Zusammenfassung: Sozialpsychologische Aspekte von Leistung und Motivation: Soziale Identität & Stereotype PDF

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Pädagogische Hochschule Heidelberg

2025

Dr. Maya Machunsky

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social identity social psychology academic performance motivation

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This document summarizes social identity and stereotypes as aspects of performance and motivation. The author, Dr. Maya Machunsky, presents lecture notes from a social psychology class, likely a postgraduate level course, at the Pädagogische Hochschule Heidelberg, on January 27th, 2025.

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Soziale Identität und Stereotype Sozialpsychologische Aspekte von Leistung und Motivation: Soziale Identität und Stereotype Zusammenfassung Mo 10-12 Uhr, 27.01.2025 Dr. Maya Machunsky...

Soziale Identität und Stereotype Sozialpsychologische Aspekte von Leistung und Motivation: Soziale Identität und Stereotype Zusammenfassung Mo 10-12 Uhr, 27.01.2025 Dr. Maya Machunsky 1 Soziale Identität und Stereotype Das Selbstkonzept Leistung Soziales Selbst Personales Selbst Wohl- befinden Das personale Selbst: Definiert über idiosynkratrische (Persönlichkeits-)eigenschaften, Einstellungen, Werten etc. Das soziale Selbst: Internalisierung sozialer Gruppen, sodass das Selbst wesentlich durch sie definiert wird Beide beeinflussen Leistung + Motivation + mentale Gesundheit 2 Soziale Identität und Stereotype Soziale Identität Erweiterungen des Selbst um die soziale Gruppe bzw. Eigengruppe (engl. ingroup): Die Theorie der sozialen Identität (engl. Social Identity Theory) (Tajfel, 1978; Turner, 1987) Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bzw. Kategorien (Selbstkategorisierung) und die Soziales Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgruppen beeinflussen das Selbst Selbstkonzept → Selbststereotypisierung (Zuschreibung der Eigenschaften der Eigengruppe zum Selbst) Selbststereotypisierung steigt mit sozialer Identifikation bzw. setzt Identifikation mit der Eigengruppe voraus (die soziale Kategorie ist mehr als ein „empty label“) Die typischen Eigenschaften der Eigengruppe variieren mit der salienten Fremdgruppe (z.B. Physikstudierende versus Studierende sozialer Arbeit) Je nach Kontext andere Zuschreibung salient (z.B. Physik-Studis vs Physik-Azubis: sozialer Ausatusch) Welche Ebene der Selbst- Kategorisierung und welche Fremdgruppe gerade salient ist, hängt von der Situation ab Personales → Selbstzuschreibungen (Selbststereotypisierung) sind also abhängig vom Grad der Selbst Identifikation mit der Eigengruppe und dem aktuellen und salienten (Intergruppen- )Kontext Quelle: Kessler & Fritsche, 2018 3 Soziale Identität und Stereotype Soziale Identität Erweiterungen des Selbst um die soziale Social categorization Soziale Gruppe bzw. Eigengruppe (engl. ingroup): Kategorisierung ist somit der Die Theorie der sozialen Identität (engl. erste Schritt zur Ausbildung Social Identity Theory) + Eigenschaften der sozialen Gruppe einer sozialen Identität Die Selbstkategorisierung hat vor allem dann Self categorization Folgen für Kognition und Verhalten (im Sinne von Selbst-Stereotypisierung), wenn Social identification man sich mit der entsprechenden sozialen Kategorie auch sozial identifiziert. Self stereotyping Variiert mit der Fremdgruppe bzw. dem Inter- gruppenkontext 4 Soziale Identität und Stereotype Selbstkategorisierungstheorie von Turner und Kollegen Die zur Charakterisierung einer Gruppe verwendeten Eigenschaften hängen von der Vergleichsgruppe ab Es werden die Eigenschaften zur Beschreibung verwendet, die die women men betrachteten Gruppen maximal Girls are greedy Boys are voneinander kontrastiert and loud talkative girls boys Age Dimension Girls are clever and hardworking | Boys are strong, brave and big Gender Dimension 5 Soziale Identität und Stereotype Soziale Identität bei Kindern und Jugendlichen Eine allgemeine (d.h. für alle Kinder gleiche oder ähnliche) Entwicklung der sozialen Identität konnte bisher nicht ausgemacht werden (siehe Bennett, 2011) Sicher ist, dass Kinder bereits im Säuglingsalter (0-1 Jahre) soziale Kategorien (Geschlecht, ethnische Kategorien) kennen bzw. unterscheiden können (Kategorisierung untersucht mittels Habituationstechniken bzw. –methoden, bei denen die Betrachtungszeit gemessen wird) Sich selbst einer Kategorie zuordnen (Selbstkategorisierung) bzw. die Ausbildung einer sozialen Identität erfolgt ab dem Kleinkind- bzw. Kindergartenalter (ab ca. 2,5 Jahre für Geschlecht, 3 Jahre für Ethnizität) Kontext bestimmt Entwicklung sozialer Identitäten -> k. allgemeine Entwicklung (z.B. In Israel + Palästina spielt Religion eine viel bedeutendere Rolle für die soziale Id) 6 Soziale Identität und Stereotype Soziale Identität Die Theorie der sozialen Identität (engl. Social Identity Theory) Eigengruppenfavorisierung bezeichnet die Bevorzugung der Eigengruppen gegenüber der Fremdgruppe bei der Verteilung von Ressourcen und der Zuschreibung von (positiven) Eigenschaften Minimalgruppenparadigma Eigengruppenfavorisierung findet auf Grundlage der sozialen Kategorisierung und der Identifikation mit der Eigengruppe statt Fremdgruppenabwertung (engl. Derogation) bezeichnet die explizit negative Behandlung oder Bewertung der Fremdgruppe Normalfall: Eigengruppenfavorisierung Fremdgruppenabwertung: ausgelöst durch Konflikt, etc Eigengruppenfavorisierung ist eine häufig zu beobachtende Konsequenz einer sozialen Identität; zu einer expliziten Abwertung der Fremdgruppe kommt es seltener 7 Soziale Identität und Stereotype Social Identity as a Resource Eigengruppenfavorisierung stellt die negative Konsequenz von sozialer Identifikation bzw. der Entwicklung einer sozialen Identität dar Aber nach Bennet (2011) (und vielen anderen Wissenschaftler:innen) hat die Identifikation mit der Eigengruppe auch positive Konsequenzen für das Wohlbefinden, den Selbstwert und die mentale Gesundheit (Mechanismen: Soziale Unterstützung (und andere, z.B. Selbstkonzeptsicherheit, Zugehörigkeitsgefühl etc.); siehe auch Studie von Schotte et al., 2018) Soziale Identität im größeren Kontext: Kinder und Jugendliche haben eine abnehmende Entscheidungsfreiheit über eigene Aktivitäten und soziale Kontakte; eingeschränkte Bewegungsradien. Dadurch nehmen sie nur noch wenig am kollektiven Leben (i.e., „collective life“) teil → Wenig Verständnis für gesellschaftliche Prozesse wie Obdachlosigkeit und soziale Ungleichheit. - Bestimmen Eltern die soziale Identität von Kindern dadurch mehr? -> nicht pauschalisieren? 8 Soziale Identität und Stereotype Paper Krawinkel et al., 2018 Welche positiven Folgen hat Akzeptanz? Ausbau sozialer Kompetenz, Identitätsentwicklung, bessere Schulleistungen, mehr schulische Motivation und Wohlbefinden Welche Theorie bildet den theoretischen Hintergrund? Soziale Identitätstheorie (Eigengruppenbevorzugung mit dem Ziel, die eigene soziale Identität zu stärken und den Selbstwert zu erhöhen) Wie gehen soziometrische Methoden vor? Nominierung von SuS, mit denen sie Aktivitäten (z.B. Wahl des/der Sitznachbar:in, Gruppenarbeit, spielen in der Pause etc.) ausüben möchten (Wahl) bzw. nicht ausüben möchten (Ablehnung) = soziometrischer Methoden Was ist ein Wahlstatus, was ist ein Ablehnungsstatus? Anteil erhaltener Wahlen an den möglichen Wahlen, Anteil erhaltener Ablehnungen an den möglichen Ablehnungen Operationalisierung von Eigengruppenfavorisierung in der Studie: Abgegebene Wahlen in die Eigengruppe relativ zu Gesamtgruppe relativiert an der Größe von Eigen- zur Gesamtgruppe (vereinfacht: Mehr Wahlen in die Eigengruppe als in die Fremdgruppe) Wenn ich mehr Leute aus Eigengruppe wählen 9 Soziale Identität und Stereotype Paper Krawinkel et al., 2018 Ergebnisse: 1. Türkischsprachige Kinder haben einen geringeren Wahlstatus und einen höheren Ablehnungsstatus als deutschsprachige Kinder. 2. Der Wahlstatus türkischsprachiger Kinder ist bei einem hohen Anteil türkischsprachiger Kinder in der Klasse höher. 3. Deutschsprachige und türkischsprachige Kinder haben in der Eigengruppe einen höheren Wahlstatus als in der Fremdgruppe. 4. Deutschsprachige Kinder nominieren bei soziometrischen Positivwahlen überproportional häufig die Eigengruppe (d.h., nur deutschsprachige Kinder zeigen Eigengruppenfavorisierung! Fremdgruppenabwertung (Negativwahlen) konnte nicht gefunden werden). Türkischsprachige Kinder ? 11 Soziale Identität und Stereotype Paper Schotte et al., 2018 Welcher „typische“ Befund wird als Ausgangssituation für das Forschungsvorhaben dargestellt (p. 16)? SuS mit Migrationshintergrund zeigen schlechtere Schulleistungen als ihre MitSuS ohne Migrationshintergrund (native-born); hinsichtlich Wohlbefinden und Selbstwert zeigen sich keine Unterschiede bzw. Unterschiede zugunsten der Migrant:innengruppe. Welche zwei Konstrukte stehen im Fokus der Forschungsarbeit? Sociocultural adaptation inklusive Schulleistung und psychological adaptation bestehend aus Lebenszufriedenheit und Selbstwert. Integration hypothesis: Identifikation mit beiden Kontexten wirkt sich positiv auf Leistung (Hypothese 1a) und psychologische Adaption (Hypothese 2a) aus. Plausible Gegenhypothese für Länder mit assimilativem Klima – Annahme differentieller Effekte: Mainstream Identifikation wirkt sich positiv auf Leistung aus (Hypothese 1b) und ethnische Identifikation wirkt sich positiv psychologische Adaption aus (Hypothese 2a). 1. Mainstream + ethn Ident > pos Auswirkung auf Leistung + Lebenszufriedenheit 2. Diversity climate: differentielle Effekte: das eine löst das eine aus, das andere das andere... 12 Soziale Identität und Stereotype Paper Schotte et al., 2018 - Ergebnisse 13 Soziale Identität und Stereotype Paper Schotte et al., 2018 - Ergebnisse SuS mit türk. Hintergrund: MI korreliert positiv mit Lesekompetenz in einem stand. Test EI korreliert positiv mit Lebenszufriedenheit Selbstwert SuS mit Hintergrund in der früheren Sowjetunion: MI korreliert positiv mit Mathekompetenz in einem stand. Test Deutsch- und Mathenoten Lebenszufriedenheit keine negativen Effekte von EI 14 Soziale Identität und Stereotype Paper Schotte et al., 2018 - Diskussion Studie deutet darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Identifikation und Adaption in Abhängigkeit des gesellschaftlichen Klimas variiert (dual identity vorteilhaft in diversity climate, differentielle Effekte in assimilative climate). Aber (!!!): Da die Studie nur in Deutschland und somit in einem assimilativen Klima durchgeführt wurde, kann dazu keine empirisch gesicherte Aussage getroffen werden. Autor:innen diskutieren ethnic identification als Puffer gegen Diskriminierungseffekte als Erklärung für den Zusammenhang zwischen ethnic identification und psychologischer Adaption. Identifikation hat keine negativen Effekte! 15 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Stereotype sind Charakteristiken, Eigenschaften und Verhaltensweise, die Mitgliedern sozialer Gruppen zugeschrieben werden Stereotype werden generalisiert angewendet, so dass die stereotypen Eigenschaften allen Mitgliedern einer Gruppe zugeschrieben werden Stereotype können Frauen sind sensibel = hysterisch Männer sind sensibel = Eigenschaft, die andere Männer nicht haben Positive und negative Eigenschaften beinhalten (Frauen sind fürsorglich, Frauen handeln irrational) Deskriptiv (Frauen sind fürsorglich) und präskriptiv (Frauen sollten fürsorglich sein) sein Stereotype sind häufig sozial geteilt und werden sozial erlernt 16 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Man unterscheidet Stereotype (mentale Repräsentation, bei der Eigenschaften mit sozialen Gruppen/Kategorien assoziiert sind) Vorurteile (die Verbindung von sozialen Gruppen/Kategorien und Valenz [i.e. positiv/negativ]) Diskriminierung (ungleiche Behandlung entlang sozialer Kategorien, d.h. man verhält sich zu Personen anders, je nachdem, welcher sozialen Kategorie eine Person angehört) Außerdem: Implizite von expliziten Vorurteilen und Stereotypen. Explizite Vorurteile und Stereotype sind bewusst aus dem Gedächtnis abrufbar, implizite nicht. Bei impliziten Vorurteilen und Stereotypen geht man davon aus, dass sie in einer automatischen Art und Weise unser Verhalten beeinflussen. Bei expliziten Stereotypen und Vorurteilen hat man (bei ausreichender kognitiver Kapazität) die Möglichkeit, sein Verhalten bewusst zu korrigieren (um sich z.B. sozial erwünscht zu verhalten). Annäherungs-vermeidend Unterschied: negative Stereotype vs. Vorurteile m negativer Valenz z.B. Frauen wechseln nachts eher Straßenseite wenn sie einem Mann begegnen als bei Frauen -> sobald dessen bewusst:: explizit 17 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Soziale Kategorisierung als erster Schritt zur Stereotypisierung (d.h. die „Anwendung“ der einer Gruppe zugeschriebenen Eigenschaften auf einzelne Mitglieder der Gruppe) Der „Nutzen“ von Stereotypen: Effiziente Informationsverarbeitung in einer Umwelt mit vielen Reizen (hohe kognitive Belastung), denn die Bildung (sozialer) Kategorien und der damit einhergehenden Eigenschaftszuschreibung reduziert die mentale Anstrengung bei der Informationsverarbeitung. Durch die automatische Aktivierung von Stereotypen können diese die Bewertung von SuS und das Verhalten der Lehrkräfte unbewusst beeinflussen Besondere Relevanz für Lehrkräfte: Gerade Lehrkräfte während der Unterrichtssituation sind einer hohen kognitiven Belastung ausgesetzt, so dass Stereotype das Urteil und Verhalten beeinflussen können 18 Soziale Identität und Stereotype Vorurteile Meta-Analyse von Raabe & Beelmann (2011): Die stärksten rassistischen oder nationalistischen Vorurteile werden im Alter von 5 – 7 Jahren beobachtet. Danach stellt der Kontakt zwischen Majoritäts- und Minoritätskindern einen wesentlichen Moderator dar Wenn wenig Kontakt mit Frendgruppen -> steigender Rassismus Quelle: Raabe & Beelmann (2011) 19 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Konsequenzen von Stereotypen in Lern- und Leistungssituationen Attributionsschemata Beispiel Ahmed, Mitglied einer Gruppe, die im Leistungsbereich Sprache stabil negativ stereotypisiert wird -> Keine Lösung 1. Attribution internal & unkontrollierbar (→ Fähigkeit) → Mitleid & kurzfristige Unterstützung, langfristig aber weniger Ressourcenbereitstellung von Seiten der Lehrkraft -> Ursachenzuschreibung 2. Attribution internal & kontrollierbar (→ Anstrengung) → Ärger & Bestrafung, geringe Ressourcenbereitstellung von Seiten der Lehrkraft Für Ahmed günstig wäre eine externale Attribution (strukturelle Diskriminierung im Bildungssystem) Achtung: In der Diskussion zum Text „Boys don‘t work“ haben wir das growth mindset diskutiert → um Anstrengungsbereitschaft (und Leistung) zu fördern, sollte Erfolg und Misserfolg internal kontrollierbar attribuiert werden. Laut Martiny und Fröhlich (2020) ist dieses Attributionsschema bei Ahmed (also im Falle von Mitgliedern sozial benachteiligter Gruppen) aber nicht günstig. 20 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Threat Konsequenzen von Stereotypen in Lern- und Leistungssituationen (S. 17 Martiny & Froehlich) - Stereotype-Threat: Ursprüngliche Untersuchungen beziehen sich auf afro-amerikanische Studierende in den USA, inzwischen liegen aber auch für stereotypisierte Gruppen in Deutschland (i.e., Mädchen und türkischstämmige SuS) entsprechende Untersuchungen vor (Beispiel: Studie von Herrmann und Vollmeyer (2016) für den mathematischen Bereich in der Grundschule). Wenn Mitglieder einer im Leistungsbereich negativ stereotypisierten Gruppe an ihre Gruppenmitgliedschaft erinnert werden (d.h., das Stereotyp aktiviert wird), dann schneiden sie in einem anschließenden Leistungstest schlechter ab (kurzfristiger Effekt). Faktoren, die zu der schlechteren Leistung führen: Ängstlichkeit, negative Gedanken und Gefühle, Konzentrationsschwierigkeiten bzw. reduzierte Arbeitsgedächtniskapazität (kurzfristiger Effekt). 21 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Threat Konsequenzen von Stereotypen in Lern- und Leistungssituationen (S. 17 Martiny & Froehlich) - Stereotype-Threat: Studie von Keller (2007): Vor einem Mathematiktest wurde die Hälfte der Schülerinnen an ihre negativ stereotypisierte Gruppenmitgliedschaft erinnert. Der Leistungsabfall war besonders stark unter den Schülerinnen, die sich stark mit der Domäne Mathematik identifizieren. Langfristige Folge von Sterotype Threat ist eine Reduzierung der Domänenidentifikation um die Bedrohung durch negative Stereotype abzuschwächen, was Auswirkungen auf die Motivation und Leistung hat 22 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Konsequenzen von Stereotypen in Lern- und Leistungssituationen Zugehörigkeitsgefühl: Die Qualität der wahrgenommenen sozialen Beziehungen verringert sich durch negative Stereotype. Dies führt zu reduzierter Leistungen und Motivation Domänenidentifikation: Identifikation mit dem akademischen Bereich (mit Schule an sich oder einzelnen Fächern). Diese wirkt sich positiv auf Anstrengungsbereitschaft, Leistung und Persistenz aus. Stereotype verringern die Domänenidentifikation Motivation und Interesse: Die negativen Stereotype bzgl. der mathematischen Fähigkeiten von Frauen verringern deren Interesse an Mathematik sowie die Motivation in diesem Bereich zu arbeiten (bereichsspezifische Geschlechtsstereotype → stereotypkonsistente Interessen) 23 Soziale Identität und Stereotype Stereotype Möglichkeiten den negativen Effekt von Stereotypen in Lern- und Leistungssituationen zu reduzieren Auf Seiten der Lehrkräfte: Motivation zu vorurteilsfreiem Verhalten reduziert automatische Aktivierung und erhöht die Kontrolle; Reflektion über Stereotype kann in entsprechenden Situationen kontrollierte Verarbeitungsprozesse in Gang setzen und die Konsequenzen automatischer Aktivierung stoppen Auf Seiten der SuS: Intergruppenkontakt Siehe auch Studie von Raabe und Beelmann (2011) Bedingungen unter denen Kontakt besonders positiv wirkt: Gleicher Status Gleiche Machtverteilung (z.B. SuS-SuS SuS-LK) Gleiche, gemeinsame Ziele und Kooperation (positive Interdependenz) Unterstützung von Autoritäten Gruppenpuzzle (nach Aronson et al., 1978), engl. Jigsaw Classroom (https://www.youtube.com/watch?v=euhtXUgBEts): Zielt auf den Abbau von Stereotypen und Vorurteilen mittels Kontakt und Kooperation zwischen Mitgliedern sozialer Gruppen 24 Soziale Identität und Stereotype Verringerung von Stereotype Threat Aktivierung von Stereotypen vermeiden: Keine Abfrage von demographischen Variablen und Vermeidung von gruppenbezogenen Äußerungen („Mädchen tun dies, Jungen tun das“) Aufklärung über die negativen Auswirkungen von Stereotype Threat (bietet den betroffenen SuS die Möglichkeit, entstehende Nervosität auf Stereotype Threat zu attribuieren) -> vorsichtig anwenden Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls – Studie von Walton und Cohen (2011): Die Social-Belonging-Intervention vermittelt, dass anfängliche Schwierigkeiten normal sind. Dadurch haben anfängliche Schwierigkeiten (z.B. bei der Interaktion mit Lehrenden oder Peers) keinen Einfluss auf das Zugehörigkeitsgefühl zur schulischen/akademischen Institution. Reduziert Minderleistungen um die Hälfte. Mechanismus: Erwartung (Antizipation) positiver Interaktionen. Negative Interaktionen werden nicht auf die (mit negativen Stereotypen behaftete) Gruppenmitgliedschaft attribuiert. Führt zu positiven Sozialbeziehungen und Aufrechterhaltung von Motivation und Leistung. 25 Soziale Identität und Stereotype Heyder & Kessels: Boys don’t work? Schüler strengen sich weniger an (weniger Schulvorbereitung, weniger Hausaufgabenzeit) und zeigen weniger gute Leistungen (schlechtere Noten, weniger Abschlüsse) als Schülerinnen. Es besteht ein konsistenter Zusammenhang zwischen Motivation, Anstrengungs(-bereitschaft) und Leistung, so dass die bessere Leistung von Mädchen u.a. auf deren Anstrengungsbereitschaft zurückgeführt werden kann. Zentrale Frage ist also: Warum strengen sich Schülerinnen mehr an als Schüler und zeigen somit stärkere Schulleistungen? 26 Soziale Identität und Stereotype Heyder & Kessels: Boys don’t work? Die Autorinnen vermuten, dass Jungen „psychologische“ Vorteile davon haben, wenn sie sich nicht anstrengen bzw. scheinbar ohne Anstrengung gute Leistungen erzielen. Ganz Allgemein: Geringe Anstrengung zu zeigen schafft eine win-win-Situation → Schlechte Leistung kann auf die mangelnde Anstrengung attribuiert werden, gute Leistungen hingegen können auf Intelligenz attribuiert werden („real genius“) -> sowohl für Mädchen als auch Jungs: immer pos Outcome Spezifische Vorteile von geringer Anstrengungsbereitschaft bei Jungen: Geringe Anstrengung wird als typisch „männlich“ wahrgenommen. Geschlechtstypikalität wird mit Popularität (höherer Peerstatus) und Selbstwert belohnt. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme (sowohl in der SuS-Stichprobe als auch in der Lehrkräfte- Stichprobe), dass geringe Anstrengungsbereitschaft als typisch männlich wahrgenommen wird. 27 Soziale Identität und Stereotype Désert et al., 2009 Stereotype Threat: Das Wissen um negative, leistungsbezogene Stereotype (Assoziationen zwischen der mentalen Repräsentation über eine soziale Gruppe und Eigenschaften) über die eigene Gruppe hat einen negativen Einfluss, wenn die Gruppenzugehörigkeit salient ist Mögliche Erklärungen für geringere Leistungen von SuS aus unteren sozialen Schichten: Kulturelle Reproduktion im Sinne Bourdieus Anlage im Sinne der Genetik Situationale Faktoren wie Stereotype-Aktivierung im Sinne des Stereotype-Threat-Phänomens Fragestellung: Sind Stereotype-Threat Effekte bereits bei Grundschulkindern hinsichtlich sozialer Herkunft zu zeigen? 28 Soziale Identität und Stereotype Abhängige Variable: Anzahl richtig gelöster Désert et al., 2009 Raven-Matrizen = IQ-Test Achtung: Die Threat-Condition ist die Threat Condition Standardinstruktion dieses standardisierten 40 Control Condition Leistungstests! In der Kontrollbedingungen n.s. handelte es sich vorgeblich um eine Pilotierung 35 * zur Altersangemessenheit der Aufgaben 30 Die Effekte waren gleichgroß in der 1. und in der 25 3. Klasse! 20 Das Design der Studie (Experiment) macht es möglich, genetische Faktoren oder kulturelle 15 Reproduktion als Ursache auszuschließen (mit der Low SES High SES üblichen statistischen Fehlerwahrscheinlichkeit) 29 Soziale Identität und Stereotype Person-Environment-Fit Wenn die Lernumwelt (soziale Andere, Belohnungsstrukturen, Erwartungen und Aufgaben) zu der Person (ihren Bedürfnissen, Zielen und Fähigkeiten) passt, dann steigt die intrinsische Motivation und der Lernerfolg → Das „Person-Environment-Fit“-Modell von Hannover und Zander (2020) nimmt an, dass eine gute Passung zwischen Selbstkonzept und Lernumgebung schulische Leistung positiv beeinflusst Um Passung herzustellen/zu erhöhen, werden primäre Kontrollprozesse eingesetzt Wenn primäre Kontrollprozesse nicht zu einer Erhöhung des Fit führen, dann kommt es zum Einsatz von sekundären Kontrollprozessen (ursprüngliche Ziele werden aufgegeben um Ressourcen zu sparen und erreichbarere Ziele zu verfolgen) Das personale Selbst mit seinen Interessen und Fähigkeiten/Kompetenzen steht im Zentrum der Fit-/Passungs-Prozesse Die Lernumgebung (Anforderungen, Erwartungen, Aufgaben etc. definiert durch Lehrkräfte, Erwartungen von Peers etc.) gibt vor, was passend ist bzw. aktiviert das soziale Selbst, das auf den Fit-/Passungsprozess einwirkt. Dadurch wirkt u.U. das soziale Selbst auf die primären Kontrollprozesse, was die Passung zur Lernumgebung ggf. verringert. D.h., dass das soziale Selbst zu einer dysfunktionalen (bzw. suboptimalen) Verwendung von Kontrollprozessen bzgl. schulischer Leistungen führt. Anmerkung: Die Dysfunktionalität bezieht sich hier auf Leistung, denn der Fit zwischen sozialem Selbst und sozialem Kontext (z.B. Peers) wird u.U. erhöht! 30 Soziale Identität und Stereotype Personal Selves Das Fähigkeitsselbstkonzept als eine Facette in Shavelson et al.s structural model of the self, das Einfluss auf akademische/schulische Leistung hat Der Zusammenhang zwischen Fähigkeitsselbstkonzept und Leistung ist reziprok, wobei der Einfluss von Leistung auf das Fähigkeitsselbstkonzept stärker ist als umgekehrt. 31 Soziale Identität und Stereotype Personal Selves Faktoren, die Einfluss auf das Fähigkeitsselbstkonzept nehmen: Vergleiche mit anderen (soziale Vergleiche), mit eigener früherer Leistung (temporale Vergleiche), zwischen verschiedenen Fähigkeitsdomänen (dimensionale Vergleiche) Big-Fish-Little-Pond Effekt: Je höher die durchschnittliche Leistung an einer Schule oder in einer Klasse, umso negativer das Fähigkeitsselbstkonzept Dimensionale Vergleiche: Dimensionale Vergleiche haben einen negativen Effekt auf die schwächere Domäne und einen positiven Effekt auf die stärkere Domäne (Internal/External Frame of Reference Theorie) Zusammenfassend: Das Fähigkeitsselbstkonzept wird positiv beeinflusst durch gute Leistungen und durch Vergleiche mit niedrigen Standards 32 Soziale Identität und Stereotype Social Selves Das Person-Environment-Fit Modell baut auf der Theorie der sozialen Identität auf Die Lernumgebung aktiviert bestimmte Aspekte des personalen oder sozialen Selbst Im Feld wird z.B. das genderbezogene soziale Selbst aktiviert, wenn der soziale Vergleich zwischen sozialen Gruppen besonders betont wird („Jungen können dies besser, Mädchen das.“) es klare Mehrheiten und Minderheiten zwischen den sozialen Gruppen gibt die SuS sich geschlechterstereotyp verhalten Lehrkräfte und Peers stereotype Überzeugungen äußern SuS ihr Geschlecht benennen müssen (bspw. auf einem Antwortbogen in einer Klausur) 33 Soziale Identität und Stereotype Social Selves Social Selves sind zentraler für Angehörige numerischer Minderheiten. Dann wird das soziale Selbst besonders salient (i.e. tritt hervor). Entsprechend ist das soziale Selbst zentraler für ethnische Minderheiten und beeinflusst stärker Motivation und Lernverhalten und -resultate der soziale Status (i.e. Position in einem System sozialer Rangordnungen) niedrig oder bedroht ist. Entsprechend ist das Geschlecht für Mädchen und Frauen eine relevantere soziale Kategorie als für Jungen und Männer 34 Soziale Identität und Stereotype Person-Environment-Fit (Modell nach Hannover & Zander) Lernende sind bestrebt einen Fit zwischen sich und der Lernumgebung herzustellen. Zur Erhöhung des Fits/der Passung nutzen sie Kontrollprozesse. Das soziale Selbst wirkt sich dabei auf die Nutzung der Kontrollprozesse aus. 35 Soziale Identität und Stereotype Person-Environment-Fit (Modell nach Hannover & Zander) Primary Control: 1. Projektion des Selbst 2. Auswahl aus verschiedenen Verhaltensoptionen 3. Wahl des Interaktionspartners 4. Priorisierung oder Wechsel zwischen verschiedenen Werten Secondary Control: Setzt ein, wenn zu viele Hindernisse auf dem Weg zum Ziel liegen oder die Zielerreichung zu viele Ressourcen binden würde bzw. zu hohe Kosten mit sich bringen würde. Besteht aus Coping-Strategien um das Scheitern zu bewältigen und der Veränderung des Ziels um Ressourcen (Motivation, Zeit, Anstrengung) zu sparen 36 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Mentale Projektion des Selbst Der Fit zwischen Selbst und Umwelt wird erhöht durch Projektion des Selbst in die Zukunft – possible selves auf das Wunsch-Selbst – ideal selves auf das Selbst, wie andere es sich wünschen – ought selves Aktivierte mentale Projektionen dienen als evaluative Standards und erhöhen die Leistungsmotivation und die Lernaktivitäten, so dass eine Zielerreichung (z.B. erfolgreicher Schulbesuch) wahrscheinlicher wird 37 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Mentale Projektion des Selbst Die sozialen Selbste beeinflussen die mentale Projektion auf possible, ideal und ought Selbste, so dass Schulfächer und beruflichen Aspirationen stereotypkompatibel sind. Gottfredsons Theorie: Berufswahl wird wesentlich durch Geschlechts- und Klassen-Stereotype mitbestimmt (Stereotypkompatibilität). Die durch Stereotype eingeschränkte mentale Projektion des Selbst (i.e., Berufe werden bereits im Kindesalter „aussortiert“, weil sie dem Stereotyp nach nicht zum eigenen Geschlecht oder der eigenen Klasse passen) führt zur Aufrechterhaltung der beruflichen Segregation nach Geschlecht und Klasse. Beispiel Christian Baron: Die soziale Herkunft beeinflusst die mentale Projektion des Selbst derart, dass kein possible selve im Falle eines Abiturs generiert werden kann, d.h. der mentale Kontrollprozess „mentale Projektion des Selbst“ wird durch das soziale Selbst stark beeinflusst. 38 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Mentale Projektion des Selbst Divergenzen zwischen sozialen Selbsten und possible, ideal und ought Selbsten haben negative Konsequenzen Studie von Debrosse et al. (2018 a, b): Ideal Social Ought personal self self personal self Depression, Angst, Hoffnungslosigkeit Stress Rückzug (academic disengagement) Besonders kritisch ist dieses Muster für SuS und Studierende, die sowohl stark mit ihrer Eigengruppe als auch mit der akademischen Domäne identifiziert sind 39 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Mentale Projektion des Selbst Personales Selbst Soziales Selbst Misfit soziales Selbst – Anforderungen Lernumgebung (im future, ideal oder ought self enthalten) Wirkung Gibt Ziele vor (entsprechend Schränkt die Projektion Zum ideal self: Depression/ persönlicher Interessen und durch Stereotype ein Hoffnungslosigkeit Kompetenzen) und dient als Zum ought self: Angst/Stress evaluativer Standard Outcome Wirkt motivierend, macht Ziele werden nicht academic disengament Zielerreichung entsprechend der wahrscheinlicher Interessen und Kompetenzen des personalen Selbst gewählt 40 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Wahl der Verhaltensoption Interesse und Motivation entstehen, wenn man eine Passung zwischen der Umwelt, seinem Verhalten und seinem Selbst erlebt. Interesse und die daraus entstehenden Aktivitäten werden dann als Ausdruck des „wahren Selbst“ verstanden. “Waterman assumes that people have, what he calls, a true self. Again, students' social selves can powerfully interfere with what activities and interests are perceived as congruent with the self. And, as we have described above, characteristics of the learning environment affect which aspects of the social self are activated.” → Wenn das soziale Selbst aktiviert ist, verhindert es u.U. die Wahl einer günstigen Verhaltensoption bzw. einer Verhaltensoption, die zum personalen Selbst passt. Stattdessen wählt man die Verhaltensoption, die zu dem sozialen Selbst passt. 41 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Wahl der Verhaltensoption Folgende Effekte von Geschlechtsstereotypen können daraus entstehen, dass SuS versuchen durch die Wahl von Verhaltensoptionen die Passung zwischen sich und der Lernumgebung zu erhöhen: Mädchen wählen eher Englisch als Mathe als Schulfach (und umgekehrt für Jungen) Jungen neigen dazu, keine schulische Anstrengung zu zeigen (Studie von Heyder & Kessels, 2017: Schüler, die „anstrengungslos“ gute Leistungen in der Schule zeigen (effortless achievers), werden als prototypischere Jungen wahrgenommen (im Vergleich zu Schülern, die sich anstrengen). Jungen nehmen keine Hilfe von Peers an. 42 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Wahl der Verhaltensoption Personales Selbst Soziales Selbst Misfit soziales Selbst- Verhaltensoption (und dessen sozialer Bedeutung) Wirkung Wahl von Schränkt die Wahl der Aufgabe ist zu schwer/nicht Verhaltensoptionen, die Verhaltensoptionen ein bedeutungsvoll für das Selbst Ausdruck des wahren Selbst sind Outcome Wirkt motivierend, fördert Es wird nicht entsprechend Reduziert Motivation Zielerreichung, schwere persönlicher Interessen, Aufgaben werden als Kompetenzen und Zielen wichtig und sinnvoll gewählt; langfristige Effekte interpretiert auf Leistung 43 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Wahl der Interaktionspartner SuS treten (idealerweise) mit den Peers in Interaktion, die ihre gegenwärtigen (schulischen) Ziele unterstützen und ihre Leistungen fördern → Fit wird erhöht! Somit stellen Peers eine wichtige Ressource zur Erreichung schulischer Ziele dar. Homophilie (häufigere Interaktionen zwischen ähnlichen SuS; hier explizit auf geteilte Gruppenmitgliedschaft, z.B. Geschlecht oder Ethnie, bezogen!) zeigt an, dass bei der Wahl der Peers das soziale Selbst aktiviert ist und man unabhängig von den schulischen Zielen Peers auswählt → dysfunktional/suboptimal (für Schulleistung!) Homophilie stärkt den Zusammenhang zwischen sozialem Selbst und der schulischen/akademischen Entwicklung 44 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Wahl der Interaktionspartner Personales Selbst Soziales Selbst Misfit sozialesSelbst- Interaktionspartner Wirkung Wahl von Schränkt die Wahl der /// Interaktionspartnern, die Interaktionspartner ein bei der Zielerreichung unterstützen können Outcome Fördert Zielerreichung Beeinflusst die schulische /// Entwicklung (Aufrechterhaltung von z.B. akademischer Geschlechtersegregation) 45 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Werte wechseln Der Wert bestimmter Aufgaben hängt davon ab, inwiefern sie Ausdruck des eigenen Selbst sind oder nützlich sind, um persönliche Ziele zu erreichen Der Wert der Aufgabe steigert Interesse, Leistung und Anstrengungsbereitschaft Um Passung zu erhöhen, wird der Wert von passenden Aspekten der Lernumgebung erhöht (und von weniger passenden Aspekten verringert) Einfluss des sozialen Selbst auf Werte → z.B. betonen Jungen den Wert männlich konnotierter Schulfächer, nachdem sie einen Text gelesen haben, in dem Jungen als schwach im Lesen dargestellt wurden 46 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse - Werte wechseln Selektiv bestimmte Werte zu betonen und andere herunterzustufen bringt psychologische Kosten mit sich: Wenn sich die Werte zwischen verschiedenen sozialen Identitäten widersprechen, kann das zu einer Verringerung des Selbstwerts führen Ebenso können Werte miteinander kollidieren: Angst vor Ablehnung durch Peers → Leistung (in Mathematik) wird nicht gezeigt 47 Soziale Identität und Stereotype Primäre Kontrollprozesse Werte wechseln Personales Selbst Soziales Selbst Divergierende Werte Wirkung Der Wert von Werte bzw. die Wertigkeit von Psychologische Kosten (z.B. Aufgaben/Anforderungen Aufgaben werden entsprechend niedriger Selbstwert) wird erhöht, wenn der Passung zum sozialen Selbst Angst vor sozialer Exklusion Ausdruck des wahren gesetzt Selbst oder nützlich zur Zielerreichung Outcome Steigert Interesse, Leistung Beeinflusst die schulische Leistung wird nicht gezeigt und Entwicklung (Aufrechterhaltung Selbstwert wird an Anstrengungsbereitschaft von z.B. akademischer Gruppenmitgliedschaft Geschlechtersegregation) festgemacht 48 Soziale Identität und Stereotype Sekundäre Kontrollprozesse Wenn primäre Kontrollprozesse nicht mehr wirken oder die Investition so hoch wären, dass andere Ziele dafür aufgegeben werden müssen, dann setzen sekundäre Kontrollprozesse ein Dadurch werden Ressourcen geschont und das Individuum hat die Möglichkeit erreichbarere Ziele zu verfolgen 49 Soziale Identität und Stereotype Sekundäre Kontrollprozesse Disidentifikation Bei kontinuierlichem Mangel an Passung wird die Domäne aufgegeben Beispiel: Stereotype Threat als Misfit zwischen dem sozialen Selbst eines/r Schülers/in und der Lernumgebung Längerfristige Folgen von Stereotype Threat (bei lang anhaltender Bedrohung durch negative Stereotype bzgl. des sozialen Selbsts): Abwahl von Fächern, Schulabsentismus Unmittelbare Folgen von Stereotype Threat: Bindung kognitiver Ressourcen (zusätzliche Belastung der Arbeitsgedächtniskapazität), Leistungsminderung Auch soziale Exklusion kann zur Disidentifikation mit dem akademischen Kontext führen: Fachliche Schwierigkeiten führen bei Studierenden, die negativ stereotypisierten Gruppen angehören, zu Bedenken hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zum akademischen Umfeld 50 Soziale Identität und Stereotype Sekundäre Kontrollprozesse Der Teufelskreis nach Okonofua et al. (2016) beschreibt eine durch stereotype Erwartungen entstehende Abwärtsspirale aus Reaktion und Gegenreaktion: 51 Soziale Identität und Stereotype Sekundäre Kontrollprozesse Reaktivität Schwerwiegende Bedrohungen der sozialen Identität führen zu einem Rückzug in ein Umfeld, in dem das Selbst geschätzt und bestätigt wird: Reaktive Identität Wahrgenommene Ablehnung durch die Aufnahmegesellschaft führt zu einer stärkeren Identifikation mit der Herkunftskultur und zur Ablehnung der Normen und Werte der Aufnahmekultur/-gesellschaft. Dies wurde von Berry als segregation acculturation strategy bezeichnet Eine weitere Möglichkeit mit der Geringschätzung durch die Fremdgruppe umzugehen, ist die Ersetzung der sozialen Identität durch eine oppositionelle Identität Bei (afro-amerikanische) Jungen konnte ein Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit des geschlechtsbezogenen bzw. ethnischen sozialen Selbst und der Entwicklung einer „anti-schulischen“ Identität beobachtet werden (bei afro- amerikanischen Mädchen hingegen nicht, was darauf hindeutet, dass das ethnische soziale Selbst von afro- amerikanischen Mädchen weniger inkongruent mit der Schulumwelt ist, als das von afro-amerikanischen Jungen) Zusammenfassend: Im Rahmen des sekundären Kontrollprozesses gewinnt die reaktive Identität (der Rückzug auf die soziale Identität) an Bedeutung bzw. wird eine oppositionelle Identität angenommen, die inkongruent mit den Anforderungen der Lernumgebung bzw. mit der Schulumwelt im Allgemeinen. 52 Soziale Identität und Stereotype Anmerkung Im Gegensatz zu Texten zu Beginn des Seminars beschreiben Hannover und Zander (2020) keine positiven Effekte sozialer Identität in Lehr-Lernkontexten. Die soziale Identität „interferriert“ mit dem personalen Selbst und seinen Interessen und Fähigkeiten und verhindert die zielführende Wahl von primären Kontrollprozessen. 53 Soziale Identität und Stereotype Beispielhafte Klausuraufgaben Welche Effekte der sozialen Identität auf den primären Kontrollprozess „Wahl der Verhaltensoptionen“ führen Zander und Hannover (2022) beispielhaft an (mehrere Nennungen sind möglich)? a. Schüler wählen eher Mathematik, Schülerinnen wählen eher ein Fach im sprachlichen Bereich. b. Schüler (im Vergleich zu Schülerinnen) nehmen seltener schulische Hilfe an, weil dieses Verhalten inkompatibel mit dem männlichen Geschlechtsstereotyp ist. c. Schüler, die „anstrengungslos“ gute Leistungen in der Schule zeigen (effortless achievers), werden als prototypischere Jungen wahrgenommen (im Vergleich zu Schülern, die sich anstrengen). d. Schülerinnen (im Vergleich zu Schülern) wählen Fächer nach ihren individuellen Stärken, weil gute Leistungen ihnen wichtiger sind als ihren männlichen Mitschülern. e. Schüler:innen aus sozial benachteiligten Gruppen (im Vergleich zu nicht benachteiligten Schüler:innen) wählen bevorzugt leichte und nicht schwere Aufgaben, so dass sie viele Lerngelegenheiten verpassen. 54 Soziale Identität und Stereotype Beispielhafte Klausuraufgaben Die Theorie der sozialen Identität (social identity theory) bzw. die Selbstkategorisierungstheorie (self categorization theory) nimmt an, dass … (mehrere Nennungen sind möglich) a. … Menschen grundsätzlich sozial sind und Identitäten somit sozial und nicht personal sind. b. … soziale Kategorisierung und die Zuordnung des Selbst zu einer sozialen Kategorie zu der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgruppe führt. c. … die Eigengruppe gegenüber der Fremdgruppe bevorzugt wird (z.B. bei der Zuschreibung positiver Eigenschaften oder der Verteilung von Ressourcen). d. … soziale Vergleiche immer mit der gleichen Fremdgruppen durchgeführt werden. e. … die Zuschreibung von Eigenschaften der sozialen Gruppe zum Selbst mit dem Kontext (d.h. der relevanten Vergleichsgruppe) variiert. 55 Soziale Identität und Stereotype Beispielhafte Klausuraufgaben Wenn der Lehrer Herr Meyer sagt „Susi hat leider wieder eine 5 in Mathe. Sie wird Algebra nie lernen – als Mädchen fehlt ihr einfach das Mathe-Gen“ dann attribuiert Herr Meyer Susis schulischen Misserfolg … a) Internal und unkontrollierbar b) Internal und kontrollierbar c) External und unkontrollierbar d) External und kontrollierbar e) Gar nicht – er nennt keine Ursache 56 Soziale Identität und Stereotype Beispielhafte Klausuraufgaben Stimmt/stimmt nicht 1. Entsprechend des Person-Environment-Fit-Modells von Hannover und Zander (2020) stellt die Bevorzugung der eigenen Geschlechtsgruppe oder ethnischen Gruppe bei der Wahl von Interaktionspartnern in der Schule eine, bezogen auf Schulleistungen, nicht-optimale Nutzung von primären Kontrollstrategien dar. 2. Als Stereotyp bezeichnet man die Zuschreibung von Eigenschaften und Verhaltensweisen zu sozialen Gruppen. 3. Folgende Fallbeschreibung stellt ein Beispiel für den Einfluss des sozialen Selbst auf den primären Kontrollprozess „Mentale Projektion des Selbst“ dar: Klaus, dessen Eltern beide ohne Abschluss die Schule verlassen haben, wechselt trotz guter Noten in der Grundschule, zur 5. Klasse nicht aufs Gymnasium, weil er sich nicht vorstellen kann, welchen Beruf man mit einem Abitur ausüben könnte, der zu ihm passt. 57 Soziale Identität und Stereotype Seminarreflexion Was mir gefallen hat …. Was ich mitgenommen habe … Was ich mir noch gewünscht hätte…. Was mir nicht so gut gefallen hat… 58

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