kalten Krieg verändert hat – Analyse von Dokumenten oder Interviews (auch große Fallzahlen), die im Anschluss interpretiert werden Seite 9 Vorgehensweisen in der Politikwissenschaft Empirisch-analytische Politikwissenschaft: – Analyse von Ursache-Wirkung Zusammenhängen – Erklärung bestimmter Phänomene und Ereignisse – Generieren von Hypothesen und Argumenten basierend auf Theorien – Wir wollen zum Beispiel erklären... – welchen Effekt das Gewinnen einer Wahl auf die Demokratiezufriedenheit hat – Sammeln von (vielen) Daten, um diese Fragen empirisch zu überprüfen Seite 10 Was sind Politische Systeme? Politische Systeme “Ein politisches System bezeichnet die Gesamtheit derjenigen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und Akteure, Regeln und Verfahren, die innerhalb des betreffenden Staates an fortlaufenden Prozessen der Formulierung und Lösung politischer Probleme sowie der Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher politischer Entscheidungen beteiligt sind” (Bernauer et al., 2022) → Politische Systeme bestimmten daher den institutionellen Rahmen, in dem Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden Seite 11 Politische Systeme Seite 12 Bernauer et al. (2022), Kapitel 3 Politische Systeme – Alle politischen Systeme bestehen aus den genannten Komponenten – Ausgestaltung eines politischen Systems unterscheidet sich zwischen Demokratien und Autokratien – Demokratien: – Bürger:innen gestalten Input stark mit – gegenseitige Kontrolle von Exekutive, Legislative und Judikative – Autokratien: – wenig Einfluss der Gesellschaft und weniger Input – Macht stärker gebündelt und ohne Kontrolle durch andere Institutionen Seite 13 Was ist Demokratie? Was ist Demokratie? – Demokratie ist heute die am stärksten legitimierte Form des Regierens – “government of the people, by the people, and for the people“ (Abraham Lincoln, 1863) – Die Herrschaft geht vom Volk aus, wird vom Volk selbst (oder Repräsentant:innen) ausgeübt und dient dem Volk (Bernauer et al., 2022) Seite 14 Ursprung von Demokratie – Ursprung demokratischer Systeme in der Antike – Demokratie war hier eher verpönt - Politea als das Ideal – Demokratie galt als Herrschaft der ‘Ungebildeten und Besitzlosen’ – Attische Demokratie bestand aus Versammlung von männlichen Bürgern – Auch Gerichte wurden mit Bürger:innen besetzt Seite 15 Ursprung von Demokratie – Demokratie damals hatte wenig mit heutiger Demokratie zu tun – Wahl durch Losverfahren und für jeweils ein Jahr – Bürger waren somit direkt an der Entscheidungsfindung und -umsetzung beteiligt – In modernen Demokratie spielen hingegen Repräsentant:innen eine zentrale Rolle – Wahl damals auch kein Mittel der Verantwortlichkeit – Wieder- oder Abwahl von Politiker:innen heute essentiell – Erst mit der Einführung einer allgemeinen Wahl zentraler Grundstein für moderne Demokratie gelegt Seite 16 Moderne Demokratie Zwei grundlegende Kriterien: – Direkte Wahl von Vertreter:innen durch das Volk, die somit ihre Macht übertragen (responsiveness) – Macht wird nur für einen bestimmten Zeitraum an die Repräsentant:innen übertragen (accountability) → Die Besetzung von Ämtern durch freie und faire Wahlen ist das wichtigste Kennzeichen von Demokratien Seite 17 Wahlen in Demokratie Wahlen verkörpern zwei zentrale Dimensionen von Demokratie (‘contestation open to participation’) (Dahl, 1971): – Wettbewerb (Kampf um Macht): Organisationsfreiheit der Bürger:innen, bspw. auch in Parteien, um im Wettbewerb ihre gewünschten Politikergebnisse zu verfolgen – Inklusion (Partizipation aller): politische Beteiligung aller Erwachsenen an öffentlichen Angelegenheiten und Wahlen Seite 18 5 Minuten Pause Seite 19 Unterschiedliche Definitionen von Demokratie – Einigkeit darüber, dass Wahlen zentral für Demokratie sind – Demokratiedefinition, die auf diesem einen Kriterium beruht, wird als Minimaldefinition bezeichnet (Schumpeter, 1942): – Fokus auf prozedurale Dimension von Demokratie – Institutionen, Akteure und Verfahren – Gibt es freie Wahlen? Gibt es Gewaltenteilung? → Input-Legitimation des politischen Systems steht im Vordergrund Seite 20 Unterschiedliche Definitionen von Demokratie – Welche zusätzlichen Dimensionen die Definition von Demokratie jedoch noch umfassen sollte, ist umstritten – Maximaldefinitionen schließen viele Kriterien ein (Dahl, 1971): – Zusätzlicher Fokus auf substantielle Dimension von Demokratie – Bürger:innen und deren Rechte im System – Gibt es zusätzlich zu Wahlen persönliche Freiheiten (bspw. Presse-, Rede- oder Versammlungsfreiheit)? – Gibt es Diskurs über Politik? → Output-Legitimation des politischen Systems wird betrachtet Seite 21 Warum ist das wichtig? Empirische Perspektive auf Demokratie, deren Ursachen und Wirkungen, erst mit Definition des Konzeptes ‘Demokratie’ möglich: → Warum werden Staaten Demokratien/Autokratien? → Wie wirkt sich Demokratie/Autokratie auf Wirtschaftswachstum aus? Seite 22 Wie können wir Demokratie messen? Messung von Konzepten – Operationalisierung von theoretischen Konzepten essentiell – Manche Konzepte sind direkt messbar – manifeste Variablen lassen sich einfach operationalisieren – meistens sind diese direkt beobachtbar oder durch eine einfache Angabe erkennbar – z.B. Alter oder das Einkommen – Andere Konzepte müssen messbar gemacht werden – latente Variablen lassen sich nicht so einfach operationalisieren – z.B. Populistische Einstellungen → Auch ‘Demokratie’ ist eine latente Variable Seite 23 Einschätzung Demokratiequalität Studierende 60 60 60 40 40 40 20 20 20 0 0 0 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 Deutschland Österreich USA 60 60 60 40 40 40 20 20 20 0 0 0 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 Russland Polen Türkei Seite 24 Einschätzung der Demokratielevel (x-Achse) und Anzahl Befragte (y-Achse), Daten: Vorlesungssurvey 2024 Messung von Demokratie – Was ist das Problem mit der Messung von Demokratie in der Vorlesungsumfrage? Seite 25 Messung von Demokratie – Demokratie als sehr komplexes Konzept mit vielen Dimensionen – Unterschiedliche Dimensionen in unterschiedlichen Definitionen von Demokratie – Einschätzung zu substantieller und prozeduraler Dimension essentiell – Manche Demokratien prozedural Demokratie, weil sie bspw. Wahlen durchführen – Substantiell aber keine Demokratien, weil Minderheitenrechte nicht vorhanden sind Seite 26 Demokratie-Indices – Wie die Definition selbst, ist auch Messung von Demokratie komplex – Erstellung von Indices als Möglichkeit ‘Demokratie’ als Variable zu verwenden – Polity IV, Freedom House, Vanhanen-Index, Varieties of Democracy (VDem) etc. – Problem, dass viele dieser Indices auf Expertenbefragungen basieren – Experten bestimmen für jede Kategorie der Messung wie sehr ein Land diese erfüllt – Fragen zu checks and balances, Verfassung, freien und fairen Wahlen, Pressefreiheit sind schwer zu beantworten – Aber: Wahrnehmung der einzelnen Person beeinflusst die Bewertung – Dennoch: bestes Maß für Demokratie, auf das wir zurückgreifen können Seite 27 Varieties of Democracy – Messung von Varieties of Democracy (https://v-dem.net) fokussiert auf 4 Regime-Typen – Liberale Aspekte und Prinzipien von Demokratie neben Wahlen zentral: – Freie und faire Wahlen – Grundrechte und -freiheiten – Minderheitenrechte – Starke Gewaltenteilung – Unabhängigkeit der Justiz Seite 28 Varieties of Democracy Kategorien basierend auf Bewertung zu den genannten Aspekten: – Liberal Democracy: Skandinavische Länder, Deutschland, Neuseeland, Südkorea – Electoral Democracy: Österreich, Argentinien, Bolivien – Electoral Autocracy: Ungarn, Türkei, Venezuela, Russland – Closed Autocracy: Afghanistan (seit 2 Jahren), Vietnam, Saudi-Arabien Seite 29 VDem Democracy Report 2023 Seite 30 Abbildung aus Varieties of Democracy Report, 2023 Abschließend... Diskussionsfragen – Inwiefern kann man über Demokratiemessungen (wie bspw. in einem Index) wirklich den Zustand einer Demokratie abbilden? Seite 31 Woche 3, 29.10.2024 Politische Systeme: Autokratie – Warum findet (Ent-)Demokratisierung statt? – Was kennzeichnet Autokratie? – Welche Effekte haben die unterschiedlichen politischen Systeme? Seite 32 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 33 Literatur Bernauer, Thomas, Detlef Jahn, Patrick M. Kuhn und Stefanie Walter. 2022. Einführung in die Politikwissenschaft. Vol. 5. Dahl, Robert A. 1971. Polyarchy: Participation and opposition. Yale University Press. Schumpeter, JA. 1942. Capitalism, Socialism and Democracy,(UK 1943) 5th Edn (1976). London: George Allan and Unwin. Seite 34

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