Systemisch Denken & therapeutisch Handeln PDF

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Universität Kassel

Christoph Flückiger

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systematic thinking therapeutic action relationship modeling psychological treatment

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This document discusses the concepts of systematic thinking and therapeutic action. It explores various aspects of relationship modeling and work alliance in the context of psychological treatment. The focus is on the principles and practices related to therapy.

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Prof. Dr. Christoph Flückiger Kontexte verstehen Systemisch Denken & therapeutisch Handeln Letzte Woche: Fahrplan Systemisch-kontextuelle Aspekte der Beziehungsgestaltung - APA-Taskforce „Relationships that work: Allianz als basaler Faktor - Basale Techniken: Allparteilichkeit, Zirkularität Gru...

Prof. Dr. Christoph Flückiger Kontexte verstehen Systemisch Denken & therapeutisch Handeln Letzte Woche: Fahrplan Systemisch-kontextuelle Aspekte der Beziehungsgestaltung - APA-Taskforce „Relationships that work: Allianz als basaler Faktor - Basale Techniken: Allparteilichkeit, Zirkularität Grundprinzipien der Beziehungsgestaltung Arbeitsallianz Pantheoretisches Tripartite Model von Gelso (2014): - Arbeitsallianz (Alliance) - Übereinstimmung der Therapieziele (goals) - Übereinstimmung der Interventionen (tasks) Ressourcen- - Vertrauen (bond) orientierung & - Reale Beziehung (real relationship) professioneller Rahmen - Bedürfnisorientierung & Positivität - Sympathie & Gemeinsamkeiten - Attraktivität & Abgrenzung - Therapiebeziehung als Beziehungsschwierigkeit - Motivorientierte Beziehungsgestaltung - Funny games: Passiv-Aktiv Test / Übertragungstest / Spiele - Tears / Ruptures Grundprinzipien der Beziehungsgestaltung Arbeitsallianz Standard error Alliance – Post-assessment prediction r =.276 (CI:.25 -.30) Horvath et al. 2010/1 Flückiger et al., 2017/8 Epiphänomen? Resultate p <.001 p <.001 Horvath etetal.al., Flückiger 2010/1 2019 Flückiger, Rubel et al., 2020 Grundprinzipien der Beziehungsgestaltung Arbeitsallianz Pantheoretisches Tripartite Model von Gelso (2014): - Arbeitsallianz (Alliance) - Übereinstimmung der Therapieziele (goals) - Übereinstimmung der Interventionen (tasks) Ressourcen- - Vertrauen (bond) orientierung & - Reale Beziehung (real relationship) professioneller Rahmen - Bedürfnisorientierung & Positivität - Sympathie & Gemeinsamkeiten - Attraktivität & Abgrenzung - Therapiebeziehung als Beziehungsschwierigkeit - Motivorientierte Beziehungsgestaltung - Funny games: Passiv-Aktiv Test / Übertragungstest / Spiele - Tears / Ruptures Arbeitsallianz als basale schon fast arbeits- und organisationspsychologisch anmutendes kollaboratives, transtheoretisches Prinzip! Heute: Fahrplan Relative Wirksamkeit verstehen: - Das System randomisiert-kontrollierte Trials (RCTs) Schritt für Schritt verstehen - Meta-analytische Wirksamkeitsvergleiche Schritt für Schritt verstehen. Wirksamkeitsattribution: Logik medikamentöser Behandlungen - Bona fide Wampold, et al., 1997; Wampold, Imel & Flückiger, 2018 Heute: Fahrplan Relative Wirksamkeit verstehen: - Das System randomisiert-kontrollierte Trials (RCTs) Schritt für Schritt verstehen - Meta-analytische Wirksamkeitsvergleiche Schritt für Schritt verstehen. Grundherausforderung Reduktion eines Wirksamkeitsvergleichs auf eine simple (oder nicht so simple) Eff ektstärke: Definition: Absolute & relative Wirksamkeit Absolute Wirksamkeit: - Benchmarks (Prä-Post Untersuchungen in naturalistischen Settings) - Wirksamkeitsvergleich zu Wartelisten, treatment-as-usual, „aktive“ Kontrollgruppen (nicht Psychotherapie) Relative Wirksamkeit: - Vergleich zwischen Psychotherapien - Zwei Fragestellungen: 1) Unterscheiden sich die Psychotherapien allgemein? (H1a: Therapieende / H1b: Follow-ups) 2) Unterscheiden sich zwei oder mehrere spezifi sche Psychotherapien? (H2a: Therapieende / H2b: Follow-ups) Definition: Absolute & relative Wirksamkeit Absolute Wirksamkeit: - Benchmarks (Prä-Post Untersuchungen in naturalistischen Settings) - Wirksamkeitsvergleich zu Wartelisten, treatment-as-usual, „aktive“ Kontrollgruppen (nicht Psychotherapie) Relative Wirksamkeit: - Vergleich zwischen Psychotherapien - Zwei Fragestellungen: 1) Unterscheiden sich die Psychotherapien allgemein? (H1a: Therapieende / H1b: Follow-ups) 2) Unterscheiden sich zwei oder mehrere spezifi sche Psychotherapien? (H2a: Therapieende / H2b: Follow-ups)  Herausforderung: Was ist Psychotherapie und was nicht? (Lösung: Bona fi de Defi nition)  Herausforderung: Wie soll ein fairer RCT für legitime Psychotherapie gestaltet sein? RCT für relative Wirksamkeit Zwei Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Exemplarisches Beispiel: RCT für relative Wirksamkeit Zwei Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! - Randomisierung der beiden Psychotherapien bei „konstant halten“ des Kontexts Exemplarisches Beispiel: Grundherausforderung: Minimalanforderungen an RCT - Was ist eine “gute“ randomisiert, kontrollierte Wirksamkeitsvergleichsstudie für die Psychotherapie (randomized controlled trial, RCT)? RCT für relative Wirksamkeit Zwei Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! - Randomisierung der beiden Psychotherapien bei „konstant halten“ des Kontexts Schritte an einem exemplarischen Beispiel: 1) Forschungskontext gestalten 2) Trial-Design für die relative Wirksamkeit 3) Rekrutierung 4) Randomisierung und Verblindung 5) Assessmentplan & Outcome-Defi nition 6) Durchführung des Trials 7) Veröff entlichung 1. RCT: Forschungskontext gestalten - Zentralster Punkt: Menschen! - Infrastruktur: Institution, Räume, Finanzierung, Grant-Proposal - Psychosoziale Funktion: Finanzierung von unentgeltlichen Therapien - Ethik-Antrag: Medizinalprodukt – insgesamt mehr als 50 Seiten üblich! - Präregistrierung (kontra selektiven Datenbericht, z.B. Fragebogen) 1. RCT: Forschungskontext gestalten - Beispiel: Ethikantrag in der Medizin – Förderung von Erwartungseff ekten 2. RCT: Trial Design - relative Wirksamkeit Additives Design (Behandlung A vs. Behandlung A + zusätzlicher Baustein) Subtraktives Design (Behandlung A vs. Behandlung A - zusätzlicher Baustein) Wirksamkeitsvergleich (KVT vs. Psychodynamische Therapie bei Depression) Zentral: Vergleichbare Rahmenbedingungen - Anzahl Sitzungen - Anzahl Trainingsstunden - Anzahl Supervisionsstunden 3. RCT: Rekrutierung Wen? - Principal Investigators (PI) - Therapeut*innen - Forscher*innen-Team (wissenschaftliche Mitarbeiter*innen: Doktorand*innen / Postdocs) - Studien-Sekretariat - Supervisor*innen - Patient*innen Zentral: - Researcher-Allegiance: Ausgleich von Interessen z.B., Forscher*innen mit unterschiedlichen Hypothesen. - Therapist-Allegiance: Selektion von Therapeut*innen mit vergleichbaren Kompetenzen & Kontext (z.B. Anstellungsbedingungen) 4. RCT: Randomisierung & Verblindung Wen? - Patient*innen randomisiert, kaum verblindet (nur bei Implementierungs-Design mit identischem Manual und beispielsweise unterschiedlicher Supervision) - Therapeut*innen kaum randomisiert und nie verblindet - Crossed-Therapist Design (gleiche Therapeut*innen in den beiden Gruppen) 4. RCT: Randomisierung & Verblindung Wen? - Patient*innen randomisiert, kaum verblindet (nur bei Implementierungs-Design mit identischem Manual und beispielsweise unterschiedlicher Supervision) - Therapeut*innen kaum randomisiert und nie verblindet - Crossed-Therapist Design (gleiche Therapeut*innen in den beiden Gruppen) 4. RCT: Randomisierung & Verblindung 4. RCT: Randomisierung & Verblindung 5. RCT: Assessmentplan und Outcome 6. RCT: Durchführung – Missings/Dropouts 6. RCT: Durchführung 7. RCT: Veröffentlichung Häufi ge Fehler in den Manuskripten: - Fragestellungen formuliert? - Rekrutierung beschrieben? - Therapeut*innen, Training und Supervisoren beschrieben? - Vergleichbarer Kontext (Sitzungen, Training, Therapeut*innen) - Einschluss- & Ausschlusskriterien von Patient*nnen defi niert? Repräsentativität? - Präregistrierung? Selektiver Outcomereport? - Tendenziöse Zusammenfassung (selektives Herauspicken positiver Ergebnisse) - Tendenziöse Diskussion (einseitiges suchen nach Gründen warum Hypothese nicht eingetreten ist; z.B. zu wenig Training, allgemein zu wenig kompetente Therapeut*innen) RCT für relative Wirksamkeit Zwei Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! - Randomisierung der beiden Psychotherapien bei „konstant halten“ des Kontexts Schritte an einem exemplarischen Beispiel: 1) Forschungskontext gestalten 2) Trial-Design für die relative Wirksamkeit 3) Rekrutierung 4) Randomisierung und Verblindung 5) Assessmentplan & Outcome-Defi nition 6) Durchführung des Trials 7) Veröff entlichung Heute: Fahrplan Relative Wirksamkeit verstehen: - Das System randomisiert-kontrollierte Trials (RCTs) Schritt für Schritt verstehen - Meta-analytische Wirksamkeitsvergleiche Schritt für Schritt verstehen. Meta-Analysen für relative Wirksamkeit Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Schritte an einem exemplarischen Beispiel: 1) Transparente Fragestellung und daraus abgeleitete Einschluss- & Ausschlusskriterien 2) Transparente Suche der Studien 3) Transparente Kodierung der Informationen der Primärstudien (Deskriptive Daten, Eff ektstärken, Moderatoren) 4) Defi nition und Kodierung von Psychotherapie Kategorien 5) Heterogenität 6) Publikation Bias 1. Meta: Fragestellung, Ein- & Ausschluss Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! PICOS (Patient, Intervention, Comparison, Outcome, Study-design) Zentral: Transparente Defi nition was Psychotherapie ist Bona fi de criterion (Wampold, 1997): P) Patient*innen mit einer psychischen Störung (keine Präventionsprogramme) I) Psychotherapeut*in mit mind. Masterabschluss. Keine untherapeutischen Verbote sowie mindestens 2 der 4 folgenden Bedingungen a) Anerkannte Psychotherapie (Psychodyn. / KVT / Systemisch / Humanistisch b) Psychologisches Behandlungsrational (von Störung abgeleitete Intervention) c) Psychotherapie Manual d) Psychotherapeutische Komponente beschrieben C) Zwei oder mehr bona fi de Psychotherapien O) Alle berichteten Outcomes (kontra selektiver Outcome) S) RCT-Design haben gleiche Anzahl an Sitzungen, Training und Supervision 2. Meta: Transparente Suche der Studien Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Systematische Search (Datenbanken, Stichworte) Vorherige Meta-Analysen Literaturverzeichnis in Primärstudien Umgang mit Dissertationen und nicht publizierten Trials 3. Meta: Transparente Kodierung Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! 4-Augen-Prinzip Berechnung der Reliabilität / Übereinstimmung Eff ektstärken-Kodierung (Mittelwert A – Mittelwert B / gepoolte Standardabweichung) unabhängige der Kodierung der Studiencharakteristiken (z.B. Alkohol- & Sucht ausgeschlossen, Anteil ethnischer Minoritäten, Alter, Allegiance) 4. Meta: Psychotherapie-Kategorien Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Zentral: Eff ektstärken werden von beiden Bedingungen beeinfl usst (z.B., Psychotherapie der Wahl vs. „alternative Psychotherapie“) Klare Defi nition was Psychotherapie NICHT ist (oftmals als aktive Psychotherapie kodiert): - Psychoeducation where “instructors were asked, as best as they could, not to teach any skills in a way that may enhance mindfulness” (Wong et al., 2016, p. 69) - Discussion group where the leaders were instructed to “not teach skills or diff erentially reinforce coping strategies” (Wetherell et al., 2003, p. 33), - Nondirective therapy where “direct suggestions, advice or coping methods were prohibited” (Borkovec & Costello, 1993, p. 613) - 3 session contact control group to motivate patients “to wait for the start of the treatment” (Linden et al., 2005, p. 37) 5. Meta: Heterogenität – Funnel Plot Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! 4. Meta: Forest plot – div. Outcomes Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Grau: Streuung über verschiedene Outcomes hinweg Schwarz: Streuung auf Studienlevel 6. Meta: Publication bias Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Aktueller Wissensstand Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Studien: 277 Homogenitätstest: p >.42; variance <.0006 Max. Wirksamkeitsdifferenz: d =.21 (nicht spürbarer Effekt, Cuiipers, 2019) Bona fide Psychotherapien unterscheiden sich auch im direkten Kontrast wenig Kodierung von Applied Relaxation Zusammenfassung von RCT mit Psychotherapien und vergleichbarem Kontext! Manualisierte Therapie für generalisierte Angststörung (GAS; Bernstein & Borkovec, 1973) 1998: APA (Division 12): AR als Hauptbestandteil der Verhaltenstherapie gelistet 2005: Meta-Analyse (Mitte, 2005) AR als VT kodiert  Diskussion AR wirksam! 2013: Meta-Analyse (Hanrahan, 2013) AR als nicht-CT kodiert  AR weniger wirksam 2013: Experten Kommentar (mit Borkovec, 2013)  AR bleibt wirksam 2020: Meta-Analyse (Carl, 2020) AR mit TAU als control kodiert  AR kaum wirksam 2022: Meta-Analyse (Flückiger, 2022) bona fi de AR vs Psychotherapy  AR gelich wirksam Take home message - Relative Wirksamkeit bewegt sich in einem Feld mit starken berufspolitischen Interessen - Randomisiert kontrollierte Trials sind komplex – Unfaire Bedingungen (z.B., Sitzungszahl, Therapeut*innenselektion, Training und Supervision) können Eff ekte bewirken, die fälschlicherweise als Behandlungsunterschiede interpretiert werden. - Meta-Analysen sind nur so gut, wie transparent sie Psychotherapie defi nieren und kodieren. In „modernen“ Meta-Analysen werden verschiedenste Kontrollbedingungen miteinander bunt gemischt. Ein genauer Blick lohnt sich und ist klinisch relevant (z.B. AR bei GAS) Heute: Prüfungsrelevant Systemisch-kontextuelle Einordung von RCT & daraus abgeleiteten Meta-Analysen: - Zentrale Stolpersteine von RCTs kennen - Zentrale Stolpersteine von Meta-Analysen kennen Text: Flückiger, 2023 (APA-Handbook) - Buchkapitel zur relativen Wirksamkeit im Lehrbuch der American Psychological Association (APA) für angehende Psychotherapeut*innen Prof. Dr. Christoph Flückiger Kontexte verstehen Systemisch Denken & therapeutisch Handeln

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