Pädagogische Psychologie I - Metakognition, Lernstrategien und selbstreguliertes Lernen PDF
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Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Prof. Dr. Jan Lenhart
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This document is a lecture on pedagogical psychology about metacognition, learning strategies, and self-regulated learning. The lecture notes cover topics like declarative and procedural metacognition, learning strategies, and self-regulated learning processes.
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Vorlesung Pädagogische Psychologie I Metakognition und Lernstrategien Prof. Dr. Jan Lenhart Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie Otto-Friedrich-Universität Bamberg Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 1 Inhalt 1. Metakognition 1. Was ist Metakognition? 2. Metakognition und Leistung 2. Lernstrategien 1. Was sind Lernstrategien? 2. Kognitive Strategien 3. Metakognitive Strategien 4. Stützstrategien des externen Ressourcenmanagements 5. Erwerb und Nutzung von Lernstrategien 3. Selbstreguliertes Lernen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 2 1. Metakognition 1. Was ist Metakognition? Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 3 Was ist Metakognition? Metakognition = jegliches Wissen und jegliche Aktivität, welches die eigenen kognitiven Prozesse zum Gegenstand hat oder diese reguliert (nach Flavell et al., 2002) Grundlegende Unterscheidung (z.B. Flavell & Wellman, 1977) zwischen Deklarativer Komponente (deklaratives Wissen) Prozeduraler Komponente (prozedurales Wissen bzw. Überwachung und Kontrolle/Regulation) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 4 Deklarative Metakognition Verbalisierbares Wissen über die während des Lernens, Verstehens und Erinnerns ablaufenden Prozesse und ihre Voraussetzungen Lernrelevantes Wissen über Personen (sich selbst eingeschlossen), Aufgaben oder Strategien (Flavell, 1971), z.B. Person: Haarfarbe von Personen hat keinen Einfluss auf das Lernen. Aufgabe: Es ist schwieriger sich zehn Begriffe zu merken als fünf. Strategie: Informationen zu organisieren, erleichtert das Lernen der Informationen. Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 5 Deklarative Metakognition Die Mehrheit der Kinder weiß (Auswahl)… gegen Ende der Kindergartenzeit, dass erhöhte Anstrengung zu besseren Gedächtnisleistungen führt Merkmale wie Kleidung, Haarfarbe oder Körpergewicht unerheblich sind für die Gedächtnisleistung zu Beginn der Grundschulzeit, dass das Herstellen eines inhaltlichen Zusammenhanges zwischen Begriffen zu besserer Erinnerungsleistung führt mechanisch gelernte Informationen (z. B. Telefonnummern) schnell vergessen werden gegen Ende der Grundschulzeit, dass nach Oberbegriffen kategorisierbare Begriffe leichter zu lernen sind als nicht kategorisierbare Begriffe Wiederholungs- u. Organisationsstrategien hilfreich sind nach Lockl und Schneider (2007, S. 258) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 6 Prozedurale Metakognition Überwachung und Kontrolle/Regulation von Lernprozessen, z.B. Überwachung: Ich merke, dass ich nichts von der eben gelesenen Seite mehr weiß. Regulation: Ich verwende mehr Lernzeit auf die schwierigen als auf die leichten Aufgaben. Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 7 Prozedurale Metakognition Metagedächtnis-Modell von Nelson und Narens (1990, 1994) (1990, S. 129) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 8 Prozedurale Metakognition Nach Schneider (2010) Ease-of-Learning (EOL) Deutliche Überschätzung bei Kindergartenkindern Zunehmende Genauigkeit vom Kindes- ins Jugendalter Auch motivationale Faktoren (u.a. Wunschdenken, Glaube an den Effekt von Anstrengung) als Erklärung für die Urteile im Kindergartenalter Judgment of Knowing/Learning (JOL) Verzögerte Urteile bereits im Kindergartenalter ziemlich akkurat Geringe Verbesserungen vom Kindes- ins Jugendalter Aus Schneider et al. (2000, S. 127) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 9 Prozedurale Metakognition Nach Schneider (2010) Allocation of Study Time Zunehmende Verbesserung vom Kindes- ins Jugendalter Aus Lockl und Schneider (2007, S. 261) Insgesamt: Zunehmend engere (bidirektionale) Verzahnung von Regulations- und Kontrollprozessen mit dem Alter Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 10 1. Metakognition 2. Metakognition und Leistung Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 11 Metakognition und Leistung Mittlere querschnittliche Korrelation (etwa im Bereich r =.3 bis.4) zwischen Metakognition und Leistung (z.B. Meta-Analysen von Ohtani & Hisasaka, 2018; Muncer et al., 2022; Xie et al., 2014) Inkrementeller Effekt auf Leistung auch bei Kontrolle der Intelligenz (Ohtani & Hisasaka, 2018) Gegenseitige Beeinflussung von Metakognition und Leistung (He et al., 2024) He et al. (2014, S. 20) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 12 Metakognition und Leistung Effekt von Metakognition teilweise indirekt bzw. vermittelt über den Einsatz geeigneter Strategien z.B. Schneider et al. (1998): Erinnerungsleistung für nach Kategorien sortierbare Items bei Kindern der 3. und 4. Klassenstufe Aus Lockl und Schneider (2007, S. 263) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 13 2. Lernstrategien 1. Was sind Lernstrategien? Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 14 Was sind Lernstrategien? Lernstrategien = „Prozesse bzw. Aktivitäten, die auf ein Lern- oder Behaltensziel ausgerichtet sind und die über die obligatorischen Vorgänge bei der Bearbeitung einer Lernanforderung hinausgehen.“ (Hasselhorn & Gold, 2022, S. 89) Zusätzliche Eigenschaften, die aber nicht alle auftreten müssen: Intentional Bewusst Spontan Selektiv Kontrolliert Kapazitätsbelastend Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 15 Taxonomien von Lernstrategien Taxonomie nach Weinstein und Mayer (1986) Mnemotechniken kognitiv Organisation Elaboration Planung meta- Strategie Überwachung kognitiv Regulation „Stützstrategien“ des externen ressourcen- Ressourcenmanagements: orientiert Optimierung der Lernumgebung Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 16 2. Lernstrategien 2. Kognitive Strategien Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 17 Mnemotechniken Mnemotechniken („Mnemonische Strategien “) = Merktechniken, Techniken zur Einprägung von Lernmaterial, zu dem Lerner/innen kein einschlägiges Vorwissen aktivieren können. Prinzipien: künstliche Assoziation abstrakter, isolierte Fakten oder Begriffe mit bereits vorhandenen, gut strukturierten und gut abrufbaren Wissensstrukturen duale Kodierung: Unterstützung verbaler Kodierung durch bildliche Vorstellungen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 18 Mnemotechniken Hauptanwendungsgebiete: Auswendiglernen isolierter Fakten, Begriffe, Vokabeln … Beispiele: Einfaches Wiederholen Methode der loci Eselsbrücken Bildliche Vorstellungen Schlüsselwortmethode Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 19 Beispiel Schlüsselwortmethode Schlüsselwortmethode (Atkinson & Raugh, 1975) Anwendung z.B. beim Vokabellernen Vorgehen: 1. Assoziation mit einem ähnlich klingenden Wort aus der Muttersprache (z.B. engl. bean – „Biene“) → akustische Brücke 2. Erzeugung einer bildlichen Vorstellung, zur Assoziation der eigentlichen Wortbedeutung und des assoziierten Worts (z.B. die Vorstellung einer Biene auf einer Bohne) → bildliche Brücke Effektivität empirisch belegt: Amerikanische Studierende konnten nach Lernen mit der Schlüsselwortmethode im Mittel 75% von 120 russischen Vokabeln reproduzieren, gegenüber nur 42% in der Kontrollgruppe. Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 20 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 21 Organisationsstrategien Strukturierende Strategien (Organisationsstrategien) = Kognitive Strategien, die auf eine sinnvolle Strukturierung und Organisation des Lernmaterials ausgerichtet sind. Prinzipien: Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem (Informationsreduktion) Schaffung effizienter Lern- und Abrufstrukturen (chunking) Identifikation der zentralen Konzepte und ihrer Beziehungen (Makrostruktur) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 22 Organisationsstrategien Hauptanwendungsgebiet: Lernen mit komplexen Lernmaterialien, z.B. Texten Beispiele: Überblick verschaffen anhand von Überschriften, Inhaltsverzeichnissen etc. Unterstreichen und Markieren Exzerpieren und Stichworte erstellen Netzwerktechniken/Mappingtechniken (mind maps) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 23 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 24 Elaborationsstrategien Generative Strategien (Elaborationsstrategien) = kognitive Strategien, die auf eine Anreicherung und Verknüpfung von Informationen mit einschlägigem inhaltlichen Vorwissen ausgerichtet sind. Prinzipien: Wissensgestützte Interpretation des Lernmaterials Ergänzung von explizit genannten Informationen um weitere Informationen (vorwissensgestützte Inferenzen) Vorwissensbasierte Verknüpfung von Textinformationen (lokale und globale Kohärenzbildung) Verknüpfung neuer Informationen mit bereits vorhandenem Wissen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 25 Elaborationsstrategien Hauptanwendungsgebiet: Lernen mit komplexen Lernmaterialien, z.B. Texten Beispiele: Sich vor dem Lesen fragen, was man schon über ein Thema weiß eigene Beispiele ausdenken beim Lernen innehalten und einen Text (Geschichte, Sachtext) „weiterdenken“ Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 26 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 27 2. Lernstrategien 3. Metakognitive Strategien Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 28 Planen Planen = Metakognitive Lernstrategien, die der Festlegung von (Teil-)Zielen und Mitteln der Zielerreichung dienen. Zeitpunkt der Anwendung: vor Beginn des eigentlichen Lernprozesses Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 29 Planen Leitfragen Welches allgemeine Lernziel verfolge ich? z.B. Antwort auf bestimmte Fragen finden, Fakteninformationen auswendig lernen, ein grundlegendes Verständnis erreichen, Inhalte in eigenen Worten wiedergeben können In welche Teilziele lässt sich das allgemeine Lernziel zerlegen? z.B. mögliche Teilziele für „grundlegendes Verständnis erreichen“: zentrale Begriffe kennenlernen, Zusammenhänge verstehen, mit eigenem Vorwissen verbinden Mit welchen Mitteln kann ich die gesetzten (Teil-)Ziele möglichst optimal erreichen? z.B. konkrete elaborative Strategien, Organisationsstrategien, … Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 30 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 31 Überwachen Überwachens (und Bewerten) = Metakognitive Lernstrategien zur Überwachung der Zielerreichung während des Lernens (Einschätzung der Ist-Soll-Diskrepanz) Zeitpunkt der Anwendung: während und nach dem eigentlichen Lernen Leitfragen Komme ich meinem Lernziel näher? Ist das, was ich gerade lese, für mein Lernziel relevant? Habe ich das Gelesene verstanden? Habe ich mir die lernzielrelevanten Informationen gemerkt? Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 32 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 33 Regulation Regulation = Metakognitive Strategien zur Änderungen im Lernprozess aufgrund der Feststellung von Ist-Soll- Diskrepanzen zwischen Lernziel und Lernfortschritten Zeitpunkt der Anwendung: während des Lernens Bestandteile: Erneute Planung des Lernprozesses (Änderung von [Teil-] Zielen) Gezielte Anwendung von kognitiven Lernstrategien zur Behebung von Ist-Soll-Diskrepanzen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 34 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 35 2. Lernstrategien 4. Stützstrategien des externen Ressourcenmanagements Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 36 Stützstrategien Stützstrategien des externen Ressourcenmanagements = Strategien, die auf die möglichst effiziente Organisation externer Lernressourcen ausgerichtet sind („Studying Strategies“). Beispiele: Gestaltung des Lernplatzes, z.B. ruhige und ablenkungsfreie Umgebung unterstützende Lernmittel (Notizzettel, Stifte, Karteikarten, …) Nutzung von Informationsressourcen, z.B. Bibliothek Internetressourcen Bildung von Lern- und Arbeitsgruppen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 37 Stützstrategien Erweiterung zu ressourcenbezogenen/ressourcenorientierten Strategien (externe und interne Ressourcen), z.B. LIST- Fragebogen von Wild und Schiefele (1994) Externe Ressourcen Lernen mit Studienkollegen Literatur zur Hilfe nehmen Gestaltung der Lernumgebung Interne Ressourcen Konzentration Anstrengung Zeitmanagement Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 38 Lernstrategien im Studium (LIST) Fragebogen Aus Wild und Schiefele (1994) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 39 2. Lernstrategien 5. Erwerb und Nutzung von Lernstrategien Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 40 Erwerb und Nutzung Differenziertes Repertoire komplexer kognitiver und metakognitiver Strategien erst im Alter von 15-16 Jahren ausgebildet (Baumert & Köller, 1996) Einfache Mnemostrategien (z.B. Wiederholen bzw. Rehearsal) werden auch schon von jüngeren Kindern spontan eingesetzt. Warum sind im Unterricht vermittelte (prinzipiell wirksame) Lernstrategien nicht immer lernwirksam? Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 41 Erwerb und Nutzung Mögliche Ursachen: Mediationsdefizit: (jüngeren) Kindern fehlen (meta-)kognitive Voraussetzungen, um von einem Modell demonstrierte Strategie anzuwenden. Produktionsdefizit: Personen haben die Strategie prinzipiell erworben, wenden sie aber (spontan) nicht an. wahrscheinliche Ursache: Fehlende Metakognitive Einsicht in die Nützlichkeit der Strategie und/oder deren Einsatzmöglichkeiten Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 42 Erwerb und Nutzung Mögliche Ursachen: Nutzungsdefizit: Personen wenden Strategie an, sie verbraucht aber so viele kognitive Ressourcen, dass sie zunächst nicht zu höherem Lernerfolg führt (Miller & Seier, 1994) Problem vor allem bei komplexen Lernstrategien (z.B. Kron-Sperl et al. 2008) Aus Hasselhorn und Gold (2022, S. 97) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 43 Beispiel: Lernstrategietraining „Wir werden Textdetektive“ (Gold et al. 2004): Vermittlung und Einübung von 7 kognitiven/metakognitiven Strategien Zielgruppe: 5.-6. Klassen an Gymnasien und Gesamtschulen Wirksamkeit empirisch belegt Mittlere Effekte auf das Strategiewissen Kleine Effekte auf das Textversehen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 44 Beispiel: Lernstrategietraining Kognitive Strategien: Elaborationsstrategien Überschrift beachten und Bildlich vorstellen Organisationsstrategien Wichtiges unterstreichen und Wichtiges zusammenfassen Metakognitive Strategien: Verstehen überprüfen Behalten überprüfen Umgang mit Textschwierigkeiten Motivationale/kognitive Selbstregulation Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 45 Wirksamkeit von Lernstrategietrainings Mittlere bis hohe Effektstärke von Lernstrategietrainings auf die (Lern- )Leistung empirisch nachgewiesen (z.B. Meta-Analysen von de Boer et al., 2018; Donker et al., 2014; Hattie et al., 1996) Aus Donker et al. (2014, S. 9) Hinweis: Trainierte Strategien sind vom Alter abhängig I.d.R. höhere Effektivität bei zusätzlicher Vermittlung metakognitiven Wissens und bei Einschluss motivationaler Aspekte Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 46 3. Selbstreguliertes Lernen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 47 Selbstreguliertes Lernen Alternative Bezeichnungen: selbstgesteuertes Lernen, selbstbestimmtes Lernen, selbstorganisiertes Lernen oder autonomes Lernen „Das vom/von der Lernenden aktiv initiierte Vorgehen, das eigene Lernverhalten unter Einsatz von verschiedenen Strategien zu steuern und zu regulieren.“ (Perels et al., 2020, S. 46) Drei Komponenten (nach Perels et al., 2020) Kognitive Komponente: u.a. Informationsverarbeitung, kognitive Lernstrategien Metakognitive Komponente: u.a. Planung, Überwachung und Regulation Motivational-volitionale Komponente: u.a. Initiieren und Aufrechterhalten des Lernens, Selbstwirksamkeit, handlungsfördernde Attributionen Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 48 Prozessmodell der Selbstregulation von Schmitz et al. (2007) Aus Perels et al. (2020, S. 48) Präaktionale Phase: Motivationale Prozesse (Setzung von Lernzielen), metakognitive Planung des Lernprozesses; (implizite) Entscheidung, ob und in welchem Ausmaß Selbstregulation erforderlich ist („Filter“) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 49 Prozessmodell der Selbstregulation von Schmitz et al. (2007) Aus Perels et al. (2020, S. 48) Aktionale Phase: Einsatz von Lernstrategien, Überwachung des Lernfortschritts, volitionale Prozesse (Regulation von Anstrengung und Konzentration, Abschirmung gegen konkurrierenden Handlungstendenzen) Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 50 Prozessmodell der Selbstregulation von Schmitz et al. (2007) Aus Perels et al. (2020, S. 48) Postaktionale Phase: Bewertung von Lernergebnissen, emotionale Reaktionen, Attributionsprozesse; Auswirkung auf motivationale Prozesse und metakognitive Planung nachfolgender Lernaktivitäten Vorlesung Pädagogische Psychologie I | Prof. Dr. Jan Lenhart | Juniorprofessur für Pädagogische Psychologie 51 Grundlagenliteratur Hasselhorn, M. & Gold, A. (2022). Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren (5., überb. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer. [Kap. 2.3] Lockl, K. & Schneider, W. (2007). Entwicklung von Metakognition. In M. Hasselhorn & W. 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Long-term effects of metacognitive strategy instruction on student academic performance: A meta-analysis. Educational Research Review, 24, 98-115. Donker, A. S., De Boer, H., Kostons, D., Van Ewijk, C. D., & van der Werf, M. P. (2014). Effectiveness of learning strategy instruction on academic performance: A meta-analysis. Educational Research Review, 11, 1-26. Flavell, J. H. (1971). First discussant's comments: What is memory development the development of? Human Development, 14, 272-278. Flavell, J. H. (1979). Metacognition and cognitive monitoring. A new area of cognitive-developmental inquiry. American Psychologist, 34, 906-911. Flavell, J. H., Miller, P. H., & Miller, S. A. (2002). Cognitive development. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall. Flavell, J.H., & Wellman, H.M. (1977). Metamemory. In R. Kail & W. Hagen (Eds.), Perspectives on the development of memory and cognition (pp. 3-31). Hillsdale, NJ: Erlbaum. 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Metacognition and memory development in childhood and adolescence. In H. Salatas Waters & W. Schneider (Eds.), Metacognition, strategy use, and instruction (pp. ). New York: Guilford Press. Schneider, W., Schlagmüller, M., & Visé, M. (1998). The impact of metamemory and domain-specific knowledge on memory performance. European Journal of Psychology of Education, 13(1), 91-103. Schneider, W., Visé, M., Lockl, K., & Nelson, T. O. (2000). Developmental trends in children's memory monitoring: Evidence from a judgment-of-learning task. Cognitive Development, 15(2), 115-134. Weinstein, C.E. & Mayer, R.E. (1986). The teaching of learning strategies. In M.C. Wittrock (Ed.), Handbook of research on teaching (pp. 315-327). New York: MacMillan. Wild, K. P., & Schiefele, U. (1994). Lernstrategien im Studium: Ergebnisse zur Faktorenstruktur und Reliabilität eines neuen Fragebogens. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 15, 185-200. Xie, Y., Zeng, F., & Yang, Y. (2024). 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