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Questions and Answers
Welche Rolle spielte Wilhelm Griesinger in der Entwicklung der Psychiatrie?
Welche Rolle spielte Wilhelm Griesinger in der Entwicklung der Psychiatrie?
Er war der Direktor an der Berliner Charité und integrierte die theoretischen und praktischen Grundlagen der Psychiatrie.
Was sind die zwei Annahmen von Wilhelm Griesinger über psychische Krankheiten?
Was sind die zwei Annahmen von Wilhelm Griesinger über psychische Krankheiten?
Annahme 1: Psychische Krankheiten sind Erkrankungen des Gehirns. Annahme 2: Psychische Prozesse sind nicht aus der Organisation des Gehirns zu verstehen.
Wie beschreibt Griesinger die Beziehung zwischen psychischen Symptomen und somatischen Korrelaten?
Wie beschreibt Griesinger die Beziehung zwischen psychischen Symptomen und somatischen Korrelaten?
Psychische Symptome besitzen stets somatische Korrelate, ohne mit diesen identisch zu sein.
Welche Grundformen psychischer Störungen identifizierte Griesinger?
Welche Grundformen psychischer Störungen identifizierte Griesinger?
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Was bedeutet die Aussage, dass die Seele sich auf organischer Grundlage herausbildet?
Was bedeutet die Aussage, dass die Seele sich auf organischer Grundlage herausbildet?
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Was war die Bedeutung von 'Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten' (1845)?
Was war die Bedeutung von 'Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten' (1845)?
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Wie positionierte sich Griesinger zur Naturwissenschaft in Bezug auf die Psychiatrie?
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In welchem Jahr wurde Griesinger Direktor an der Berliner Charité?
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Was wurde als Ursprung der progressiven Paralyse identifiziert?
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Wie erklärte die Degenerationslehre von Bénédict Morel psychische Störungen?
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Was sieht Hippokrates als die natürliche Ursache für Epilepsie?
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Welche neuen Erkenntnisse brachte Carl Wernicke bezüglich der Sprachstörungen?
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Wie erklärt Hippokrates das Ungleichgewicht im Körper?
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Was bedeutet der Begriff 'Entartung' im Kontext der rassenhygienischen Ideologien des 20. Jahrhunderts?
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Was ist die Grundannahme der Humoralpathologie?
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Wie wurde die Beziehung zwischen sozioökonomischen Bedingungen und psychischen Krankheiten in der Forschung des 19. Jahrhunderts betrachtet?
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Nenne die vier Körpersäfte, die in der Humoralpathologie beschrieben werden.
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Was zeichnet einen Melancholiker laut der Temperamentenlehre aus?
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Wie definiert Hippokrates Gesundheit?
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Wie wird ein Sanguiniker charakterisiert?
Wie wird ein Sanguiniker charakterisiert?
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Was rät Celusus im Umgang mit kranken Menschen?
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Was sind die Eigenschaften eines Cholerikers?
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Was sind die Merkmal eines Phlegmatikern?
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Welche zwei wichtigen Wegbereiter der modernen Psychiatrie werden erwähnt und was waren ihre Hauptbeiträge?
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Was war die Innovation, die Pinel in der Pariser Sammelanstalt Bicêtre einführte?
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Wie beschrieb Tuke die Umgebung in seiner Einrichtung in York?
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Was bedeutet der Begriff ‚Moral Treatment‘, den Tuke und Pinel verwendeten?
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Was war Johann Christian Reils Hauptbeitrag zur Psychiatrie?
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Welche Art von Behandlungen propagierte Reil für Patienten?
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Wie beurteilte Reil die Versorgung von psychisch Kranken in Tollhäusern?
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Was war das Ziel von Tukes Ansatz zur Behandlung seiner Patienten?
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Nenne eine Methode, die Pinel anwandte, um die Krankheitseinsicht seiner Patienten zu fördern.
Nenne eine Methode, die Pinel anwandte, um die Krankheitseinsicht seiner Patienten zu fördern.
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In welchem Jahr übernahm Pinel die Leitung der Einrichtung Bicêtre?
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Wie viele Todesopfer wurden durch die Hexenverfolgung schätzungsweise verursacht?
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Welche Ansicht vertrat Johann Weyer bezüglich der angeblichen Hexen?
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Was ist der heutige Forschungsstand über die Opfer der Hexenverfolgung?
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Nenne eine Kritik von Paracelsus an der Humoralpathologie.
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Welche fünf Störungen unterschied Paracelsus in seiner Klassifikation?
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Was bedeutet der Begriff 'lunatici' in der typologischen Unterscheidung von Paracelsus?
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Welche Lebensweise wird als 'vesani' von Paracelsus beschrieben?
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Was bedeutet 'Mutter' in Bezug auf vorgeburtliche Schäden laut Paracelsus?
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Was waren einige der Hauptbehandlungsmethoden in der Psychiatrie während der Weimarer Republik?
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Welche neue Patientengruppe entstand nach dem Ersten Weltkrieg und was war ihr Hauptmerkmal?
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Nenne eine invasive Behandlungsmethode, die in der Psychiatrie nach 1920 eingeführt wurde.
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Was geschah mit mindestens 296.000 Patientinnen und Patienten während des Nationalsozialismus?
Was geschah mit mindestens 296.000 Patientinnen und Patienten während des Nationalsozialismus?
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Welches Gesetz wurde 1933 verabschiedet, das Zwangssterilisierungen an bestimmten Gruppen ermöglichte?
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Wer waren Karl Binding und Alfred Hoche und was propagierten sie in ihrem Werk?
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Was waren einige der sozialen und therapeutischen Ansätze, die während der Weimarer Republik entwickelt wurden?
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Wie viele Zwangssterilisierungen fanden im Nationalsozialismus statt?
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Study Notes
Frühzeit der Hochkulturen
- Psychiatrie (psyches iatreion) bedeutet Heilstätte der Seele
- Altgriechische Übertragung einer Inschrift, ca. 3000 Jahre alt, fand man über einer Tempelbibliothek in Theben
- In Ägypten und Mesopotamien wurde die Behandlung durch Priesterärzte durchgeführt
- Symptome wurden auf Zauberei und Besessenheit zurückgeführt
- Herz gilt als Sitz von Denken und Fühlen
- Behandlung mit Ritualen, Amuletten und Beschwörungen, Heilpflanzen, Früchten, Öl, Honig, Heilschlaf und Traumdeutung
- Zwei Tendenzen bei psychischem Leid: naturhafte Erklärungen und kulturell-religiöse Deutungen
Griechische Antike: Hippokrates
- Hippokrates behauptete, dass die "heilige Krankheit" (ggf. Epilepsie) eine natürliche Ursache hat und lehnte magisch-theologische Erklärungen ab
- Die Menschen gaben Gottheiten die Schuld für ihre Hilflosigkeit (In Wirklichkeit war es das Gehirn, das krank ist)
- Hippokrates' Erklärungsmodell: Lebenshauch (Pneuma), der durch Atmung, Nahrung und Haut in den Körper gelangt und durch Schleim im Gehirn blockiert wird
Griechische und Römische Antike: Humoralpathologie
- Humoralpathologie (Säftelehre): Blut, Schleim, helle Galle und dunkle Galle in unterschiedlicher Mischung und Beschaffenheit (warm, kalt, trocken, feucht)
- Gesundheit bedeutet Harmonie der Körpersäfte
- Persönlichkeitenspsychologie: Melancholiker (furchtsam, scharfsinnig; dunkle Galle), Sanguiniker (heiter, einfältig; rotes Blut), Choleriker (jähzornig, mutig; gelbe Galle), Phlegmatiker (schwerfällig, ausdauernd; weißer Schleim)
Griechische und Römische Antike: Psychotherapie
- Neben somatischen Therapien gab es auch psychotherapeutische Ansätze
- "Öfter muss man dem Kranken zustimmen als ihm widersprechen und beim Reden seine Gedanken allmählich zur Vernunft zurückbringen" (Celusus)
Mittelalter: Krankheitskonzepte
- Problem der Unterscheidung von Krankheit, Besessenheit und heiliger Verzückung
- Bei der Bewertung von Visionen war der Inhalt entscheidend (gottgefällig oder nicht)
- Bei theologisch unverfänglichen Inhalten war die Medizin zuständig
- Neben antiken Modellen und Therapien spielten auch der Einfluss arabischer Ärzte und die Volksmedizin eine wichtige Rolle
- Ab dem 13. Jahrhundert verlagerte sich die medizinische Forschung & Ausbildung allmählich an die Universitäten
Mittelalter: Versorgungssituation
- Pflege vor allem in Familien, im Spätmittelalter erste Abteilungen in Krankenhäusern
- Manchmal wurden Wahnsinnige in Eisenkäfige oder Holzkäfige gesperrt
- Familienpflege (z. B. im flandrischen Geel ab dem 14. Jhd.)
- Spezialisierte Einrichtungen erst ab dem 15. Jhd. (in Bagdad schon ab dem 10. Jhd.)
Neuzeit: Hexenverfolgung
- Dämonologie und Sündentheorie verbanden sich mit Aberglauben, welches die Hexentheorie prägte.
- Ab 1450 führte die Hexentheorie zu Hexenverfolgungen
- Ca. 60.000 Todesopfer (75% Frauen)
- Johann Weyer (1515-1588) argumentierte, dass angebliche Hexen nicht schuldfähig seien, sondern „närrisch“ seien und sich die Verführung vom Teufel nur einbildeten.
- Nach heutigen Erkenntnissen hatten die meisten Opfer (und Täter) keine psychische Störung
Neuzeit: Paracelsus
- Kritik an Humoralpathologie, ohne Bezug zur Dämonologie
- Neben natürlichen Aspekten spielten auch personenbezogene Einflüsse eine Rolle bei der Krankheitsentstehung
- Klassifizierung von 5 Störungen: Epilepsie, Manie, Veitstanz, Verstandesstörungen, chronische Leiden
- Typologie von Erkrankten: Lunatici, Insani, etc
- Chirurgische Mittel gegen Manie (Blasenpflaster)
Neuzeit: William Battie
- Unterscheidung zwischen originärem Wahnsinn und folgendem Wahnsinn
- Vorläufer der Unterscheidung von endogenen und exogenen Psychosen
- „Führung erreicht viel mehr als Medizin“: frühe milieutherapeutische Ansätze (Ruhe, Disziplin, Mahlzeiten, kein Besuch, fern von Zuhause)
Behandlung im Tollhaus
- Ab dem 18. Jhd.: gemischte Asyle und Gefängnisse, mittellose Wahnsinnige
- Kombination aus Zucht-, Arbeits- und Tollhaus
- Staatliche Einrichtungen zur Landstreicherei, Wegelagerei, Bettelei
- Um 1800 entstand das Konzept, dass einige Insassen zur Vernunft zurückgeführt werden könnten.
- Beginn der modernen klinischen Psychiatrie.
Übergang zur modernen Psychiatrie
- Ein Großteil der untergebrachten Patienten wurde bis weit ins 19. Jahrhundert in Verliesen oder Sälen angekettet und mit wirkungslosen Kuren behandelt
- Zwei bedeutende Wegbereiter der modernen Psychiatrie, welche andere Wege einschlugen, waren Philippe Pinel (1745-1826) und William Tuke (1737-1822)
- Pinel leitete ab 1792 die berüchtigte Pariser Sammelanstalt Bicêtre, wo die Zwangsjacke erfunden wurde. Bis 1836 wurden auch Kriminelle dort untergebracht.
- Wichtige Beiträge: sorgfältige und langfristige Beobachtung, Förderung der Krankheitseinsicht, moralische Behandlung, paternalistische Milieutherapie (Heimatferne, Ruhe, Diät, körperliche Arbeit, strikte Regeln, bei Bedarf Isolierung & Zwang)
- Tuke war Tee- und Kaffehändler und gründete im nordenglischen York eine kleine private Einrichtung für Mitglieder seiner Quäkergemeinde.
- Im Retreat gab es keine Ketten und Zwangsjacken und außer warmen Bädern keine traditionellen ärztlichen Maßnahmen.
Übergang zur modernen Psychiatrie (Teil 2)
- Persönlichkeiten wie Johann Christian Reil (1759-1813) formulierten alternative Konzepte wie die Unterscheidung von „Irrenden“
- Reil lehnte Tollhäuser ab und befürwortete staatlich beaufsichtigte Anstalten mit geschultem Personal.
- Im Zentrum stand die Verwendung von Heilmethoden wie Ermahnungen, Belehrungen, angenehmen Reizen (wie Massagen, Wein etc.) sowie unangenehmen Reizen (wie Hunger, Durst, Peitschen) und symbolische Mittel (Theater, Musik, Poesie).
Veränderte Versorgungslandschaft (Mitte 19. Jhd.)
- Bevölkerungszuwachs, industrielle Produktion, Säkularisierung von Kirchenbesitz
- Aufschwung bei Syphilis & Alkoholismus
- Rapide steigende Patientenzahlen
Veränderungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert
- Entschlüsselung der infektiösen Ursachen der progressiven Paralyse als Endstadium der Syphilis.
- Untersuchung von Sprachstörungen durch Carl Wernicke.
- Neue Erkenntnisse in der Untersuchung der Struktur und Funktion der Gehirnzellen (Neuronentheorie).
- Entwicklung der Degenerationslehre durch Bénédict Morel, die besagt, dass erworbene psychische Störungen vererbbar und sich bei den Nachkommen verstärken.
- Sozioökonomische Verelendung und abweichendes Verhalten wurden biologisch erklärt (als „Entartung").
Wilhelm Griesinger
- Ursprünglich ein Internist, ab 1865 Direktor an der Berliner Charité.
- Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten (1845): erste vollständige Integration der theoretischen und praktischen Grundlagen der Psychiatrie.
- Etablierung der Psychiatrie als Teil der naturwissenschaftlich orientierten Medizin.
- Annahme 1: Psychische Krankheiten sind Erkrankungen des Gehirns.
- Annahme 2: Psychische Prozesse sind nicht unabhängig von der Organisation des Gehirns, sondern ergeben sich aus dessen Geschichte.
- Identifizierung von Symptomen als korreliert mit somatischen Prozessen.
- Melancholie und Manie als Grundformen psychischer Störungen (Modell der Einheitspsychose).
Versorgungssituation im späten 19. Jhd.
- Zunahme von Streitschriften von Betroffenen, die Missstände in Einweisungen, überfüllten Anstalten und Zwangsbehandlungen kritisierten.
- Forderung nach Reformen der „Irrengesetzgebung“.
- Zunahme der Patientenzahlen und Gründung von Großkliniken, auch mit Verschlechterung der Betreuungsqualität.
Emil Kraepelin
- Zentralfigur für die systematische Grundlegung der klinischen Psychiatrie und Wegbereiter des somatisch orientierten Mainstreams der modernen Psychiatrie.
- Experimentalpsychologie als Basis der Psychiatrie.
- Klinische Methode: detaillierte Erfassung von Symptomen, Verlauf und Entlassungsdiagnose.
- Revolution durch längsschnittorientierte Untersuchungen, da symptomatisch orientierte Untersuchungen nicht ausreichen.
- Reduzierung der Vielzahl von Krankheitsbezeichnungen.
- Unterscheidung von Dementia praecox (früherer Begriff für Schizophrenie) von manisch-depressiven Erkrankungen.
Emil Kraepelin: Klassifikation
- Unterscheidung zwischen endogenen und exogenen Störungen, organischen Störungen, psychogenen Störungen und psychopathischen Persönlichkeiten sowie geistigen Behinderungen.
- Grundlage für spätere Klassifikationssysteme.
- Forderung nach Heilanstalten für Alkoholiker.
Versorgungssituation im frühen 20. Jhd.
- Standardrepertoire: Bettbehandlung, Liegekuren, Beruhigungsmittel, warme Bäder.
- Nahrungsknappheit im 1. WK: Reduktion der Patientenzahlen.
- Neue Patienten: „Kriegszitterer" – Psychotraumatologie.
- Invasive Behandlungsmethoden (Insulinkur, Elektrokrampfbehandlung, Psychochirurgie)
- Erste sozialpsychiatrische Konzepte (soziale Arbeit, Nachsorge, Hausbesuche, Einbeziehung von Angehörigen, Arbeitstherapie etc)
- Verkürzung der stationären Behandlungen.
Psychiatrie im Nationalsozialismus
- Mindestens 296.000 Patientinnen und Patienten ermordet, davon 10.000 Kinder.
- 300.000-400.000 Zwangssterilisierungen.
- Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.
- Einrichtung von Erbgesundheitsgerichten, Gutachterausschüssen und erbbiologischen Beratungsstellen.
- Argumente von Erich Hoche und Karl Binding ("Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens")
Psychiatrie im Nationalsozialismus (Teil 2)
- Vernichtung schwer behinderter Kinder ab 1939 (Aktion T 4).
- Deportationen in Tötungsanstalten, z.B. durch Vergiftung mit Kohlenmonoxid.
Nachkriegszeit
- Einführung der Psychopharmaka ab den 1950er Jahren (Chlorpromazin, Imipramin, Librium, Lithium).
- Neurotransmitterhypothesen als ätiologische Arbeitsmodelle (Dopaminüberschuss, Serotoninmangel).
- Psychiatrie weiterhin als Verwahrungsanstalten
- Gemeindepsychiatrische Psychiatriereform in den 1970er Jahren.
Sozial- & Gemeindepsychiatrie
- Sozialpsychiatrie: Soziologie und Epidemiologie psychischer Störungen, Konzepte zum Aufbau dezentraler partizipativer Versorgungsstrukturen.
- Ziel ist die Gemeindepsychiatrie – eine vernetzte, multiprofessionelle Versorgungslandschaft.
- Offene Psychiatrien in USA, Frankreich, England, Skandinavien ab den 1950er Jahren.
- Reformen in der DDR früher als in der BRD.
- 1960er Jahre: sozialwissenschaftliche Psychiatriekritik („Antipsychiatrie").
- 1975: Bestandsaufnahme & Reformvorschläge („Psychiatrie-Enquete“)
- Gleichstellung psychisch und somatisch Kranker.
- Aufbau gemeindenaher Versorgung.
- Bedarfsgerechte, präventive, nachsorgende Hilfen.
Sozial- & Gemeindepsychiatrie (Teil 2)
- Standard-Versorgungsgebiete (250.000 Einwohner): ambulante Dienste, stationäre und teilstationäre Hilfen, komplementäre Einrichtungen.
- Stärkung des Berufsbilds des Klinischen Psychologen.
- Selbsthilfeinitiativen von Psychiatrieerfahrenen.
- Enthospitalisierung: nach Auflösung einer Bremer Klinik mussten von 240 Patienten nur 14 erneut stationär behandelt werden.
- Reformprojekte zunehmend professionalisiert und technokratisch, daher 1988 Forderung nach personenzentrierter Versorgung.
- Seit 1990er Jahren Leitidee der Partizipation („Trialog“ von Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen, Professionellen).
- Seit 2000ern Abbau sozialpsychiatrischer zugunsten neuropsychiatrischer Forschung.
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Description
Dieser Quiz beschäftigt sich mit der Rolle von Wilhelm Griesinger in der Psychiatrie sowie seinen grundlegenden Annahmen über psychische Krankheiten. Zudem werden seine Erkenntnisse zur Beziehung zwischen psychischen Symptomen und somatischen Korrelaten behandelt. Testen Sie Ihr Wissen über Griesingers Einfluss auf die moderne Psychiatrie und seine bedeutenden Werke.